Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.08.2018, Az.: 5 K 237/16

Streit um die Umsatzsteuerbefreiung von Intensivpflegeleistungen; Intensivpflegeleistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit einer Klinik

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.08.2018
Aktenzeichen
5 K 237/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73661
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: XI R 12/19

Tatbestand

Streitig ist, ob Intensivpflegeleistungen der Klägerin, die sie durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer in Krankenhäusern erbracht hat, von der Umsatzsteuer befreit sind.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit notariellem Vertrag vom ... . September 2012 gegründet wurde. Unternehmensgegenstand sind ausweislich des Gesellschaftsvertrages die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach Erlaubnis, Gesundheitsdienstleistungen, Personalvermittlung, Einzelhandel mit Waren, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen.

Für das Streitjahr 2012 rechnete die Klägerin Dienstleistungen in Höhe von 15.179 € gegenüber der Klinik A GmbH ab. Diesen Leistungen lag ein "Dienstleistungsvertrag", den die Klägerin und die Klinik A GmbH am ... . November 2012 geschlossen hatten, u. a. mit folgendem Inhalt (Bl 70 ff der Gerichtsakte - GA -) zugrunde:

"§ 1 Konditionen

Es gelten folgende Konditionen:

Honorar pro Stunde: Euro 47,50

Zuschläge je kumulierend:

Zuschlag für Samstag: 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr 20 %

Zuschlag für Sonntag: 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr 30 %

Zuschlag für Nachtarbeit: 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr 20 %

Mindesteinsatzzeit: pro Tag in 7,5

Spesen: pro Einsatztag Euro 20,-

Sonstiges: Einsatz in der Intensivpflege

§ 2 Zeitpunkt der Dienstleistung

14.11.2012 bis 23.11.2012 Schichtdienst nach Absprache

26.11.2012 bis 30.11.2012 Schichtdienst nach Absprache

03.12.2012 bis 07.12.2012 Schichtdienst nach Absprache

10.12.2012 bis 14.12.2012 Schichtdienst nach Absprache

17.12.2012 bis 21.12.2012 Schichtdienst nach Absprache

27.12.2012 bis 30.12.2012 Schichtdienst nach Absprache

§ 2 Inhalt des Vertrages

Der Auftraggeber beauftragt den Arbeitnehmer mit der Erbringung von Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen bestehen:

In der eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung von Krankenpflege und/oder Altenpflege in Kooperation mit den zu pflegenden Patienten/Heimbewohnern und den angestellten Pflegedienstmitarbeitern und Ärzten des Auftraggebers und niedergelassenen für die Patienten zuständigen Ärzten.

§ 3 Weisungsbefugnis des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer

Der Auftraggeber ist dem Auftragnehmer während der zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbarten Dienstzeiten nicht weisungsbefugt. Insbesondere hat der Auftraggeber keine Weisungsbefugnis im Hinblick auf die Gestaltung der Dienstzeiten. Die zwischen Auftragnehmer und Auftragnehmer vereinbarte Einsatzdauer und die vereinbarten Dienstzeiten werden im Dienstleistungsvertrag festgelegt.

Der Auftraggeber bzw. dessen Stellvertreter weist dem Auftragnehmer die zu pflegenden Patienten zu. Der Auftraggeber achtet hierbei darauf, die Anzahl der Patienten auf ein angemessenes Maß zu begrenzen. Der Auftraggeber orientiert sich hierbei an der Pflegebedürftigkeit der Patienten und an der Leistungsfähigkeit einer mindestens durchschnittlichen Pflegekraft.

§ 4 Hilfsmittel, Werkzeuge, Materialien

Die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Hilfsmittel Werkzeuge und Materialien hat grundsätzlich der Auftraggeber zu stellen.

§ 5 Dienstbekleidung

Der Auftraggeber wird dem Auftragnehmer unentgeltlich spezielle Kleidung zur Verfügung stellen.

§ 6 Honorar

Der Auftraggeber zahlt dem Auftragnehmer ein Honorar. Die Höhe des Honorars wird im Dienstleistungsvertrag festgelegt. Der Auftragnehmer hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, bezahlten Urlaub, Weihnachtsgeld oder sonstige Vergütungen. Abgerechnet werden tatsächlich angefangene Einviertelstunden.

§ 7 Haftung

Der Auftragnehmer haftet nicht für einfache Fahrlässigkeit. Dieser Haftungsausschluss gilt nicht für Körperschäden.

§ 8 Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer

Die besondere Fürsorgepflicht des Auftraggebers gegenüber seinen Angestellten findet auf diesen Vertrag keine Anwendung. Der Auftragnehmer kann - als Selbständiger - grundsätzlich auch mehr als zehn Stunden pro Tag eingesetzt werden.

§ 9 Rechnungsstellung

Der Auftragnehmer wird seine Rechnung über die von ihm erbrachte Dienstleistung wöchentlich, jeweils am Wochenanfang für die zurückliegende Woche rückwirkend, dem Auftraggeber vorlegen. Der Auftraggeber verpflichtet sich, den Rechnungsbetrag des Auftragnehmers bis zu dem in der Rechnung angegebenen Datum (in der Regel binnen 14 Tage nach Rechnungsstellung) direkt auf das Konto des Auftragnehmers zu überweisen. Bei Nichteinhaltung ist der Auftragnehmer berechtigt, Verzugszinsen mit 10 Prozentpunkten über dem aktuellen von der Deutschen Bundesbank festgelegten Basiszinssatz zu berechnen.

§ 10 Verhinderung des Auftragnehmers wegen Krankheit

Falls der Auftragnehmer die Dienstleistung wegen Krankheit nicht erbringen kann, wird der Auftragnehmer den Auftraggeber umgehend informieren. Es besteht kein Anspruch auf Honorarfortzahlung im Krankheitsfall. Bei Nichteinhaltung bereits vereinbarter Dienste, hervorgerufen durch höhere Gewalt, Krankheit und Ähnliches, entstehen dem Auftragnehmer keine Kosten. Finanzielle Mehraufwendungen durch Fremdbesetzung durch den Auftraggeber können an den Auftragnehmer nicht weitergegeben werden.

§ 11 Kündigung

Beide Vertragspartner können diesen Vertrag jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Kündigt der Auftraggeber vor Ablauf der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Dienstzeit, so endet der Honoraranspruch des Auftragnehmers mit dem Ende der für den Kündigungstag vereinbarten Dienstzeit.

§ 12 Sorgfalt und Haftung von Auftragnehmer und Auftraggeber

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig, sachgerecht und nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen. Er haftet dem Auftraggeber gegenüber für von ihm verursachte Schäden. Der Auftragnehmer hat zur Deckung derartiger Schäden eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Der Auftraggeber haftet dem Auftragnehmer für alle ihm aus seiner Tätigkeit für den Auftraggeber entstehenden Schäden, die diesem durch den Auftraggeber, dessen Mitarbeiter sowie dessen Heimbewohner / Patienten abgedeckt sind. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, über alle ihm bekannten Angelegenheiten des Auftraggebers Verschwiegenheit zu wahren. Diese Verpflichtung gilt über die Laufzeit dieses Vertrages hinaus.

§ 13 Gerichtsstand

Gerichtstand für sämtliche Streitigkeiten zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer ist Oldenburg.

§ 14 Auftragsannahme

Der Auftragnehmer ist berechtigt, jederzeit ohne Angabe von Gründen, Aufträge in Form von Diensten grundsätzlich abzulehnen."

In 2012 erbrachte die Klägerin gegenüber der Klinik A GmbH aufgrund des Vertrages vom ... . November 2012 ausschließlich Intensivpflegeleistungen in Krankenhäusern der Auftraggeberin durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, einem examinierten Kranken- und Intensivpfleger. In den folgenden Jahren habe die Klägerin Dienstleistungen gegenüber der Auftraggeberin auch durch andere Angestellte erbracht.

In der Umsatzsteuererklärung für 2012 vom 17. Dezember 2013 beantragte die Klägerin --unter Angabe umsatzsteuerpflichtiger Leistungen zum Regelsteuersatz in Höhe von 1.020 € sowie nicht zum Gesamtumsatz zu rechnende nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerbefreite Umsatzerlöse in Höhe von 15.179 €-- die Kleinunternehmerregelung.

Durch Umsatzsteuerbescheid vom 5. Januar 2016 setzte das beklagte Finanzamt unter Anwendung von § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die Umsatzsteuer auf 2.117,25 € herauf. Dabei setzte es Umsätze aus Lieferungen und Leistungen zu 19 % in Höhe von 12.755 € sowie unentgeltliche Wertabgaben für sonstige Leistungen zu 19 % in Höhe von 1.020 € an und schätzte Vorsteuern in Höhe von 500 €.

Das Finanzamt begründete die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung damit, dass die in der Umsatzsteuererklärung als steuerfrei angegebenen Umsätze nicht der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG unterfielen.

§ 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG sei nicht einschlägig, weil die Klägerin Krankenhausbehandlungen tätige.

§ 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG komme nicht zur Anwendung, da die Klägerin nicht zu den dort genannten Einrichtungen gehöre. Die Tätigkeit der Klägerin sei nicht mit der einer Beleghebamme oder Belegärztin vergleichbar. Die Klägerin schulde dem Krankenhaus Arbeitsleistungen und mit den Patienten bestünden keine Vertragsverhältnisse.

Den Einspruch hiergegen wies der Beklagte durch Einspruchsbescheid vom 21. September 2016 als unbegründet zurück. Die Umsätze aus den Intensivpflegeleistungen seien weder nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG noch nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG von der Umsatzsteuer befreit, da die Klägerin Intensivpflegeleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG im Krankenhaus erbracht, selbst jedoch kein Krankenhaus betrieben oder die in § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 UStG aufgeführten Kriterien erfüllt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird insofern auf den Einspruchsbescheid (Bl. 26 - 31 GA) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 € begehrt.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass die von ihr erbrachten Leistungen von der Umsatzsteuer befreit seien. Jedenfalls könne sie sich insofern auf Unionsrecht berufen. Insofern werde auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) hingewiesen. Danach befreiten die Mitgliedsstaaten Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen dieser Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, und Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlungen und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt und bewirkt werden, von der Umsatzsteuer.

Insofern werde die Ungleichbehandlung des selbständig (freiberuflich) tätigen Intensivkrankenpflegers und der im Streitjahr von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen gerügt. Art und Umfang der Leistungen sowie der Ort der Leistungserbringung seien vergleichbar.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2012 unter Abänderung des Bescheides vom 5. Januar 2016 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21. September 2016 auf 0 € herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich zur Begründung seines Klagabweisungsantrages auf die im Vorverfahren vertretene Auffassung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet

Der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 5. Januar 2016 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Recht hat der Beklagte die streitbefangenen Leistungen der Klägerin gegenüber der Klinik A GmbH der Umsatzsteuer unterworfen. Diese Dienstleistungen sind umsatzsteuerbar und -steuerpflichtig; die streitbefangenen Leistungen sind insbesondere nicht durch § 4 Abs. 14 Buchst. a oder b UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b oder c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit.

Die streitbefangenen Umsätze der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei und die Klägerin kann sich auch nicht auf die Steuerfreiheit von Krankenhausleistungen nach Unionsrecht berufen.

§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung befreit Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden.

Nach Satz 2 sind diese Leistungen u.a. auch steuerfrei, wenn sie von aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Sozialgesetzbuch (SGB) V, bb) Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 SGB V gelten, cc) Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 SGB VII an der Versorgung beteiligt worden sind, dd) Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a SGB V bestehen, ee) Rehabilitationseinrichtungen, mit denen Verträge nach § 21 SGB IX bestehen, ff) Einrichtungen zur Geburtshilfe, für die Verträge nach § 134a SGB V gelten, oder gg) Hospizen, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 SGB V bestehen, erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem SGB jeweils bezieht.

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Steuerfrei sind danach "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden".

Danach sind die streitbefangenen Pflegeleistungen der Klägerin, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, nicht von der Umsatzsteuer befreit. Die Klägerin hat ihre Intensivpflegeleistungen im Streitjahr zwar ausschließlich in Krankenhäusern ihrer Auftraggeberin, der Klinik A GmbH, erbracht. Aber bei der Klägerin handelt es sich weder um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG noch um eine entsprechende private Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG.

Die streitbefangenen Umsätze der Klägerin sind auch nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Diese Vorschrift setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der MwStSystRL und Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie) sind in gleicher Weise auszulegen; daher kann auch die EuGH-Rechtsprechung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-Richtlinie zur Auslegung herangezogen werden. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ist im Lichte dieser Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.10.2014 XI R 13/14, HFR 2015, 278 m. w. N.).

Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Buchst. b und c des Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL hat der EuGH entschieden, dass das Kriterium, das für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände zu berücksichtigen ist, weniger in Zusammenhang mit der Art der Leistung als vielmehr mit dem Ort ihrer Erbringung steht. So bezieht sich Buchst. b der genannten Normen auf Leistungen, die in Krankenhäusern erbracht werden, während sich Buchst. c auf diejenigen Heilbehandlungen bezieht, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, erbracht werden (EuGH Urteile LuP, EU:C:2006:380, HFR 2006, 831, Rz 46; vom 10.06.2010 EU:C:2010:328, CopyGene , HFR 2010, 886, Rz. 27; und vom 21.03.2013 EU:C:2013:198, PFC Clinic, HFR 2013, 458, Rz. 24).

Der BFH hat sich dem angeschlossen und entschieden, dass "der EuGH die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG von den ärztlichen Heilbehandlungen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden, nach dem Ort ab[grenzt], an dem die Leistungen erbracht werden (Rz 22 und 39 des EuGH-Urteils LuP, EU:C:2006:380). Nach Buchst. c sollen Leistungen steuerfrei sein, die außerhalb von Krankenhäusern (oder ähnlichen Einrichtungen) im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses erbracht werden, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, für alle anderen ärztlichen Leistungen soll Buchst. b eingreifen" (BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, BFHE 217, 48 [BFH 01.02.2007 - V R 41/04], BStBl II 2008, 31 [BFH 15.03.2007 - V R 55/03], unter II.1.b; vgl. auch BFH Urteil vom 24. August 2017 V R 25/16, BFHE 259,171).

Der unionrechtlichen Systematik hat auch der Gesetzgeber durch eine Anpassung des § 4 Nr. 14 UStG im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 Rechnung getragen. Wie sich aus der amtlichen Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/10189, S. 74) ergibt, bezweckte der nationale Gesetzgeber damit ausdrücklich eine Anpassung an die unionsrechtliche Systematik: "Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände in Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b und c MwStSystRL ist weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Der EuGH hat festgestellt, dass solche Leistungen nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien sind, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlichen Gesundheit bestehen, während Buchstabe c auf Leistungen anwendbar ist, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z.B. in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil Dornier vom 6. November 2003 C-45/01, EU:C:2003:595, Rz 47)".

Nach diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat anschließt, fallen die vorliegend streitigen Umsätze nicht in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG. Denn die Klägerin hat die streitbefangen Pflegeleistungen ausschließlich in Räumen der Krankenhäuser ihrer Auftraggeberin, der Klinik AGmbH, erbracht, so dass auf die streitbefangenen Dienstleistungen grundsätzlich nicht die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG anwendbar ist.

Soweit der BFH die Anwendung § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG u. a. auf Dienstleistungen von Belegärzten und Beleghebammen für anwendbar hält, ist zu berücksichtigen, dass Belegärzte und Beleghebammen ihre eigenen Patienten in Räumen eines Krankenhauses unter Inanspruchnahme der Infrastruktur des Krankenhauses behandeln.

Ein solche Ausnahmesituation ist vorliegend gerade nicht gegeben. Die Klägerin behandelt in den Krankenhäusern nicht ihre eigenen Patienten. Sie hat vielmehr Intensivpflegeleistungen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der Klinik A GmbH im Auftrag des jeweiligen Krankenhauses im Schichtdienst anstelle angestellter Pflegekräfte gegen Zahlung eines Stundenlohnes gegenüber Patienten des Krankenhauses --ohne Begründung eigener Vertragsbeziehungen mit Patienten und ohne Begründung eines Liquidationsrechts--: erbracht; insofern war ausschließlich der Krankenhausträger gegenüber den Patienten abrechnungsberechtigt. Gründe für die Anwendung der Ausnahmeregelung für Belegärzte und Beleghebammen bestehen daher nicht. Im Gegenteil erbringt die Klägerin ihre Leistungen nicht in eigener Person, sondern im Streitjahr durch ihren angestellten Geschäftsführer (und -wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt-- in der Folgezeit auch durch weitere Angestellte) nach Art eines Zeitarbeitsunternehmens. So hat auch der BFH entschieden, die Umsätze eines Zeitarbeitsunternehmens, das staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit sind (BFH Beschluss vom 22. Juli 2015 V R 20/12, UR 2015, 877).

Ein Abzug weiterer Vorsteuern -über die vom Beklagten im Schätzungswege angesetzten 500 € hinaus-- kommt nicht in Betracht. Insofern fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der Klägerin, dass sie zum Vorsteuerabzug berechtigenden Eingangsleistungen im Sinne des § 15 UStG bezogen habe.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.