Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 14.05.2018, Az.: 11 U 1/18

Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages bei vorbehaltlose Erbringung von Sondertilgungen zur Inkraftsetzung von Nachtragsvereinbarungen nach Erklärung des Widerrufs

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
14.05.2018
Aktenzeichen
11 U 1/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 26324
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 21.07.2017 - AZ: 2 O 1782/16 (248)

Fundstellen

  • MDR 2018, 1198-1199
  • VuR 2018, 438-439
  • ZAP EN-Nr. 481/2018
  • ZAP 2018, 873

Amtlicher Leitsatz

Die vorbehaltlose Erbringung von Sondertilgungen zur Inkraftsetzung von Nachtragsvereinbarungen und anschließend von Zins- und Tilgungsleistungen für den Zeitraum von fast einem Jahr nach Erklärung des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen stellt ein widersprüchliches Verhalten dar, so dass die Ausübung der Widerrufsrechte als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21.07.2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21.07.2017 sind für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung aus dem jeweiligen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 57.034,25 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs zweier Darlehensverträge.

Die Parteien schlossen unter dem 08.11.2005 einen Darlehensvertrag mit der Nummer ... über einen Nominalbetrag in Höhe von 64.800,- EUR, fest verzinst mit 4,02% p. a. bis zum 31.10.2015 und am 31.10.2018 in einer Summe zurückzuzahlen.

Ebenfalls unter dem 08.11.2005 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag mit der Nummer ... über einen Nominalbetrag in Höhe von 75.200,- EUR, fest verzinst mit 4,45% p. a. bis zum 31.10.2015 und am 31.10.2018 in einer Summe zurückzuzahlen.

Den Darlehensverträgen war jeweils folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

Grafik 1

Grafik 2

Die Darlehen dienten dem Erwerb einer Immobilie. Sie wurden zum 01.12.2015 ausbezahlt. Der Auszahlungsbetrag belief sich auf insgesamt 139.580,- EUR.

Am 15.06./02.07.2015 schlossen die Parteien jeweils eine Nachtragsvereinbarung zur Fortführung der Darlehensverträge. Auf Wunsch der Kläger wurde vereinbart, die Darlehen in Zukunft als Darlehen mit Annuitätentilgung fortzuführen. Die zukünftigen Vertragsbedingungen wurden für die Darlehensvertragslaufzeit ab 01.11.2015 vereinbart. Die Wirksamkeit der Nachtragsvereinbarungen wurde unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass die Kläger die zugesagte Sondertilgung von 14.800,- EUR auf das Darlehen zu der Endziffer 017 und von 50.000,- EUR auf das Darlehen zu der Endziffer 023 leisten sollten.

Mit Schreiben vom 09.07.2015 erklärten die Kläger den Widerruf der vorgenannten Darlehensverträge (Anlage K 3).

Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 30.07.2015 als verfristet zurück (Anlage K 4).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.09.2015 (Anlage K 5) wiederholten die Kläger ihre Widerrufserklärung.

Am 31.10.2015 leisteten die Kläger die vereinbarten Sondertilgungen an die Beklagte.

In der Folgezeit leisteten sie die vereinbarten Zins- und Tilgungsraten an die Beklagte.

Mit der Klage begehren die Kläger nunmehr die Rückzahlung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen sowie die Leistung von Nutzungsersatz.

Sie sind der Ansicht, dass die von ihnen erklärten Widerrufe mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrungen nicht verfristet seien.

Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge ... und ... wirksam durch die Erklärung der Kläger vom 09.07.2015 widerrufen wurden und sich in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt haben;

die Beklagte zu verurteilen, den Klägern vorgerichtliche Kosten in Höhe von 2.399,99 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Kläger ihr Widerrufsrecht verwirkt hätten bzw. die Kläger ihr Widerrufsrecht wegen widersprüchlichen Verhaltens nicht mehr geltend machen könnten.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 21.07.2017 (Bl. 138 ff. d. A.) abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klage jedenfalls unbegründet und daher abzuweisen sei.

Den Klägern stehe kein Anspruch auf Rückabwicklung von Darlehensverträgen mit der Beklagten zu, weil sie ihre Vertragserklärung nicht wirksam widerrufen hätten.

Ihr Widerspruch sei verspätet, da zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung das Widerrufsrecht der Kläger bereits verfristet gewesen sei. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. sehe bei Verbraucherverträgen eine Widerrufsfrist von einem Monat ab dem Zeitpunkt vor, zu welchen dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden sei. Diese Frist hätten die Kläger um mehrere Jahre überschritten. Die Widerrufsbelehrung zu den hier streitgegenständlichen Darlehensverträgen vom 08.11.2005 sei den Klägern im Zusammenhang mit der Vertragsunterzeichnung übergeben worden. Ihre Widerrufserklärung sei aber erst mit Schreiben vom 09.07.2015 erfolgt.

Die Kläger seien an die in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. vorgesehene einmonatige Widerrufsfrist gebunden und könnten ein etwa bestehendes Widerrufsrecht nicht zeitlich unbeschränkt ausüben.

Unabhängig von der Frage, ob mit der Formulierung "frühestens" hinsichtlich des Fristbeginns der Widerrufsbelehrung eine hinreichend klare und unzweideutige Belehrung im Sinne des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. erfolgt sei, könne sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. berufen, weil bei Übereinstimmung von Widerrufsbelehrung mit der Musterbelehrung eine ordnungsgemäße Belehrung fingiert werde. Die Beklagte habe eine dem Muster der Anlage 2 BGB-InfoV a. F. entsprechende Widerrufsbelehrung verwandt, weil eine inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung nicht vorgenommen worden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Urteil des Landgerichts ist dem Klägervertreter am 27.07.2017 zugestellt worden.

Gegen das landgerichtliche Urteil haben die Kläger am 22.08.2017 Berufung eingelegt und diese am 21.09.2017 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung machen die Kläger geltend, dass die Beklagte die Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV nicht in der bei Vertragsschluss gültigen Fassung verwendet, sondern einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen und ergänzt habe und sich somit nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne. Hinsichtlich der inhaltlichen Abweichungen werde auf das Urteil des BGH vom 12.07.2016 (Az. XI ZR 564/15) und das Urteil des OLG Celle vom 31.05.2017 (Az.: 3 U 29/17) Bezug genommen. Ergänzend komme das OLG München zu dem Ergebnis, dass eine Belehrung bereits wegen des hinzugefügten Abschnitts über "Finanzierte Geschäfte" nicht dem für Belehrungen geltenden Deutlichkeitsgebot genüge. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des am 21.07.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Braunschweig, Az.: 2 O 1782/26, die Beklagte zu verurteilen, den Klägern im Zuge des Rückabwicklungsverhältnisses nach erklärtem Widerruf bis zum Zeitpunkt des Widerrufs erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 57.034,25 EUR sowie Nutzungsersatz in Höhe von 7.317,09 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie ist der Ansicht, dass bereits die Zulässigkeit der Berufung zweifelhaft sei, weil die Berufungsbegründung jede Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil des Landgerichts vermissen lasse. Die Berufungsbegründung müsse auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, wie der Angriff gegen das Urteil begründet werde. Im Übrigen ist die Beklagte der Ansicht, dass dem klägerischen Begehren der Einwand nach § 242 BGB entgegenstehe. Die Beklagte erklärt die hilfsweise Aufrechnung mit den Ansprüchen auf Rückzahlung der Darlehensvaluten in Höhe von 140.000,- EUR.

II.

1.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung der Kläger zulässig, insbesondere ist sie hinreichend begründet.

Eine Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, muss eine Begründung dahingehend enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 28.05.2003 - XII ZB 165/02 -, juris Rn. 8). § 520 Abs. 2 Nr. 3 und 4 ZPO regeln diese Anforderungen näher (vgl. BGH, a. a. O.).

Rügt der Berufungskläger eine falsche Rechtsanwendung, muss die Berufungsbegründung gem. § 520 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, enthalten. Diese Anforderungen sind bereits gewahrt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus Sicht des Rechtsmittelführers in Frage stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2013 - VIII ZB 64/12 -, juris Rn. 8).

Hier rügen die Kläger lediglich eine falsche Rechtsanwendung. Den hieran zu stellenden Anforderungen gem. § 520 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird die Berufungsbegründung gerecht. Das Landgericht hat sein klageabweisendes Urteil darauf gestützt, dass es die Widerrufsbelehrung für wirksam erachtet hat. Mit dieser Argumentation setzen die Kläger sich mit ihrer Berufungsbegründung auseinander, in dem sie dargelegt haben, aus welchen Gründen sich die Beklagte nach ihrer Ansicht nicht auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann und warum die Widerrufsbelehrung einer inhaltlichen Überprüfung nicht standhält.

Die Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger nunmehr statt eines Feststellungsantrages einen Leistungsantrag stellen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht noch die von den Klägern mit Schriftsatz vom 21.06.2017 vorgenommene Antragsänderung gem. § 283 ZPO zu berücksichtigen hatte.

Jedenfalls ist die Umstellung von der Feststellungsklage zur Leistungsklage in der zweiten Instanz als zulässig anzusehen (vgl. § 264 Nr. 2 ZPO, BGH, Beschluss vom 26.05.1994 - III ZB 17/94 -, juris).

2.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

a.)

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen sowie Herausgabe von Nutzungsersatz gem. § 346 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 495, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 32, § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (im Folgenden als a. F. bezeichnet).

aa.)

Die Kläger schlossen als Verbraucher i. S. v. § 13 BGB mit der Beklagten als Unternehmerin i. S. v. § 14 BGB zwei Darlehensverträge zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie, so dass ihnen grundsätzlich Widerrufsrechte gem. § 355 Abs. 3 BGB a. F. zustehen.

bb.)

Diese Widerrufsrechte sind auch nicht verfristet, weil die den Klägern erteilten Widerrufsbelehrungen mittels des Einschubs "frühestens" unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist informierten (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2017 - XI ZR 549/12 -, juris Rn. 15; Urteil vom 10.10.2017 - XI ZR 449/16 -, juris Rn. 17; Urteil vom 19.07.2012 - III ZR 252/11 -, juris Rn. 13; Urteil vom 15.08.2012 - VIII ZR 378/11 -, juris Rn. 9). Die Verwendung des Wortes "frühestens ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2012, a. a. O.). Er vermag den Formulierungen lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnt, der Beginn des Fristablaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2012, a. a. O.). Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche etwaigen weiteren Umstände dies sind (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2012, a. a. O.).

cc.)

Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 08.12.2004 und dem 31.08.2008 geltenden Fassung berufen.

§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 geltenden Fassung (im Weiteren als a. F. bezeichnet) knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass "das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird". Damit definiert § 14 Abs. 2 BGB-InfoV a. F. in den Grenzen der Verordnungsermächtigung die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15 -, juris Rn 25). Entsprechend der durch § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. gesetzten Grenze lassen Anpassungen, die den vom Gesetzgeber nach Art. 245 EGBGB, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. als unschädlich anerkannten Abweichungen ihrer Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O.). Greift der Unternehmer dagegen in das Muster in einem Umfang ein, der den beispielhaft in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. aufgelisteten Abweichungen nicht mehr entspricht, geht die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. verloren (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O.). Ein solcher Eingriff liegt vor, wenn der Unternehmer unter der Überschrift "finanzierte Geschäfte" die Mustertexte für Darlehensverträge und den finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts entgegen den Vorgaben des Gestaltungshinweises kombiniert hat (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O., Rn. 26). Dabei ist es für den Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion ohne Belang, ob es sich bei den aufgenommenen Darlehen um verbundenen Geschäfte handelte oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O.).

Auch hier sind die Mustertexte für Darlehensverträge und den finanzierten Erwerb eines Grundstücks entgegen den Vorgaben des Gestaltungshinweises kombiniert worden.

Nach der Musterbelehrung war nach der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" in Satz 2 bei der Erklärung der "wirtschaftlichen" Einheit zwischen Darlehensverträgen zur Finanzierung von Grundstücken und sonstigen Sachen zu differenzieren.

Im Fall der Finanzierung von Grundstücken oder eines grundstücksgleichen Rechts sollte Satz 2 der Belehrung "Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung ihres Vertragspartners bedienen."

ersetzt werden durch den Satz

"Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt."

Hiervon abweichend hat die Beklagte die thematisch zutreffende Belehrung als Satz 3 hinter den zu ersetzenden Satz 2 eingefügt und darüber hinaus den Satz 3 umformuliert. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in das Muster dar, der die Gesetzlichkeitsfiktion entfallen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2017 - XI ZR 449/16 -, juris Rn. 17; OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2016 - 8 U 922/15 -, juris Rn. 27 f.).

dd.)

Das Widerrufsrecht ist auch nicht durch die zwischen den Parteien geschlossenen Nachtragsvereinbarungen vom 15.06./02.07.2015 erloschen.

Durch die Nachtragsvereinbarungen sind keine neuen Darlehensverträge geschlossen, sondern lediglich die Kreditbedingungen nach Ablauf der Zinsfestschreibung bei unverändert fortgeltendem Kapitalnutzungsrecht geändert worden. Die Anpassung der Konditionen über die Kapitalnutzung für die Zukunft lässt aber den ursprünglichen Kreditvertrag unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2004 - II ZR 375/02 -, juris Rn. 10; OLGR Karlsruhe 2006, 526, 528).

ee.)

Das Widerrufsrecht ist auch nicht durch den Abschluss der Nachtragsvereinbarungen verwirkt.

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrages zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15 -, juris Rn. 30; Urteil vom 12.07.2016 - XI ZR 564/15 -, juris Rn. 37). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O.; Urteil vom 12.07.2016, a. a. O.). Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigten, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O.; Urteil vom 12.07.2016, a. a. O.). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, a. a. O.; Urteil vom 12.07.2016, a. a. O.). Bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein auch, wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher gem. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der zwischen dem 01.08.2002 und dem 10.06.2010 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB nachzubelehren (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 - XI ZR 501/15 -, juris Rn. 41). Denn eine Nachbelehrung ist nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers, deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist, für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden belasteten Rechtsfolgen mehr zeitigt (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, a. a. O.). Dagegen kann allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, a. a. O., Rn. 39).

Eine Verwirkung durch Abschluss der Nachtragsvereinbarungen ist hier nicht eingetreten.

Zwar liefen die Darlehensverträge der Kläger mit der Beklagten bis zu den Widerrufserklärungen über einen Zeitraum von über 9 Jahren.

Es fehlt jedoch insoweit an dem Umstandsmoment. Allein die jahrelangen Zahlungen der Kläger auf den Darlehensvertrag waren nicht geeignet, das Vertrauen der Beklagten zu rechtfertigen, die Kläger würden das Darlehen nicht widerrufen, weil die Kläger insoweit nur ihren Vertragspflichten nachgekommen sind.

Auch der Abschluss der Nachtragsvereinbarungen konnte ein solches Vertrauen nicht rechtfertigen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Parteien mit den Nachtragsvereinbarungen lediglich die Konditionen über die Kapitalnutzung in der Zukunft angepasst haben, die Beklagte noch die Möglichkeit hatte, die Kläger über das Widerrufsrecht nachzubelehren und diese Belehrung im Hinblick auf die fortbestehenden Belastungen für die Kläger auch sinnvoll gewesen wäre. Unter Berücksichtigung dieser Umstände des vorliegenden Einzelfalls durfte die Beklagte daher allein aufgrund der Nachtragsvereinbarungen nicht davon ausgehen, dass die Kläger ihre Widerrufsrechte nicht mehr ausüben würden.

ee.)

Allerdings ist die Berufung der Kläger auf die von ihnen erklärten Widerrufe aus anderen Gründen als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

Unabhängig davon, ob man im Anschluss an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 14.10.2016 (Az. 8 U 1038/15, juris) bereits eine Verwirkung der Widerrufsrechte der Kläger dadurch annehmen kann, dass die Kläger nach der Zurückweisung ihrer Widerrufe durch die Beklagte die mit der Beklagten vereinbarten Sondertilgungen geleistet und anschließend noch mehrere Monate vorbehaltlose Zins- und Tilgungsleistungen gemäß den Nachtragsvereinbarungen erbracht haben, ist das Verhalten der Kläger in jedem Fall als unzulässige Rechtsausübung infolge widersprüchlichen Verhaltens anzusehen.

Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 - XI ZR 564/15 -, juris Rn 43). Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, a. a. O.). Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 - IX ZR 501/15 -, juris Rn. 20). Der Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehens handelt so z. B. widersprüchlich und in der Gesamtabwägung rechtsmissbräuchlich, wenn er ab einem bestimmten Zeitpunkt davon ausging, dass er den Darlehensvertrag widerrufen könnte und gleichwohl das Darlehen über einen längeren Zeitraum weiterbediente, ohne irgendeinen Vorbehalt bezüglich der weiteren Zahlungen zu erklären (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2017 - 6 U 40/16 -, juris Rn. 74; Urteil vom 06.12.2016 - 6 U 95/16 -, juris). Da eine Änderung der Verhältnisse dazu führen kann, dass die zunächst zulässige Rechtsausübung missbräuchlich wird, und im Rechtsstreit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist, kann der Tatrichter bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 242 BGB darüber hinaus auch solche Umstände berücksichtigen, die erst nach Erklärung des Widerrufs eingetreten sind (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2017 - XI ZR 369/16 -, juris Rn. 17). So ist auch ein widersprüchliches Verhalten darin zu sehen, wenn die Darlehensnehmer nach Widerruf weiterhin vorbehaltlos die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Leistungen erbringen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 06.12.2016 - 6 U 95/16 -, juris).

Hier hat die Beklagte - von den Klägern nicht bestritten - geltend gemacht, dass die Kläger bereits bei Abschluss der Nachtragsvereinbarungen den Widerruf der Darlehensverträge geplant hätten. Wenn die Kläger jedoch in Kenntnis von ihrem Widerrufsrecht nach ihren Wünschen gestaltete Nachtragsvereinbarungen schließen, liegt darin ein widersprüchliches Verhalten, weil ein Vertragspartner, der nicht mehr an einem Vertrag festhalten will, nicht noch dessen Umgestaltung nach seinen Wünschen verlangt.

Darüber hinaus haben die Kläger nach Erklärung des Widerrufs mit Schreiben vom 09.07. und 01.09.2015 die mit der Beklagten vereinbarten Sondertilgungen, die Voraussetzung für das Inkrafttreten der Nachtragsvereinbarungen waren, geleistet und anschließend die Zins- und Tilgungsleistungen gemäß den Nachtragsvereinbarungen bis zur Einreichung der Klageschrift im Sommer 2016 ohne Vorbehalt erbracht. Auch dieses Verhalten der Kläger steht im massiven Widerspruch zu den von ihnen abgegebenen Widerrufserklärungen. Die Beklagte hat auch - unbestritten - über die erlangten Gelder im Rahmen des üblichen Bankverkehrs disponiert, weil sie davon ausgegangen ist, dass die Kläger an ihrem Widerruf nicht festhalten würden. Unter Abwägung der Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls können die Kläger sich daher nicht mehr auf ihre Widerrufsrechte berufen und daher keine Rückabwicklung der streitgegenständlichen Darlehensverträge beanspruchen.

b.)

Ein Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten ist zweitinstanzlich von den Klägern nicht mehr gestellt worden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls unter Zugrundelegung der höchstrichterlich zu § 242 BGB entwickelten Grundsätze.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war entsprechend der von den Klägern beanspruchten Zins- und Tilgungsleistungen gem. §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf 57.034,25 EUR festzusetzen. Der von den Klägern geforderte Nutzungsersatz war dagegen nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, weil es sich um eine Nebenforderung i. S. v. § 43 Abs. 1 GKG handelt (vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 23.01.2018 - XI ZR 351/17 -, juris Rn. 3).

Auch die von der Beklagten in der Berufungsinstanz erklärte Hilfsaufrechnung erhöht den Streitwert nicht, weil über sie nicht entschieden worden ist (§ 45 Abs. 3 GKG).