Landgericht Göttingen
Urt. v. 10.09.2020, Az.: 8 O 224/14
Bauarbeiten; Grundstücksnachbar; Erschütterungen
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 10.09.2020
- Aktenzeichen
- 8 O 224/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71593
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG - AZ: 8 U 67/20
Rechtsgrundlagen
- § 906 Abs 2 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Aufgrabungsarbeiten auf Nachbargrundstück, Setzungsschäden, Ausgleichsanspruch
Tenor:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 51.932,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf einen Betrag in Höhe von 25.210,08 € seit dem 13.9.2014 und auf weitere 26.721,98 € seit dem 2.8.2017 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin über die in Ziffer 1.titulierten Schadensbeseitigungskosten hinausgehende Kosten zu erstatten, soweit sie ursächlich auf das streitgegenständliche Schadensereignis vom Juli 2011 zurückgehen.
Es wird weiter festgestellt, dass der Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin über die in Ziffer 1. titulierten Kosten hinausgehenden Schadensbeseitigungskosten zu erstatten, soweit sie ursächlich auf das streitgegenständliche Schadensereignis vom Juli 2011 zurückgehen.
In Höhe des Entschädigungsanspruches haftet der Beklagte zu 1. gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2 .
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 34 % und dem Beklagten als Gesamtschuldnern zu 66 % auferlegt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin des von ihr bewohnten Hausgrundstückes L.
An das Wohngebäude schließt sich in westlicher Richtung ein Anbau (Windfanggebäude) an, das Wohngebäude wurde im Jahre 1961 errichtet, der Anbau im Jahr 1986.
Der Beklagte zu 1. ließ im Juli 2011 auf seinem benachbarten Grundstück R. durch den Beklagten zu 2. der ein Baugeschäft betreibt ein Wohngebäude mit Carport errichten. Die westliche Grundstücksgrenze der Klägerin schließt an das Grundstück des Beklagten zu 1.an
Die Klägerin behauptet, durch Aufgrabungsarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten zu 1.im Zuge der Errichtung des Wohngebäudes sei es zu erheblichen Beschädigungen in Form von Absenkungen an ihrem Gebäude (Windfang) gekommen. Diese seien dadurch verursacht worden, dass durch den Beklagten zu 2. in einer Entfernung von ca. 1 m vom westlichen Gebäudeabschluss der Klägerin aus gelegen, eine neue Stützmauer hergestellt wurde für die es notwendig gewesen sei, Ausschachtungsarbeiten bis unterhalb der Fundamentebene des Anbaus der Klägerin durchzuführen.
Am 28.7.2011 seien auf dem Grundstück des Beklagten zu 1.Verdichtungsarbeiten mittels einer Rüttelplatte durchgeführt worden. An diesem Tage sei der Anbau deutlich vom Hauptgebäude abgerissen, zuvor seien deutliche Knackgeräusche hörbar gewesen. Sie habe infolge sofort ihren Sohn – den Zeugen Stefan B. – angerufen - der ihr Grundstück in Augenschein genommen habe.
Vor Durchführung der streitgegenständlichen Bauarbeiten sei der Windfang unbeschädigt gewesen.
Diese Arbeiten habe der Beklagte zu 2. einschließlich Gründung und Errichtung eines Fundamentes ausgeführt.
Er sei dabei nach Bauplänen vorgegangen die im Auftrag des Beklagten zu 1. von einem Architekten angefertigt worden seien; die statische Berechnung und Ausführungspläne für die Gründung seien von einem Ingenieurbüro D erstellt worden.
Im Dezember 2010 habe der Beklagte zu 1. zudem ein Baugrundgutachten des Ingenieurbüro I eingeholt.
Dieses Gutachten habe er dem Beklagten zu 2.auch zugänglich gemacht.
An die Gründungsempfehlung dieses Ingenieursbüros hätten die Beklagten sich nicht gehalten, sondern stattdessen die technische Variante einer sogenannten „Pfahlgründung“ gewählt.
Des weiteren habe der Beklagte zu 2. Schotterverdichtungsarbeiten durchgeführt, wobei erhebliche Kiesmengen verdichtet worden seien. Tätig geworden sei der Beklagte zu 2. dabei mit einer Rüttelmaschine des Typs Bomag BPR 45/55 mit einem Betriebsgewicht von ca. 400 kg.
Sowohl durch das Herstellen der Baggerpfähle als auch den Einsatz der Rüttelmaschine und den mit dieser durchgeführten Schotterverdichtungsarbeiten sei es letztlich zu dem Setzungsschaden an dem Windfanggebäude gekommen.
Die Klägerin behauptet der gesamte Anbau habe sich in Richtung des Grundstückes des Beklagten zu 1.um mehrere Zentimeter abgesenkt.
Dies sei den ausgeführten Arbeiten geschuldet welche auf problematischem Boden- untergrund durchgeführt worden seien. Sie behauptet dazu, dass von der Erdoberfläche aus betrachtet verschiedene, nicht oder kaum tragfähige Bodenschichten vorhanden gewesen seien (Anlage K 11).
Eine Wasserhaltung sei des ungeachtet nicht betrieben d. h. Grundwasser sei nicht abgepumpt worden, was den anerkannten Regeln der Baukunst widersprechen würde.
Die Klägerin hat am 6.7.2012 ein selbstständiges Beweisverfahren bei dem Landgericht Göttingen zu dortigem Geschäftszeichen 8 OH 18/12 eingeleitet.
Das Gericht hat in o.g. Verfahren unter dem 3.9.2012 einen Beweisbeschluss erlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 9/10 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der durch das Gericht beauftragte Sachverständige – Herr Dipl. Ing. D. – hat ein Gutachten vom 30.5.2013 sowie ein Ergänzungsgutachten von 7.2.2014 erstattet.
Wegen der Einzelheiten wird auf Anlagen K 13-15 Bezug genommen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, nach Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens stünde fest, dass die Durchführung der Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten zu 1. ursächlich für die Absenkung des Windfanggebäudes geworden seien.
Sie hat den ihr entstandenen Schaden in Anlehnung an die Ausführungen des Sachverständigen G. zunächst in Höhe von 25.210,08 € beziffert.
Die Klägerin ist der Ansicht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung zu haben, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr weitere Kosten zu erstatten, die möglicherweise wegen bislang nicht berücksichtigter Mehrkosten für besondere Gründungsmaßnahmen anfallen könnten. Der Sachverständige G. habe nicht verlässlich beurteilen können, ob es sich insoweit um Sowieso -Kosten handle oder sich derartige Kosten als Folge der streitgegenständlichen Baumaßnahmen darstellen würden. Insoweit sei die Zuziehung eines Baugrund -Sachverständigen erforderlich.
Mit Schriftsatz vom 26.7.2017 hat die Klägerin die ursprüngliche Klageforderung um einen Betrag in Höhe von 38.694,32 € erweitert.
Sie behauptet dazu, dass nach Einholung zweier Angebote (Fa. K. bzw. Fa. S.) zur Behebung der Schäden an dem Anbau ein Kostenaufwand in Höhe von netto 68.904,32 € erforderlich sei. Bereits in dem Gutachten G. im selbstständigen Beweisverfahren sei ausgeführt worden, dass zur Schadensbeseitigung nur ein Abbruch des Anbaus mit entsprechendem Wiederaufbau in Betracht käme.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 68.904,32 € (netto) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz seit dem 1.8.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagten als Gesamtschuldner tragen die Kosten des Verfahrens, und zwar einschließlich derjenigen des selbstständigen Beweisverfahrens.
3.Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin über die mit Ziffer 1. der Klage hinausgehenden Schadensbehebungskosten zu erstatten, soweit sie ursächlich auf das streitgegenständliche Schadensereignis vom Juli 2011 zurückgehen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1. vertritt die Auffassung der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 3 BGB würde voraussetzen, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB angesehen werden könne; hierfür reiche der bloße Umstand, dass ein anderes Grundstück von dem die Einwirkung ausgehe vorliege, nicht aus; vielmehr müsse die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen. Dies könne nur in wertender Betrachtung einzelfallbezogen festgestellt werden. Entscheidend sei, ob es Sachgründe gebe, dem Eigentümer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen.
Der Beklagte zu 1. behauptet es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass die von ihm in Auftrag gegebenen Bauarbeiten zu einem Schaden auf dem Grundstück der Klägerin führen könnten.
Er macht sich den Vortrag des Beklagten zu 2.aus dessen Schriftsatz vom 20.11.2014 sowohl hinsichtlich der Vorschäden an dem Gebäude der Klägerin als auch hinsichtlich der von dem Beklagten zu 2. ausgeführten Arbeiten zur eigen und behauptet weiter, er habe nicht nur einen fachkundigen Bauunternehmer mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt, sondern zudem das Ingenieurbüro D mit der Tragwerksplanung sowie den Architekten S. mit der Genehmigungsplanung einschließlich Bauüberwachung.
Er vertritt die Auffassung, die Klägerin habe sich bei der Berechnung ihres Anspruchs einen Abzug „neu für alt“ entgegenhalten zu lassen.
Der Beklagte zu 2. vertritt die Auffassung, der Sachverständige G. sei bei der Erstellung seiner Gutachten von falschen Voraussetzungen ausgegangen.
Zwischen der Mauer des neu errichteten Gebäudes und dem Windfang der Klägerin bestünde ein Abstand von ca. 4 m. Ausschachtungsarbeiten bis unterhalb der Fundamentebene des Anbaus hätten zu keinem Zeitpunkt stattgefunden (Beweis: Zeugnis des Werner G.). Eine tiefe Ausschachtung sei weder erfolgt, noch erforderlich gewesen. Es seien insbesondere keine Stützmauern hergestellt worden die unterhalb der Fundamentebene des Anbaus gegründet worden seien. Die nächste tiefe Ausschachtung für einen „Baggerpfahl“ habe sich in 2 m Entfernung befunden.
Der Beklagte zu 2. weist darauf hin, dass der von seinem Haftpflichtversicherer beauftragte Sachverständige S. am 21.10.2011 einen Ortstermin durchgeführt und anschließend zur Verursachung der streitgegenständlichen Schadens festgestellt habe, dass nicht gesichert sei, dass die Verformungen des Anbaus durch die Baumaßnahmen bedingt seien.
Darüber hinaus sei aufgrund des eingeschränkt tragfähigen Baugrundes davon auszugehen, dass sich der Anbau an dem Wohnhaus der Klägerin nach seiner Erstellung mehr oder weniger deutlich gegenüber dem Hauptgebäude gesetzt habe. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass lokale Missbildungen bereits bei Beginn der streitgegenständlichen Bauarbeiten vorhanden gewesen seien.
Der Beklagte zu 2. vertritt ferner die Auffassung, die Anspruchsgrundlage des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB würde im Verhältnis zu einem von dem Grundstücksnachbarn beauftragten Bauunternehmer nicht greifen.
Darüber hinaus würde es an einem Verschulden seinerseits fehlen. Er habe sich an die ihm übergebenen Pläne und Anweisungen der von dem Beklagten zu 1.beauftragten Planer gehalten.
Er habe auf die ausdrückliche Anweisung des Ingenieurbüros D. gehandelt, welches bereits mit dem Leistungsverzeichnis vom 06.05.2011 die Gebäudegründung mit Baggerpfählen vorgesehen habe.
Die von der Klägerin behaupteten Setzungen hätten ihre Ursache nicht in dem Einbringen der Baggerpfähle gehabt. Diese seien bereits am 29. 06./30.6.2011 erstellt worden. Unmittelbar danach seien die ausgehobenen Gruben wieder mit Beton vergossen worden.
Die Schotterverdichtungsarbeiten seien nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgt und von den Planern vorgegeben worden.
Eine Gründungsempfehlung des Ingenieurbüro I sei ihm nicht bekannt.
Darüber hinaus handele es sich bei der verwendeten Handrüttelmaschine nicht um schweres Gerät.
Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzkosten seien erheblich übersetzt. Ausweislich des Ergänzungsgutachten des Sachverständigen sei es möglich, den Windfang im Wege eines sogenannten“ chemischen Sanierungsverfahrens“ für einen Betrag in Höhe von 22.000 € brutto zu sanieren. Bei dem Großteil der von dem Sachverständigen zugrunde gelegten Kosten handele es sich um Sowieso - Kosten.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin Kosten für die Neuerrichtung eines zumindest 28 Jahre alten Windfang geltend machen würde. Ausgehend von einer 50-jährigen Lebensdauer sind nach Auffassung des Beklagten zu 2. Abzüge „neu für alt“ in Höhe von mindestens 50 % vorzunehmen.
Replizierend beruft sich die Klägerin vorsorglich und hilfsweise für den Fall, dass ein chemisches Sanierungsverfahren anwendbar sein sollte darauf, dass ihr Schaden gleichwohl insgesamt den eingeklagten Betrag ausmachen würde und zwar unter Einschluss eines merkantilen Minderwertes.
Mit Schriftsatz vom 30.8.2018 trägt der Beklagte zu 1. ergänzend vor, dass der Beklagte zu 2. bereits in seinem Angebot vom 31.5.2011 Nachfolgendes ausgeführt habe: „3. tragfähiger Baugrund ist gemäß Baugrunduntersuchung des Ingenieurbüro I GmbH in 2,80 m bis 3,60 m Tiefe unterhalb der vorhandenen Geländeoberkante anzutreffen, als schwach schluffiger, mitteldichter Sandboden ….. „ .
Der Beklagte zu 2. trägt mit Schriftsatz vom 28.9.2018 vor, dass Grundlage seines Angebotes vom 31.5.2011 das Leistungsverzeichnis der Planungsgruppe L. vom 6.5.2011 gewesen sei. Er habe bei Erstellung seines Angebotes dieses Leistungsverzeichnis abgeschrieben bzw. übernommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 2.6.2016( Blatt 170/171 d.A.) über die Behauptung der Klägerin, der Windfang habe sich vor dem 28.7.2011 in einem ordnungsgemäßen und mangelfreien Zustand befunden durch Einvernahme der Zeugen S. und R. B. sowie S., ferner über die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 2. habe die Gründungsempfehlung der I. von dem Beklagten zu 1. erhalten.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 7.9.2016 (Blatt 202 – 209 d.A.) Bezug genommen.
Es wurde ferner Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 29.9.2016 (Blatt 227/228 d.A.) über die Behauptung der Klägerin, die Risse und Setzungen seien auf die Arbeiten auf dem Nachbargrundstück zurückzuführen und nicht auf die Gründung unter dem Anbau durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Diplomingenieurs F..
Wegen des Ergebnisses wird auf dessen Gutachten vom 10.7.2017 Bezug genommen.
Das Gericht hat weiterhin Beweis erhoben gemäß Hinweis-und Beweisbeschluss vom 11.1.2018 (Blatt 313 – 315 d.A.). Wegen des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen F. vom 18.6.2018 Bezug genommen.
Das Gericht hat weitergehend Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 6.11.2018 und 14.5.2019. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 375/ 410-411 d.A.Bezug genommen.
Wegen des Ergebnisses dieser weiteren Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Ergänzungsgutachten des Sachverständigen F. vom 7.1.2019 sowie vom 18.7.2019 Bezug genommen.
Die Akte des Landgerichts Göttingen zu Aktenzeichen 8 OH 18/12 ist beigezogen worden.
Die Klageschrift ist dem Beklagten zu 1. am 12.9. 2014 und dem Beklagten zu 2. am 11.9.2014 zugestellt worden.
Der Schriftsatz vom 26.7.2017 ist dem Beklagten zu 1. am 31.7.2017 und dem Beklagten zu 2. am 1.8.2017 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Ansprüche gegen den Beklagten zu 1.
1.Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 1. ein Ausgleichsanspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 51.932,06 € (netto) nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu weil der Vorbau an ihrem Gebäude durch auf dem benachbarten Grundstück des Beklagten zu 1. durchgeführte Bauarbeiten ausgelöste Bodenerschütterungen beschädigt worden ist.
Der von dem Bundesgerichtshof aus dieser Norm hergeleitete verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch (vgl. BGH NJW 2001,1865, 1866) ist gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die über das Maß dessen hinausgehen, was ein Grundstückseigentümer nach den Bestimmungen des Nachbarrechts entschädigungslos hinzunehmen hat, gegen die gemäß § 1004 BGB vorzugehen dem betroffenen Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen versagt ist (BGH Z 48,98 101).
Die Vorschrift des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gewährt dem benachbarten Grundstückseigentümer demnach einen Entschädigungsanspruch als Ausgleich für den durch die Duldungspflicht ausgeschlossenen Abwehranspruch, wobei sich die Höhe nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung richtet. Besteht die Beeinträchtigung – wie vorliegend – in einer Substanzschädigung, kann der Anspruch auf vollen Schadensersatz geben und den Ausgleich der Folgen umfassen,die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickeln (vgl. BGH NJW 2003,2377 [BGH 30.05.2003 - V ZR 37/02]).
a.Das Gericht ist in Ansehung des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Anbau an dem Wohngebäude der Klägerin (Windfang) durch die streitgegenständlichen Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück des Beklagten zu 1., mithin durch Immissionen i.S. des § 906 BGB beschädigt worden ist.
Besteht die Beeinträchtigung – wie vorliegend – in einer Substanzschädigung, kann der Anspruch auf vollen Schadenersatz gehen und den Ausgleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickeln (vgl. BGH NJW 2003,2377 [BGH 30.05.2003 - V ZR 37/02]).
Der im selbstständigen Beweisverfahren bestellte Bausachverständige G. hat in seinem Gutachten vom 30.5.2013 ausgeführt, dass der Anbau (Windfang) sich von der Altbauwand abgelöst und in Richtung des Grundstücks des Beklagten zu 1. abgesenkt und schief gestellt habe. Die Querneigung beträgt dem Sachverständigen zufolge 14 mm/m; umgerechnet auf die gesamte Breite des Anbaus insgesamt ca. 27 mm. In Höhe der Dachtraufe hat der Sachverständige einen Spalt von ca. 60 mm zwischen Hauswand und Anbau vorgefunden Als Ursache sieht der Sachverständige G. eine Absenkung bzw. Setzung des Fundamentes (Blatt 13 Gutachten).
Nach den Ausführungen dieses Sachverständigen, denen die Kammer nach kritischer Überprüfung folgt, ist von einer Ursächlichkeit der streitgegenständlichen Bauarbeiten für dieses Schadensbild auszugehen. Der Sachverständige G. führt im Weitern aus, dass durch die Herstellung der Baggerpfähle die Tragfähigkeit/Belastbarkeit des Baugrundes unterhalb der Fundamente des Windfanges nachteilig beeinflusst worden sei (Blatt 12 Gutachten). Darüber hinaus sind nach den Ausführungen des Sachverständigen aufgrund der unstreitigen Verwendung eines sogenannten „dynamischen Verdichtungsgerätes“ – welches auf der Fotografie zu Anlage 6 des Gutachtens abgebildet ist – erzeugte Schwingungen und Vibrationen erzeugt worden, welche ihrerseits Erschütterungen verursacht hätten, die durch den Baugrund auch auf benachbarte bauliche Anlagen übertragen worden seien. Diese Erschütterungen seien grundsätzlich auch geeignet, eine Veränderung in der Struktur des Gründungsbodens zu verursachen (Blatt 13 Gutachten).
Der Sachverständige G. hat unter Anwendung der maßgeblichen DIN 4150 – 3 eine Prognoseberechnung für drei ausgewählte Referenzpunkte vorgenommen (Blatt 15 Gutachten). Bei allen drei Referenzpunkten, welche jeweils in unterschiedlichem Abstand zu dem Windfang gewählt wurden, wurde der in der DIN 4150 – 3 festgesetzte Grenzwert für Bodenbeschleunigung weit überschritten. Der Sachverständige ist daher nachvollziehbar zu der Annahme gelangt, dass der von ihm festgestellte Setzungsschaden an dem Windfang durch die Schotterverdichtung mittels der eingesetzten Rüttelplatte verursacht wurde. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass die Setzung des Fundamentes zusätzlich durch Auflockerungen und Ausspülungen welche bei der Herstellung der Baggerpfähle in dem Boden verursacht worden sein könnten, begünstigt worden sei.
Diese Feststellungen werden bestätigt durch die Ausführungen des durch die Kammer bestellten Sachverständigen F.; dieser hat die Höhenlage der Fundamentunterkante des Anbaus von der Geländeoberfläche aus aufgemessen. Er hat zwecks Erstattung seines Gutachtens sogenannte „Ramm-Kernsondierungen“ bis zu einer Tiefe von ca. 4,0 m eingebracht. Im Ergebnis dieser Baugrunduntersuchung hat der zugezogene geotechnische Sachverständige des Büros G. festgestellt, dass die vorgefundenen Baugrundschichten stark vibrationsanfällig seien (Seite 5 Gutachten).
Der Sachverständige F. führt daher nachvollziehbar aus, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen den Bodenverdichtungsmaßnahmen auf dem Grundstück des Beklagten zu 1. und den an dem Anbau aufgetretenen Schäden nur den Schluss zuließe, dass durch diese Arbeiten setzungswirksame Verformungen im Untergrund unterhalb der Fundamentsohlen des Anbaus verursacht wurden und infolge die bereits durch den Sachverständigen im Bild festgestellten Schäden entstanden sind.
Die Annahme der Beklagten, dass der Baugrund unter der Fundamentsohle des Anbaus bereits von vornherein nicht ausreichend tragfähig für die aufgebrachten Lasten gewesen sein soll, vermochte der Sachverständige nicht zu bestätigen. Er hat vielmehr dargelegt, dass in diesem Falle Schäden an dem Windfang bereits kurz nach dessen Erstellung hätten auftreten müssen (Seite 6 Gutachten).
Die Klägerin hat somit zur Überzeugung der Kammer den Beweis erbracht, dass vor Durchführung der streitgegenständlichen Bauarbeiten Vorschäden an dem Anbau nicht vorhanden waren. Dies hat auch der Zeuge Borchardt glaubhaft dargelegt. Da das Gutachten des Sachverständigen F. diese Aussage bestätigt, war eine erneute Einvernahme der Zeugen entbehrlich.
b.Zugunsten der Klägerin greift insoweit die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises, der bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ohne eine exakte Tatsachengrundlage auf der Grundlage von Erfahrungssätzen erlaubt.
Vorliegend handelt es sich um ein derartiges Geschehen da die dokumentierten Abrisse auf Setzungsbewegungen des Anbaus infolge von Bodenerschütterungen beruhen dürften. Die durchgeführten Bauarbeiten waren ihrer Charakteristik nach auch generell geeignet Bodenerschütterungen auszulösen. Es besteht darüber hinaus ein enger zeitlicher Kontext zwischen den Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten zu 1. und dem Auftreten der Rissbildung.
Dem steht auch nicht die Aussage des sachverständigen Zeugen S. entgegen. Dieser hat zwar ausgesagt, dass nach seiner Auffassung die Gründung unter dem Anbau für die Rissbildung verantwortlich sein könnte, hat diese Annahme aber weder durch Messungen oder Ähnliches zu belegen vermocht.
Dabei bedarf es zur Überzeugung des Gerichts keiner weiteren Aufklärung, in welchem Umfang die Arbeiten im Einzelnen kausal für die konkret eingetretenen Schäden sind, weil es für die zivilrechtliche Haftung nicht darauf ankommt, ob ein Ereignis die ausschließliche oder alleinige Ursache einer Verschlechterung des Zustandes einer Sache ist; auch die Mitursächlichkeit steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich.
Diese Grundsätze gelten nicht allein für die Frage der Kausalität im Rahmen des Schadensersatzrechts, sondern auch für die Haftung nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (vgl. KG Berlin v. 18.10.2012 22 U 226/09).
c. Die Klägerin hätte die Beeinträchtigung ihres Eigentums auch nicht nach § 1004 i.V.m. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB abwehren können. Der Beklagte zu 1. hat ein Baugrundgutachten eingeholt und mit dem Beklagten zu 2. ein Fachunternehmen mit der Durchführung der Bauarbeiten beauftragt. Daher bestand für die Klägerin kein Anlass, die Baumaßnahmen zu untersagen.
Die Klägerin hatte daher die streitgegenständlichen Arbeiten auf dem Nachbargrundstück zu dulden; ihr steht aber ein Ausgleichsanspruch wegen der an ihrem Anbau dadurch entstandenen Beschädigungen zu. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dahin, dass die hier nachgewiesenen Beschädigungen an dem Gebäudeeigentum der Klägerin einen duldungspflichtigen Nachbarn ohne weiteres unzumutbar beeinträchtigen.
d.Die Ersatz/Entschädigungsansprüche der Klägerin sind in Höhe von 51.932,06 € begründet.
Der Inhalt und Umfang des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bestimmt sich unter Abwägung aller Umstände nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung (BGH Z 85, 375,386). Er kann je nach Art und Weise der Einwirkung auf vollen Schadenersatz gehen (BGHZ 28,255). Besteht die Einwirkung – wie vorliegend – in einer Substanzschädigung, so sind die Beseitigungskosten einschließlich der Planungskosten ebenso zu ersetzen wie der verbleibende Minderwert (BGH NJW 1992,2884 [BGH 25.06.1992 - III ZR 101/91]).
Die Klägerin hatte daher zu beweisen, dass die geltend gemachten Kosten erforderlich sind um die durch die Baumaßnahmen des Beklagten zu 1.an ihrem Anbau verursachten Schäden zu beseitigen.
Statt der begehrten 68.904,32 € (netto) kann die Klägerin von dem Beklagten zu 1. nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme lediglich einen Betrag in Höhe von 51.932,06 € (netto) beanspruchen.
Die Grundlage für die titulierte Höhe der Kosten für die Schadensbeseitigung bilden die Ausführungen in dem 3. Ergänzungsgutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen F..
Dessen Gutachten vom 15.12.2019 lässt sich zwar expressis verbis die Beantwortung der an ihn gestellten Beweisfrage nicht entnehmen; dessen ungeachtet kann den Ausführungen aber unschwer entnommen werden, dass der Sachverständige das von der Klägerin vorgelegte Angebot der Firma K. geprüft und im Ergebnis Kosten zur Schadensbeseitigung in Höhe von 51.932,06 € ermittelt hat. In der entsprechenden Kostenermittlung sind zur Überzeugung der Kammer auch ersichtlich Gründungskosten (Spunnwandwände) enthalten.
Die auf den von dem Beklagten zu 1. zu leistenden Ausgleichs/Schadensersatzleistung entfallende Umsatzsteuer bleibt außer Betracht, weil sie erst anfällt, wenn die Reparaturmaßnahmen tatsächlich erfolgen, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Erst bei Durchführung der durch dieses Urteil als ersatzfähig zuerkannten Maßnahmen ist die gesetzliche Umsatzsteuer auf das dann anfallende Entgelt von dem Beklagten zu 1. zu ersetzen bzw. zu entschädigen.
e. Einen etwaigen Abzug im Wege des Vorteilsausgleichs (neu für alt) wegen der erforderlichen Sanierung des Anbaus hat sich die Klägerin nicht entgegenhalten zu lassen.
Eine messbare Vermögensmehrung der Klägerin wurde durch die Sanierung des Anbaus nicht zu erwarten sein.
In Ansehung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen F. nicht davon auszugehen, dass der Klägerin angesichts des Alters des Windfangs nach durchgeführter Sanierung ein wirtschaftlicher Vorteil entstehen wird, eine theoretisch anzunehmende Sachwerterhöhung des Anbaus sich mithin für die Klägerin nicht wirtschaftlich günstig auswirken würde.
Der Sachverständige F. hat in dem Ergänzungsgutachten vom 7.1.2019 festgestellt, dass das Wohnhaus der Klägerin, an welchen der Windfang angebaut ist, im Jahre 2017 56 Jahre alt war. Die technische Lebensdauer von Gebäuden aus der Bauperiode des Baujahres hat der Sachverständige mit 100 Jahren angesetzt. Bei einer Restnutzungsdauer von 44 Jahren beträgt die Wertminderung wegen Alters nach den Ausführungen des Sachverständigen 44 %. Dieser Entwertung wäre nachvollziehbar auch der Windfang-Vorbau ausgesetzt.
Der Sachverständige F. hat weiterhin ausgeführt, dass theoretisch zwar bei der Sanierung des Vorbaus unter Berücksichtigung des Sachwertes ein Mehrwert entstehen würde da dieser im Jahre 2017 tatsächlich bereits um 44 % entwertet war.
Das Gericht folgt dem Sachverständigen hinsichtlich der Bewertung dahin, dass der Windfang für sich gesehen allerdings keine Restnutzungsdauer aufweist, welche über die gesamte Nutzungsdauer des Hauptgebäudes hinausgehen würde, obgleich noch ein Rest-Sachwert vorhanden sein dürfte.
Da der Vorbau bei einer 100-prozentigen Entwertung des Wohnhauses auch seine Funktionserfüllung einbüßt, besteht auch ein isolierter wirtschaftlicher Restwert im Sinne eines Mehrwertes zur Überzeugung der Kammer nicht mehr.
2. Eine deliktische Haftung des Beklagten zu 1. nach § 823 Abs. 1 BGB wegen einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist nicht gegeben.
Zwar obliegt einem Bauherrn, der auf seinem Grundstück Baumaßnahmen veranlasst eine Pflicht zur Überprüfung dahin, ob von seinem Bauvorhaben Gefahren für das Nachbargrundstück ausgehen könnten. Jedoch genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Grundstückseigentümer dieser Verpflichtung regelmäßig schon dadurch, dass er sorgfältig ausgewählte, fachkundige Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen mit der Lösung der anfallenden bautechnischen Aufgaben und deren sachgemäße Durchführung betraut (vgl. BGH WM 1997,2262 [BGH 04.07.1997 - V ZR 48/96]).
Der Beklagte zu 1.hat schlüssig und unbestritten vorgetragen, dass er dieser Verpflichtung nachgekommen ist, insbesondere will er dem Beklagten zu 2. auch die Gründungsempfehlung der Firma I. zugänglich gemacht haben.
Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf hindeuten, dass trotz der Einschaltung von Fachleuten hier von Seiten des Beklagten zu 1. ausnahmsweise Anlass zu einem eigenen Einschreiten bestanden hätte. Allein die potentielle Gefährlichkeit der Arbeiten auf dem wenig tragfähigen Baugrund für sich genommen begründen nach Auffassung der Kammer keine eigene Eingriffs-oder Überwachungspflicht des Beklagten zu 1.
3.Auch eine Haftung nach § § 823,831 BGB scheidet aus, weil der Bauunternehmer nicht als Verrichtungsgehilfe des Auftraggebers anzusehen ist.
II. Ansprüche gegenüber dem Beklagten zu 2.:
1.Die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 2.ergibt sich dem Grunde nach aus dem zwischen dem Beklagten zu 2. geschlossenen Werkvertrag mit dem Beklagten zu 1. welcher vorliegend Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfaltet.
Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 2. ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung von Sorgfaltspflichten aus dem zwischen ihm und dem Beklagten zu 1. geschlossenen Werkvertrag zu, welcher im Hinblick auf die Klägerin als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzusehen ist, § § 280 Abs. 1, 328, 249 ff. BGB.
Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wird im allgemeinen angenommen, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt, die Ausführung der Leistung sich also auch auf den Dritten auswirken kann (vgl. OLG Koblenz NJW RR 2000,544 [OLG Koblenz 07.05.1999 - 8 U 1010/98]).
a.Insbesondere befindet sich die Klägerin im Gefahrenbereich der vertraglichen Leistung des Beklagten zu 2.; die erforderliche Nähebeziehung zu dem Beklagten zu 1. ergibt sich aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis mit gegenseitigen Schutz – und Rücksichtnahmepflichten.
b.Die Drittbezogenheit der Leistung und die Gläubigernähe der Klägerin waren für den Beklagten zu 2. auch ohne weiteres erkennbar. Dass die durchzuführenden Arbeiten sich auf das klägerische Grundstück auswirken konnten ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass Ausschachtungsarbeiten in unmittelbarer Grenznähe durchzuführen waren.
c. Die Klägerin ist auch schutzbedürftig da sie keinen eigenen vertraglichen Anspruch hat. Etwaig bestehende deliktische oder anderweitige Ansprüche genügen nicht (Palandt BGB 79. A. § 328 Rz. 18).
d. Der Beklagte zu 2. hat rechtswidrig und schuldhaft drittschützende Vertragspflichten verletzt.
aa. Dass der Baugrund wenig tragfähig war musste dem Beklagten zu 2. bereits aufgrund der im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Gründung bewusst gewesen sein.
Darüber hinaus war angesichts der Gestaltung des Leistungsverzeichnisses der Firma P. gleichfalls bekannt, dass ein Baugrundgutachten eingeholt worden war.
Der Sachverständige F. führt in dem Gutachten vom 18.06.2018 aus, dass bereits aufgrund des geringen Abstandes der Arbeiten zu dem Windfang auf dem klägerischen Grundstück der Beklagte zu 2. gemäß Din 4123 zunächst weitere Feststellungen zur Konstruktion und zu den Bodenverhältnissen im Bereich des Anbaus hätte veranlassen müssen.
Nach den Anforderungen der DIN 4123 vor Beginn der Arbeiten zu erstellende Unterlagen sind laut Gutachten nicht aktenkundig und offensichtlich auch nicht hergestellt worden da eine Bodenerkundung im Nahbereich des Windfanganbaus nicht erfolgte (S. 9 GA). Hierin sieht der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend einen Verstoß gegen die seinerzeit geltende DIN-Norm.
Der Einsatz einer Rüttelplatte zur Schotterverdichtung war nach den Ausführungen des Sachverständigen vorliegend aus technischen Gründen weder zulässig noch möglich. Er weist in seinem Gutachten darauf hin, dass sich dies bereits aus der Gründungsempfehlung der I. ergeben würde
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Beklagten zu 2. vor Ausführung der Arbeiten jedenfalls Kenntnis dahingehend hatte, dass ein Bodengrundgutachten der I. durch den Beklagten zu 1. eingeholt worden war.
Er war daher verpflichtet, sich dieses jedenfalls zugänglich zu machen.
Mit Schriftsatz vom 30.8.2018 hat der Beklagte zu 1.erstmals vorgetragen, dem Beklagten zu 2. dieses Gutachten vor Angebotserstellung zugeleitet zu haben, diese Behauptung wird seiner Ansicht zufolge belegt durch den Umstand, dass in dem Angebot des Beklagten zu 2. auf dieses Gutachten Bezug genommen wird.
Der Zeuge S. hat ausgesagt, er habe vor Erstellung seines Gutachtens durch den Beklagten zu 2. die Gründungsempfehlung der I. erhalten. Dies spricht indiziell dafür, dass der Beklagte zu 2. die Gründungsempfehlung bereits vor Durchführung der Arbeiten erhalten haben muss; eine spätere Übermittlung an ihn erscheint dagegen lebensfremd.
Soweit der Beklagte zu 2. behauptet, die entsprechende Position lediglich aus dem Leistungsverzeichnis der Planer P. abgeschrieben haben zu wollen, ohne tatsächlich Kenntnis von dem Inhalt des Gutachtens genommen zu haben, ist diese Einlassung unbeachtlich.
Das Gründungsgutachten hat der Beklagte zu 1. ersichtlich eingeholt, um den Planern und letztlich dem bauausführenden Unternehmen hinreichend gesicherte Kenntnisse über die Beschaffenheit und Tragfähigkeit des zu bebauenden Untergrundes zu verschaffen. Es erscheint daher bereits lebensfremd, dass dieses Gutachten gerade dem Beklagten zu 2. als bauausführenden Unternehmen nicht zur Kenntnis gegeben worden sein soll. Selbst wenn man den Vortrag des Beklagten zu 2. insoweit als plausibel ansehen würde, hätten ihm jedenfalls die diesbezüglichen Ausführungen in dem Leistungsverzeichnis des Planers Anlass zu weitergehenden Erkundigungen im Hinblick auf den Baugrund geben müssen.
bb. Das es im engen zeitlichen Kontext mit den durchgeführten Arbeiten zu der Rechtsgutsverletzung der Klägerin gekommen ist, ist von einer Kausalität zwischen der Verletzung der Sorgfaltspflichten und der Rechtsgutsverletzung der Klägerin auszugehen.
cc. Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung ist indiziert. Die Duldung der Bauarbeiten bedeutet keine Einwilligung der Klägerin in die Substanzschädigung und schließt daher die Rechtswidrigkeit der Rechtsgutsverletzung nicht aus (vgl. KG Berlin aa.OO).
dd. Der Beklagte zu 2. hat sich auch nicht nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB von seinem vermuteten Verschulden entlastet.
Dass er etwa vor Ausführung der Arbeiten etwaige Vorbehalte geäußert hat ist nicht vorgetragen und auch nicht anderweitig ersichtlich.
III. Die Beklagten zu 1. und 2. haften der Klägerin auch gesamtschuldnerisch.
Der Annahme einer Gesamtschuld steht nicht entgegen, dass eine Partei aufgrund schuldhafter Vertragsverletzung haftet und die andere verschuldensunabhängig wegen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs zur Entschädigung verpflichtet ist.
Vorliegend sind mehrere Beteiligte für ein und dieselbe Einwirkung auf das Grundstück der Klägerin verantwortlich.
In einem derartigen Fall ist zur Überzeugung der erkennenden Kammer eine solidarische Haftung nach dem Grundgedanken des § 840 BGB gerechtfertigt. Denn auch in der vorliegenden Konstellation greift der für eine Gesamtschuldregelung des § 840 BGB maßgebende Gesichtspunkt ein, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre (vgl. BGH V ZR 314/81; OLG Koblenz BauR 2000,120, KG Berlin v.18.10.2012 – 22 U 226/09 ).
Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten gilt für den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch dem Grunde nach uneingeschränkt, weil dieser nicht nur unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten nach §§ 249 ff. BGB besteht, sondern auch unter die enteignungsrechtliche Entschädigungspflicht des Beklagten zu 1. nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB fällt (vgl. KG Berlin aaO.).
Die Gesamtschuld beider Beklagter ist jedoch auf die Höhe des Zahlungsanspruchs beschränkt, der gegenüber dem Beklagten zu 1. nach dem für ihn geltenden enteignungsrechtlichen Entschädigungsmaßstab besteht (vgl. BGH v. 26.11.1982 – V ZR 314/81).
Vorliegend wirken sich die unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 906 BGB und des § 249 BGB wegen der hier vorliegenden Substanzschädigung an dem Gebäude der Klägerin auf die Gesamtschuld der Beklagten hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs dem Grunde nach nicht aus, weil die eingeklagten Kosten dem Grunde nach mit zu den ersatzfähigen Folgekosten der Einwirkung nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gehören, mithin der Sache nach insoweit auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet sind wie der Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB (vgl KG Berlin aa.O).
IV. Der zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet; insbesondere ist das erforderliche Feststellungsinteresse bereits im Hinblick auf die noch nicht angefallene Umsatzsteuer gegeben, § 256 ZPO.
Da nicht sicher ausgeschlossen erscheint, dass die unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 906 BGB einerseits und des § 249 BGB andererseits sich im Hinblick auf mögliche Zukunftsschäden auswirken könnten, die mit dem Feststellungsbegehren verfolgt werden, war dies im Tenor des Urteils entsprechend klarstellend zum Ausdruck zu bringen (vgl. OLG Koblenz vom 1.4.2011 – 1U 379/06).
IV. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 I S. 2 BGB.
Der diesbezügliche Antrag der Klägerin war der Auslegung dahingehend zugänglich, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt werden (BGH NJW-RR 2013,511 [BGH 07.02.2013 - VII ZB 2/12]).
Ein weitergehender Zinsanspruch ist nicht schlüssig dargetan.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S.1, S.2 ZPO.