Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.12.2017, Az.: 3 Ss (OWi) 259/17

Ordnungswidriges Verhalten bei Verstoß gegen die Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (KRINKO-Empfehlung)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.12.2017
Aktenzeichen
3 Ss (OWi) 259/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 36746
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

1. Ordnungswidrig handelt, wer die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten (hier: endoskopisches Zusatzinstrumentarium) nicht mit geeigneten validierten Verfahren durchführt. Dagegen handelt nicht ordnungswidrig, wer die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (KRINKO-Empfehlung) beachtet, da in diesem Fall eine ordnungsgemäße Aufbereitung von Medizinprodukten gesetzlich vermutet wird.

2. Wird die KRINKO-Empfehlung, der kein Gesetzesrang zukommt, nicht beachtet, und die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten nicht mit geeigneten validierten Verfahren durchgeführt, wirkt sich nicht die Nichtbeachtung der KRINKO-Empfehlung, sondern die Nichtbeachtung der Anforderungen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) strafbegründend aus - ein Verstoß gegen den Grundsatz nulla poena sine lege liegt nicht vor.

3. Ist ein Betroffener in einem Bußgeldverfahren im Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht nicht durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten, so wird das Urteil in seiner Abwesenheit verkündet. Dies gilt auch dann, wenn sein zur Verteidigung, nicht aber zur Vertretung bevollmächtigter Verteidiger den Termin wahrnimmt.

Tenor:

1. Auf den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gem. § 79 Abs. 3 i. V. m. § 346 Abs. 2 StPO wird der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 11. September 2017, mit dem die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen worden ist, aufgehoben.

2. Die Sache wird gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 5. Juli 2017 zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen.

3. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 5. Juli 2017 wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der erste Absatz des Urteilstenors wie folgt gefasst wird: "Der Betroffene hat wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 S. 1, § 13 Nr. 3 MPBetreibV in der bis zum 28. Juli 2014 geltenden Fassung eine Geldbuße von 1.500,00 Euro zu zahlen."

4. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Betroffene ist Facharzt für Innere Medizin und betreibt in H. eine Schwerpunktpraxis für Gastroenterologie und Proktologie.

Am 19. Januar 2017 erging ein Bußgeldbescheid des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts H. gegen den Betroffenen, mit dem gegen den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung, MPBetreibV) ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 3.000 € festgesetzt wurde. Dem Bußgeldbescheid lag eine Besichtigung der Praxis des Betroffenen am 20. Januar 2014 zu Grunde, bei der nach der Begründung des Bußgeldbescheides festgestellt worden sei, dass die Aufbereitung der bei dem Betroffenen zur Anwendung kommenden Medizinprodukte nicht mit einem geeigneten validierten Verfahren durchgeführt werde.

Gegen den ihm am 21. Januar 2017 zugestellten Bußgeldbescheid des Gewerbeaufsichtsamtes legte der Betroffene am 25. Januar 2017 Einspruch ein.

Mit Urteil vom 5. Juli 2017 verurteilte das Amtsgericht Hannover den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 und Abs. 2, § 13 Nummer 2a MPBetreibV (a. F.) (nicht validierte Aufbereitung von Medizinprodukten) zur Zahlung einer Geldbuße von 1.500 € und gestattete dem Betroffenen, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 500 € zu zahlen.

Das Amtsgericht hat auf Grundlage der Zeugenaussage des zuständigen Prüfbeamten des Gewerbeaufsichtsamtes folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Der Betroffene führt in seiner Praxis unter anderem Magen- und Darmspiegelungen durch und verwendet hierbei Endoskope, die durch natürliche Körperöffnungen in das Magen- oder Darminnere der Patienten eingeführt werden. Es handelt sich hierbei um bis zu zwei Meter lange flexible Schläuche, die mehrere Leitungen, u.a. für optische Diagnostik, Spülungen etc., und daneben auch Arbeitskanäle enthalten, die innenwandig aus gewendeltem Draht bestehen und dazu dienen, mittels eines endoskopischen Zusatzinstrumentariums Behandlungen unmittelbar im Magen und im Darm durchzuführen. Als endoskopisches Zusatzinstrumentarium werden in der Praxis Biopsiezangen und Polypektomieschlingen eingesetzt, um im Magen bzw. Darm Gewebeproben oder verdächtiges und erkranktes Gewebe abzuschneiden oder abzukneifen und zu entnehmen. Sie durchdringen hierbei bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut und gelangen dabei in Kontakt mit Blut bzw. kommen an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung. Biopsiezangen und Polypektomieschlingen sind weitgehend aus Spiraldraht gefertigt und sind aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit wegen anhaftender oder auch bereits fixierter Blut-, Sekret- und Geweberückstände nur schlecht zu reinigen und zu desinfizieren. Biopsiezangen verfügen darüber hinaus im vorderen Arbeitsbereich über ein Drehgelenk mit sehr engen Fugen und kleinen Hohlräumen, die besonders schwer zu reinigen sind. Polypektomieschlingen dagegen verlaufen in einem eigenen, zusätzlichen Kunststoffschlauch. Da die Schlinge im vorderen Arbeitsbereich funktionsbedingt während eines Eingriffs in der Regel mehrmals geweitet und verengt wird, werden Teile von ihr und damit immer wieder auch anhaftende Blut-, Sekret- und Geweberückstände in diesen Schlauch mit hineingezogen, was ebenfalls zusätzlich die Reinigung erschwert. Beide Zusatzinstrumente sind daher hinsichtlich der Art ihrer Anwendung und des sich daraus ableitenden Risikos als "Kritische Medizinprodukte" - "Kritisch B" - gemäß Nr. 1.2.1 der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (im Folgenden Empfehlung des RKI und des BfArM) - einzustufen.

Bereits am 7. Dezember 2010 wurde durch den Zeugen M. - hierbei handelt es sich um den zuständigen Prüfbeamten des Gewerbeaufsichtsamts H. - im Auftrag des Dezernats Gesundheitlicher Verbraucherschutz die Praxis des Betroffenen und insbesondere die hygienische Aufbereitung der keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukte überprüft. Nach den Feststellungen des Zeugen erfolgte die Aufbereitung (Reinigung, Desinfektion und Sterilisation) der Biopsiezangen und Polypektomieschlingen in der Praxis zu diesem Zeitpunkt (nur) manuell in vier Schritten:

1. Manuelles Bürsten

2. Vorreinigung in einem Ultraschallbecken

3. Desinfektion in einer Wanne mit Deckel, in der sich eine Desinfektionslösung befindet.

4. Sterile Verpackung

Durch den Betroffenen konnte anlässlich der Überprüfung ein validiertes Aufbereitungsverfahren für das endoskopische Zusatzinstrumentarium nicht nachgewiesen werden. Es konnte bereits keine Einstufung der Medizinprodukte in Risikoklassen nach der Empfehlung des RKI und des BfArM vorgelegt werden und es fehlte an dokumentierten Verfahrensanweisungen für die einzelnen Aufbereitungsschritte. Der arbeitstägliche Austausch der Reinigungslösung und die regelmäßige Routineprüfung des Ultraschallbeckens wurden nicht durchgeführt (Ziff. 2). Ferner konnte den vorgelegten Anweisungen nicht entnommen werden, mit welchem Desinfektionsmittel, in welcher Konzentration und in welcher Einwirkzeit das Zusatzinstrumentarium gereinigt und desinfiziert wurde (Ziff.3). Auf eine Sterilisation des endoskopischen Zusatzinstrumentariums verzichtete der Betroffene zu diesem Zeitpunkt vollständig. Zwar verfügte die Praxis über einen M.-Heißluftsterilisator. Dieser wurde jedoch nicht für das endoskopische Zusatzinstrumentarium eingesetzt. Darüber hinaus wäre der Sterilisationsprozess auch nicht validierbar gewesen, weil der M.-Heißluftsterilisator nicht die Voraussetzungen für eine "Sterilisation mit feuchter Hitze" erfüllte, wie sie nach der Empfehlung des RKI und des BfArM für Medizinprodukte der Kategorie "Kritisch B" gefordert ist (1.2.1 - Tabelle 1).

Dem Betroffenen wurden die Prüfergebnisse und die Beanstandungen mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 mitgeteilt. Er wurde darauf hingewiesen, dass das eingesetzte endoskopische Zusatzinstrumentarium aufgrund seiner Konstruktion und seines Einsatzbereiches unter die Risikoeinstufung "Kritisch B" fällt und dass in diesem Fall - nach der damals geltenden Empfehlung des RKI und des BfArM - grundsätzlich ein maschinelles Reinigungs- und Desinfektionsverfahren anzuwenden ist. Er wurde ferner darauf hingewiesen, dass die festgestellte manuelle Reinigung den Anforderungen nicht entspricht. Schließlich wurde angeordnet, dass ein Validierungsbericht für die - nicht das endoskopische Zusatzinstrumentarium betreffenden - mit dem M.-Heißluftsterilisator durchgeführten Sterilisationsprozesse von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten vorzulegen ist.

Anlässlich der erneuten Überprüfung der Praxis am 20. Januar 2014 wurde durch den Zeugen M. festgestellt, dass die Aufbereitung des endoskopischen Zusatzinstrumentariums mit Ausnahme der Sterilisation wie im Jahr 2010 nicht maschinell, sondern manuell durchgeführt wurde. Für die Reinigung des Zusatzinstrumentariums konnten weder eine Risikoanalyse gemäß DIN EN ISO 14971 noch eine den Anforderungen gemäß DIN EN ISO 17664 genügende Standardarbeitsanweisung vorgelegt werden, wonach die Aufbereitung dokumentiert und mit geeigneten Mitteln und Verfahren validiert durchgeführt wird. Die in dem Ultraschallbad verwendete Reinigungslösung wurde nach der vorliegenden Arbeitsanweisung durch das Personal entgegen Nr. 2.2.2 - letzter Spiegelstrich - i.V.m. der Anlage 8 Ziff. 3.8 sowie dem Anhang 2.1 der Empfehlung des RKI und des BfArM nicht arbeitstäglich, sondern nur zweimal wöchentlich frisch angesetzt. Auch wurde die Routineprüfung des Ultraschallbeckens durch wahlweise ein Alu-Check- oder ein Sono-Check-Verfahren (das Funktionieren aller Detektoren und damit die Reinigungsleistung wird durch die Anwendung entweder auf eine in einen Rahmen gespannte Aluminiumfolie oder auf eine mit Glaskügelchen gefüllte Ampulle überprüft) in der Praxis des Betroffenen entgegen der Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung zur Validierung manueller Reinigung u. Desinfektion (nicht Bestandteil der Empfehlung des RKI und des BfArM) nicht mindestens vierteljährlich, sondern nur einmal jährlich durchgeführt.

Allerdings setzte der Betroffene für den Sterilisationsprozess (oben Ziff. 4) nunmehr ein maschinelles Verfahren, nämlich einen Sterilisator vom Typ DentaClave B (Autoklave) der Firma Dental X, Baujahr 2010, mit der Seriennummer 10279 ein. Installationsdatum war der 21. Januar 2011. Für diesen Sterilisator konnte weder eine Erstvalidierung noch ein späterer Validierungsbericht vorgelegt werden, durch den der Nachweis geführt wird, dass der maschinelle Sterilisationsprozess tatsächlich zu einem sterilen Medizinprodukt führt. Eine Validierung des Sterilisationsprozesses war tatsächlich seit der Installation des Sterilisators im Jahr 2011 auch nicht erfolgt, weil der Betroffene dies nicht veranlasst hatte. Auf entsprechende Beanstandungsschreiben des Gewerbeaufsichtsamts vom 12. Februar und 24. März 2014 sowie eine Untersagungsverfügung bezüglich der Aufbereitung des endoskopischen Zusatzinstrumentariums vom 28. April 2014 übersandte der Betroffene mit Schreiben vom 6. Mai 2014 einen unvollständigen Bericht über eine am 23. April 2014 durch die Firma A. Service GmbH & Co.KG durchgeführte Validierung für die mit dem Sterilisator DentaClave B durchgeführten Aufbereitungsprozesse. Am 26. Juni 2014 wurde im Rahmen einer erneuten Praxisbegehung durch den Zeugen M. festgestellt, dass der Betroffene nunmehr zwar Einweg-Biopsiezangen verwendete, daneben aber weiterhin einsatzbereite Mehrweg-Biopsiezangen vorhielt, die durch den Zeugen zur Vermeidung von Kontaminationen von den Endoskopen getrennt und in einem separaten Behältnis versiegelt wurden. Es wurde ferner nunmehr durch den Betroffenen auch der vollständige Bericht über eine am 23. April 2014 durchgeführte Validierung der mit dem Sterilisator DentaClave B durchgeführten Sterilisationsprozesse ausgehändigt."

Auf Grundlage dieses Sachverhaltes gelangte das Amtsgericht zu der Überzeugung, der Betroffene habe zumindest fahrlässig seine Pflichten gemäß § 4 Abs. 1 MPBetreibV (a. F.) verletzt.

Das Amtsgericht setzt sich in seiner Urteilsbegründung zunächst damit auseinander, ob hier für den Betroffenen die Vermutung des § 4 Abs. 2 Satz 1 MPBetreibV (a. F.) streitet, wonach eine ordnungsgemäße Aufbereitung vermutet wird, wenn die gemeinsame Empfehlung des Robert Koch Institutes und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bei der Aufbereitung von Medizinprodukten beachtet wird. Mit einer rechtlich nachvollziehbaren Begründung gelangt das Amtsgericht zu der Überzeugung, dass diese Vermutungsregelung zugunsten des Betroffenen nicht eingreift.

Sodann widmet sich das Amtsgericht der Frage, ob der Betroffene den Nachweis eines validierten Aufbereitungsprozesses erbracht habe und verneint dies unter Hinweis darauf, dass der Betroffene bereits eine Risikoanalyse und eine Dokumentation einer Validierung des Aufbereitungsvorgangs nicht vorgenommen habe, die Empfehlungen zur Verwendung des Ultraschallbades nicht eingehalten habe und zudem keinerlei Standardarbeitsanweisung und Prozessvalidierungen für alle Einzelschritte des Aufbereitungsprozesses habe vorlegen können.

Gegen das im Hauptverhandlungstermin am 5. Juli 2017 in Anwesenheit des Verteidigers des Betroffenen verkündete Urteil legte der Verteidiger am 11. Juli 2017 Rechtsbeschwerde ein. Der Betroffene war von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden. Das schriftliche Urteil wurde dem Verteidiger am 2. August 2017 zugestellt. Am 4. September 2017, einem Montag, übersandte der Verteidiger des Betroffenen per Fax einen Schriftsatz an das Oberlandesgericht Celle, in dem er den Antrag stellte, "die am 10. Juli 2017 eingelegte Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nummer 1 OWiG zuzulassen, weil es geboten ist, (weil) die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen". Soweit die Rechtsbeschwerde zugelassen werde, beantrage der Betroffene, das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 5. Juli 2017 aufzuheben und das Bußgeldverfahren einzustellen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Ferner enthielt der per Fax an das Oberlandesgericht Celle übersandte Schriftsatz die Rechtsbeschwerdebegründung, mit der der Verteidiger die Verfahrensrüge und die Sachrüge erhebt. Am 7. September 2017 ging nach Weiterleitung durch das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerdebegründung beim Amtsgericht Hannover ein. Am 8. September 2017 übersandte der Verteidiger des Betroffenen sein Schreiben vom 4. September 2017 an das Amtsgericht.

Unter Hinweis darauf, dass die Rechtsmittelbegründung bei dem Gericht anzubringen ist, dessen Urteil angefochten wird, verwarf das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. September 2017 die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, da diese verspätet begründet worden sei. Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger am 15. September 2017 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 22. September 2017, eingegangen beim Amtsgericht Hannover am selben Tag, legte der Verteidiger gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 11. September 2017 "Rechtsbeschwerde" ein und beantragte, den Beschluss vom 11. September 2017 aufzuheben und über die Rechtsbeschwerde vom 10. Juli 2017 in der Sache zu entscheiden, hilfsweise, Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zu gewähren.

Zur Begründung führt der Verteidiger aus, das Amtsgericht habe die Frist nicht zutreffend berechnet. Da das Urteil in Abwesenheit des Betroffenen verkündet worden sei, habe nach Maßgabe des § 79 Abs. 4 OWiG die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde erst mit Zustellung des Urteils begonnen. Das Urteil sei am 2. August 2017 zugestellt worden, die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde habe damit am 9. August 2017 geendet, die Rechtsmittelbegründungsfrist also erst am 9. September 2017. Seine Rechtsbeschwerdebegründung sei somit nicht verspätet beim Amtsgericht eingegangen.

Zu seinem hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag trägt der Verteidiger vor, er sei von dem Betroffenen beauftragt worden und habe ihm zugesagt, die Rechtsbeschwerde zu erheben und zu begründen. Die Rechtsbeschwerdebegründungfrist sei zunächst ohne Berücksichtigung des § 79 Abs. 4 OWiG in der Kanzlei notiert worden. Die Begründung vom 4. September 2017 sei von ihm versehentlich an das Beschwerdegericht statt an das Amtsgericht adressiert und übersandt worden. Der Fehler sei ihm am 8. September 2017 aufgefallen, sodass er umgehend die Beschwerdebegründung an das Amtsgericht Hannover gefertigt und gefaxt habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 16. November 2017 beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung zu Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu versagen und den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 346 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zulässig.

Der Betroffene hat die Rechtsbeschwerde fristgerecht eingelegt.

Der Betroffene hat auch die Rechtsbeschwerdeanträge rechtzeitig gestellt und die Rechtsbeschwerde rechtzeitig begründet.

Der als "Rechtsbeschwerde" bezeichnete Antrag des Betroffenen vom 22. September 2017 war als Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 346 Abs. 2 StPO auszulegen, da dies der richtige Rechtsbehelf ist, um das von dem Betroffenen verfolgte Ziel, nämlich dass das Rechtsbeschwerdegericht über die Rechtsbeschwerde in der Sache entscheidet, zu erreichen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Der Verwerfungsbeschluss vom 11. September 2017 ist dem Verteidiger des Betroffenen am 15. September 2017 zugestellt worden. Der Antrag vom 22. September 2017 ist am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen. Die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG ist damit gewahrt.

Der Antrag ist auch begründet, da die Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und der Rechtsbeschwerdebegründung nicht verspätet war. Nach § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 345 Abs. 1 StPO sind die Rechtsbeschwerdeanträge und ihre Begründung spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Diese Frist hat der Betroffene eingehalten. Die Rechtsmittelfrist war nach § 79 Abs. 4 OWiG zu berechnen. Das Amtsgericht hat den Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden. Der Betroffene ist zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen. Das Urteil ist in seiner Abwesenheit verkündet worden.

Der Betroffene war im Hauptverhandlungstermin auch nicht durch einen nach § 73 Abs. 3 OWiG schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten. Zwar war der Verteidiger des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin anwesend, der Verteidiger war jedoch nicht bevollmächtigt, den Betroffenen im Termin zu vertreten. Eine schriftliche Vollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht vor. Aus einer solchen muss sich ergeben, dass der Verteidiger berechtigt ist, den Betroffenen in der Hauptverhandlung zu vertreten. Die Anforderungen an die Formulierung der Vertretungsvollmacht sind dabei nicht zu hoch anzusetzen. Formulierungen wie "zu verteidigen und zu vertreten" oder "für den Fall der Abwesenheit" sind ausreichend (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 14. Auflage 2014, § 73, Rn. 41). Zwar befindet sich auf Bl. 160 Bd. I d. A. eine "Prozessvollmacht", diese enthält aber keine Regelung für eine Vertretung des Betroffenen durch den Verteidiger in Abwesenheit und auch keine Hinweise auf eine über die Verteidigung hinausgehende Vertretungsbefugnis. § 73 Abs. 3 OWiG fordert zur Vertretung ausdrücklich eine schriftliche Vollmacht. Diese kann nicht durch konkludentes Verhalten des Verteidigers ersetzt werden (vgl. Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Auflage, § 73 Rn. 26 f. und § 60, Rn. 13). Da dem Amtsgericht zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung somit keine Vertretungsvollmacht vorlag, begann die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil nach den Maßstäben einer Verkündung in Abwesenheit und damit erst mit Zustellung des Urteils zu laufen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 18. April 2011 - 2 Ss OWi 243/11 - NZV 2011, 509, 510).

Eine Zustellung an den Betroffenen ist hier unterblieben. Selbst wenn man aber nach den aufgezeigten Maßstäben auf die Zustellung an den Verteidiger abstellt, wäre die Stellung der Rechtsbeschwerdeanträge und die Rechtsbeschwerdebegründung am 7. September 2017 (Weiterleitung an das Amtsgericht durch das Oberlandesgericht) bzw. am 8. September 2017 (Einreichung des Schriftsatzes beim Amtsgericht durch den Verteidiger) noch rechtzeitig gewesen. Das Urteil ist am 2. August 2017 zugestellt worden, die Rechtsmittelfrist lief daher eine Woche später, also am 9. August 2017, ab. Die Frist des § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 345 Abs. 1 StPO lief damit bis zum 9. September 2017. Dass der Verteidiger bereits am 12. Juli 2017 Rechtsbeschwerde eingelegt hat, vermag die Fristen nicht zu verkürzen. § 79 Abs. 4 OWiG stellt insoweit auf das rein formale Kriterium der Abwesenheit des Betroffenen ohne Vertretung durch einen ausreichend bevollmächtigten Vertreter ab, auf die tatsächliche (frühere) Kenntnis von der Verurteilung kommt es nicht an.

Da die Begründung der Rechtsbeschwerde rechtzeitig erfolgte, war über den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr zu entscheiden.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Soweit der Betroffene die Verfahrensrüge erhoben hat, genügt das Vorbringen nicht den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift sind bei der Erhebung der Verfahrensrüge die den beanstandeten Verstoß begründenden Tatsachen so genau und vollständig darzulegen, dass das Revisionsgericht allein auf ihrer Grundlage das Vorhandensein oder Fehlen eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. OLG Celle, 2. Bußgeldsenat, Beschluss vom 28. Juni 2017 - 2 Ss (OWi) 146/17 - juris, Rn. 3). Der Betroffene hat weder Verfahrensmängel benannt noch, wie diese sich auf das Verfahren im Ergebnis ausgewirkt haben.

2. Auch die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

a) Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor, insbesondere ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Gegenstand des Verfahrens ist der Vorwurf eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 MPBetreibV a. F. Die Verfolgungsverjährung beträgt nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG 2 Jahre (vgl. Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 216. EL 2017, MPG, § 42, Rn. 34), da die dem Betroffenen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit im Höchstmaß mit einem Bußgeld von 12.500 Euro bedroht ist. Nach § 42 Abs. 3 Medizinproduktegesetz (MPG) in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung kann ein Verstoß gegen die MPBetreibV mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden, ab dem 1. Januar 2017 ist der in § 42 Abs. 3 MPG vorgesehene Bußgeldrahmen auf bis zu 30.000 € erhöht worden. Hier ist auf den milderen Bußgeldrahmen abzustellen (§ 4 Abs. 3 OWiG), von dem wegen der fahrlässigen Begehungsweise nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 OWiG nur die Hälfte des gesetzlich angedrohten Höchstsatzes in Ansatz zu bringen ist.

Die Überprüfung der Praxis des Betroffenen fand am 20. Januar 2014 statt. Mit Schreiben des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts H. vom 6. Juli 2015 ist dem Betroffenen mitgeteilt worden, dass gegen ihn ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit geführt wird; gleichzeitig ist der Betroffene zum Tatvorwurf angehört worden. Dies führt nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG dazu, dass die Verjährung unterbrochen wurde. Erstmals erging am 31. Mai 2016 ein Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen, wegen unvollständiger Sachverhaltsaufklärung wurde das Verfahren mit Beschluss vom 22. Dezember 2016 durch das Amtsgericht nach § 206a StPO i. V. m. § 46 OWiG eingestellt. Am 19. Januar 2017 erließ das Gewerbeaufsichtsamt den diesem Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheid, der dem Betroffenen am 21. Januar 2017 zugestellt worden ist. Dem stand der Einstellungsbeschluss nicht entgegen, da ein neues Verfahren möglich ist, wenn das Verfahrenshindernis später wegfällt oder es beseitigt wird (Einreichung einer wirksamen Anklage oder hier: Erlass eines wirksamen Bußgeldbescheides; vgl. Schneider, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage 2013, § 206a Rn. 15). Hierdurch wurde die Verjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen.

Die absolute Verfolgungsverjährung von 4 Jahren (§ 33 Abs. 3 S. 2 OWiG) wird nicht erreicht.

b) Die Ahndung des Verhaltens des Betroffenen als Ordnungswidrigkeit verstößt nicht gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG normierten Grundsatz, wonach eine Handlung als Ordnungswidrigkeit nur geahndet werden kann, wenn die Möglichkeit der Ahndung gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde (nulla poena sine lege).

Die erforderliche Rechtsgrundlage ergibt sich aus der MPBetreibV. In ihr ist geregelt, dass die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren dergestalt durchzuführen ist, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Zur Tatzeit am 20. Januar 2014 fand sich diese Regelung in § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV in der bis zum 28. Juli 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.). Eine ordnungsgemäße Aufbereitung wird nach der MPBetreibV vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten beachtet wird, § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV in der bis zum 28. Juli 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.). Gleichzeitig bestimmt die MPBetreibV in § 13 Nr. 3 MPBetreibV in der ebenfalls bis zum 28. Juli 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.), dass ordnungswidrig handelt, wer die Aufbereitung nicht richtig durchführt. Diese Rechtslage gilt bis heute fort. Durch spätere Änderungen der MPBetreibV sind die tatrelevanten Vorschriften lediglich umnummeriert, inhaltlich aber nicht geändert worden. So wurden die zur Tatzeit in § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. geregelten Anforderungen an die Aufbereitung zunächst in § 4 Abs. 1 S. 1 MPBetreibV in der vom 29. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und später in § 8 Abs. 1 S. 1 MPBetreibV in der seit dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung umgesetzt. Die zur Tatzeit in § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV a. F. geregelte Vermutung fand sich in der vom 29. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV und findet sich in der seit dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung in § 8 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV wieder. Die Ausgestaltung als Ordnungswidrigkeit gem. § 13 Nr. 3 MPBetreibV a. F., entspricht der vom 29. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in § 13 Nr. 2a MPBetreibV und der seit dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung in § 17 Nr. 5 MPBetreibV.

Bei der MPBetreibV handelt es sich um eine Rechtsverordnung. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von § 4 Abs. 2 S. 1 und S. 3 MPBetreibV a. F. (§ 4 Abs. 1 und 2 MPBetreibV bzw. § 8 MPBetreibV in den späteren Fassungen) findet sich in § 37 Abs. 5 Nr. 1a MPG. Die in § 4 MPBetreibV a. F. normierten Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten sind somit auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen. Das gleiche gilt für die Regelung des § 13 Nr. 3 MPBetreibV a. F. (§ 13 Nr. 2a MPBetreibV bzw. § 17 Nr. 5 MPBetreibV in den späteren Fassungen), durch die Verstöße gegen § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. (§ 4 Abs. 1 MPBetreibV bzw. § 8 Abs. 1 MPBetreibV in den späteren Fassungen) als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet werden, wenn gegen die entsprechenden Vorschriften vorsätzlich oder fahrlässig verstoßen wird. Die Ermächtigungsgrundlage zu § 13 Nr. 3 MPBetreibV a. F. (§ 13 Nr. 2a MPBetreibV bzw. § 17 Nr. 5 MPBetreibV in den späteren Fassungen) findet sich in § 42 Abs. 2 Nr. 16 MPG, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsverordnung (u. a.) nach § 37 Abs. 5 Nr. 1a MPG zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Dies hat der Verordnungsgeber in § 13 Nr. 3 MPBetreibV a. F. (§ 13 Nr. 2a MPBetreibV bzw. § 17 Nr. 5 MPBetreibV in den späteren Fassungen) getan.

Soweit der Betroffene die Auffassung vertritt, der bußgeldbewehrte Vorwurf werde letztlich auf die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (KRINKO-Empfehlung) und auf DIN-Normen gestützt, verkennt er die Systematik des § 4 Abs. 2 S. 1 und 3 MPBetreibV a. F. und der gleichlautend ausgestalteten Folgeregelungen. Eine Verletzung der KRINKO-Empfehlung oder von DIN-Normen, auf die die KRINKO-Empfehlung Bezug nimmt, wirkt sich nicht strafbegründend aus.

Nach der Systematik des § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. ist die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Ein Verstoß gegen diese Pflicht aus § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. ist nach § 13 Nr. 3 MPBetreibV a. F. bußgeldbewehrt.

Der KRINKO-Empfehlung kommt erst im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV a. F. Bedeutung zu. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Vermutung, wonach von einer ordnungsgemäßen Aufbereitung im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. auszugehen ist, wenn die Empfehlungen der KRINKO beachtet werden. In diesem Fall greift die Vermutung des § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV a. F., ein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. und damit auch eine bußgeldrechtliche Ahndung scheiden aus. Die Nichtbeachtung der KRINKO-Empfehlung begründet mithin keine Ordnungswidrigkeit, sondern führt lediglich zum Verlust der Vermutungswirkung des § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV a. F. Eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit droht erst bei einem etwaigen Verstoß gegen die Anforderungen des nunmehr voll zur Überprüfung gestellten § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F.

Die vorstehend skizzierte gesetzliche Systematik hat das Amtsgericht, auch wenn es seinen Erwägungen die MPBetreibV in der vom 29. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung zugrunde gelegt hat, beachtet. Es hat zunächst geprüft, ob zugunsten des Betroffenen die Vermutung des § 4 Abs. 2 S. 3 a. F. (§ 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV in der vom 29. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) eingreift und dies in einer rechtlich nicht zu beanstandenden, sich in der Sache mit den Anforderungen der KRINKO-Empfehlung auseinandersetzenden Art und Weise, verneint. Der Betroffene hat nach den Feststellungen die Anforderungen der KRINKO-Empfehlung nicht eingehalten. Dies schon deshalb, weil nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts in der Praxis des Betroffenen zum Zeitpunkt der Prüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt am 20. Januar 2014 die in dem Ultraschallbad verwendete Reinigungslösung lediglich zweimal wöchentlich frisch angesetzt wurde. Nach Nr. 2.2.2 und Anlage 8 (Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung flexibler Endoskope und endoskopischen Zusatzinstrumentariums) Ziffer 3.8 (Aufbereitung von endoskopischen Zusatzinstrumentarium) der KRINKO-Empfehlung ist die Reinigungslösung im Ultraschallbad indes mindestens arbeitstäglich zu wechseln, bei erkennbarer Verunreinigung auch mehrfach täglich (KRINKO-Empfehlung, Bundesgesundheitsblatt 2012, S. 1244, 1254 und 1293). Die von dem Betroffenen in seiner Praxis verwendeten und bei der Prüfung am 20. Januar 2014 festgestellten Biopsiezangen und Schlingen werden durch die KRINKO-Empfehlung ausdrücklich als endoskopisches Zusatzinstrumentarium aufgeführt (KRINKO-Empfehlung, Bundesgesundheitsblatt 2012, S. 1244, 1288).

Nachdem das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Betroffene die Anforderungen der KRINKO-Empfehlung nicht erfüllt hat und damit die Vermutungsregelung des § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV a. F. nicht greift, hat es die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV - zwar in der vom 29. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, die indes inhaltsgleich mit der damals geltenden Regelung ist - geprüft und ist in ebenfalls nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene nicht in der Lage war, ein den Anforderungen des § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. genügendes validiertes Verfahren für die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten hinsichtlich der von ihm in seiner Praxis verwendeten endoskopischen Zusatzinstrumente zu belegen. Unter einem solch validierten Verfahren ist ein dokumentiertes Verfahren zum Erbringen, Aufzeichnen und Interpretieren von Ergebnissen zu verstehen, welches den Schluss zulässt, dass es beständig Produkte liefert, die den vorgegebenen Spezifikationen (insbesondere Sauberkeit, Keimarmut/Sterilität und Funktionalität) genügen. Die Validierung stellt damit letztlich den dokumentierten Nachweis der beständigen Wirksamkeit eines Aufbereitungsprozesses dar (vgl. Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 13 A 32/11 - juris: Rn. 6).

Angesichts der durch das Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, wonach der Betroffene bei der Prüfung am 20. Januar 2014 die von ihm in seiner Praxis verwendeten Instrumente wie Biopsiezangen oder Polypektomieschlingen zwar reinigen ließ, aber keine Risikobewertung und -analyse vorgenommen, keine Standardarbeitsanweisungen für jeden Arbeitsschritt formuliert, eine Validierung des in seiner Praxis genutzten Sterilisators DentaClave B nicht veranlasst hat und auch keine Nachweise vorlegen konnte, dass die Verfahrensziele (Sauberkeit, Keimarmut, Sterilität, Funktionalität) beständig erreicht wurden, liegt der Schluss, es sei kein validierter Prozess der Aufbereitung nachgewiesen worden, geradezu auf der Hand. Der Betroffene hat damit gegen § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. verstoßen.

Der weitere Umstand, dass der Betroffene ein validiertes Verfahren für die Aufbereitung der von ihm verwendeten Medizinprodukte nachweisen muss, begründet für das Ordnungswidrigkeitenverfahren keine unzulässige Beweislastumkehr dahingehend, dass ein Schuldnachweis gegen den Betroffenen nicht geführt werden, vielmehr dieser seine Unschuld beweisen müsse. § 4 Abs. 2 S. 1 MPBetreibV a. F. setzt die Anforderungen fest, die der Betroffene erfüllen muss, wenn er Medizinprodukte wie endoskopische Zusatzinstrumente für die wiederholte Verwendung in seiner Praxis aufbereitet. Geht er dabei nicht nach der KRINKO-Empfehlung vor und findet die Vermutungsregelung des § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV a. F. mithin keine Anwendung, muss er die ordnungsgemäße Aufbereitung auf anderem Wege gewährleisten. Dann muss der positive Nachweis einer Aufbereitung in einem geeigneten validierten Verfahren nach § 4 Abs. 2 Satz 1 MPBetreibV a. F. erbracht werden (vgl. Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 29. September 2017 - 13 LA 4/16 - juris: Rn. 12). Die Verantwortung für die Einrichtung eines ausreichend validierten Verfahrens und die Einhaltung der MPBetreibV trägt der Betroffene. Dies entbindet die Verfolgungsbehörden jedoch nicht davon, dass eine Ahndung durch ein Bußgeld den Nachweis voraussetzt, dass der Betroffene dieser Verantwortung schuldhaft nicht gerecht geworden ist. Diesen Nachweis hat das Amtsgericht geführt.

c) Der Senat folgt dem Amtsgericht im Ergebnis auch dahingehend, dass der Gesetzesverstoß durch den Betroffenen als fahrlässig zu bewerten ist, obgleich aufgrund des vom Amtsgericht festgestellten Umstandes, wonach der Betroffene bereits im Jahr 2010 durch das Gewerbeaufsichtsamt auf die Mängel bei der Aufbereitung von Medizinprodukten in seiner Praxis hingewiesen worden war und Maßnahmen zur Abhilfe aufgezeigt worden waren, auch die Annahme vorsätzlichen Handelns vertretbar gewesen wäre.

d) Auch die Ausführungen des Amtsgerichtes zur Bußgeldhöhe halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Amtsgericht ist, wie oben zur Frage der Verjährung ausgeführt, zutreffend von einem Bußgeldrahmen von bis zu 12.500 € ausgegangen (vgl. auch Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 216. EL 2017, MPG, § 42, Rn. 31). Die Zumessungserwägungen zur Höhe des Bußgeldes weisen ebenfalls keine Rechtsfehler auf.

IV.

Der Senat hat den Schuldspruch zur Verdeutlichung des Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 S. 1, § 13 Nr. 3 MPBetreibV in der bis zum 28. Juli 2014 - und damit zur Tatzeit geltenden - Fassung (a. F.) konkretisiert. Da die Rechtsbeschwerde im Ergebnis keinen Erfolg hatte, waren die Kosten dem Betroffenen aufzuerlegen, § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.