Amtsgericht Hameln
Urt. v. 07.08.2009, Az.: 23 C 40/09
Bibliographie
- Gericht
- AG Hameln
- Datum
- 07.08.2009
- Aktenzeichen
- 23 C 40/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 50540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein (hier gegenüber einem Inkassoinstitut) abgegebenes abstraktes Schuldanerkenntnis ("Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich") hindert den Anerkennenden nicht, dem Anspruch hieraus im Wege der Bereicherungseinrede auch Einwendungen entgegenzuhalten, die ihm bei Abgabe des Anerkenntnisses bekannt waren oder hätten bekannt sein können (s. BAG, 15.3.2005, 9 AZR 502/05).
2. Ein in dem Schuldanerkenntnis formularmäßig vereinbarter Einwendungsverzicht verstößt gegen § 307 BGB und ist unwirksam (vgl. BAG a.a.O.).
3. Der Schuldner, der gegenüber dem Anspruch aus dem Anerkenntnis geltend macht, der dem Anerkenntnis zugrunde liegende Anspruch bestehe nicht, muss dies als negative Tatsache (Fehlen eines Rechtsgrunds) zwar beweisen. Der Anerkenntnisempfänger muss zuvor aber im Rahmen des Zumutbaren zu möglichen Rechtsgründen konkret vortragen; erst danach muss der Anerkennende (Bereicherungsgläubiger) die Unrichtigkeit dieses Vortrags beweisen (vgl. BGH NJW 2003,1039 [BGH 27.09.2002 - V ZR 98/01]).
Tenor:
1. Das Versäumnisurteil vom 4.3.2009 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch den Erlass des Versäumnisurteils verursachten Mehrkosten; letztere trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Partei, gegen die vollstreckt wird, darf die Vollstreckung der jeweils vollstreckenden Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Erfüllung aus einem „Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich“ vom 15.4.2008.
Die Beklagte unterzeichnete ein ihr von der Klägerin zugesandtes, als „Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich“ überschriebenes vorformuliertes Schriftstück am 15.4.2008. Hierin hieß es auszugsweise: „ Hiermit erkenne ich, (Name der Beklagten) ausdrücklich an, (Name der Klägerin) einen Betrag von insgesamt 169,28 EUR (Forderungsstand 03.04.2008) einschließlich der darin enthaltenen Kosten dieser Vereinbarung (37,50 EUR) und zuzüglich gegebenenfalls weiter anfallender laufender Zinsen, Kontoführungskosten usw. zu schulden. Ich verzichte hiermit ausdrücklich auf alle Einwendungen und Einreden gegen den Grund oder die Höhe der Forderung. Ich verpflichte mich, die gegen mich bestehende Forderung in Raten zu zahlen; wenn ich jedoch mit einer Rate länger als 14 Tage in Verzug gerate, wird der Gesamtbetrag sofort zu Zahlung fällig.“
Weiterhin ist dann in dem ebenfalls vorformulierten weiteren Text die Ratenzahlungshöhe (25,00 EUR monatlich) angegeben. Bei dem Text handelt es sich um ein von der Klägerin in vielen Fällen verwandtes und von ihr als sogenanntes „Bi-Kontrakt“ bezeichnetes Schriftstück. .Zu den Einzelheiten des Anerkenntnisses- und Ratenvergleichs wird auf diesen (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin stützt die geltend gemachte Forderung allein auf das Schuldanerkenntnis. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei aufgrund des hierin enthaltenen Einwendungsverzichts gehindert, dem Schuldanerkenntnis Einwendungen und Einreden aus dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis entgegenzuhalten. Zu letzterem behauptet sie nach der Aufforderung des Gerichts vom 27.5.2009 (68,69 d.A.) hierzu Einzelheiten anzugeben, sie habe die Forderung durch Abtretung von der Firma
P. durch Abtretung erworben. Die Firma P. habe gegen die Beklagte eine Kaufpreisforderung aus einem Kaufvertrag vom 30.4.2004.
Die Klägerin, die im gerichtlichen Mahnverfahren noch eine Hauptforderung von 349,79 geltend gemacht hat, hat die Klage auf 169,28 EUR zurückgenommen. Das erkennende Gericht hat gegen die Beklagte im schriftlichen Vorverfahren am 4.3.2009 ein Versäumnisurteil über diesen Betrag erlassen. Gegen dieses ihr am 14.3.2009 zugestelltes Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 19.3.2009 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt gegenüber dem Schuldanerkenntnis den Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung. Sie macht geltend, dem Schuldanerkenntnis liege keine diese rechtfertigende Forderung zugrunde und bestreitet auch die Abtretung. Sie ist der Ansicht, ein Einwendungsverzicht hätte vorausgesetzt, dass die Parteien einen Streit über die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens hätten beseitigen wollen. Ein solcher Streit oder Ungewissheit hätte damals allerdings nicht bestanden; sie, die Beklagte, sei davon ausgegangen, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin bestehe. Sie habe durch die Unterzeichnung der Vereinbarung keine klare Rechtslage schaffen wollen sondern lediglich eine vermeintliche Verpflichtung durch eine Ratenzahlung erfüllen wollen. Außerdem erhebt sie die Verjährungseinrede.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll über die mündlichen Verhandlung vom 31.7.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die auf den form- und fristgerecht hin eingelegten Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vorzunehmende Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zur Aufhebung des Versäumnisurteils.
Die Klage, die allein auf den mit „Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich“ überschriebenen Vertrag vom 15.4.2008 gestützt ist, ist unbegründet. Bei dem hierin enthaltenen Anerkenntnis handelt es sich um ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des §§ 781 BGB. Ein solches liegt vor, wenn die mit ihr übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Über diese selbständige Natur des Versprechens müssen sich die Vertragspartner einig geworden sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung an Hand der schriftlichen Erklärung zu ermitteln. Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung ist es, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird (vgl. BGH NJW 1999, 574 f [BGH 14.10.1998 - XII ZR 66/97] m.w.N.). Diese Kriterien führen zur Annahme eines abstrakten Schuldanerkenntnisses in dem genannten Sinne. Das ergibt sich zum einen aus der Formulierung „Anerkenntnis“ aber vor allem auch daraus, dass ein Schuldgrund nicht genannt ist und es der Klägerin – der Beklagten auch erkennbar – darauf ankam, eine bestimmte Forderungssumme festsetzen zu lassen und in Zukunft ihre Forderungen hierauf ohne Rückgriff auf die Ausgangsforderung stützen zu wollen.
Dem Anspruch der Klägerin aus dem Schuldanerkenntnis vom 15.4.2008 steht jedoch der Bereicherungseinwand aus § 242 BGB entgegen, wonach ein Gläubiger nicht das verlangen darf, was er gleich darauf als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzugewähren hätte. Der Einwand ist auch gegenüber einem abstrakten Schuldanerkenntnis möglich. Ein abstraktes Schuldanerkenntnis begründet nämlich grundsätzlich nur eine zusätzliche Forderung des Gläubigers. Dieser kann der Bereicherungseinwand entgegengehalten werden kann, falls die dadurch gesicherte Schuld nicht oder nicht mehr besteht (vgl. nur BGH NJW – RR 1999, 573 f; BGH NJW 2005, 2991, 2993 [BGH 29.06.2005 - VIII ZR 299/04] m.w.N.). Da es hier um einen für die Beklagte günstigen Einwand geht, hat die Beklagte allerdings die Beweislast dafür, dass die dem Schuldanerkenntnis zugrundeliegende Forderung tatsächlich nicht besteht (vgl. BGH Der Betrieb 1987, 1584 [BGH 15.01.1987 - III ZR 153/85]). Als Prozesspartei, die eine negative Tatsache zu beweisen hat, nämlich das Fehlen eines Rechtsgrundes, kann die Beklagte die Klägerin allerdings zunächst darauf verweisen, den Grund der Forderung und ihre Errechnung darzulegen; sie hat dann die Unrichtigkeit dieses Vortrags zu beweisen (vgl. BGH NJW 2003, 1039 [BGH 27.09.2002 - V ZR 98/01]; BAG – 9 AZR 502/03 vom 15.3.2005 = NJW 2005, 3164 ff bei Rdnr. 39 m.w.N.; Palandt, BGB, 69 Aufl., Rdnr. 76 zu § 812 BGB). Das gilt auch für die Darstellung ihrer Aktivlegitimation, d.h. in diesem Fall für die Darstellung, sie habe die Forderung durch Abtretung erworben. Dies muss die Klägerin konkret dartun; erst dann ist es Sache der Beklagten, das zu widerlegen. Vorliegend hat die Beklagte noch nicht einmal konkret dazu vorgetragen, wann denn die Firma … die Forderung an sie abgetreten haben will. Auch zu einem solchen konkreten Vortrag ist sie in der prozessleitenden Verfügung des Gerichts vom 27.5.2009 (dort unter III) aufgefordert worden. Zu einem solchen Vortrag gehört die Darstellung, wann und zwischen wem die Abtretung erfolgt ist. Hieran fehlt es. Das gilt auch für die zugrundeliegende Forderung selbst. Der bloße Hinweis auf einen „Kaufvertrag vom 30.4.2004“ reicht insoweit nicht. Es wären nähere Tatsache zum Abschluss des Kaufvertrages darzutun gewesen, insbesondere auch dazu, was im einzelnen zu welchem Preis bestellt worden sein soll. Auch das hat die Klägerin trotz des Hinweises des Gerichts nicht getan. Auch fehlt die erforderliche Darstellung der Höhe der Forderung. Es ist nicht klar, ob diese sich nur aus dem Kaufpreis zusammensetzt. Die Beklagte ist aufgrund des in dem Schuldanerkenntnis enthaltenen Einwendungsverzichtes auch nicht gehindert, den Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung (Arglisteinrede) geltend zu machen. Der Einwendungsverzicht (Einwendungsausschluss) ist nämlich nach § 307 BGB unwirksam mit der Konsequenz, dass gemäß § 306 Abs. 2 BGB an seine Stelle die oben bereits aufgezeigte gesetzliche Regelung (Zulässigkeit aller Einwendungen gegen die zugrundeliegende Forderung, nicht nur derjenigen, die der Beklagten bei Unterzeichnung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen). Bei dem Einwendungsverzicht handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Sie weicht von der ohne diese Vereinbarung gegebenen, oben aufgezeigten Rechtslage ab, wonach Einwendungen gegen Schuldanerkenntnisse unter dem Gesichtpunkt des Bereicherungseinwandes möglich sind. Dadurch wird der Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne des § 307 BGB unangemessen benachteiligt. Eine solche liegt vor, wenn der Verwender der Klausel damit einseitig seine eigenen Interessen durchsetzt, ohne die Belange seines Vertragspartners angemessen zu berücksichtigern (vgl. nur BGH NJW 1997, 193,195 [BGH 23.10.1996 - XII ZR 55/95]). So ist es hier. Das erkennende Gericht schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 - = NJW 2005, 3164 ff) und der hierin gegebenen eingehenden Begründung an, dass in einem Einwendungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine solche unangemessene Benachteiligung zu sehen ist. Der Ausschluss aller Einreden und Einwendungen aus einem Schuldverhältnis steht im Widerspruch zu dem wesentlichen Grundgedanken des Bereicherungsrechts, zwischen den Beteiligten bei rechtsgrundlosem Vermögenserwerb einen Ausgleich herbeizuführen (BAG a.a.O., dort Rdnr. 27). Das gilt hier um so mehr als der Einwendungsverzicht hier gleichzeitig mit dem Angebot auf Ratenzahlung verknüpft ist und bei dem Vertragspartner so der Eindruck erweckt wird, die Vertragspartei des Verwenders könne in den Genuss der Ratenzahlung nur kommen, wenn sie auch das Schuldanerkenntnis einschließlich des Einwendungsverzichts unterzeichne. Es entsteht auch kein Wertungswiderspruch zu der Rechtslage bei einem bestätigenden (deklaratorischen) Schuldanerkenntnis, gegen den Einwendungen und Einreden, die der anerkennenden Partei damals bekannt waren und über die Streit bestand, ausgeschlossen sind. Bestätigende Schuldanerkenntnisse verschieben nicht die Beweislast sondern gestalten die materielle Rechtslage; sie sind vergleichsähnlich (vgl. BAG a.a.O., Rdnr. 32 un 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH). In entsprechender Anwendung des § 779 BGB sind bei einem bestätigenden Schuldanerkenntnis nur die Einwendungen ausgeschlossen, über die Streit oder Ungewissheit bestand. Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die darüber hinausgehen, sind in der Regel ebenfalls unwirksam (vgl. BAG a.a.O.).
Der Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung ist auch nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Dazu wäre erforderlich, dass die Beklagte aufgrund zumindest einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ am 15.4.2008 positiv gewusst hatte, dass sie zu diesem Zeitpunkt nichts schuldete. Ausnahmsweise reicht auch aus, wenn sie die Leistung (Abgabe des Anerkenntnisses) in der erkennbaren Absicht erbracht hat, sie auch vor dem Fall der Nichtschuld bewirken zu wollen (vgl. Palandt, a.a.O., Rdnr. 3 zu § 814 BGB). Dass die Beklagte bei ihrer Unterschriftleistung gewusst hat, gegen sie bestünden keine offenen Forderungen, sie zahle aber trotzdem, um sich die Mühe einer Auseinandersetzung darüber zu ersparen, hat die Klägerin weder dargetan noch unter Beweis gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Das Gericht hat die Berufung nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil sich aus den von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen anderer Gerichte ergibt, dass diese die Rechtslage anders an das erkennende Gericht bewerten und zu erwarten ist, dass von Seiten der Klägerin ähnlich liegende Sachverhalte unter Verwendung der in ihrem Vertragsformular „Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich“ enthaltenen Bestimmungen wieder zur Entscheidung der Gerichte gestellt werden.