Amtsgericht Buxtehude
Urt. v. 31.05.2005, Az.: 32 C 136/05

Verbindliche Beratung in Visumsangelegenheiten als Gegenstand eines Kaufvertrages; Vorliegen eines Sachmangels; Qualifizierung einer Reisezeitschrift als verbindliche Informationsquelle; Anspruch aus Übernahme einer Beratungspflicht; Bestehen eines schutzwürdigen Interesses auf allgemeine Richtigkeit von Presseveröffentlichungen; Anspruch aus positiver Vertragsverletzung der Reiseempfehlungen

Bibliographie

Gericht
AG Buxtehude
Datum
31.05.2005
Aktenzeichen
32 C 136/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32539
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBUXTH:2005:0531.32C136.05.0A

Fundstelle

  • AfP 2005, 407-408 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Buxtehude
auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2005
durch
die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.)

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die

    Vollstreckung der Beklagten wegen deren Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

  4. 4.)

    Der Streitwert wird auf 1.583,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Im März 2004 buchte der Kläger, der österreichischer Staatsangehöriger ist, gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Flugreise nach Bali. Diese wurde mit Rechnung vom 31.03.2004 (Anlage Bl. 5 d.A.) bestätigt. Vor Antritt der Reise kaufte der Kläger die von der Beklagten herausgegebene Zeitschrift "Reise & Preise", Ausgabe 2/2004, C 1279 Mai/Juni/Juli.

2

Dort war auf Seite 12 sowie 31 ausgeführt (Anlage Bl. 6 und 7 d.A.):

" Seit Februar dieses Jahres benötigen Deutsche, Österreicher und Schweizer für die Einreise nach Indonesien wieder ein Visum. Es wird bei Ankunft an den Flughäfen von Jakarta, Bali, Medan, Surabaja, Manado, Padang und Pakanbaru sowie an den wichtigsten Häfen ausgestellt. ...".

3

Im folgenden Artikel ist die Anschrift und die Telefonnummer sowie die Internetadresse der indonesischen Botschaft in Berlin angegeben. Gleichlautende Angaben befinden sich auch auf Seite 31 der Zeitschrift.

4

Tatsächlich konnte das Visum für Österreicher jedoch nicht erst bei Einreise vor Ort erworben werden, sondern musste schon vor Antritt der Reise beantragt werden.

5

Der Kläger trat seine Reise von Hannover aus über Paris an. Bereits in Paris wurde er zurückgewiesen.

6

Der Flugpreis für den Kläger und seine Frau betrug insgesamt 1.483,00 EUR.

7

Der Kläger trägt vor, er habe die Zeitschrift erworben, um sich darüber zu informieren, was er bzgl. eines Visums zu tun habe, weil er Österreicher sei. Auf Grund des Hinweises in der Zeitschrift habe er eine vorherige Visumsbeantragung unterlassen. In Paris sei er mangels vorhandenen Visums zurückgewiesen worden.

8

Die Zeitschrift der Beklagten sei ein Beratungsblatt, aus der der Urlauber verbindliche Informationen entnehmen könne. Er müsse sich darauf verlassen können, dass die Information dort richtig sei. Der Beklagten obliege eine spezielle Beratungspflicht. Tatsächlich sei durch die den Artikel verfassenden Journalistin die journalistische Sorgfaltpflicht missachtet worden. Dieses sei der Beklagten zuzurechnen. Es handele sich um eine nicht ordnungsgemäße Recherche durch die Autorin. Diese habe fahrlässig gehandelt.

9

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger einen Schadensersatz in Höhe des Flugpreises sowie 100,00 EUR für die Rückreise von Paris nach Hannover geltend.

10

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.583,00 EUR nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 04.08.2004 zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Sie bestreitet zunächst, dass der Beklagte an einem Weiterflug nach Bali allein auf Grund des nicht vorliegenden Visums gehindert gewesen sei.

13

Darüber hinaus trägt sie vor, es handele sich bei der besagten Ausgabe nicht um eine Spezialausgabe mit dem Thema Bali, von daher sei nicht nachvollziehbar, dass sich der Beklagte diese Zeitschrift zur Vorbereitung auf die Reise gekauft habe.

14

Sie, die Beklagte, habe nicht gegen die ihr obliegende journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Die streitgegenständlichen Artikel stammten von einer freiberuflichen Autorin, mit der die Beklagte seit Jahren zuverlässig zusammenarbeiten würde. Diese habe sich vor Übergabe de Artikel bei dem für Visaangelegenheiten zuständigen Konsulat in Berlin informiert. Dort sei ihr die entsprechende Auskunft erteilt worden. Offensichtlich habe sich die Visumspraktik für Österreicher erst kurz zuvor geändert, so dass die Botschaft falsche Angaben erteilt habe.

15

Zudem sei in jeder Ausgabe der Zeitschrift "Reise & Preise" im Impressum der deutlich sichtbare Hinweis, "Alle Angaben sind ohne Gewähr" abgedruckt.

16

Die Zeitschrift erscheine vierteljährlich, so dass bereits auf Grund der fehlenden Aktualität nicht für die 100%ige Richtigkeit aller Angaben garantiert werden könne. Dieses um so mehr, als selbst das Auswärtige Amt in seinem Internetauftritt für die aufgeführten Informationen keine Gewähr übernehme und darauf hinweist, dass abschließende und verbindliche Auskünfte zu Einreisebestimmungen nur über die zuständigen Konsulate und Botschaften der jeweiligen Staaten erteilt werden könnten.

17

Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, wenn er sich nicht selbst entsprechend informiert habe.

18

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage hat de Sache nach keinen Erfolg.

20

So ist bislang für die Kausalität des vorgetragenen Schadens, nämlich Zurückweisung des Klägers am Flughafen in Paris auf Grund des fehlenden Visums kein Beweis angeboten worden.

21

Abgesehen davon fehlt es allerdings auch an einem Anspruch des Klägers.

22

Ein Anspruch ergibt sich nicht aus kauf rechtlichen Gesichtspunkten gemäß § 433ff BGB.

23

So könnte ein Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zwar grundsätzlich dann vorliegen, wenn die Zeitschrift in drucktechnischer Hinsicht fehlerhaft wäre oder die versprochenen Leistungen nicht in dem vertraglich vereinbarten Umfang enthalten seien. Diese setzt jedoch voraus, dass die verbindliche Beratung in Visumsangelegenheiten Gegenstand des Kaufvertrages gewesen ist. Dieses ist z.B. für ein Anleitungsbuch, dessen wesentlicher Inhalt in einer Anleitung für die Beurkundung von Nottestamenten gewesen ist, von der Rechtssprechung bejaht worden (BGH Urteil vom 14.03.1973 - VIII ZR 137/71).

24

Dieses ist vorliegend jedoch nicht zu erkennen. Vielmehr handelt es sich bei der Zeitschrift "Reise & Preise" um eine informative Publikumszeitschrift, die im Wesentlichen unterhaltenden Charakter hat. Sie soll Anregungen für bestimmte Reiseziele geben, und ist schon von der Aufmachung des Titelblattes (Bl. 19 d.A.) als auch von den Publikationen und der Werbung her nicht geeignet, als verbindliche Informationsquelle zu dienen.

25

Dieses um so mehr, als auf Grund des vierteljährlichen Erscheinens eine 100%ige Gewähr für die Richtigkeit der erteilten Einreiseinformationen schon im Hinblick auf die jeweilige Aktualität der Informationen nicht geboten werden kann. Dieses wird auch an dem Hinweis des Auswärtigen Amtes deutlich, welches für die Aktualität und Vollständigkeit der Informationen keine Gewähr übernimmt und auf verbindliche Auskünfte seitens der zuständigen Botschaften und Konsulate verweist.

26

Dieses wäre für den Kläger auch unschwer möglich gewesen, zumal bereits in dem streitgegenständlichen Artikel die Telefonnummer und Internetseite des indonesischen Konsulats in Berlin aufgeführt ist.

27

Auch ein Anspruch des Klägers aus Übernahme einer Beratungspflicht kam vorliegend nicht in Betracht. Dieses könnte möglicherweise bei einen Zeitschriftenabonnement in Betracht kommen, in welchem die zeitgebundene Erteilung von Informationen Gegenstand der vertraglichen Beziehungen sind. Dieses ist von der Rechtssprechung z.B. für Bezieher von Börseninformationen in Form eines Abonnements angenommen worden (vergleiche BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 08.02.1978, abgedruckt in NJW 1978, Seite 997ff). Eine solche ausgesprochene Fachzeitschrift, die zudem gerade zur Reduzierung finanzieller Risiken abonniert wird, ist in der Zeitschrift "Reise & Preise" nicht zu sehen.

28

Die Beklagte ist dem Kläger gegenüber auch nach Deliktsgrundsätzen nicht schadensersatzpflichtig, da einerseits lediglich ein Vermögensschaden eingetreten ist und

29

er andererseits kein schutzwürdiges Interesse auf allgemeine Richtigkeit von Presseveröffentlichungen geltend machen kann.

30

Schließlich kam auch ein Anspruch des Klägers aus positiver Vertragsverletzung der Reiseempfehlungen nicht in Betracht, da hier eine grob fahrlässige Verletzung der Verpflichtung zur sorgfältigen Erstellung des fraglichen Zeitungsartikels nicht ersichtlich ist. So hat der BGH (NJW 1978 Seite 997ff) bereits einen stillschweigenden Ausschluss für Haftung aus leicht fahrlässigem Verhalten für Druckwerke dieser Art als weitgehend selbstverständlich angesehen.

31

Auf die Frage, ob der im Impressum der Zeitschrift enthaltene Hinweis "Inhalt ohne Gewähr" ausreichend erscheint, kommt es vorliegend daher nicht an.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 1.583,00 EUR festgesetzt.