Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.02.2010, Az.: 3 W 1/10
Verjährung des Anspruchs auf erstmalige teilungserklärungsgemäße Herstellung einer Wohnungseigentumsanlage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 08.02.2010
- Aktenzeichen
- 3 W 1/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 28142
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2010:0208.3W1.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 16.11.2009 - AZ: 6 T 550/09
Rechtsgrundlagen
- § 196 BGB
- § 199 BGB
- § 902 BGB
- § 1004 BGB
- § 21 WEG
Fundstellen
- IWR 2011, 92
- Info M 2010, 498
- MietRB 2010, 365
- ZMR 2010, 7
- ZMR 2010, 626-627
Amtlicher Leitsatz
1. Der Anspruch auf erstmalige teilungserklärungsgemäße Herstellung der Wohnungseigentumsanlage unterliegt der (kurzen drei-jährigen) Verjährung.
2. Für den Verjährungsbeginn ist eine zutreffende rechtliche Bewertung der Tatsachen nicht erforderlich.
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 16.11.2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten als Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft über das Begehren der Antragsteller, die Terrassenfläche nebst Trennmauer, die sich vor der Wohnzimmerseite der im Erdgeschoss gelegenen Wohnungseigentumseinheiten Nr. 1 und 2. befindet, zu entfernen, zwischen den dortigen Balkonpfosten und den äußeren Begrenzungen der Balkontüren jener Wohnungseigentumseinheiten jeweils Balkonbrüstungen anzubringen und auf der übrigen vormaligen Terrassenfläche eine Grünanlage herzustellen. Mit Beschluss vom 17.06.2009 hat das Amtsgericht Braunschweig den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der beanstandete bauliche Zustand sei von den Wohnungseigentümern spätestens durch Beschluss vom 08.02.1999 genehmigt worden. Zudem sei das Vorgehen der Antragsteller gemäß § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen, nachdem sie dem damaligen Beschluss zugestimmt hätten. Zudem seien die Beseitigungsansprüche der Antragsteller durch den Zeitablauf seit jenem Beschluss verwirkt und auch verjährt. Die fristgerecht hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht Braunschweig mit Beschluss vom 16.11.2009 unter Hinweis auf die Verjährung des Anspruchs zurückgewiesen; im Übrigen sei der Anspruch auch verwirkt. Gegen diese den Antragstellern am 01.12.2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 15.12.2009 bei Gericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgen und beanstanden, das Landgericht habe die Verjährung bzw. Verwirkung des Anspruchs rechtsfehlerhaft bejaht.
II. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gem. §§ 62 Abs. 1 WEG n.F., 45 WEG a. F. i. V. m. §§ 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 u. 4 FGG zulässig, jedoch nicht begründet. Die Annahme des Landgerichts, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt, ist rechtsfehlerfrei. Auch der Anspruch auf Herstellung eines erstmaligen ordnungsgemäßen Zustandes der Wohnanlage entsprechend dem Aufteilungsplan und der Teilungserklärung unterliegt der Verjährung (OLG Düsseldorf, ZMR 2009, 706; OLG Celle, NJW-RR 2007, 234, 235; Schoch, ZMR 2007, 427).
1.) Es handelt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht um einen gemäß § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbaren Anspruch aus eingetragenem Recht. Denn hierunter fallen diejenigen Ansprüche, die das eingetragene Recht seinem jeweiligen Inhalt nach gewährt. Der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung i.S.d.§ 21 Abs. 4 und 5 WEG, der auch den Anspruch auf erstmalige Herstellung des plangemäßen Zustands umfasst (Staudinger/Bub, WEG (2005), § 21 Rn.186 m.w.N.; KG ZMR 2001, 849 [KG Berlin 18.07.2001 - 24 W 7365/00]), kann aber regelmäßig nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts gerechnet werden (Schoch, ZMR 2007, 427, 429). Vorliegend geht es auch gerade nicht darum, das im Grundbuch verzeichnete Sondereigentum der Antragsteller erstmals ordnungsgemäß herzustellen (hierzu KG, aaO., zit. nach juris Rn. 11). Vielmehr zielt das Begehren der Antragsteller darauf, die Gestaltung des Sondereigentums Dritter entsprechend der ursprünglichen Planung herbeizuführen (Rückbau der Terrassen nebst Trennmauer und Errichtung der Balkone) und insoweit Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums abzuwehren (Herstellung von Grünanlagen auf der teilweise durch die Terrassen in Anspruch genommenen Gemeinschaftseigentum). In erstgenannter Hinsicht ist der Anspruch Ausfluss des Selbstverwaltungsrechts und der gesetzlichen Ausgestaltungen in § 21 Abs. 4 und 5 WEG, ohne dass er als inhaltliche Ausprägung des zugunsten der Antragsteller eingetragenen Rechts erscheint. In zuletzt genannter Hinsicht ist der Anspruch seinem Inhalt nach auf Beseitigung einer Störung des Gemeinschaftseigentums gerichtet (§ 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 BGB). Insoweit ist anerkannt, dass der Störungsbeseitigungsanspruch eines Grundeigentümers aus § 1004 BGB kein Anspruch aus eingetragenem Recht i.S.d. § 902 Abs. 1 BGB ist (BGH WuM 2007, 277, [BGH 16.03.2007 - V ZR 190/06] zit nach juris Rn. 14 m.w.N.).
2.) Auf den erhobenen Anspruch findet in Ermangelung abweichender sonstiger Vorschriften die Regelverjährung - nach Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 01.01.2002 gemäß §§ 195, 199 BGB - Anwendung (so auch OLG Düsseldorf, ZMR 2009, 706; OLG Celle, NJW-RR 2007, 234, 235; Schoch, ZMR 2007, 427, 429). Es handelt sich insbesondere nicht um einen Anspruch i.S.d. § 196 BGB, da der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nicht einen der in dieser Norm genannten Inhalte aufweist. Auch für eine analoge Anwendung des § 196 BGB ist kein Raum (Schoch, aaO., 428). Danach verjährt der Anspruch regelmäßig kenntnisabhängig nach Ablauf von drei Kalenderjahren. Vor Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts richtete sich die Verjährung hingegen nach § 195 BGB a.F., der eine dreißigjährige Verjährungsfrist vorsah.
3.) Vorliegend war den Antragstellern spätestens bei der Eigentümerversammlung vom 08.02.1999 - mutmaßlich indes schon früher - bekannt, dass der Bauzustand vor den Wohnzimmerseiten der Wohnungseigentumseinheiten Nr. 1 und 2 nicht plangemäß war, nämlich Terrassen anstelle der vorgesehenen Erdgeschossbalkone errichtet waren. Der nicht plangemäße Zustand wurde auf der damaligen Eigentümerversammlung ausdrücklich thematisiert. Ab diesem Zeitpunkt hatten die Antragsteller alle erforderliche Kenntnis, eine ordnungsgemäße erstmalige Herstellung einzufordern. Erst mit dem Antrag im vorliegenden Verfahren Mitte 2007 haben sie indes diese Forderung erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war indes die Verjährungsfrist, die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB mit Ablauf des 31.12.2004 endete, bereits abgelaufen. Soweit die Antragsteller sich hierzu darauf berufen, infolge des Beschlusses vom 08.02.1999 gemeint zu haben, sie hätten keinen Anspruch, und Gegenteiliges erst im Laufe des Jahres 2007 erfahren zu haben, ändert dies am Ergebnis nichts. Denn die zutreffende rechtliche Beurteilung der Tatsachen ist für die Kenntnis i.S.d. § 199 BGB nicht erforderlich; ein Rechtsirrtum hindert den Verjährungsbeginn nicht (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 199 Rn. 26 mit zahlreichen Nachweisen).
4.) Ob darüber hinaus angesichts dessen, dass die Antragsteller in dem beigezogenen Verfahren 34 II 41/06 Amtsgericht Braunschweig vorgetragen haben, die nunmehr beanstandeten Baumaßnahmen seien in den Jahren 1993 bis 1998 erfolgt, dass sie Beschlüssen der Eigentümerversammlungen vom 08.02.1999 und 19.10.2000 zugestimmt haben, die dazu dienen sollten, diese baulichen Zustände dauerhaft zu genehmigen, und dass sie in dem vorgenannten Verfahren noch im Schriftsatz vom 12.Juni 2006 deutlich gemacht haben, es gehe ihnen nicht um eine Beseitigung dieser Zustände, von einer Verwirkung des jetzt erhobenen Anspruchs auszugehen wäre, bedarf daneben keiner Entscheidung.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 Satz 1 WEG a.F. Die Gerichtskosten den Antragstellern aufzuerlegen, entspricht billigem Ermessen, weil sie unterlegen sind. Hingegen besteht kein genügender Anlass, von dem in Wohnungseigentumssachen geltenden Grundsatz nach §§ 63 Abs. 1 WEG n. F., 47 Abs. 2 WEG a. F. abzuweichen, wonach die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde orientiert sich an den Schätzungen der Vorinstanzen hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten, die zur Herstellung des von den Antragstellern begehrten Zustandes entstünden.