Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.05.1991, Az.: 1 Ss (OWi) 95/91
Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot im Verkehr mit der DDR nach deren Beitritt zur BRD; Sonntagsfahrverbot im Interzonenverkehr mit der ehemaligen DDR
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.05.1991
- Aktenzeichen
- 1 Ss (OWi) 95/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1991, 12123
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1991:0514.1SS.OWI95.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Hildesheim - 20.02.1991 - AZ: 35 Js 2328/91
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StVO
- § 49 Abs. 1 Nr. 25 StVO
Fundstelle
- NZV 1991, 363 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Verkehrsordnungswidrigkeit.
Amtlicher Leitsatz
Die Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot für Fahrten im Verkehr mit der DDR ist durch deren Beitritt seit dem 3. Oktober 1990 gegenstandslos.
Auf die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen
gegen das Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 20. Februar 1991
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 14. Mai 1991
durch
den Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe
I.
Der Richter beim Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Sonntagsfahrverbot (§§ 30 Abs. 3, 49 Abs. 1 Nr. 25 StVO) zu einer Geldbuße von 200,00 DM verurteilt.
Hiergegen richtet sich die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge.
Nach den Feststellungen transportierte der Betroffene - ein selbständiger Fuhrunternehmer - am 20.10.1990 (Sonnabend) mit seinem Lkw mit Anhänger Möbel nach .... Am 21.10.1990 (Sonntag) fuhr er nach Hamburg zurück und gelangte gegen 13.45 Uhr auf der Bundesautobahn A 7 in die Gemarkung .... Er kannte weder das Sonntagsfahrverbot (§ 30 Abs. 3 StVO) noch die Ausnahmeregelung gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 StVO.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, weil - soweit ersichtlich - bisher noch keine Entscheidung eines Oberlandesgerichts zur Fortgeltung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StVO nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes ergangen ist. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Das sogenannte Sonntagsfahrverbot für Lastkraftwagen wurde durch Art. 2 Nr. 5 der Verordnung vom 14.03.1956 (BGBl I 199, 206) als § 4 a in die StVO 1937 eingefügt. Ausgenommen von dem Verbot waren Fahrten im Interzonenverkehr. In der StVO 1970 wurde das Sonntagsfahrverbot in § 30 Abs. 3 und 4 StVO geregelt. Nach der neu gefaßten Vorschrift dürfen nunmehr an Sonntagen und Feiertagen in der Zeit von 0.00 bis 22.00 Uhr Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen nicht verkehren. Ausgenommen von dem Verbot sind nach dieser Vorschrift wiederum Fahrten von und nach Berlin sowie im Verkehr mit der DDR. Während also Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht bis zu 7,5 t von dem Fahrverbot nicht erfaßt werden, gilt das Verbot für Anhänger hinter jedem Lastkraftwagen unabhängig von dessen Gewicht.
Der Verordnungsgeber sah sich zur Einführung des Sonntagsfahrverbots veranlaßt, weil der Straßenverkehr an Sonn- und Feiertagen ein solches Ausmaß angenommen hatte, daß Einschränkungen erforderlich waren. An diesen Tagen wurde dem Personenverkehr der Vorzug gegeben. Dringende Transporte sollten nach der Vorstellung des Verordnungsgebers mit kleineren Fahrzeugen durchgeführt werden, bei denen der finanzielle Anreiz zur sonntäglichen Benutzung weniger groß ist (vgl. amtliche Begründung VkBl 1956, 418, 425). Zweck der in § 30 Abs. 3 Nr. 1 getroffenen Ausnahmeregelung war es, den Berlin-Verkehr und den Verkehr mit der ehemaligen DDR zu begünstigen. Dadurch wurden die früher erforderlichen befristeten Dauer-Ausnahmegenehmigungen entbehrlich. Fahrten im Verkehr mit der DDR waren u. a. aufgrund der intensiven Grenzkontrollen und der damit verbundenen längeren Wartezeiten mit erheblichen Erschwernissen belastet. Ohne die Ausnahmeregelung im Verkehr mit der DDR hätten Fahrzeugführer häufig schon einen Tag früher anfahren oder auf der Rückfahrt an der Grenze zur Bundesrepublik den Sonntag abwarten müssen.
Mit dem Beitritt ist die Ausnahmeregelung für den Verkehr mit der DDR auch ohne ausdrückliche Regelung im Einigungsvertrag gegenstandslos geworden. Sie kann nicht dahin ausgelegt werden, daß sie nunmehr für den Verkehr mit den neuen Bundesländern gelte, weil ihre Veranlassung ebenfalls weggefallen ist: der Verkehr wird nicht mehr durch Grenzkontrollen erschwert (vgl. auch Jagusch/Hentschel, 31. Aufl. § 30 Rdnr. 12).
Auch im übrigen läßt die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils einen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler nicht erkennen. Ein vermeidbarer Verbotsirrtum ist ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.