Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.09.1983, Az.: Ss 442/83

Pflichtverletzung eines Wehrpflichtigen vor der Auskleidung durch unbeaufsichtigtes Auslüften seines Bundeswehrparkas auf einem Balkon im Erdgeschoss und dadurch bedingtem Diebstahl des Parkas

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.09.1983
Aktenzeichen
Ss 442/83
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1983, 18965
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1983:0929.SS442.83.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg (Oldenburg) - 11.07.1983 - AZ: 320 Js 18193/83

Fundstelle

  • NJW 1984, 187 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Bußgeldverfahren
...
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 29. September 1983
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ... und
den Richter am Amtsgericht ...
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 11. Juli 1983 aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

1

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach dem Wehrpflichtgesetz (§ 24 Abs. 6 Nr. 4, § 45 Abs. 1 Nr. 6 Wehrpflichtgesetz) zu einer Geldbuße von 60,-- DM.

2

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat gemäß § 80 Abs. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Sie hat Erfolg.

3

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteiles hat die Bundeswehrverwaltung dem Betroffenen nach Beendigung seines Wehrdienstes Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände zur Aufbewahrung überlassen. Am 28. Februar 1983 sollte er die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände bei der Standortverwaltung xxx anläßlich der Auskleidung zurückgeben. Der Betroffene wohnt xxx in einem Siedlungsgebiet mit Wohnblocks, die vornehmlich von Bundeswehrsoldaten bewohnt werden. Am Morgen des Auskleidungstages hängte seine Ehefrau die Kleidungsstücke zum Lüften auf eine Leine auf dem Balkon der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung. Als der Betroffene nach Hause zurückkehrte, um die Bekleidung- und Ausrüstungsgegenstände zusammenzupacken und zur Standortverwaltung nach xxx zur Auskleidung zu fahren, stellte er fest, daß sein Feldparka von der Leine gestohlen war. Seine Ehefrau hatte dieses nicht bemerkt.

4

Das Amtsgericht hat den Betroffenen aufgrund dieses Sachverhalte verurteilt. Es ist der Ansicht, daß den Betroffenen hinsichtlich des entwendeten Parkas eine gesteigerte Sorgfaltspflicht getroffen habe, zumal da bekannt sei, daß Bundeswehrparkas sehr begehrt seien.

5

Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen. Nach § 24 Abs. 6 Nr. 4 WPflG hatte der Betroffene die Pflicht, ausgehändigte Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände ohne Entschädigung jederzeit erreichbar sorgfältig aufzubewahren und zu pflegen. Zur Pflege der Bekleidungsstücke gehört zweifellos auch - nicht nur vor der Auskleidung - die Lüftung dieser Bekleidungsstücke. Gesteigerte Sorgfaltspflichten obliegen dabei nach der Fassung des § 24 Abs. 6 Nr. 4 WPflG dem Betroffenen nicht. Eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit ist daher nur dann gegeben, wenn er den objektiven Tatbestand der Ordnungswidrigkeit pflichtwidrig erfüllt hat und die Tatbestandsverwirklichung für ihn vorhersehbar war. Dies ist bei dem festgestellten Sachverhalt nach Ansicht des Senats jedoch nicht der Fall.

6

Selbst wenn man die Vorhersehbarkeit der Entwendung des Parkas bejaht, so scheitert die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit an einer vorwerfbaren Pflichtwidrigkeit.

7

Angesichts des von der Bundeswehr bei der Berechnung zugrundegelegten Wertes dieses Parkas (61,80 DM) stellt es eine Überforderung des Betroffenen (und auch seiner Ehefrau) dar, von ihnen mehrmalige Kontrollen in kurzen Zeitabständen zu verlangen. Das wäre auch vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gedeckt.

8

Für die Sorgfalt des Betroffenen und seiner Ehefrau spricht ferner gerade, daß sie in einer vornehmlich von Bundeswehrsoldaten bewohnten Siedlung die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände nicht auf einer Freifläche oder in einem - zumindest den Hausbewohnern - frei zugänglichen Trockenraum im Keller oder auf dem Boden des Wohnhauses zum Lüften aufgehängt haben.

9

Da weitere Ermittlungen keinen weiteren Erfolg versprechen (die Auskleidung des Betroffenen war am xxx um xxx Uhr beendet), hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO.