Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.02.2018, Az.: 1 Ws 202/17

Garantenstellung einer Stationsleitung bei möglicher und zumutbarer Erfolgsverhinderung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.02.2018
Aktenzeichen
1 Ws 202/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 68040
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 08.03.2017 - AZ: 5 Ks 20/16

Redaktioneller Leitsatz

Ergeben sich Verdachtsmomente hinsichtlich möglicher Tötungsdelikte, dann sind Ärzte und Pflegekräfte aufgrund ihrer Garantenstellung - im Rahmen der Zumutbarkeit - verpflichtet, aktiv zu werden.

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Oldenburg wird der Beschluss des Landgerichts Oldenburg - 5. Große Strafkammer als Schwurgericht - vom 8. März 2017 aufgehoben, soweit dieser die Angeschuldigte B betrifft.

Die die Angeschuldigte B betreffende Anklage der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 30. Oktober 2016 wird mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen, dass der Angeschuldigten die Tötung eines Menschen durch Unterlassen in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zur Last gelegt wird.

Das Hauptverfahren wird vor der 5. Großen Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Oldenburg eröffnet.

2. Die die Angeschuldigten C und F betreffende weitergehende sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Oldenburg wird als unbegründet verworfen.

Die insoweit angefallenen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten C und F trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg legt - neben den Angeklagten A, D und E - den Angeschuldigten B, C und F mit der Anklageschrift vom 30. Oktober 2016 zur Last, in einer unterschiedlichen Anzahl von Fällen durch Unterlassen einen Menschen getötet zu haben.

Bei den Angeschuldigten bzw. Angeklagten handelt es sich um (teilweise frühere) Ärzte und Pflegekräfte des ehemaligen Klinikums ... (heute ...). In der Zeit von Dezember 2002 bis Ende Juni 2005 war dort ebenso der gesondert verfolgte Pfleger Q auf der Intensivstation tätig, der zuletzt am 26. Februar 2015 vom Landgericht Oldenburg wegen Mordes an fünf Patienten und unter Einbeziehung einer weiteren vom Landgericht Oldenburg am 23. Juni 2008 wegen versuchten Mordes an einem Patienten verhängten Strafe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt worden ist.

2.

Das Landgericht Oldenburg - 5. große Strafkammer als Schwurgericht - hat mit dem in Bezug genommenen Beschluss vom 8. März 2017 die gegen die Angeklagten A, D und E gerichtete Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen, jedoch hinsichtlich der Angeschuldigten B, C und F die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, da es nach Lage der Akten am hinreichenden Tatverdacht bezüglich eines Tötungsvorsatzes fehle.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeschuldigten B (erste stellvertretende Stationsleiterin) und C (Pfleger) vor, im Anschluss an den Tod des Patienten Y am 10. Mai 2005 die Begehung weiterer Tötungsdelikte durch Q tatsächlich für möglich gehalten zu haben, jedoch nicht eingeschritten zu sein und somit weitere Taten billigend in Kauf genommen zu haben.

Die Angeschuldigte F (zweite stellvertretende Stationsleiterin) soll nach den ihr am Nachmittag des 22. Juni 2005 bekanntgewordenen Umständen, die am 23. Juni 2005 zum Tod des Herrn Z geführt haben, über den gegen den gesondert verfolgten Q bestehenden Verdacht informiert gewesen sein. Obwohl sie weitere Tötungen für möglich gehalten habe, sei die Angeschuldigte nicht eingeschritten, sondern habe weitere Taten durch Q billigend in Kauf genommen.

Nach Ansicht der Strafkammer lasse aber der bisher ermittelte Sachverhalt nicht erkennen, dass diese drei Angeschuldigten vorsätzlich gehandelt hätten, indem sie den Tod weiterer Patienten jedenfalls billigend in Kauf genommen hätten. Dass die Angeschuldigten B und C sich im Anschluss an den Todesfall des Patienten Y vom 10. Mai 2005 und nach Weitergabe ihrer den Q möglicherweise belastenden Erkenntnisse an den Angeklagten A (Stationsleiter) sowie dessen ablehnender Haltung passiv verhalten hätten, sei nach Ansicht der Strafkammer "ersichtlich aus Frustration bzw. Hilflosigkeit [erfolgt] und begründet keine Billigung weiterer Tötungen."

Zur Angeschuldigten F lägen ebenso keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass diese nach dem Tod des Patienten Z am 23. Juni 2005 weitere Tötungen billigend in Kauf genommen hätte. So habe die Angeschuldigte F unmittelbar nach dem Tod des Patienten Z veranlasst, den Angeklagten A als ihren Vorgesetzten zu informieren, und so ihre Verantwortung "schnellstmöglich" delegiert.

3.

Gegen die ablehnende Eröffnungsentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft sowie die Stellungnahmen der Verteidiger der Angeschuldigten B vom 17. März 2017 sowie der Angeschuldigten F vom 12. April 2017 und C vom 21. April 2017 Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 210 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Es besteht allein hinsichtlich der Angeschuldigten B der nach § 203 StPO für eine Eröffnung des Hauptverfahrens erforderliche hinreichende Tatverdacht dafür, dass diese sich wegen Totschlags durch Unterlassen in fünf tateinheitlich begangenen Fällen strafbar gemacht hat.

Im Einzelnen:

1.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens ein Angeschuldigter einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichender Tatverdacht besteht, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die vorhandenen und noch zu erwartenden Beweise eine gerichtliche Überzeugung vom Vorliegen der Voraussetzungen jeweils des objektiven und subjektiven Tatbestandes der in Betracht kommenden Strafgesetze wahrscheinlich begründen werden und daher eine Verurteilung in der Hauptsache wahrscheinlich ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 203 Rn. 2; LR-Stuckenberg, StPO, 26. Auflage, § 203 Rn. 6 ff.; KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 203 Rn. 3; HK-Julius, StPO, 5. Aufl., § 203 Rn. 3).

2.

Gemessen daran sieht der Senat nach den bisherigen Ermittlungen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das der Angeschuldigten B zur Last gelegte Verhalten sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des Totschlags durch Unterlassen erfüllt.

a) Objektiver Tatbestand

Eine Strafbarkeit wegen Begehens durch Unterlassen nach § 13 StGB kommt allein dann in Betracht, wenn der Täter rechtlich dafür verantwortlich ist, dass der Erfolg nicht eintritt, er also als Garant für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat und durch die gebotene Handlung der Erfolgseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre. Zudem muss dem Täter die Verhinderung des Erfolgseintritts durch pflichtgemäßes Handeln möglich und zumutbar sein sowie das Unterlassen einer Begehung durch aktives Tun entsprechen (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 13 Rn. 7, 8 mwN.).

So liegt der Fall hier.

aa) Garantenstellung

Die Angeschuldigte hatte als Verantwortliche der Stationsleitung eine Rechtspflicht zur Betreuung der Patienten und zur Abwendung drohender Gefahren. Eine solche Rechtspflicht kann sich aus der tatsächlichen Übernahme einer Schutzfunktion ergeben; auf die zivilrechtliche Wirksamkeit eines möglicherweise zugrundeliegenden Vertrages, etwa eines Behandlungsvertrages, kommt es nicht an. Entscheidend sind vielmehr die tatsächliche Übernahme einer Vertrauensstellung sowie die Gewährung von Vertrauen. Hier hatte die Angeschuldigte B angesichts ihrer beruflichen Stellung die Betreuung der Patienten und zugleich die Aufgabe übernommen, die Patienten vor Gefahren auf der Intensivstation zu bewahren. Sie ist daher als sogenannte Beschützergarantin zu bezeichnen (vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 12)

Zudem oblag es der Angeschuldigten B - wie die Staatsanwaltschaft in der Anklage zutreffend ausführt - angesichts ihrer weiteren Aufgabe als stellvertretende Stationsleiterin, die Tätigkeit des gesondert verfolgten Q näher zu beobachten, weshalb sie als sog. Überwachergarantin anzusehen ist (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 13 Rn. 51).

bb) Möglichkeit der Erfolgsverhinderung

Die Rechtsordnung kann von dem Adressaten nur fordern, was möglich ist. Daher gehört zu den konstitutiven Merkmalen des Unterlassens als einer Verantwortlichkeit auslösenden Verhaltensform, dass die erforderliche Handlung dem Unterlassenden möglich gewesen wäre. Dieser muss imstande gewesen sein, in der erforderlichen Weise tätig zu werden. Erforderlich ist dabei bereits jede Handlung, die eine tatsächliche Rettungsmöglichkeit darstellt. Jede Rettungschance muss genutzt werden, so dass allein die sicher voraussehbare Erfolglosigkeit eines Rettungsbemühens eine Handlungspflicht entfallen lässt (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Bosch, a.a.O., vor § 13 Rn. 141, 149).

Gemessen daran war es der Angeschuldigten B möglich, zur Erfolgsverhinderung tätig zu werden und zuständige Stellen über die vermuteten Handlungen des gesondert verfolgten Q in Kenntnis zu setzen, damit diese weitere Schritte zur Beseitigung der Gefahr hätten vornehmen können.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Angeschuldigte B nach dem Todesfall des Patienten Y den Stationsleiter und Mitangeschuldigten A - nach ihren Angaben zeitnah - über die den erheblichen Verdacht begründenden Beobachtungen des Stationspflegers C informiert und damit eine zur Abwendung weiterer Gefahren grundsätzlich geeignete Handlung vorgenommen hat. Denn es war zu erwarten, dass A als Vorgesetzter des gesondert verfolgten Q nunmehr die notwendigen Maßnahmen ergreifen würde. Durch die Reaktion des Angeklagten A wurde ihr aber sogleich klar, dass dieser nichts unternehmen würde, sondern er im Gegenteil die Angeschuldigte B sogar aufforderte, ebenfalls Weiteres zu unterlassen und, so die Angeschuldigte B, die Ampullen verschwinden zu lassen. Damit war ihr klar, dass der Stationsleiter seiner Pflicht nicht nachkam, so dass damit zugleich ihre aus der Stellung als stellvertretende Stationsleiterin folgende Pflicht als Überwachergarantin gleichsam wiederauflebte und sie verpflichtete, ihrerseits der Stationsleitung vorgesetzte Stellen zu informieren. Erst recht gilt dies für den Fall, dass sie den Angeklagten A erst deutlich später informiert haben sollte.

cc) Zumutbarkeit

Die Handlung, die den Erfolg verhindert hätte, muss von dem Garanten rechtlich zu fordern, mithin ihm zumutbar sein. Die Zumutbarkeit muss sich an der Lage und den Fähigkeiten des Garanten, die Nähe und Schwere der Gefahr und die Bedeutung des Rechtsgutes ausrichten (vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 80 mwN.). Unzumutbar ist eine Handlung dann, wenn sie eigene billigenswerte Interessen in erheblichem Umfang beeinträchtigt und diese in einem angemessenen Verhältnis zum drohenden Erfolg stehen. Die widerstreitenden Interessen sind daher gegeneinander abzuwägen, wobei in den Blick zu nehmen ist, dass einem Garanten grundsätzlich mehr an Opferbereitschaft abzuverlangen ist als jemandem im Rahmen einer Hilfeleistung gem. § 323c StGB. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen muss den Grad der jeweiligen Gefahren einbeziehen. Je schwerer das drohende Übel ist, desto mehr kann an Opfern oder Selbstgefährdungen zugemutet werden (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Bosch, a.a.O., vor § 13 Rn. 156).

Die an diesen Maßstäben ausgerichtete Abwägung der Interessen der Angeschuldigten B einerseits (wie die Angst vor möglichen Konsequenzen im Falle eines sich nachfolgend als falsch erwiesenen Verdachts oder vor einer Intervention auf höherer Ebene am Stationsleiter vorbei) und der vom gesondert verfolgten Q ausgehenden unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben von Patienten der Intensivstation andererseits führt dazu, dass für die Angeschuldigte B ein Einschreiten zumutbar war.

dd) Kausalität

Durch die Information höherer Stellen in der Klinik wären die weiteren Tötungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden. Denn nach dem Vorfall Y am 9./10. Mai 2005 kam es erst am 22. Mai 2005 zum nächsten ihr zur Last gelegten Todesfall (M), so dass angenommen werden muss, dass der gesondert verfolgte Q jedenfalls ähnlich zeitnah wie nach dem Vorfall Z vom Dienst ausgeschlossen worden wäre.

ee) Entsprechensklausel

Das Unterlassen kommt dem Unrechtsgehalt aktiver Tatbestandsverwirklichung auch so nahe, dass es sich dem Unrechtstypus des Tatbestands einfügt.

b) Subjektiver Tatbestand

Der erforderliche bedingte Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihm abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Dabei müssen stets beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall gesondert geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.

aa)

Dieses danach notwendige Wissenselement liegt bei der Angeschuldigten vor. Wie das Landgericht mit vom Senat geteilten Ausführungen dargelegt hat, hat die Angeschuldigte B angesichts der von ihr erkannten Umstände im Zusammenhang mit dem Tod des Patienten Y am 10. Mai 2005 allen Grund gehabt, den gesondert verfolgten Q noch stärker als zuvor schon zu verdächtigen. Zudem kann mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, dass die Angeschuldigte "das Risiko weiterer Todesfälle als mögliche Folge ihrer Untätigkeit deutlicher als zuvor erkannt" hat.

bb)

Der Senat geht jedoch anders als das Landgericht weiter davon aus, dass ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, die in einen den hinreichenden Verdacht im Sinne von § 203 StPO begründenden Maß auf eine Billigung weiterer Tötungen schließen lassen. Zwar kann angesichts des zur Last gelegten Unterlassens - anders als bei einem aktiven Tun - nicht von der Gefährlichkeit der Handlung auf das Wollen des Erfolgs geschlossen werden. Nach der Rechtsprechung wird - was auch das Landgericht anführt - freilich eher die geistige Vorwegnahme und Billigung weiterer Tötungen zu beurteilen sein (vgl. in Fällen von Kindesmisshandlungen oder Vernachlässigung: BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - 5 StR 75/15 -; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 3 StR 569/97 -; jeweils bei juris).

Hierbei kann jedoch nicht maßgeblich darauf abgestellt werden, dass die Billigung des Todes "überantworteter Patienten ... naturgemäß die Überschreitung höchster Hemmschwellen" (Beschluss des Landgerichts, dort S. 8) voraussetze. So betrifft schon die hierzu zitierte Entscheidung (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 3 StR 569/97 -, juris) einen Sachverhalt mit einer Mutter-Säugling-Beziehung, die mit der hier vorliegenden Beziehung einer Pflegekraft zum Patienten nicht vergleichbar ist. Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof - so wie er auf die für die Begehung von Tötungsdelikten deutlich höhere Hemmschwelle hingewiesen hat - für Tötungsdelikte durch Unterlassen eine solche psychologische Hemmschwelle zutreffend ablehnt und diese daher im Rahmen der Beweiswürdigung für nicht berücksichtigungsfähig erachtet (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 -, juris Rn. 32 und vom 7. November 1991 - 4 StR 451/91 -, juris Rn. 13). Diesem Aspekt kann daher nicht die vom Landgericht ersichtlich zugedachte Bedeutung beigemessen werden.

Vielmehr sprechen die bei den Ermittlungen zu Tage getretenen, unter den Mitarbeitern kursierenden erheblichen Verdachtsmomente gegen Q sowie die von der Angeschuldigten erkannten zweifelhaften Umstände der Todesfälle sowie das offensichtlich von den lebensgefährdenden Handlungen des Q betroffene höchste Rechtsgut dafür, dass es - ähnlich wie bei gefährlichen aktiven Gewalthandlungen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 -, juris Rn. 34) - auch hier beim Vorwurf des Unterlassens zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements tragfähiger Anhaltspunkte dafür bedarf, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, es kämen keine weiteren Patienten zu Tode (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - 5 StR 75/15 -, juris Rn. 8).

Nach diesem Maßstab kann in hinreichendem Maß davon ausgegangen werden, dass das voluntative Vorsatzelement vorliegt. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, aufgrund welcher Umstände die Angeschuldigte B davon ausgegangen sein könnte, es werde zu keinen weiteren von Q herbeigeführten Todesfällen kommen. Eine solche Annahme liegt schon deshalb fern, weil die Angeschuldigte B nach Meldung ihrer im Zusammenhang mit dem Tod des Patienten Y stehenden Beobachtungen die anschließende Untätigkeit der Verantwortlichen, jedenfalls aber die hierauf hindeutende und für das Patientenwohl hochgefährliche Weiterbeschäftigung des gesondert verfolgten Q erkannt haben muss. Dafür, dass die Angeschuldigte B angenommen hat, der Angeklagte A habe - trotz dessen Reaktion auf die Hinweise - vorgesetzte Stellen über den bestehenden Verdacht informiert und diese hätten nach Überprüfung des Sachverhalts eine Weiterbeschäftigung Q beschlossen, besteht kein Anhalt. Tatsächlich hat es eine Weitergabe des Hinweises durch den Angeklagten A nicht gegeben.

Dass die Angeschuldigte B allein aus Gründen der Frustration passiv geblieben sein könnte, spricht im Übrigen nicht gegen eine Billigung des Todes und ist deshalb für die Überzeugungsbildung hinsichtlich eines bedingten Tötungsvorsatzes von geringerer Bedeutung. Denn der für möglich erkannte Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09 -, juris), schon gar nicht muss er damit ein bestimmtes Ziel verfolgt haben. Ausreichend wäre es zum Beispiel, wenn der Angeschuldigten B der Mut zur Auseinandersetzung mit dem Pflegedienstleiter A gefehlt hätte, die im Falle der Information weiterer Vorgesetzter hätte entstehen können.

c)

Angesichts des gegen die Angeschuldigte B erhobenen Vorwurfs, im Anschluss an den Tod des Patienten Y untätig geblieben zu sein, liegt ein dauerhaftes Untätigbleiben, mithin nur ein Unterlassen im Rechtssinne vor. Da dies nachfolgend zum Versterben von fünf weiteren Patienten geführt haben soll, ist die Angeschuldigte B des Totschlages durch Unterlassen in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen hinreichend verdächtig.

3.

Hinsichtlich der Angeschuldigten F und C hat die Beschwerde keinen Erfolg, da insoweit der für eine Eröffnung des Hauptverfahrens notwendige hinreichende Tatverdacht nicht vorliegt. Hierzu im Einzelnen:

a) Angeschuldigte F

Der Angeschuldigten F kann nicht vorgeworfen werden, eine Garantenpflicht verletzt zu haben. Zwar war die Angeschuldigte F als stellvertretende Stationsleiterin am Nachmittag des 22. Juni 2005 durch die Pflegerin N über die Verdachtslage des dann am 23. Juni 2005 eingetretenen Todes von Herrn Z informiert worden. Sie hat allerdings umgehend die Zeugin N gebeten, den Stationsleiter und Angeklagten A in Kenntnis zu setzen, und hat ihrerseits die Angeschuldigte B telefonisch informiert.

Die vorrangig Verantwortlichen des Krankenhauses haben sodann am Folgetag, dem 23. Juni 2005, zumindest insoweit reagiert, als dass das weitere Vorgehen besprochen worden ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, was die Angeschuldigte F nach Weiterleitung der ihr bekannten Informationen weiter hätte unternehmen müssen oder können. Sie hat vielmehr das getan, was angesichts ihrer Stellung und Aufgabe als stellvertretende Stationsleiterin zu verlangen war. Insbesondere war sie angesichts der Befassung mehrerer Vorgesetzter nicht gehalten, sogleich an den übrigen Bediensteten vorbei die Ermittlungsbehörden einzuschalten. Darüber hinaus zeigt die weitere Entwicklung, dass es auch für den Fall nicht zu einer so schnellen Suspendierung des gesondert verfolgten Q gekommen wäre, dass der bereits am 24. Juni 2005 eingetretene Tod der Patientin K verhindert worden wäre.

b) Angeschuldigter C

Ebenso wenig kann gegen den Angeschuldigten C der strafrechtlich relevante Vorwurf erhoben werden, eine Garantenpflicht verletzt zu haben. Ihm oblag es als Pfleger, seine Patienten zu betreuen und vor Gefahren auf der Intensivstation zu bewahren. Diesen als sogenannter Beschützergarant und entsprechend der Anklage allein für die Dauer seiner Anwesenheit auf der Station zu erfüllenden Aufgaben ist der Angeschuldigte bereits dadurch nachgekommen, dass er seine Verdachtserkenntnisse zum Tod des Patienten Y an die Angeschuldigte B als stellvertretende Stationsleiterin weitergab.

Denn so ist eine in der Leitungshierarchie der Intensivstation zuvörderst zuständige Person in Kenntnis gesetzt worden. Eine weitergehende Handlung des als Pfleger tätigen Angeschuldigten C kann nicht abverlangt werden. Dieser war weder dazu befugt, dem gesondert verfolgten Q beim nächsten gemeinsamen Dienst die weitere Tätigkeit zu untersagen, noch war der Angeschuldigte C gehalten, sich im Anschluss an seine Meldung über den Fortgang der Dinge näher zu informieren.

III.

Die hinsichtlich der Angeschuldigten C und F ergangene Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO.