Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 28.01.2019, Az.: L 16 KR 324/18

Kostenbeteiligung für die stationäre Entfernung eines Brustimplantats; Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation; Grenzen des Solidaritätsprinzips; Ausnahmecharakter der Kostenbeteiligung; Weiter gesetzgeberischer Spielraum

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.01.2019
Aktenzeichen
L 16 KR 324/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 16663
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 09.05.2018 - AZ: S 86 KR 1513/17

Fundstellen

  • GesR 2019, 253-255
  • ZfSH/SGB 2019, 175-176 (Pressemitteilung)

Redaktioneller Leitsatz

1. § 52 Abs. 2 SGB V bestimmt die Grenzen des Solidaritätsprinzips und schützt die Solidargemeinschaft vor unsolidarischem Verhalten einzelner.

2. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Ausnahme von der Regel, wonach im Interesse der Versicherten und der Allgemeinheit Krankenbehandlung und andere notwendige Leistungen ohne Rücksicht auf die Krankheitsursachen zu gewähren sind.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Ausnahmeregelung bestehen nicht. Im Recht der Sozialversicherung, insbesondere dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Mai 2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Kostenbeteiligung für die stationäre Entfernung eines Brustimplantats.

Die am 5. Dezember 1972 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie führte 2011 eine medizinisch nicht indizierte Brustaugmentation mit einer Mammaprothese durch. Das Implantat war nach dem Vorbringen der Klägerin rechts mehrfach eingerissen und rupturiert und musste entfernt werden. Die Klägerin befand sich vom 2. bis 6. Mai 2017 und 17. bis 28. Mai 2017 im G. H ... Am 2. Mai 2017 wurde eine perkutane (Nadel)Biopsie an der Mamma und am 23. Mai 2017 eine Entfernung der Mammaprothese mit Exzision einer Kapselfibrose durchgeführt. Als Diagnosen wurden ua angegeben N 61 Entzündliche Krankheiten der Mamma, T 85.82 Kapselfibrose der Mamma durch Mammaprothese oder -implantat, U 69.10 ! anderenorts klassifizierte Krankheit, für die der Verdacht besteht, dass sie Folge einer medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operation, einer Tätowierung oder eines Piercings ist. Über die schönheitschirurgische Brustaugmentation durch operatives Einsetzen von Brustimplantaten schloss die Klägerin mit dem Krankenhaus einen privatärztlichen Vertrag über 1.500,- EUR ab (§ 3 des Vertrages über die Erbringung einer "schönheitschirurgischen Brustaugmentation" vom 17. Mai 2017). Für die stationäre Behandlung der Klägerin zur Implantatentfernung stellte das Krankenhaus der Beklagten einen Gesamtbetrag in Höhe 6.421,87 EUR in Rechnung (DRG J24C: Eingriffe an der Mamma außer bei bösartiger Neubildung ohne ausgedehnten Eingriff, mit komplexen Eingriff).

Die Beklagte stellte fest, dass keine Zusage gegenüber der Klägerin vorlag und keine CA-Diagnose gestellt worden war. Sie hörte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 2017 dazu an, dass sie für die stationäre Krankenhausbehandlung vom 2. Mai bis 28. Mai 2017 die Summe von 6.421,87 EUR zurückfordere. Das Implantieren der Mammaprothese sei im Bereich einer Privatleistung erbracht worden. Somit fielen auch sämtliche Folgekosten in den privaten Bereich. Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 verlängerte die Beklagte auf den Antrag der Klägerin die Anhörungsfrist bis zum 21. Juli 2017.

Mit Bescheid vom 26. September 2017 stellte die Beklagte der Klägerin anteilige Kosten in Höhe von 1.271,25 EUR in Rechnung. Sie habe Leistungen erbracht, die durch eine Krankheit infolge einer medizinisch nicht notwendigen ästhetischen Operation erforderlich geworden seien. An den Kosten, die durch diese Folgeerkrankung entstanden seien, hätten sich die Versicherten angemessen zu beteiligten. Die angemessene Beteiligung betrage 50 % der Behandlungskosten. Unter Berücksichtigung des Einkommens und evtl Unterhaltspflichten habe sie die Eigenbeteiligung jedoch analog der Zumutbarkeitsgrenzen für außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs 3 Einkommensteuergesetz (EStG) auf 6 % des jährlichen Einkommens begrenzt. Es ergebe sich mithin ein Betrag von 1.271,25 EUR.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 29. September 2017 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2017 zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. November 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Es habe bereits keinen angefochtenen Grundbescheid gegeben. Die Beklagte habe keinen Bescheid erlassen und mittels Rechtsmittelbelehrung der Klägerin zugestellt. Der Bescheid der Beklagten sei ein Schreiben zur Anhörung, es handele sich nicht um einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Zudem lägen die Voraussetzungen nicht vor. § 52 Abs 2 SGB V sei verfassungswidrig. Die Norm verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG). Die Klägerin habe sich die Krankheit nicht vorsätzlich zugezogen. Der in § 52 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) betroffene Personenkreis werde genauso schlecht gestellt wie von § 52 Abs 1 SGB V betroffene Kriminelle, obwohl eine Abstufung vorzunehmen gewesen wäre. Zudem führe Abs 2 sogar zu einer Schlechterstellung, weil Abs 1 im Gegensatz zu Abs 2 ein Ermessen eröffne. Ein sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung sei nicht vorhanden. Eine Orientierung an § 33 Abs 3 EStG sei nicht einschlägig und für die Klägerin nicht einmal ansatzweise überprüfbar.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. Mai 2018 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Bei dem Schreiben vom 20. Juni 2017 habe es sich lediglich um eine Anhörung und um keinen Verwaltungsakt gehandelt. Aus dem Schreiben sei auch nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont erkennbar gewesen, dass die Beklagte mit diesem Schreiben nur rechtliches Gehör gewähren und keine Regelung treffen wollte. Der Bescheid vom 26. September 2017 enthalte hingegen eine eindeutige Zahlungsaufforderung und damit auch eine Regelung. Die Regelung sei auch formell und materiell rechtmäßig. Die Klägerin sei zurecht gemäß § 52 Abs 2 SGB V an den Krankenhauskosten für die Entfernung der alten Brustaugmentation und Versorgung nach dem Wiederaufbau mit einem Betrag in Höhe von 1.271,25 EUR beteiligt worden. Die Klägerin habe sich eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation zugezogen. Eine Erkrankung habe in Form einer Entzündung vorgelegen. Das Zuziehen erfordere das Setzen einer Ursache für die Erkrankung durch eigenes Handeln. Es genüge, wenn sich ein absehbares Risiko verwirkliche; das sei hier der Fall gewesen. Die Erkrankung der Entzündung der Brust sei auf die eigenverantwortliche Entscheidung, sich Implantate einsetzen zu lassen, zurückzuführen. Auch wenn die damalige Operation unkompliziert verlaufen sei und die Komplikation nach Jahren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen sei, könne die damalige Brustaugmentation nicht hinweggedacht werden, ohne dass die danach entstandene Komplikation der Brustentzündung entfiele. Es handele sich hier auch nicht um eine Gefahr, die außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liege. Vielmehr könne die Gefahr von Folgeschäden bei Brustimplantaten als allgemein bekannt unterstellt werden. Diese Gefahr habe sich vorliegend realisiert. Die Beklagte habe das ihr mit dem Tatbestandsmerkmal "in angemessener Höhe" eröffnete Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Auch die Kammer erachte eine Orientierung an § 33 Abs 3 EStG für sachgerecht. Die Kammer sehe auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Normadressaten von § 52 Abs 1 und 2 SGB V. Soweit die Klägerin geltend mache, dass Straftäter ungerechtfertigt privilegiert würden, folge die Kammer dieser Auffassung nicht. Zwischen den Normadressaten der beiden Absätze bestünden Unterschiede, die eine verschiedene Behandlung rechtfertigten. Während sich Personen - wie die Klägerin - freiwillig den unter § 52 Abs 2 SGB V fallenden Behandlungen mit der absehbaren Gefahr von Folgeschäden unterzögen, sei die Bandbreite an möglichen Sachverhaltskonstellationen im Sinne von § 52 Abs 1 SGB V breiter. Soweit sich die Klägerin schlechter behandelt fühle, könne dies nicht bestätigt werden, ein "normaler" Verbrecher werde sich in der Regel bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens höher beteiligen müssen als die Klägerin. Die Klägerin könnte mit der vorgebrachten Schlechterstellung nicht durchdringen, weil eine solche nach der Gesetzessystematik erst gar nicht vorliege. Die Beteiligung der Klägerin sei auch verhältnismäßig. Soweit die Klägerin bereits Kosten in Höhe von 1.500,- EUR für die Einbringung der neuen Implantate übernommen habe, stehe dieser Umstand nicht entgegen. Die Einbringung der neuen Implantate sei nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Schließlich könne die Klägerin auch nicht einwenden, dass die Beklagte gegenüber dem Krankenhaus eine Kostenübernahmeerklärung erklärt habe. Eine solche berühre nicht das etwaige Beteiligungsverhältnis nach § 52 SGB V. Schriftlich sei der Klägerin nicht mitgeteilt worden, dass die Krankenhausbehandlung ohne weitere Selbstbeteiligung durchgeführt werden könne.

Gegen das am 28. Juni 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Juli 2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Die Beklagte habe gegenüber dem G. in H. eine Kostenzusage erklärt. Bei der am 23. Mai 2017 durchgeführten Operation sei festgestellt worden, dass das Inlay der rechten Mamma diffus rupturiert gewesen sei und explantiert werden musste. Außerdem sei die Kapselfibrose rechts entfernt worden. Für die Ersetzung des rupturierten defekten Implantats habe die Klägerin einen privaten Behandlungsvertrag mit dem G. H. in Höhe von 1.500,- EUR vereinbart. Das Urteil des SG sei falsch. Der Anspruch der Beklagten sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Ein Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2017 hätte gar nicht ergehen dürfen. Er basiere weder auf einem Verwaltungsakt als Grundbescheid noch auf einem dagegen eingelegten Widerspruch. Es habe kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren gegeben. Die Beklagte habe aus dem Nichts heraus einen solchen Widerspruchsbescheid erlassen. Die Inanspruchnahme der Klägerin gemäß § 52 Abs 2 SGB V sei unbegründet. § 52 SGB V sei verfassungswidrig. Es gebe keinen nachvollziehbaren und den Gleichheitssatz von Art 3 GG zutreffend beachtenden Grund, die drei Sachverhalte aus § 52 Abs 2 SGB V im Vergleich zu § 52 Abs 1 SGB V ungleich restriktiver zu behandeln. Das Herausgreifen zur möglichen Typisierung von Massenphänomenen berücksichtige die engen Grenzen einer Entsolidarisierung, wie sie § 52 SGB V insgesamt vorsehe, nicht. Die Entwicklung der Schönheitschirurgie habe in den letzten 10 bis 15 Jahren dazu geführt, dass Brustimplantate als völlig normal und üblich anzusehen seien. Es entspreche seit vielen Jahren gesellschaftlich etablierten ästhetischem Standard, sich optisch hübsch, sexy und begehrenswert zu präsentieren. Abweichungen würden als Makel und psychisch beeinträchtigend empfunden. Die Zahl der Krankheitsfälle nach schönheitschirurgischen Eingriffen sei außerdem seit vielen Jahren deutlich geringer als jene nach Sport-, Freizeit- oder Sexunfällen. Diese schönheitschirurgischen Basiseingriffe sollten aber aus der Sicht des Gesetzgebers durch § 52 Abs 2 SGB V dann sanktioniert werden, wenn daraus eine Erkrankung folge. Die Entscheidung über die monetäre Inanspruchnahme der/des Versicherten werde, anders als es Abs 1 bei Vorsatzhandlungen und Straftaten vorsehe, sodann nicht in das Ermessen der Krankenkasse gestellt. Die Krankenkasse sei gebunden und müsse eine Inanspruchnahme vornehmen. Für diese Ungleichbehandlung zu den Rahmenbedingungen im Sinne von § 52 Abs 1 SGB V ergebe sich keinerlei taugliches Sachargument. Die Beklagte wäre bei fiktiv unterstellter Verfassungsmäßigkeit von § 52 Abs 2 SGB V gemäß §§ 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verpflichtet gewesen, ihr Ermessen ordnungsgemäß auszuüben. Dazu finde sich im Schreiben der Beklagten vom 20. Juni 2017 nichts. Wenn die Beklagte darauf hinweise, dass eine Privatzahlung an das Klinikum I., H., mit der Ermessensausübung im Rahmen von § 52 Abs 2 SGB V nichts zu tun habe, bedeute dies, dass die finanzielle Belastung der Klägerin im Rahmen der durchgeführten Operation für die Beklagte kein taugliches Kriterium gewesen sei, um die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzte Beteiligung kritisch abwägend festzusetzen. Für die von der Beklagten behaupteten und vom SG übernommenen Auffassung, es müsse grundsätzlich eine 50%ige Beteiligung erfolgen, gebe es keine eindeutige gesetzliche Grundlage. Es handele sich um einen völlig frei gegriffenen Wert, der nicht auf den Einzelfall bezogen sei und die besonderen zu berücksichtigenden Verhältnisse gerade außer Acht lasse. Die Klägerin habe zudem ihre Erkrankung nicht auf ein defektes Implantat zurückgeführt. Die erste Vorstellung im Klinikum sei aufgrund von Kreislaufproblemen und Kopfschmerzen, aber auch aufgrund eines Druckschmerzes im Bereich der rechten Brust erfolgt. Es habe eine Entzündung vorgelegen, deren Ursache nicht bestimmt werden konnte. Sie habe zu keiner Zeit behauptet, dass diese Entzündung auf einen Implantatsdefekt zurückzuführen sei. Die Beklagte unterstelle eine Ursächlichkeit, die nachweisbar nicht gegeben sei. Der stationäre Aufenthalt vom 17. bis 28. Mai 2017 basierte demgegenüber auf einem Implantatdefekt, einer Ruptur. Das stelle jedoch keine durch eine ästhetische Operation zugezogene Erkrankung dar. Die Krankheit sei nicht durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation herbeigeführt worden. Es fehle an der erforderlichen Kausalität in Bezug auf die Operation. Diese sei sach- und fachgerecht durchgeführt worden und habe keinerlei Komplikationen nach sich gezogen. Maßgeblich für die Bewertung sei die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelte Theorie der wesentlichen Bedingung. Für die streitgegenständliche Frage komme es also allein nicht darauf an, ob die Brustaugmentation für die jetzige Erkrankung und die durchgeführte operative Maßnahme (Explantation) wesentlich gewesen sei. Die Ruptur hänge nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht mit der ursprünglichen schönheitschirurgischen Operation zusammen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des SG Hannover vom 9. Mai 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2017 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es dürfte unstreitig sei, dass wäre eine Brustaugmentation nicht erfolgt, es in der Folge auch nicht zu einer Ruptur des Implantats hätte kommen können. Die Brustimplantation sei demnach ursächlich für den streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt, weswegen die Klägerin gemäß § 52 Abs 2 SGB V an den Kosten zu beteiligen sei. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 26. September 2017, bei dem es sich auch ohne schriftliche Rechtsmittelbelehrung (§ 66 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) um einen Verwaltungsakt handele, den Kostenbeteiligungsanspruch in Höhe von 1.271,25 EUR geltend gemacht. Das Schreiben vom 29. September 2017 könne als Widerspruch dagegen gewertet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 8. Oktober 2018 zum Erlass eines Beschlusses nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Entscheidungsgründe

Das Landessozialgericht kann gemäß § 153 Abs 4 SGG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 SGG, die Berufung zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Der Senat hält die Voraussetzungen dieser Vorschrift für erfüllt. Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 8. Oktober 2018 zum Erlass eines Beschlusses gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil vom 9. Mai 2018 zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht rechtswidrig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2017 ist formell rechtmäßig. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte nach ordnungsgemäßer Anhörung (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -SGB X-) vom 20. Juni 2017, deren Frist sie auf Antrag der Klägerin sogar verlängert hat, am 26. September 2017 einen Bescheid im Sinne des § 31 SGB X erlassen. Ein Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit dem Bescheid vom 26. September 2017 hat die Beklagte eine Entscheidung getroffen, die eine Einzelfallregelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts betrifft, indem sie gegenüber der Klägerin eine Beteiligung nach § 52 Abs 2 SGB V in Höhe von 1.271,25 EUR geltend macht. Bei dieser Zahlungsaufforderung handelt es sich um eine Regelung iS des § 31 Satz 1 SGB X, denn sie ist auf die Setzung eine unmittelbare Rechtsfolge nach außen gerichtet (vgl. Keller, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, 2017, Anhang § 54 Rdnr 7). Es handelt sich auch um einen Verwaltungsakt iSd § 31 SGB X, wenn eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung fehlt. Das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung hat gemäß § 66 Abs 2 SGG lediglich zur Folge, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahre seit Zustellung zulässig ist.

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29. September 2017 ist als Widerspruch iS von § 83 SGG auszulegen. Ein Widerspruch ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Ob ein Widerspruch eingelegt worden ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (Schmidt, Meyer-Ladewig, aaO, § 83 Rdnr 2).Der Rechtsbehelf muss nicht unbedingt als Widerspruch bezeichnet sein, es reicht, wenn erkennbar ist, dass sich der Betroffene durch einen Verwaltungsakt beeinträchtigt fühlt und eine Überprüfung durch die Verwaltung anstrebt (Schmidt, aaO; derselbe § 84 Rdnr 2). Maßgeblich für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - B 1 KR 7/16 R; BSG, Urteil vom 28. März 2017- B 1 KR 15/16 R Rdnr 14). Nach dieser Maßgabe ist das Schreiben der Klägerin, das sich explizit auf das Schreiben vom 26. September 2017 bezieht, aus der Sicht eines objektiven Beteiligten als Widerspruch anzusehen. Die Klägerin hat zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht nachvollziehen könne, dass eine Leistungsforderung von der Beklagten weiter verfolgt werde. Für diese Auslegung spricht auch, dass der Vertreter der Klägerin ausgeführt hat, dass er seiner Mandantin nach alledem nicht empfehlen könne, eine Zahlung zu leisten und ggf einer Entscheidung entgegensehe und dann die entsprechenden Rechtsmittel einlege.

Über den Widerspruch hat die Beklagte nach einem weiteren rechtlichen Hinweis vom 9. Oktober 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2017 entschieden.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. Oktober 2017 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 52 Abs 2 SGB V sind erfüllt. Dieser lautet: Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligten und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern.

§ 52 Abs 2 ist mit Wirkung vom 1. April 2007 durch Artikel 6 Nr 7 des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28. Mai 2008 eingeführt worden (Bundesgesetzblatt I 2008, 874). Es bestimmt die Grenzen des Solidaritätsprinzips und schützt die Solidargemeinschaft vor unsolidarischem Verhalten einzelner. Es bildet eine Ausnahme von der Regel, wonach im Interesse der Versicherten und der Allgemeinheit Krankenbehandlung und andere notwendige Leistungen ohne Rücksicht auf die Krankheitsursachen zu gewähren sind (Schifferdecker, Kasseler Kommentar, Stand: September 2018, § 52 Rdnr 2). Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit folgt der Senat dem Urteil des SG, § 153 Abs 2 SGG. Für die von der Klägerin angenommene Ungleichbehandlung existiert ein sachlicher Grund. Bei ästhetischen Operationen, Tätowierungen und Piercing handelt es sich um die häufigsten vorkommenden Erscheinungen der Körpermodifikation, den Gesetzgeber trifft mit Blick auf die getroffene Auswahl allenfalls eine Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht (Schifferdecker, aaO, Rdnr 29; so auch SG Berlin, Urteil vom 5. November 2018 - S 81 KR 1075/18 Rdnr 26 mwN). Der Gesetzgeber hat berücksichtigt, dass es um willkürliche Veränderungen am eigenen Körper geht. Er hat die praktisch weitaus bedeutsamsten Erscheinungsformen herausgegriffen und ihm steht insoweit das Recht der Typisierung und Generalisierung zu (vgl Legde, LPK, SGB V, 5. Auf 2016, § 52 Rdnr 11). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2018 - 1 BvR 100/15 Rdnr 15). Auf dem Gebiet der Sozialversicherung, insbesondere dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl BVerfGE 113, 167 [BVerfG 18.07.2005 - 2 BvF 2/01] Rdnr 139 mwN).

Auch die Tatbestandvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Die Krankheit muss durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation verursacht worden sein. Darunter sind Eingriffe zu verstehen, die zur Verbesserung des Aussehens dienen. Beispiele ästhetischer Operationen sind insbesondere Brustvergrößerungen oder Verkleinerungen oder das Einbringen eines formgebenden Implantats (vgl Schifferdecker, aaO, § 52 Rdnr 26).

Es kommt nicht darauf an, ob die Operation zum Einsatz der Implantate seinerzeit nicht mit Problemen oder Komplikationen verbunden war. Es kommt auch nicht darauf an, ob Brustimplantate -wie von der Klägerin behauptet- mittlerweile als völlig normal und üblich anzusehen sind, nicht einem vermeintlichen Schönheitsideal entsprechende Brüste sind jedenfalls nach der Rechtsprechung des BSG keine Krankheit iS des § 27 SGB V (BSG, Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 35/15 R Rdnr 10 mwN). Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (BSG SozR 3-3870 § 48 Nr 2; Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 35/15 R Rdnr 14). Nicht medizinisch indizierte Brustaugmentationen sind jedenfalls nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des erkennendes Senates keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, aaO).

Zwischen dem Verhalten des Versicherten und der Krankheit muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Das Handeln muss zumindest eine wesentliche Mitursache gewesen sein. Diese Voraussetzungen sind nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen erfüllt. Das SG hat zutreffend angenommen, dass die Erkrankung der Entzündung der Brust auf die eigenverantwortliche Entscheidung, sich Implantate einsetzten zu lassen, zurückzuführen ist. Die Klägerin hat eingeräumt, dass es sich bei der ursprünglichen Brustimplantation um eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation gehandelt hat. Ausweislich des vorliegenden Schreiben des Klinikums Gehrden vom 30. August 2017 lag bei der Klägerin eine akute Mastitis bei Zustand nach Mamma-Augmentation 2011 vor, jetzt eine beidseitige Kapselfibrose, die den Ausbau der Implantate dringend erforderlich macht. Als DRG begründende Diagnosen waren die N 61 Entzündliche Erkrankung der Mamma und T 85.82 Kapselfibrose durch Mammaprothese oder - implantat aufgeführt. Dass die Klägerin sich lediglich wegen Kopfschmerzen vorgestellt haben will, stimmt nicht mit den Daten des Krankenhauses überein, wonach bereits am 2. Mai 2016 eine Nadelbiopsie an der Mamma durchgeführt worden ist. Das SG hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kostenzusage der Beklagten gegenüber dem Krankenhaus eine Anwendung des § 52 Abs 2 SGB V gegenüber der Klägerin nicht ausschließt.

Nach § 52 Abs 2 SGB V ist die Krankenkasse verpflichtet, die Versicherten dem Grunde nach an den Kosten zu beteiligten. Das "ob" der Beteiligung steht daher nicht im Ermessen der Krankenkasse (Schifferdecker, aaO, Rdnr 31). Die Beklagte hat ihr Ermessen hinsichtlich der Höhe der Beteiligung angemessen ausgeübt. Bei dem Tatbestandsmerkmal "in angemessener Höhe" handelt es sich nicht um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, sondern um die Einräumung eines Auswahlermessens. Maßgebliche Kriterien sind der Grad des Verschuldens, die Höhe der Aufwendungen der Krankenkasse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten (Schifferdecker, aaO, Rdnr 20; Lang, Becker-Kingreen, SGB V , 5. Aufl, § 52 Rdnr 6). Wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass die im Bescheid angenommene Höhe der Kostenbeteiligung im Rahmen des Ermessens der Krankenversicherung nicht zu beanstanden ist. Gründe, die für eine weitere Reduzierung sprechen könnten, hat die Klägerin zu keiner Zeit substantiiert vorgetragen. Vielmehr hat die Beklagte bereits zugunsten der Klägerin eine Untergrenze der Beteiligung im Rahmen des § 33 Abs 3 EStG angenommen und damit den Interessen der Klägerin hinreichend Rechnung getragen. Ob der Senat in diesem Fall eine Kostenbeteiligung in Höhe von 50 % für angemessen gehalten hätte, braucht daher im Rahmen dieses Verfahrens nicht entschieden werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG). Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Rechtsstreit eine über ihren Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat.