Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 13.04.2005, Az.: 2 WF 289/04
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 13.04.2005
- Aktenzeichen
- 2 WF 289/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 41452
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2005:0413.2WF289.04.0A
Fundstelle
- FamRZ 2005, 2071-2072 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter am 13. April 2005 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfsburg vom 08. September 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Parteien haben mit notariellem Ehevertrag u. a. vereinbart: "§ 1 Wir heben den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbaren für unsere Ehe den Güterstand der Gütertrennung... § 2 ... Ein Ausgleich des beiderseitigen Zugewinns bei Beendigung unserer Ehe ist ausgeschlossen." Daneben haben die Parteien den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und auch den gegenseitigen Unterhalt mit der Maßgabe, dass im Falle der Geburt gemeinsamer Kinder aus der Ehe in diesem Falle einer der Ehegatten seiner bisherigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Art und Weise nachgehen kann und deshalb ein Unterhaltsanspruch entsteht. Der Unterhaltsverzicht sollte jedoch wieder in Kraft treten, sobald das letzte der gemeinsamen Kinder das 14. Lebensjahr vollendet hat.
Inzwischen ist die Ehe der Parteien seit dem 04. Juni 2003 rechtskräftig geschieden. Die vertragliche Regelung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht als teilweise unwirksam angesehen, soweit sie die gesetzlichen Versorgungsanwartschaften betraf und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Insoweit sind zugunsten der Klägerin Rentenanwartschaften in Höhe von rund 280,00 € monatlich übertragen worden. Die aus der Ehe hervorgegangenen 1988 und 1990 geborenen Kinder der Parteien leben seit der Trennung beim Beklagten. Die Klägerin lebt seit der Trennung mit einem neuen Lebenspartner zusammen. Unterhalt für die Kinder hat sie mangels entsprechender Einkünfte nie gezahlt. Die Klägerin will den Beklagten zur Vorbereitung eines Zugewinnausgleichsanspruches auf Auskunft in Anspruch nehmen und bittet dafür um Prozesskostenhilfe. Das Amtsgericht hat diesen Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten wegen des vertraglich vereinbarten Zugewinnausgleichs zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin.
Dem Wunsch der Klägerin, die Beschwerde dem Senat als Gesamtspruchkörper zur Entscheidung vorzulegen (§ 568 Satz 2 ZPO) ist nicht zu entsprechen, weil die Sache weder besondere Schwierigkeiten aufweist noch grundsätzliche Bedeutung hat. Nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 11. Februar und 06. Oktober 2004 (FamRZ 2004, 601 und 2005, 26) sind die Voraussetzungen, unter denen Regelungen in Eheverträgen über den Zugewinnausgleich ausnahmsweise als sittenwidrig anzusehen sind, hinreichend klar umrissen, so dass insoweit die Lösung von Fällen der vorliegenden Art keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Grundsätzliche Bedeutung kommt dem vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu, weil die grundsätzlichen Fragen zu dieser Problematik durch die o. g. Entscheidungen geklärt sind und zudem der vorliegende Fall Besonderheiten im Tatsächlichen aufweist, die einer grundsätzlichen Regelung nicht bedürfen und auch nicht zugänglich sind.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Vereinbarung über den Ausschluss des Zugewinnausgleichs bei Vereinbarung der Gütertrennung ist weder für sich genommen noch in der Gesamtschau mit den weiteren Regelungen des Ehevertrages nach § 138 BGB nichtig, noch ist der Beklagte gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf den vereinbarten Ausschluss des Zugewinnausgleichs zu berufen.
Grundsätzlich unterliegen die gesetzlichen Regelungen über den nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich der vertraglichen Disposition der Ehegatten (§§ 1418 Abs. 1 und Abs. 2, 1585 c BGB). Einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten gibt es nicht. Gleichwohl hat nach den o. g. Urteilen des Bundesgerichtshofes vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteile vom 06.02.2001, FamRZ 2001, 342 ff. und vom 29.03.2001, FamRZ 2001, 985 ff.) eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen des Ehevertragspartners aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln stattzufinden. Dabei findet zunächst eine Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB statt, bei der zu prüfen ist, ob der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt und offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass dem Vertrag - losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise zu versagen ist mit der Folge, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten. Dabei wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit bei einer Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abgedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, dem von ihnen angestrebten und gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (BGH FamRZ 2004, 601 ff.).
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich gerade der Zugewinnausgleich der ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich erweist, da die eheliche Lebensgemeinschaft nicht notwendig auch eine Vermögensgemeinschaft sein muss und auch das Gebot ehelicher Solidarität keine wechselseitige Vermögensbeteiligung der Ehegatten erfordert (BGH a. a. O.). Daher wird sich die Berufung auf einen wirksam vereinbarten Ausschluss des Zugewinns nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen.
Bei einer Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verstößt die Vereinbarung über den Ausschluss des Zugewinns nicht gegen die guten Sitten.
Zunächst kann nicht festgestellt werden, dass der notarielle Scheidungsfolgenvertrag unter Ausnutzung der schwächeren Lage der Antragstellerin, ihrer Unerfahrenheit oder in einer bedrängten Situation zustande gekommen ist. Dazu hat die Klägerin nichts Maßgebliches vorgetragen. Allein dass sie zur Zeit des Abschlusses des Vertrages schwanger war, besagt nicht, dass sie sich in einer Position der Unterlegenheit befunden hat, in der sie vom Beklagten zum Vertragsschluss gedrängt und - anders als in dem von der Klägerin vorgelegten vom OLG Celle am 24.06.2004 entschiedenen Fall - vor die Alternative gestellt worden ist, entweder den Ehevertrag zu unterschreiben oder unverheiratet zu bleiben und ihr Kind nichtehelich zur Welt zu bringen und vor einer ungewissen Zukunft zu stehen. Beide Parteien standen seinerzeit in geregelten Arbeitsverhältnissen, in denen sie auch bisher ohne die Eheschließung ihr Auskommen gefunden hatten. In § 6 des Vertrages haben sie ihre Vermögensverhältnisse ausdrücklich als gesichert dargestellt. Woraus sich damals ihre Unterlegenheit oder eine Situation ergeben haben soll, die ihr praktisch keine andere Wahl ließ, als den Vertrag auf Verlangen des Beklagten zu unterschreiben, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Da der Unterhalt nicht gänzlich, sondern in Anbetracht der seinerzeitigen gesicherten Verhältnisse der Parteien nur für den Fall, dass die Ehe der Parteien kinderlos bleiben sollte, gänzlich ausgeschlossen worden ist, führt dies nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages. Das gilt angesichts der seinerzeitigen Vermögensverhältnisse der Parteien auch für die güterrechtliche Regelung. Diese ist - wie bereits ausgeführt - der Disposition der Parteien im größten Umfang zugänglich. Da geplant war, dass der Beklagte das später von den Parteien gemeinsam bewohnte Haus in die Ehe einbringen würde, erscheint die vereinbarte Gütertrennung nachvollziehbar, weil so verhindert werden sollte, dass eventuell im Fall einer Scheidung in Anbetracht dann auszugleichender eventueller Wertsteigerungen des Hauses der Beklagte durch Zahlungsverpflichtungen unter Umständen gezwungen sein könnte, das Haus zu verkaufen.
Allein aus der aufgrund des vorhandenen Grundbesitzes günstigeren finanziellen Situation des Beklagten lässt sich jedenfalls keine Zwangslage der Klägerin herleiten, die sie veranlasst haben könnte, sich auf einen Verzicht der ihr vom Gesetz für den Scheidungsfall eingeräumten Rechte einzulassen.
Die Tatsache, dass die Zugewinnausgleichsregelung in dem Ehevertrag wahrscheinlich zu Lasten der Klägerin zu einer einseitigen Verteilung des während der Ehe eingetretenen Wertzuwachses des Grundstückes führen würde, rechtfertigt allein nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit der getroffenen Regelung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte schon vor der Eheschließung Eigentümer dieses Grundstückes war und der Klägerin die Nutzungsvorteile von Anfang an mit zuflossen.
Dass die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich und der gesamte Ehevertrag nicht von vornherein sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB waren, hat das Amtsgericht im übrigen in dem Urteil vom 06.05.2003 im Scheidungsverfahren (Amtsgericht Wolfsburg - 20 F 2415/02) zutreffend dargelegt. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Soweit das Amtsgericht sodann im Rahmen der Ausübungskontrolle zu einer Teilnichtigkeit des Ehevertrages gekommen ist, erfasst diese nicht die übrigen Teile des Ehevertrages. Auch dazu hat das Amtsgericht in dem o. g. Urteil auf Seite 6 zutreffende Ausführungen gemacht und nur die Teilregelung betreffend die gesetzliche Rente im Wege der sogenannten Ausübungskontrolle für unwirksam erklärt, weil für die Regelung zum Versorgungsausgleich die Geschäftsgrundlage vom Amtsgericht als weggefallen angesehen worden ist. Dabei muss es bleiben. Eine "Ausweitung" der Unwirksamkeit des Vertrages kommt nicht in Betracht. Die Scheidung als Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Regelungen in dem Ehevertrag anzusehen, ist nicht gerechtfertigt. Gerade für diesen Fall ist der Vertrag ja geschlossen worden.
Dass die Klägerin finanzielle Mittel in umstrittenem Umfang zum Ausbau des Hauses beigesteuert hat, kann jetzt nicht zur Unwirksamkeit des Ehevertrages oder nur des güterrechtlichen Teiles führen. Die Klägerin hat diese Investitionen freiwillig und in Kenntnis der vertraglichen Regelung erbracht. Im übrigen dürften Anfang der Neunziger Jahre vorgenommene Investitionen nicht zu solchen Wertsteigerungen zur Zeit des güterrechtlich maßgeblichen Zeitpunktes geführt haben, dass deren unterbliebener Ausgleich zu einer schwerwiegenden Ungerechtigkeit oder Unbilligkeit führt.
Dass sich die Lebensverhältnisse der Parteien soweit von den bei Abschluss des Vertrages für den Fall des Scheiterns der Ehe angenommenen Vorstellungen entfernt haben, dass die seinerzeit getroffene Regelung jetzt überhaupt nicht mehr sachgerecht und grob unbillig erscheint, kann auch nicht angenommen werden, so dass auch insoweit von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht ausgegangen werden kann. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Beklagte nach der Trennung der Parteien allein für Unterhalt und Betreuung der aus der Ehe der Parteien hervorgegangenen Kinder gesorgt hat und sorgt.
Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages gemäß § 138 BGB kann danach nicht festgestellt werden. Dafür dass die Parteien die Regelungen zum Zugewinnausgleich in Anbetracht eventuell zum Teil nichtiger Bestandteile der übrigen vertraglichen Regelungen auf andere Weise getroffen hätten, gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte.
Die Beschwerde bleibt deshalb erfolglos und ist mit der Kostenfolge aus den §§ 97 Abs. 1 und 127 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen.