Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.07.2019, Az.: 1 Ss 32/17

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.07.2019
Aktenzeichen
1 Ss 32/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 27683
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Stadthagen - 02.09.2016
LG Bückeburg - 14.03.2017

Fundstelle

  • StV 2020, 777

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Drittbereicherungsabsicht im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB liegt nicht vor, wenn es dem Täuschenden nur darauf ankommt, den Dritten davon abzuhalten, gegen ihn Strafanzeige zu erstatten oder ihn zivilrechtlich in Anspruch zu nehmen.

  2. 2.

    Die Strafgewalt des Berufungsrichters reicht nicht über die des Amtsgerichts hinaus. Sie ist auch dann gemäß § 24 Abs. 2 StGB nach oben hin begrenzt auf vier Jahre Freiheitsstrafe, wenn eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorzunehmen ist und bei Erlass des amtsgerichtlichen Urteils noch keine Gesamtstrafenlage vorlag.

  3. 3.

    Das Berufungsgericht kann sich, wenn allein für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB die eigene Strafgewalt nicht ausreicht, darauf beschränken, eine Strafe für die verfahrensgegenständliche Tat festzusetzen, und die Gesamtstrafenbildung dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen. Für die Beschlussentscheidung nach § 460 StPO ist in einem solchen Fall gemäß § 462a Abs. 3 Satz 4 StPO eine große Strafkammer des Landgerichts zuständig.

In der Strafsache
gegen M. L.,
geboren 1963,
wohnhaft: ...
- Verteidiger: Rechtsanwalt C. -
wegen Betruges
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft - zu 2. auf deren Antrag - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 18. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg vom 14. März 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

    1. a)

      im Fall 2 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Firma R.),

    2. b)

      im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

  3. 3.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Stadthagen - Schöffengericht - hatte den Angeklagten am 2. September 2016 wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und bestimmt, dass zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt zu gelten haben.

Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg mit Urteil vom 14. März 2017 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Aurich vom 10. November 2016 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt wird.

Hiergegen wendet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

2. Das Landgericht Bückeburg hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

a) Der Angeklagte spiegelte dem mit ihm gut bekannten Arzt Dr. L., der in seinem Garten in L. einen Schwimmteich bauen lassen wollte, wahrheitswidrig vor, er sei stiller Teilhaber eines Garten- und Landschaftsbauunternehmers und könne die Errichtung des Schwimmbades preisgünstig vornehmen. Der Angeklagte und der Zeuge Dr. L. vereinbarten daraufhin mündlich im Juli 2012 die Erstellung einer Anlage mit biologischem Schwimmteich durch den Angeklagten und kamen überein, dass der Zeuge Dr. L. Vorschusszahlungen unter anderem für den Einkauf von Material erbringen sollte, allerdings nicht auf das Firmenkonto des vom Angeklagten benannten Gartenbauunternehmens, sondern auf das Privatkonto der Lebensgefährtin des Angeklagten. In der Zeit zwischen Juli und September 2012 überwies Dr. L. insgesamt acht Mal größere Beträge auf das vom Angeklagten genannte Konto; insgesamt leistete er Vorschusszahlungen in Höhe von 83.200,- €. Der Angeklagte, der von vornherein nicht vorhatte, irgendwelche Leistungen zu erbringen, verbrauchte die erhaltenden Gelder gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin für private Anschaffungen.

Dieses Vorgehen hat das Landgericht Bückeburg als Betrug in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 StGB gewertet und hierfür gegen den vielfach unter anderem wegen Betrugstaten vorbestraften Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten als Einzelstrafe verhängt (Fall 1).

b) Da der Geschädigte Dr. L. im September 2012 unruhig wurde, weil noch keinerlei Arbeiten auf seinem Grundstück verrichtet worden waren, beauftragte der Angeklagte am 12. Oktober 2012 das Gartenbauunternehmen R. aus G. damit, im Garten des Geschädigten Dr. L. Baumfäll- und Erdarbeiten vorzunehmen, um dem Geschädigten und dessen Lebensgefährtin zu zeigen, dass es auf dem Grundstück nunmehr endlich vorangehe. Dabei gab er gegenüber dem Gartenbauunternehmen R. vor, er sei lediglich der Planer, Auftraggeber für die Arbeiten sei der Grundstückseigentümer, also der Zeuge Dr. L. Der Angeklagte hatte, so das Landgericht Bückeburg, ungeachtet der vom Geschädigten Dr. L. erhaltenen Vorschusszahlungen nicht vor, selbst irgendwelche Zahlungen an das Gartenbauunternehmen R. zu leisten. Es kam ihm lediglich darauf an, dass mit nach außen sichtbaren Arbeiten auf dem betroffenen Grundstück begonnen wurde. In der Folgezeit fällte das Gartenbauunternehmen R. ab dem 12. Oktober 2012 auf dem Grundstück des Dr. L. mehrere Bäume und bearbeitete das Gelände mit schwerem Gerät. Als der Zeuge Dr. L. bei einer Baubegehung am 30. Dezember 2012 erklärte, dass er eine zwischenzeitlich von der Firma R. erstellte Rechnung nicht zahlen werde, sondern sich das Gartenbauunternehmen R. an den Angeklagten wenden solle, stellte das Unternehmen sämtliche Arbeiten ein und hinterließ - so die Feststellungen des angefochtenen Urteils des Landgerichts Bückeburg - eine "Bauwüste", welche der Geschädigte Dr. L. auf eigene Kosten in Höhe von weiteren etwa 35.000,- € durch eine andere Firma wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen ließ. Auf die letztlich von der Firma R. für die geleisteten Arbeiten in Rechnung gestellten 39.514,87 € erfolgte bis auf eine auf Veranlassung des Angeklagten von dessen Lebensgefährtin erbrachte Zahlung in Höhe von 5.000,- € kein Ausgleich. Den der Firma R. entstandenen Schaden hat das Landgericht auf etwa 34.000,- € beziffert. In Bezug auf den Geschädigten Dr. L. spricht das Landgericht in dem angefochtenen Urteil von einem Gesamtschaden in Höhe von 118.200,- €, wobei das Landgericht insofern die von Dr. L. an den Angeklagten erbrachten Zahlungen in Höhe von 83.200,- € und die Aufwendungen für die Wiederherstellung des Grundstücks in Höhe von 35.000,- € zusammengerechnet hat.

Die Beauftragung des Gartenbauunternehmens R. durch den Angeklagten hat das Landgericht Bückeburg als Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB gewertet und hierfür gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten als Einzelstrafe verhängt (Fall 2).

c) Der Angeklagte war am 10. November 2016 durch Berufungsurteil des Landgerichts Aurich wegen veruntreuender Unterschlagung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Zudem hatte das Landgericht Aurich in diesem Urteil, das am Tag der Verkündung, also am 10. November 2016 rechtskräftig wurde, festgelegt, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt zu gelten haben.

Das Landgericht Bückeburg hat mit dem angefochtenen Urteil vom 14. März 2017 aus den beiden im vorliegenden Verfahren verhängten Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie einem Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Aurich vom 10. November 2016 - wie erwähnt - eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten gebildet.

II.

Die Revision ist zulässig und hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang (zumindest vorläufig) Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Hinsichtlich des Schuldspruches im Fall 1 (Tat zum Nachteil des Geschädigten Dr. L.) und der für diese Tat verhängten Einzelstrafe weist das angefochtene Urteil keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insofern verwirft der Senat die Revision daher gemäß § 329 Abs. 2 StPO.

2. Dagegen tragen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges im Fall 2 nicht; insofern sind die Feststellungen lückenhaft.

Denn eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges (zum Nachteil des Gartenbauunternehmens R.) im Fall 2 setzte voraus, dass der Angeklagte insofern (subjektiv) in der Absicht handelte, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Vorliegend kommt insofern allein ein vom Angeklagten erstrebter Vermögensvorteil bei dem Grundstückseigentümer Dr. L. als Dritten in Betracht. Dass der Angeklagte allerdings insofern durch die Beauftragung des Gartenbauunternehmens R. einen Vermögensvorteil für den Zeugen Dr. L. erstrebte, lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Denn ausweislich der Feststellungen kam es dem Angeklagten mit der Beauftragung des Gartenbauunternehmens R. darauf an, dem Zeugen Dr. L. und seiner Lebensgefährtin zu zeigen, dass es auf dem Grundstück nunmehr endlich vorangehe, und diese davon abzuhalten, mit Strafanzeigen und Klagen gegen ihn vorzugehen. Diese festgestellte Intention des Angeklagten bei der mit einer Täuschung verbundenen Beauftragung des Gartenbauunternehmens R. bedingt nicht ohne Weiteres auch eine Absicht des Angeklagten dahingehend, dem Grundstückseigentümer Dr. L. einen Vermögensvorteil in Form einer Teilerrichtung des gewünschten Schwimmbades zu verschaffen, zumal der Angeklagte die geschuldete Errichtung des Schwimmbades gerade nicht erbringen wollte. Zwar ließe sich ein - für die Verwirklichung des Betrugstatbestandes ausreichender (vgl. Schöne-Schröder/Perron, StGB, 29. Auf. 2014, § 263 Rn. 176 mwN.) - Wille des Angeklagten, als ein Zwischenziel dem Geschädigten Dr. L. durch die seitens des Gartenbauunternehmens R. durchgeführten Arbeiten auf dem Grundstück einen Vermögensvorteil zu verschaffen, möglicherweise dann bejahen, wenn der Angeklagte angenommen haben sollte, die von ihm in Auftrag gegebenen Baumfäll- und Erdarbeiten würden bereits für sich genommen zu einer Vergrößerung des Grundstückswertes und damit zu einem Vermögensvorteil bei dem Zeugen Dr. L. führen. Ob der Angeklagte Derartiges annahm, lässt sich indes den Feststellungen nicht entnehmen. Ganz im Gegenteil könnte indiziell gegen eine solche Annahme sprechen, dass der Grundstückseigentümer Dr. L. letztlich 35.000,- € investierte, um sein Grundstück wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Die Sache bedarf daher hinsichtlich des Falles 2 einer erneuten Verhandlung und Entscheidung, wobei allerdings insofern im Hinblick auf die schwierige Beweislage - der Angeklagte hat sich in der Berufungshauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen -, im Hinblick auf den Zeitablauf seit den relevanten Ereignissen, angesichts der Höhe der übrigen - einbeziehungsfähigen - Einzelstrafen sowie vor dem Hintergrund der nachfolgend zu erörternden Problematik der Reichweite der Strafgewalt des Berufungsgerichts eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO angezeigt sein könnte.

3. Die Aufhebung des Urteils im Fall 2 bedingt die Aufhebung auch des Gesamtstrafenausspruchs. Dieser hätte allerdings aus den nachfolgend dargelegten Gründen ohnehin keinen Bestand haben können.

Zwar war ausweislich der im Urteil getroffenen Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten und des mitgeteilten Vollstreckungsstandes der Vorverurteilungen die von der Strafkammer - abweichend vom ursprünglichen Urteil des Amtsgerichts Stadthagen - vorgenommene Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Aurich vom 10. November 2016 grundsätzlich geboten, da im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts Bückeburg eine Gesamtstrafenlage gegeben war.

Indes hat die kleine Strafkammer mit der vorgenommenen Verhängung einer Gesamtstrafe von vier Jahren und zwei Monaten ihre Strafgewalt überschritten. Die Strafgewalt des Berufungsrichters reicht nicht über die des Amtsrichters hinaus; sie ist nach oben hin gemäß § 24 Abs. 2 GVG begrenzt auf vier Jahre Freiheitsstrafe. Dies gilt auch im Falle einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung, also in der hier vorliegenden Fallkonstellation (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 8. März 2016 - 1 OLG 171 Ss 5/16, BeckRS 2016, 17321; OLG Jena, Beschluss vom 8. Januar 2003 - 1 Ss 280/02, NStZ-RR 2003, 139; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 328 Rn. 9, § 24 GVG Rn. 11).

Weil das Berufungsgericht vorliegend eine (nachträgliche) Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als vier Jahren für schuldangemessen erachtet hat, hätte es in Ermangelung hinreichender eigener Strafgewalt von der eigentlich nach § 55 StGB zwingenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung absehen müssen. Statthaft und angezeigt ist es in einem solchen Fall einer nicht ausreichenden Strafgewalt des Berufungsgerichts aufgrund einer nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils erforderlich gewordenen nachträglichen Gesamtstrafenbildung, dass das Berufungsgericht lediglich für die Tat(en) eine (Gesamt-)Freiheitsstrafe festsetzt, die Gegenstand der Verurteilung durch das mit der Berufung angefochtene amtsgerichtliche Urteil war(en), und die nachträgliche Gesamtstrafenbildung in diesem Fall dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlässt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 1989 - 4 StR 236/89, NStZ 1990, 29; BGH, Urteil vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 368/86, BGHSt 34, 204 [206]; OLG Jena, Beschluss vom 8. März 2016 - 1 OLG 171 Ss 5/16, BeckRS 2016, 17321; OLG Jena, Beschluss vom 8. Januar 2003 - 1 Ss 280/02, NStZ-RR 2003, 139; KK-StPO/Appl, 7. Aufl. 2013, § 460 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 328 Rn. 12, § 460 Rn. 2). Für die Beschlussentscheidung nach § 460 StPO ist in einem solchen Fall gemäß § 462a Abs. 3 Satz 4 StPO eine große Strafkammer des Landgerichts zuständig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 462a Rn. 28).

Sollte die zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zu dem Ergebnis kommen, dass die Verhängung einer vier Jahre übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe geboten ist, wird sie wie vorstehend skizziert zu verfahren haben.

III.

Vorsorglich weist der Senat für den anstehenden neuen Rechtsgang auf Folgendes hin:

Die zur erneuten Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer wird im Falle einer von ihr vorzunehmenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Aurich vom 10. November 2016 in Anwendung der sogenannten "Vollstreckungslösung" (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) ausdrücklich darüber zu befinden haben, in welchem Umfang eine neu festzulegende Gesamtfreiheitsstrafe wegen der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen als bereits vollstreckt zu gelten hat. Dies ist in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 14. März 2017 rechtsfehlerhaft unterblieben.

Dabei wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die im Urteil des Landgerichts Aurich vom 10. November 2016 getroffene Feststellung, dass zwei Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten, in Rechtskraft erwachsen ist. Zudem wird zu beachten sein, dass der vom Amtsgericht Stadthagen mit Urteil vom 2. September 2016 gewährte Vollstreckungsabschlag von ebenfalls zwei Monaten dem Verschlechterungsverbot des § 331 StPO unterfällt (OLG Celle, Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 32 Ss 116/11, Nds. RPfl. 2012, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 331 Rn. 20b) und die im Ergebnis vom Landgericht Bückeburg mit seinem angefochtenen Urteil aufgrund der weitgehenden Berufungsverwerfung aufrecht erhaltene Kompensationsentscheidung von der mit vorliegendem Beschluss ausgesprochenen Teilaufhebung des Urteils im Gesamtstrafenausspruch nicht berührt wird (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135). Schließlich wird zu beachten sein, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung der neu festzusetzende Vollstreckungsabschlag nicht hinter ursprünglich ausgesprochenen Anrechnungen zurückbleiben darf, insofern also ein aus dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 2 StGB abzuleitendes Verschlechterungsverbot gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, Rn. 59; Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 46 Rn. 138). Mithin darf eine vom neuen Tatrichter bei einer erneuten nachträglichen Gesamtstrafenbildung ausdrücklich zu treffende Kompensationsentscheidung nicht hinter einem Vollstreckungsabschlag von vier Monaten zurückbleiben (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 23. August 2012 - I Ws 155/12, BeckRS 2012, 18331). Das Gleiche gälte, wenn es zu dem oben unter II.3. skizzierten Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO kommen sollte, für die dann in dem Gesamtstrafenbeschluss zu treffende Kompensationsentscheidung.