Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 16.02.2022, Az.: 6 A 287/21

Ausschluss von der Förderung; Bachelorabschluss; Förderung; Ausschluss; formelle Gleichwertigkeit; Formelles Vorhandensein eines ausländischen Hochschulabschlusses; formelle Gleichwertigkeit; ausländischer Hochschulabschluss; Verwertbarkeit eines ausländischen Hochschulabschlusses; Aufstiegsfortbildungsförderung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
16.02.2022
Aktenzeichen
6 A 287/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 14308
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2022:0216.6A287.21.00

Amtlicher Leitsatz

Der Ausschluß von der Förderung nach § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG greift in den Fällen nicht, in denen die zuständige Stelle es abgelehnt hat, einen ausländischen Hochschulabschluß als gleichwertig anzuerkennen.

Tenor:

Der Bescheid vom 10. Dezember 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2021 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin antragsgemäß Aufstiegsfortbildungsförderung zu bewilligen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin möchte Aufstiegsausbildungsförderung erhalten.

Die Klägerin beantragte am 12. Oktober 2020 die Förderung einer Fortbildung als Bilanzbuchhalterin IHK, und zwar für einen Lehrgang, der von Oktober 2020 bis Januar 2022 jeweils sonnabends und sonntags stattfinden sollte. Die Lehrgangsgebühr beträgt 3 895 Euro. Sie gab dazu an, dass sie von 1985 bis 1991 eine Ausbildung an der Pädagogische Hochschule in G. absolviert habe, von "2008" bis Juni 2001 eine VHS-Ausbildung als Finanzbuchhalterin und von 2001 bis 2003 eine VHS-Ausbildung als Fachkraft Lohn-Gehalt. Bei dem Studium habe es sich um ein pädagogisches Studium in Russisch und Literatur gehandelt. Dieses Studium habe sie mit dem Diplom zur Ausübung eines pädagogischen Lehrberufs abgeschlossen.

Die Beklagte lehnte am 10. Dezember 2020 den Antrag der Klägerin ab. Das begründete die Beklagte wie folgt: Nach § 9 Absatz 4 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) werde eine Förderung auch geleistet, wenn der Antragsteller als höchsten Hochschulabschluss über einen Bachelorabschluss oder einen vergleichbaren Hochschulabschluss verfüge. Wenn der Teilnehmer bereits über einen staatlichen oder staatlich anerkannten höheren Hochschulabschluss oder einen nach dem Hochschulrecht der Länder als gleichwertig anerkannten sonstigen Abschluss verfüge, werde Förderung nicht geleistet. Die Klägerin habe bereits das Studium als "Mathematiklehrerin" erfolgreich abgeschlossen. Damit verfüge sie über einen Abschluss über dem Bachelor-Niveau. Deshalb könne ihrem Antrag nicht stattgegeben werden.

Dagegen erhob die Klägerin am 23. Dezember 2020 Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass ihr Diplom in Deutschland nicht anerkannt werde. Es sei ihr nur das Abitur anerkannt worden. Nur deshalb habe sie einen vollkommen neuen Beruf erlernt. Dem Widerspruch fügt die Klägerin eine Bescheinigung der Bezirksregierung Hannover vom 29. Januar 1999 bei. Darin wird das H. Diplom als Berechtigung zur Aufnahme eines Studiums in Deutschland in allen Fächern und Fachrichtungen anerkannt. Diese Studienberechtigung schließt die allgemeine Hochschulreife ein. In einem Schreiben vom 22. Januar 1999 zu dieser Bescheinigung teilt die Bezirksregierung Hannover mit, dass das Diplom nicht als unmittelbar gleichwertig mit der deutschen Erzieherausbildung anerkannt werden könne. Grund dafür sei, dass in der Ausbildung der Klägerin insbesondere die Schwerpunkte der Jugendarbeit, der Behindertenarbeit und der Heimarbeit fehlten.

Am 21. Januar 2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und gab der Klägerin die Verfahrenskosten auf. Nach § 9 Absatz 4 AFBG werde die Förderung geleistet, wenn der Teilnehmer als höchsten Hochschulabschluss über einen Bachelorabschluss oder einen vergleichbaren Abschluss verfüge. Wenn der Teilnehmer über einen höheren Abschluss verfüge, werde Förderung nicht geleistet. Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen habe festgestellt, dass ein I. Studienabschluss als Lehrer der sogenannten "Äquivalenzklasse" des Hochschuldiploms entspreche. Dieser liege über dem Bachelorabschluss. Es könne nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden, dass die Klägerin einen vollständig neuen Beruf ergreifen müsse, weil dieser Abschluss auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht verwertbar sei.

Die Klägerin hat am 26. Februar 2021 Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Januar 2021 erhoben und diesen Widerspruchsbescheid als Anlage beigefügt. - Klageanträge und Klagebegründung blieben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.

Am 4. März 2021 übermittelte die Klägerin den Bescheid vom 10. Dezember 2020 per Telefax und erklärte, dass sich die Klage auch gegen diesen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 richte.

Die Klage sei nicht verfristet. Dass sie sich von vorneherein auch gegen den Ausgangsbescheid richten sollte, werde schon darauf deutlich, dass dieser mit dem Widerspruchsbescheid inhaltsgleich sei.

Jedenfalls stehe der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu. Sie und die Prozessbevollmächtigte treffe an der Fristversäumung kein Verschulden. Die Prozessbevollmächtigte habe die Klage am 26. Februar 2021 unterschrieben. Auf der ersten Seite habe die Bezugnahme auf den Ablehnungsbescheid gefehlt und es sei ein Fehler in der Adresse der Beklagten gewesen. Deshalb sei die erste Seite von der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau J. neu geschrieben worden. Dabei sei versehentlich die Korrektur hinsichtlich des Ablehnungsbescheids nicht umgesetzt worden. Entgegen der allgemeinen Anweisung, dass jedes zur Fristwahrung bestimmte Schreiben auch dann nach Korrektur erneut vorzulegen sei, wenn es bereits unterschrieben sei, sei dieses Schreiben nicht noch einmal vorgelegt worden. Frau J. sei geprüfte Rechtsfachwirtin, sie sei seit elf Jahren in der Kanzlei tätig und sei erprobt und zuverlässig. Von der Prozessbevollmächtigten wiederholt durchgeführte Kontrollen hätten nicht zu Beanstandungen geführt. Dazu hat sie eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin eingereicht.

Die Klägerin habe nach § 9 Absatz 4 AFBG einen Anspruch auf die beantragte Förderung. Der Ausschlussgrund, dass Förderung nicht geleistet werde, wenn der Teilnehmer über einen staatlichen oder staatlich anerkannten höheren Hochschulabschluss verfüge, liege nicht vor. Denn das Diplom der Klägerin sei in Deutschland nicht anerkannt worden. Die Beklagte verkenne, dass die staatliche Anerkennung gerade Voraussetzung für den Ausschluss sei.

Die Klägerin beantragt,

der Klägerin wegen der Versäumung der Klagefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und

den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin antragsgemäß Aufstiegsfortbildungsförderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend: Die Klage gegen den Bescheid vom 26. Februar 2021 sei verfristet. Soweit die Klage sich gegen den Widerspruchsbescheid richte, sei sie unbegründet. Nach § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG werde Förderung nicht geleistet, wenn der Teilnehmer bereits einen staatlichen oder staatlich anerkannten höheren Hochschulabschluss als einen Bachelorabschluss habe. Die Klägerin habe einen solchen höheren Hochschulabschluss. § 9 Absatz 4 AFBG sei dahin zu verstehen, dass eine formelle Gleichwertigkeit des Abschlusses oder das formale Vorhandensein des Abschlusses maßgeblich sein sollen. Es sei nicht Voraussetzung, dass der Abschluss tatsächlich verwertbar sei. Dafür beruft die Beklagte sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 2. November 2021 (3 A 3499/11).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte mit den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beklagten Bezug genommen, der Beiakte BA001.

Entscheidungsgründe

Die Erweiterung der Klage auf die Anfechtung des Bescheids vom 10. Dezember 2020 ist zulässig.

Die Klage richtete sich ursprünglich nur gegen den Widerspruchsbescheid. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Schreibens vom 26. Februar 2021. Es trifft nicht zu, dass ersichtlich gewesen wäre, dass die Klage sich auch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2020 richten sollte, weil dieser inhaltsgleich mit dem Widerspruchsbescheid sei. Denn die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte den Bescheid vom 10. Dezember 2020 der Klage nicht beigefügt. Auch andere Anhaltspunkte, die darauf hinwiesen oder es hätten ersichtlich machen können, dass der Bescheid vom 10. Dezember 2020 angegriffen werden sollte, sind nicht vorhanden.

Die Erweiterung der Klage auf den Bescheid vom 10. Dezember 2020 ist nach § 91 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Nach dieser Vorschrift ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Änderung ist sachdienlich, denn sie erlaubt, den Streit über die Förderfähigkeit der Fortbildungsmaßnahme umfassend zu entscheiden.

Die Klage ist zulässig. Zwar ist die Klage erst nach Ablauf der Klagefrist von einem Monat gemäß 74 Absatz 1 VwGO auf den Bescheid vom 10. Dezember 2020 erstreckt worden. Aber der Klägerin ist gegen die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Absatz 1 VwGO zu bewilligen.

Nach § 60 Absatz 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Klagefrist einzuhalten. Denn sie hat dargelegt, dass die Klage sich schon von Anfang an auch auf den Bescheid vom 10. Dezember 2020 beziehen sollte. Dass dieser in dem Schreiben vom 26. Februar 2021 nicht ausdrücklich erwähnt wird, beruht nach der Glaubhaftmachung auf einem Versehen: Die Prozessbevollmächtigte hatte diesen Fehler bemerkt, als sie das Schreiben unterzeichnete. Sie hatte die entsprechende Korrektur angewiesen. Diese sei aber versehentlich unterblieben und das Schreiben sei der Prozessbevollmächtigten entgegen ihrer allgemeinen Weisung auch nicht vor Abgang erneut vorgelegt worden, so dass sie den Fehler nicht bemerken konnte. Das Versehen ist einer zuverlässigen, erfahrenen und qualifizierten Mitarbeiterin der Klägerin unterlaufen, bei der sich bei Kontrollen keine Beanstandungen ergeben hätten.

Die Wiedereinsetzung ist innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gemäß § 60 Absatz 2 Satz 1 VwGO beantragt worden und die Tatsachen zur Begründung sind glaubhaft gemacht worden. Die Prozessbevollmächtigte hat am 4. März 2021 die Klage auf den Ausgangsbescheid erweitert. Das Hindernis war im Sin des § 60 Absatz 2 Satz 1 VwGO mit dem Hinweis des Gerichts weggefallen, dass die Klage sich nur gegen den Widerspruchsbescheid richte. Die Prozessbevollmächtigte hat dazu in der mündlichen Verhandlung dazu anhand ihrer Handakte nachvollziehbar gemacht, dass die Eingangsbestätigung des Gerichts mit diesem Hinweis nach ihrem Eingangsstempel bei ihr am 3. März 2021 eingegangen war.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 10. Dezember 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2021 sind rechtswidrig und der Klägerin steht der geltend gemacht Anspruch zu.

Zwischen den Beteiligten ist nur die persönliche Förderfähigkeit der Klägerin streitig. Die persönliche Förderfähigkeit liegt vor.

Die Klägerin gehört zu dem förderfähigen Personenkreis nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 AFBG. Nach dieser Vorschrift wird die Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Unionsbürgern geleistet, die ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU besitzen, sowie anderen Ausländern, die eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen. Die Klägerin ist bei Antragstellung K. gewesen, nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ist sie inzwischen eingebürgert.

Die Förderung ist nicht nach § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG ausgeschlossen. Förderung wird nach dieser Vorschrift nicht geleistet, wenn der Teilnehmer bereits einen staatlichen oder staatlich anerkannten höheren Hochschulabschluss als den Bachelorabschluss oder einen diesem vergleichbaren Hochschulabschluss erworben hat oder wenn er einen nach dem Hochschulrecht der Länder als gleichwertig anerkannten sonstigen Abschluss erworben hat.

Der H. Abschluss der Klägerin ist kein staatlicher oder staatlich anerkannter höherer Hochschulabschluss in diesem Sinn. Es bleibt dahingestellt, ob die Hochschule in G. eine staatliche Hochschule ist. Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist das der Fall, aus den Unterlagen ist allerdings nur ersichtlich, dass die Prüfung von einer staatlichen Prüfungskommission abgenommen wurde, nicht aber von der Hochschule selbst. Denn jedenfalls ist der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, § 9 Absatz 4 AFBG sei dahin zu verstehen, dass eine formelle Gleichwertigkeit des Abschlusses oder das formale Vorhandensein des Abschlusses auch in einem Fall wie dem der Klägerin maßgeblich sein sollen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich für dieses Verständnis nichts aus der Gesetzesbegründung zu § 9 Absatz 4 (BT-Drs. 18/7055, S. 37 f.). Dort ist zwar ausgeführt, dass höhere Hochschulabschlüsse auf Master-Ebene (DQR-Niveau 7) weiterhin zu einem Ausschluss der persönlichen Förderfähigkeit führen. Jedoch ergibt sich nichts dafür, dass damit auch solche ausländischen Abschlüsse gemeint sein sollen, deren Anerkennung in Deutschland abgelehnt worden ist.

Dem Verständnis der Beklagten des § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG steht für den Fall der Klägerin der Gesetzeszweck entgegen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich sogrdas Gegenteil. Im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7055 S. 17) heißt es:

"Das AFBG verbindet dabei ein anreizorientiertes Förderangebot durch die einkommensunabhängige Förderung der Lehrgangs- und Prüfungskosten - sowie zusätzlicher Kinderbetreuungskosten bei Alleinerziehenden - bei Teil- und Vollzeitmaßnahmen mit einer einkommens- und vermögensabhängigen Bezuschussung des Unterhaltsbedarfs bei Vollzeitmaßnahmen mit einer ausgeprägten Familienkomponente. Seit Einführung des AFBG muss daher niemand auf einen Aufstieg im beruflichen System verzichten, nur weil er den Lebensunterhalt seiner Familie während einer Vorbereitungsmaßnahme oder die Kosten für diese Fortbildung nicht aufbringen kann.

Ein solcher Aufstieg bietet nicht nur individuelle Chancen auf mehr berufliche Verantwortung, mehr Einkommen und eine erfolgreiche Selbstständigkeit, sondern ist volkswirtschaftlich elementar: Absolventen beruflicher Aufstiegsfortbildungen sind nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte, Mittelständler, Handwerksunternehmer oder dringend benötigte Fach- und Führungskräfte in den Gesundheits-, Pflege und Sozialberufen, sondern auch Arbeitgeber, Ausbilder und vor allem Vorbilder für die nächsten Generationen dringend benötigter Fachkräfte. Das Handwerk spricht von 200 000 anstehenden Betriebsnachfolgen in den kommenden zehn Jahren."

Damit wird ersichtlich nur auf die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland Bezug genommen, ebenso auf den hier bestehenden Fachkräftebedarf. Diese Bewertung wird dadurch bestätigt, dass die Gesetzesbegründung (a.a.O. S. 18 f.) weiter ausführt:

"Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung zur Stärkung des dualen Systems der beruflichen Bildung in Deutschland ein zentrales Vorhaben des Koalitionsvertrages für die 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages ebenso wie eine Zusage des Bundes in der "Allianz für Aus- und Weiterbildung 2015-2018" aus dem Dezember 2014 umsetzen...

Mit dem zweiten Schritt der Novellierung des AFBG selbst werden darüber hinaus folgende Ziele verfolgt:

- Stärkung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland,

- Sicherung des Fach- und Führungskräftenachwuchses aus dem dualen System der beruflichen Bildung für die deutsche Wirtschaft,

- Steigerung der individuellen Fortbildungsmotivation mit dem Ziel, entsprechende Fach- und Führungsaufgaben zu übernehmen,

- Steigerung der Attraktivität des dualen Systems der beruflichen Bildung in Deutschland, ..."

Damit wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Förderung auf die berufliche Bildung für den Arbeitsmarkt in Deutschland angelegt ist.

Zwar ist für eine systematische Auslegung zu berücksichtigen, dass § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG eine Ausnahme von Satz 1 regelt. Nach Satz 1 wird Förderung auch geleistet, wenn der Teilnehmer bei Antragstellung als höchsten Hochschulabschluss bereits über einen Bachelorabschluss oder einen diesem vergleichbaren Hochschulabschluss verfügt. Satz 1 regelt nichts zu der Frage, ob es sich um einen inländischen oder einen ausländischen Abschluss handeln muss. Dass Ausländer nach § 8 Absatz 1 AFBG zum förderfähigen Personenkreis gehören und dass es ein Ziel des Änderungsgesetzes von 2016 ist, die Förderung auszuweiten, spricht dafür, dass sowohl inländische als auch ausländische Abschlüsse gemeint sind.

Das Ineinandergreifen von Satz 1 und Satz 2 führt gleichwohl nicht dazu, dass ein ausländischer Abschluss bereits wegen seines formalen Vorhandenseins von Satz 2 erfasst wird (so auch VG Osnabrück, Urteil vom 3. Juli 2012 - 1 A 60/12 zur alten Rechtslage). Denn das Ziel des Gesetzes ist nach den oben zitierten Ausführungen aus der Gesetzesbegründung, die Bildung von Fachkräften für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland zu fördern - und das sogar in einem weiteren Umfang als nach der Rechtslage vor 2016. Es würde diesen Gesetzeszweck unterlaufen, wenn § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG in der jetzt geltenden Fassung so verstanden würde, dass er die Ansprüche auf Förderung gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage einschränkte. § 9 Absatz 4 Satz 2 AFBG in der jetzt geltenden Fassung greift § 6 Absatz 1 Satz 2 der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1996 auf. Zu jener Regelung heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/3698 S. 16):

"Die Förderung nach diesem Gesetz soll dem einzelnen den beruflichen Aufstieg oberhalb des Niveaus der Gesellen, Facharbeiter oder Gehilfen finanziell ermöglichen. Ist die Voraussetzung für einen beruflichen Aufstieg bereits durch eine Fortbildungsmaßnahme gegeben oder liegt bereits eine Qualifikation vor, die den in § 2 genannten Fortbildungszielen zumindest gleichwertig ist (z. B. ein Hochschulabschluß), kann eine weitere Maßnahme grundsätzlich nicht mehr gefördert werden. Dabei ist es unerheblich, ob die erste Maßnahme nach diesem Gesetz gefördert oder mit der Abschlußprüfung erfolgreich abgeschlossen worden ist. Ausnahmsweise kann eine zweite Maßnahme gefördert werden, wenn die Zugangsmöglichkeit hierzu erst durch das Erreichen des ersten Fortbildungsziels eröffnet worden ist."

Diese Ausführungen zeigen, dass § 6 a.F. und § 9 der gegenwärtig geltenden Fassung im Zusammenhang mit den Fortbildungszielen zu verstehen sein sollen. Als Fortbildungsziel ist in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AFBG a.F. legaldefiniert: Abschlüsse auf der Grundlage der §§ 46, 81 und 95 - zuletzt: §§ 53 und 54 - des Berufsbildungsgesetzes und der §§ 42, 45 und 122 - zuletzt: §§ 42, 42a, 45, 51a und 122 - der Handwerksordnung oder vergleichbare Abschlüsse nach bundes- und landesrechtlichen Regelungen - zuletzt: gleichwertige Fortbildungsabschlüsse nach bundes- oder landesrechtlichen Regelungen oder gleichwertige Fortbildungsabschlüsse an anerkannten Ergänzungsschulen auf der Grundlage staatlich genehmigter Prüfungsordnungen. Diese Fortbildungsziele sind ausschließlich solche, die in bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften geregelt sind. Das Fortbildungsziel ist seinerseits nach der oben zitierten Gesetzesbegründung eine Funktion des beruflichen Aufstiegs oberhalb des Niveaus der Gesellen, Facharbeiter oder Gehilfen. Der Ausschluss nach § 6 Absatz 1 Satz 2 a.F. ist für diejenigen Fälle vorgesehen, in denen diese Funktion des beruflichen Aufstiegs bereits durch den Hochschulabschluss herbeigeführt wird. Einen solchen beruflichen Aufstieg oberhalb des Niveaus der Gesellen, Facharbeiter oder Gehilfen kann ein ausländischer Hochschulabschluss nur bewirken, wenn er im Sinn der Ausführungen der Beklagten in Deutschland "verwertbar" ist. Eine solche Verwertbarkeit ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn amtlich abgelehnt worden ist, die Gleichwertigkeit anzuerkennen. Denn dann bleibt der Betroffene im Inland trotz seines ausländischen Hochschulabschlusses auf dem Niveau der Gesellen, Facharbeiter oder Gehilfen - wie hier die Klägerin, der nur die Hochschulreife anerkannt wurde, während die Bezirksregierung Hannover es ablehnte, auch die Gleichwertigkeit des Hochschulabschlusses anzuerkennen. Das Gericht lässt es dahinstehen, ob das Schreiben der Bezirksregierung Hannover vom 22. Januar 1999 als Bescheid zu bewerten ist. Denn das Gericht hält es für unerheblich, ob die Anerkennung der Gleichwertigkeit durch Bescheid oder durch eine formlose Mitteilung abgelehnt wurde, sofern diese Ablehnung, wie hier, durch die zuständige Stelle erfolgte und erkennbar endgültig gemeint war. Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 2. November 2012 (3 A 3499/11) ist nicht zu folgen, weil es sich mit der zitierten Begründung des § 6 AFBG a.F. nicht auseinandersetzt. Der Sachverhalt, den das Verwaltungsgericht Hannover zu beurteilen hatte, unterscheidet sich von dem der Klägerin überdies darin, dass das Kultusministerium für die Klägerin des dortigen Verfahrens mitgeteilt hatte, dass deren bulgarischer Hochschulabschluss lediglich "noch nicht" anerkannt sei - dort stand daher nicht fest, dass die dortige Klägerin in Deutschland auf dem Niveau der Gesellen, Facharbeiter oder Gehilfen bleiben müsste. Dagegen ist der Klägerin bereits mitgeteilt worden, dass ihr litauischer Hochschulabschluss hier nicht anerkannt werden kann.

Der Hochschulabschluss der Klägerin ist wegen der nach dem Schreiben der BRH vom 22. Januar 1999 ausgeschlossenen Anerkennung als unmittelbar gleichwertige Erziehungsausbildung auch nicht ein nach dem Hochschulrecht der Länder als gleichwertig anerkannter sonstiger Abschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nummer 11 und § 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Absatz 2 Nummer 3 oder 4 in Verbindung mit § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.