Arbeitsgericht Stade
Urt. v. 03.07.1991, Az.: 2 Ca 310/90
Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen einen Berufskraftfahrer wegen der grob fahrlässigen Verursachung eines Verkehrsunfalls; Anspruchsübergang auf den Versicherer; Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts über die Haftung der Arbeitnehmer bei schadensgeneigter Arbeit; Mitverschulden; Unterschreitung der vorgeschriebenen Ruhezeit
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Stade
- Datum
- 03.07.1991
- Aktenzeichen
- 2 Ca 310/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 15311
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGSTD:1991:0703.2CA310.90.0A
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 03.07.1991
durch
den Richter ... Dr. Schomburg als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Pause und Hovrescny als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.277,00 DM (i. W. Vierzehntausendzweihundertsiebenundsiebzig) nebst 6 % Zinsen seit dem 1. Juli 1990 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 5/7 und der Beklagte zu 2/7 zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.002,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht gegen den Beklagten geltend.
Der Beklagte war bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Fa. ... GmbH, als Berufskraftfahrer beschäftigt. Sein Nettoeinkommen betrug Spesen eingeschlossen 2.700,00 DM.
Am 24.03.1990 lenkte der Beklagte einen Sattelzug seiner Arbeitgeberin von Travemünde kommend in Richtung Stade. Auf der B 73 am Ortseingang Ovelgönne kam der Sattelzug in einer Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr in das dort gelegene Grundstück und kippte um. Beim Abkommen von der Fahrbahn hob der Lastzug mit der linken Fahrzeuglänksseite vom Boden ab.
Der Unfall ereignete sich um 15.38 Uhr, als der Beklagte sich eine Zigarette aus dem rechten Mittelfach holen wollte. Eine um 17.45 Uhr beim Beklagten entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,14 Promille. In der Nacht vor dem Unfall hatte der Beklagte außerdem eine Packung Schmerzmittelk Obtalidion N mit 10 Tabletten vollständig eingenommen. Im Unfallbereich gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h für den innerörtlichen Verkehr. Die Bremsspur der rechten Räder des Sattelzuges war 160 m lang.
Der Schaden am dem Lastzug belief sich auf 142.753,75 DM. Diesen Schaden hat die Klägerin ihrer Versicherungsnehmerin aufgrund der bestehenden Kaskoversicherung ersetzt.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin einen Teil des ausgezahlten Betrages gegen den Beklagten geltend. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe den Schaden an dem Lastzug grob fahrlässig verursacht. Dazu behauptet sie, daß der Beklagte im Unfallbereich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h gefahren sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 50.002,00 DM nebst 6 % Zinsen ab dem 01.07.1990 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß sich sein Verhalten zwar gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, nicht jedoch gegenüber seiner Arbeitgeberin als grob fahrlässig darstelle. Seine Arbeitgeberin müsse sich nämlich einen zum Unfallgeschehen führenden Mitverantwortungsanteil entgegenhalten lassen. Dazu behauptet er, daß er auf der Tour vor der Unfallfahrt, die unstreitig - am 22.03.1990 begonnen habe und in den Raum Frankfurt/Mannheim gegangen sei, bis auf einen Zeitraum von 5 Stunden selbst gefahren sei. Grund dafür sei gewesen, daß sein Beifahrer, der Zeuge ... infolge einer kurz zuvor erfolgten Übersiedlung aus der DDR noch keinerlei Fahrpraxis auf bundesdeutschen Lkw mit Lenkhilfe gehabt habe, so daß dieser das Fahrzeug nur kurzzeitig habe lenken können. Trotzdem habe er bereits am Freitagnachmittag vor der Abfahrt in Frankfurt telefonisch den Auftrag erhalten, am Samstagvormittag den später verunglückten Sattelaufleger aus Travemünde abzuholen. In Frankfurt losgefahren seien er und der Zeuge ... am Freitagabend um 19.00 Uhr. Angekommen seien sie bei ihm zu Hause in Stade am Samstagmorgen um etwa 3.30 Uhr. Bereits um 6.00 Uhr seien sie in Jork zum Abladen gewesen. Um 9.30 Uhr seien sie dann auf dem Betriebshof der Versicherungsnehmerin in Stade eingetroffen und von dort aus direkt nach Travemünde gefahren. Der Sattelaufleger, der aus Travemünde abgeholt werden sollte, hätte am Sonntag, dem 25.03.1990, gegen Abend entladen wieder vom Betriebsgelände der Versicherungsnehmerin abfahren sollen.
Weiterhin trägt der Beklagte vor, daß er zur Zeit der Unfallfahrt an den Folgen eines Arbeitsunfalles gelitten habe. Er sei ca. 6 Monate vorher von einem Sattelauflieger gestürzt und habe sich dabei eine schwere Gehirerschütterung zugezogen. Es sei der Versicherungsnehmerin bekannt gewesen, daß er sich auch noch im März 1990 wegen andauernder starker Kopfschmerzen in neurologischer Behandlung befunden habe.
Ferner bestreitet der Beklagte, daß seine Fahrtgeschwindigkeit zur Zeit des Unfalles über 100 km/h gelegen habe und behauptet, daß die Sattelauflegermaschine technisch - bzw. bauartbedingt nur ca 96 km/h fahre.
Die Klägerin entgegnet, daß der Zeuge ... ein vollwertiger Kraftfahrer sei, der den Beklagten regelmäßig hätte ablösen sollen und können. Dies habe er auch getan, so daß es auf der Fahrt nach Süddeutschland keine übermäßig langen Fahrzeiten für den Beklagten gegeben habe. Die Fahrt nach Süddeutschland sei auch bereits am Abend des 23.03.1990 beendet gewesen. Zwischen dem Abschluß dieser Fahr und dem Antritt der Unfallfahrt habe eine Ruhenszeit von mehr als 10 Stunden gelegen. Im übrigen habe der Beklagte am Unfalltage überhaupt nicht fahren sollen. Er habe lediglich den Zeugen Schulz begleiten sollen, um ihn mit der formellen Abwicklung einer solchen Frachtangelegenheit vertraut zu machen.
Die Klägerin bestreitet, daß ihre Versicherungsnehmerin von den angeblich starken Kopfschmerzen des Beklagten gewußt habe und trägt - von dem Beklagten nicht bestritten - vor, daß der Beklagte sich als gesund gemeldet habe und nicht erklärt habe, daß er noch unter irgendwelchen Nachwirkungen leide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 02.04.1991 durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 28.05.1991 und 03.07.1991 verwiesen.
Die Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Stade, Aktenzeichen 23 Js 6643/90, war zu Informationszwecken beigezogen.
Gründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 14.275,00 DM aus § 67 Abs. 1 VVG i.V.m. positiver Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) zu.
Nach § 67 Abs. 1 VVG geht ein Schadensersatzanspruch, der dem Versicherungsnehmer zusteht, auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Im vorliegenden Fall stand der Firma ... ein Anspruch auf Zahlung von 14.275,00 DM gegen den Beklagten zu, der gem. § 67 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen ist.
1.
Der Anspruch der Fa. ... gegen den Beklagten auf Zahlung eines Betrages von 14.275,00 DM folgt aus positiver Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) unter Berücksichtigung der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze über die Haftung der Arbeitnehmer bei schadensgeneigter Arbeit.
Nach der früheren und durch das Urteil vom 24.11.1987 wieder aufgenommenen Rechtsprechung des BAG ist bei Schadensvorfällen im Bereich der gefahrgeneigten Arbeit von einer dreistufigen Haftung des Arbeitnehmers auszugehen. Danach haftet der Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit gar nicht, bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in aller Regel voll und bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1987 - 8 AZR 524/82 - NZA 88, 579 m.w.N.).
a)
Die Tätigkeit des Beklagten als Kraftfahrer bei der Fa. ... ist eine gefahrgeneigte Arbeit im Sinne der oben genannten Rechtsprechung. Denn die Tätigkeit von Kraftfahrern ist in der Regel gefahrgeneigt, wenn nicht besonder Umständen vorliegen, die ausnahmeweise eine andere Beurteilung rechtfertigen (st. Rspr. des BAG, vgl. nur BAG, a.a.O., zu B II 1 m.w.N.). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
b)
Der Beklagte hat den Schaden an dem Sattelzug grob fahrlässig herbeigeführt.
Das Verhalten eins Berufskraftfahrers ist dann als grob fahrlässig zu werten, wenn die Umstände des Unfalles Anhaltspunkte dafür hergeben, die die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer habe die ihm als Verkehrsteilnehmer obliegende Sorgfaltspflicht in einem ungewöhnlich hohen Grade verletzt und eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung begangen, die das gewöhnliche, nach § 276 BGB bestimmte Maß erheblich übersteigt (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.1983 - 7 AZR 391/79 - AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beklagte hat seine Sorgfaltspflicht als Verkehrsteilnehmer zunächst dadurch in hohem Maße verletzt, daß er mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit in eine Ortschaft gefahren ist. Dabei kann offen bleiben, ob er mit über 100 km/h oder nur mit 96 km/h gefahren ist. Denn auch 96 km/h liegen weit über den erlaubten 50 km/h. Für eine erheblich überhöhte Geschwindigkeit spricht auch die Bremsspur von 160 m und der Umstand, daß die linke Fahrzeugseite des Sattelzuges in der Kurve abhob. Wenn der Fahrer eines Lkw bei derart überhöhter Geschwindigkeit eine Zigarette aus dem Mittelfach holt, liegt bereits darin ein grob fahrlässiges Verhalten. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, daß der Beklagte das Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,14 Promille geführt hat. Dieser Wert liegt bereits in dem Bereich, den die neuere Rechtsprechung der Strafgerichte als "absolute Fahruntüchtigkeit" bezeichnet. Verstärkt wird das Maß der dem Beklagten vorzuwerfenden Pflichtverletzung noch dadurch, daß er in der Nacht vor der Unfallfahrt 10 Tabletten Obtalidion N eingenommen hat. Bei dieser Sachlage hätte der Beklagte an sich jeglichen Alkoholgenuß während der Fahrt vermeiden müssen. Denn es ist allgemein bekannt, daß Schmerzmittel die Wirkung von Alkohol verstärken.
Der Beklagte kann sich gegenüber dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auch nicht darauf berufen, die Versicherungsnehmerin habe ihn auf der vorangegangenen Fahrt zu stark belastet und ihm keine ausreichende Ruhepause gewährt. Diese Umstände sind zwar geeignet, ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin an dem Unfall zu begründen. Sie können jedoch nicht den Verschuldensgrad auf Seiten des Beklagten zu dessen Gunsten modifizieren. Denn starke Belastung und zu kurze Ruhepause entlasten den Beklagten nicht von dem Vorwurf, bei zu hoher Geschwindigkeit zur Zigarette gegriffen und in erheblichem Umfang Alkohol genossen zu haben. Ein solches Verhalten bleibt trotz Übermüdung grob fahrlässig.
c)
Trotz der festgestellten groben Fahrlässigkeit auf Seiten des Beklagten haftet dieser nur mit einer Quote von 10% an dem Gesamtschaden.
Der Arbeitnehmer haftet auch bei grober Fahrlässigkeit nicht stets, sondern lediglich "in aller Regel" uneingeschränkt (vgl. BAG, Urteil vom 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 - NZA 1990, 97 [BAG 12.10.1989 - 8 AZR 276/88], zu II 2 a, m.w.N.). Das bedeutet, daß es auch bei grober Fahrlässigkeit Ausnahmen von der vollen Haftung geben kann. Eine solche Ausnahme von der vollen Haftung kommt bei einem Mitverschulden des geschädigten Arbeitgebers (§ 254 BGB) oder dann in Betracht, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in deutlichem Mißverhältnis - zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht (vgl. BAG, a.a.O.). Im vorliegenden Fall kommen beide Gesichtspunkte zum Tragen:
aa)
Die Versicherungsnehmerin trifft ein Mitverschulden an dem Unfall. Denn sie hat den Beklagten auf der Fahrt in den Frankfurt/Mannheimer Raum erheblich belastet und hat es dann zugelassen, daß der Beklagte nach einer Ruhepause von nur 3 oder 4 Stunden erneut die Arbeit antrat und alsbald zu einer neuen Fahrt aufbrach. Dies verstößt gegen die §§ 15 a Abs. 5 Satz 1 StVZO, 12 Abs. I AZO, wonach den Arbeitnehmern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren ist. Nach § 15 a Abs. 6 StVZO darf der Halter eines Kfz eine Unterschreitung der Mindestwerte der Ruhezeiten werde anordnen noch zulassen.
Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß der Beklagte auf der Fahrt in den Frankfurt/Mannheimer Raum überwiegend gefahren ist. Denn der Zeuge ... konnte sich nur daran erinnern, daß er auf der Hinfahrt einmal auf der Autobahn gefahren sei. Der Umstand, daß er nicht mehr sagen kann, ob er auf der Rückfahrt gefahren ist, spricht dafür, daß das nicht der Fall war. Denn das Lenken eines Lkw der hier in Rede stehenden Größe war für den Zeugen... nach eigenen Angaben neu, so daß er sich an eine Lenkzeit auf der Rückfahrt sicherlich auch erinnert hatte.
Der Umstand, daß der Beklagte den Lkw ganz überwiegend lenkte, ist der Versicherungsnehmerin auch zuzurechnen. Denn die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin mußten wissen, daß der Zeuge ... noch kein vollwertiger Fahrer war. Ihnen war nach ihren eigenen Aussagen bekannt, daß der Zeuge ... aus der DDR übergesiedelt war und daher allenfalls Erfahrung mit den dort üblichen Lkw hatte. Außerdem hat der Zeuge ... ausgesagt, Herr ... habe ihm erzählt, daß er gelernter Handwerker sei und lediglich "bei Gelegenheit" auch als Lkw-Fahrer tätig gewesen ist.
Von der Fahrt in den Frankfurt/Mannheimer Raum sind der Beklagte und Herr ... erst spät zurückgekommen, etwa zwischen 2.00 und 3.00 Uhr morgen. Die Zeugin ... mochte nicht ausschließen, daß es sogar erst um 3.30 Uhr gewesen ist. Die Kammer hat keinen Grund, an der Richtigkeit der Zeugenaussagen zu zweifeln. Der Umstand allein, daß sie die Verlobte des Beklagten ist, reicht dazu nicht aus.
Trotz der späten Rückkehr sind der Beklagte und Herr ... um 5.00 Uhr morgens wieder aufgebrochen. Dies hat die Zeugin ... ausgesagt und entspricht den Angaben des Beklagten, der im Termin vom 28.05.1991 erklärt hat, er sei zusammen mit dem Zeugen ... 6.00 Uhr zum Abladen in Jork gewesen.
Angesichts dieser kurzen Ruhepause hätten die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin es nicht zulassen dürfen, daß der Beklagte um 9.30 Uhr zu der Fahrt nach Travemünde aufbrach. Die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin können sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, ihnen sei der Zeitpunkt der Rückkehr des Beklagten von der Tour in den Frankfurt/Mannheimer Raum unbekannt gewesen. Denn sie wußten zumindest aufgrund des Telefongespräches mit dem Beklagten, daß der Lkw in Frankfurt erst am Freitagnachmittag beladen worden ist. Sie hätten sich daher nach der Ruhezeit des Beklagten erkundigen müssen. Denn deren Einhaltung ist - wie § 15a Abs. 6 StVZO ... - insbesondere auch Sache des Kraftfahrzeughalters.
Ein Verstoß gegen die dem Beklagten zustehende Ruhezeit wäre allerdings nicht gegeben, wenn die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin angeordnet hätten, daß der Beklagte auf der Fahrt nach Travemünde gar nicht lenken, sondern nur den Zeugen ... begleiten sollte. Dieser Vortrag der Klägerin ist jedoch von den Zeugen nicht bestätigt worden. Vielmehr haben die beiden Zeugen ... übereinstimmend ausgesagt, daß es keine Anordnung ihrerseits darüber gegeben habe, wer auf der Travemünde- Fahrt steuern sollte. Dementsprechend war angesichts der geringen Fahrpraxis des Zeugen ... davon auszugehen, daß der Beklagte erneut überwiegend fahren würde.
Ein weiteres Mitverschulden an dem Unfall hat die Kammer der Versicherungsnehmerin nicht angerechnet. Insbesondere ist die angebliche Kenntnis der Geschäftsführer der Beklagten von den ständigen Kopfschmerzen des Beklagten nicht als Mitverschulden gewertet worden. Denn wenn ein Arbeitnehmer nicht mehr krankgeschrieben ist, darf der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen, daß dieser nunmehr wieder voll arbeitsfähig ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber von noch bestehenden Beschwerden Mitteilung macht. Eine solche Mitteilung ist jedoch unstreitig nicht erfolgt.
bb)
Abgesehen von dem Mitverschulden der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin war die Haftung des Beklagten deshalb einzuschränken, weil dessen Verdienst in deutlichem Mißverhältnis zum Schadensrisiko seiner Tätigkeit steht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Arbeitnehmerhaftung auch bei grober Fahrlässigkeit unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 254 BGB zu beschränken, wenn die Höhe des dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnenden Schadensrisikos die Haftung des Arbeitnehmers unzumutbar erscheinen läßt. Ob dies der Fall ist, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, wobei es insbesondere darauf ankommt, ob der Verdienst des Arbeitnehmers im deutlichem Mißverhältnis zum Schadensrisiko steht (BAG, Urteil vom 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 - NZA 1990,97 [BAG 12.10.1989 - 8 AZR 276/88], zu II. 2; ebenso LAG Nürnberg, Urteil vom 18.04.1990 - 3 Sa 38/90 - DB 1991, 606). Dieser Ansicht ist zuzustimmen; denn auch eine grob fahrlässige Schadensherbeiführung darf nicht dazu führen, daß der Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit mit dem durch die Pfändungsfreigrenzen der ZPO festgelegten Existenzminimum auskommen muß.
In Anwendung der vorgenannten Grundsätze war die Haftung des Beklagten in erheblichem Umfang herabzusetzen. Denn der Beklagte hatte teuere Lkw zu fahren und verdiente bei der Versicherungsnehmerin nur 2.700,00 DM netto einschließlich Spesen. Mit einem solchem Gehalt ist es dem Arbeitnehmer unmöglich. Risikovorsorge zu betreiben und einen Schaden von 142.753,00 DM, wie er vorliegend eingetreten ist, zu ersetzen. Wegen dieses Mißverhältnisses hat die Kammer die Schadensersatzpflicht des Beklagten um 60 % reduziert. Weitere 30 % wurden wegen des Mitverschuldens der geschädigten Vesicherungsnehmerin abgesetzt. Es verbleibt ein Schadensanteil von 10%, der von dem Beklagten zu tragen ist. Aufgrund des Unfalles hat die Versicherungsnehmerin daher einen Anspruch auf Zahlung von 14.275,00 DM (10% von 142.753,00 DM) erworben.
2.
Der Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Zahlung von 14.275,00 DM ist gem. § 67 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen weil sie den Schaden der Versicherungsnehmerin ersetzt hat. Da der Beklagte den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, steht das Regreßverbot des § 15 Abs. 2 AKB der Geltendmachung des Anspruches durch die Klägerin nicht entgegen.
II.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Auslagenersatz in Höhe von 2,00 DM aus § 286 Abs. 1 BGB zu. Obwohl die Klägerin ihre Auslagen nicht näher substantiiert hat, war dem Antrag stattzugeben. Denn die Schadenshöhe kann nach § 287 Abs. 1 ZPO geschätzt werden und war mit 2,00 DM (Kosten des Vordrucksatzes für das Mahnverfahren und Porto für die Einsendung) nicht zu hoch angesetzt.
III.
Die zugesprochenen Zinsen in Höhe von 6 % auf die Hauptforderung sind aus § 286 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Denn die Klägerin arbeitet - unstreitig - mit Bankkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe und zahlt dafür mindestens 6 % Zinsen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ZPO.