Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.10.2010, Az.: 1 Ws 460/10
Anspruch des Telekommunikationsdienstleisters bei mehrfacher Auskunftserteilung im Rahmen einer Telefonüberwachung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 25.10.2010
- Aktenzeichen
- 1 Ws 460/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 27553
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:1025.1WS460.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 06.07.2010 - AZ: 1 AR 6/10
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 1 JVEG
- Anlage 3 Nr. 300 JVEG
Fundstellen
- CR 2011, 20-21
- MMR 2011, 197-198
Amtlicher Leitsatz
Der Umfang der Entschädigung des Telekommunikationsunternehmens, das für eine Telefonüberwachung Auskunft über Verkehrsdaten erteilt hat, richtet sich nach der Auskunftsanordnung. Wenn danach mehrfach Auskünfte zu erteilen waren, ist der Entschädigungsbetrag nach Nr. 300 der Anlage 3 zum JVEG auch dann entsprechend oft anzusetzen, wenn die mehrfachen Auskünfte nur zu einer Kennung erteilt wurden.
Tenor:
Auf die Beschwerde der V... GmbH wird der Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 6. Juli 2010, soweit durch diesen die der Beschwerdeführerin aus der Landeskasse zu erstattende Entschädigung für Auskunftserteilung über Telekommunikationsverkehrsdaten auf 30€ festgesetzt worden ist, dahin geändert, dass der Entschädigungsbetrag 60 € beträgt. Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Mit Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 8. September 2009 ist für einen bestimmten Telefonanschluss des Beschuldigten angeordnet worden, dass der Netzbetreiber - die jetzige Beschwerdeführerin - unverzüglich über sämtliche Verkehrsdaten Auskunft erteilt, und zwar rückwirkend für 3 Monate und zukünftig für die Dauer von 3 Monaten, wobei die Anordnung am 2. Dezember 2009 enden sollte. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin in wöchentlichen Abständen - insgesamt 10mal - die Verkehrsdaten des Anschlusses an die Ermittlungsbehörde weitergeleitet. Hierfür hat sie eine Entschädigung von jeweils 30 € für zehn Auskunftsleistungen nach Nr. 300 der Anlage 3 zum JVEG, insgesamt mithin 300 €, geltend gemacht. Mit Beschluss der Landgerichts Osnabrück vom 6. Juli 2010 ist nur 1 Auskunftsentschädigung zu 30 € festgesetzt worden.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Netzbetreiberin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig, insbesondere ist der Mindestbeschwerdewert von 200 € (§ 4 Abs. 3 JVEG) überschritten.
Die Beschwerde hat in der Sache aber nur den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Der Beschwerdeführerin steht eine Entschädigung nach § 23 Abs. 1 JVEG i. V. m. Nr. 300 der Anlage 3 zum JVEG in Höhe von 60 € zu.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift entsteht der Entschädigungsanspruch für "Auskunft über gespeicherte Verkehrsdaten: für jede Kennung, die der Auskunftserteilung zugrunde liegt: 30 €". Im vorliegenden Fall wurde nur zu einer Kennung Auskunft erteilt. Aus der Vorbemerkung 1 der Anlage 3 zum JVEG ergibt sich, dass die dort festgelegten Entschädigungen für Telekommunikationsunternehmen Pauschalen darstellen, die den gesamten mit der Erledigung des Auskunftsersuchens verbundenen Aufwand abgelten. Es kommt deshalb für die Höhe der Entschädigung nicht darauf an, welcher konkrete Aufwand im Einzelfall durch die Auskunft verursacht wurde.
Im vorliegenden Fall ist es für den Umfang der Entschädigung vielmehr entscheidend, ob im Sinne der genannten Vorschrift 1 Auskunft oder 10 Auskünfte erteilt wurden und zu entschädigen sind. Dass nicht eine beliebige Anzahl von Auskünften mit einer einzigen Entschädigung abgegolten sein soll, ergibt sich aus Sinn und Zweck desJVEG und kommt im Übrigen auch bereits in dem Wortlaut der Norm zum Ausdruck, wonach eine Entschädigung für "die Auskunftserteilung" anfällt. Der Charakter einer gerade am Aufwand des Auskunftspflichtigen orientierten Entschädigung der in Rede stehenden Regelung des JVEG ergibt sich auch aus den Erwägungen des Gesetzgebers, der die Anlage 3 zum JVEG und deren Nummer 300 ausdrücklich beschlossen hat, um den bis dahin angesetzten, den jeweiligen Aufwand der Telekommunikationsunternehmen nicht abdeckenden Zeugenstundensatz durch eine aufwandgerechte, höhere Pauschale zu ersetzen, vgl. die amtliche Begründung zum TKEntschädigungsNeuordnungsgesetz, BTDrucksache 16/7103, S. 6, 7.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass jede der erteilten Verkehrsdatenauskünfte einen Aufwand der Beschwerdeführerin verursacht hat, so dass deshalb im Grundsatz die Voraussetzungen einer jeweils anzusetzenden Entschädigung mit dem Pauschalbetrag von 30 € gegeben sind.
Etwas anderes gilt prinzipiell auch nicht, wenn - wie es hier der Fall ist - mehrfach Verkehrsdaten zu nur einer Kennung beauskunftet wurden. Dieser Umstand zwingt als solcher nicht zu der Annahme, es handele sich insgesamt nur um eine einzige entschädigungspflichtige Auskunft. Das liegt auf der Hand für den Fall, dass zu einer Kennung aufgrund von mehreren, voneinander getrennt ergangenen Anordnungen entsprechend häufig separate Auskünfte erteilt werden. Aber auch wenn in einer Anordnung mehrfache Auskünfte zu einer Kennung angeordnet werden, kann nichts anderes gelten. Denn die Entschädigung soll - wie gezeigt - den Aufwand ausgleichen, der dem in Anspruch Genommenen jeweils durch "die Auskunftserteilung" entstanden ist. Werden also etwa zu einer Kennung in ein und derselben Anordnung für drei voneinander getrennte Zeiträume je eine Auskunft angeordnet und erteilt, so sind drei Auskunftserteilungen zu entschädigen. Die Worte in Nr. 300 der Anlage zum JVEG "für jede Kennung, die der Auskunftserteilung zugrunde liegt" sind nach alledem dahin zu verstehen, dass bei Auskünften zu mehreren Kennungen eine Entschädigungspauschale pro Kennung und pro Auskunft entsteht, und zwar auch dann, wenn in einer Auskunft gleichzeitig Verkehrsdaten zu mehreren Kennungen übermittelt werden.
Werden - wie hier - mehrere Auskünfte erteilt, so entscheidet sich der Umfang der Entschädigung nach dem Inhalt der Anordnung. Hiervon nicht gedeckte, insbesondere eigenmächtig vom TKUnternehmen häufiger erteilte Auskünfte, sind nicht zu entschädigen.
Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht ohne jede nähere Spezifizierung angeordnet, dass die Beschwerdeführerin "unverzüglichüber sämtliche Verkehrsdaten Auskunft erteilt", und zwar für einen bestimmten Zeitraum der Vergangenheit und der Zukunft. Aus dem Gebrauch des Begriffs "unverzüglich" ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die ihr mögliche Auskunft ohne schuldhaftes Zögern zu erteilen hatte. Sie war deshalb gehalten, die bereits in der Vergangenheit angefallenen Verkehrsdaten des Anordnungszeitraums sogleich zu übermitteln. Die künftig erst entstehenden Verkehrsdaten hatte sie mangels irgendeiner näheren Angabe im Anordnungsbeschluss unverzüglich nach Ablauf des Anordnungszeitraums zu übermitteln. Sie war deshalb mit zwei Auskünften beauftragt worden. Nur diese sind zu entschädigen.
Eine häufigere, etwa die hier von der Beschwerdeführerin durchgeführte wöchentliche Auskunftserteilung, war gerichtlich nicht angeordnet worden. Und zwar weder ausdrücklich noch dem Sinne nach. Eine solche Anordnung ergibt sich insbesondere nicht schon daraus, dass auch eine Auskunft für einen zukünftigen Zeitraum angeordnet war. Auch wenn - worauf die Beschwerdeführerin hinweist - eine in wöchentlichen Abständen wiederholte Auskunftserteilung besonders sinnvoll sein mag, führt eine solche nur dann zu einem Entschädigungsanspruch, wenn sie sich aus der Anordnung ergibt. Das ist bei der hier zugrundeliegenden Anordnung nicht der Fall, die keinerlei Angabe zu einem Wiederholungsrhythmus der Auskunftserteilung enthält.
Ob eine in Vollzug der gerichtlichen Anordnung von der Polizei gegebene Weisung zu künftig in bestimmter Weise regelmäßig zu erteilenden Auskünften einen weitergehenden Entschädigungsanspruch auslösen kann, auch wenn diese polizeiliche Weisung vom Wortlaut des gerichtlichen Anordnungsbeschlusses nicht gedeckt ist (so wohl Amtsgericht Leipzig, Beschluss vom 9. Juli 2010, Aktz.: 281 ER 15 Gs 262/09 - 306 Js 50977/09), erscheint nicht ganz unzweifelhaft, kann aber hier offen bleiben, weil im vorliegenden Fall eine solche ausdrückliche Weisung weder von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wird noch sich aus der dem Senat vorgelegten Akte ergibt.
Nach alledem waren unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Entschädigung für die Verkehrsdatenauskünfte auf 2 Beträge zu je 30 €, insgesamt also 60 €, festzusetzen und die weitergehende Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
In Bezug auf die von der Beschwerdeführerin zusätzlich erhobene Rüge der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör weist der Senat im Übrigen daraufhin, dass diese Rüge wegen der hier nach § 4 Abs. 3 JVEG zulässigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts gemäß § 4a Abs. 1 Nr. 1 JVEG unstatthaft ist. Zudem wäre die Rüge auch unbegründet, weil die Beschwerdeführerin vor der Entscheidung des Landgerichts angehört worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.