Amtsgericht Zeven
Urt. v. 13.10.2005, Az.: 3 C 341/05

Akupunkturbehandlung; Außenseitermethode; Behandlungsmethode; Distorsion; Erstattungsfähigkeit; Halswirbelsäulenverletzung; Halterhaftung; Heilbehandlungskosten; HWS; HWS-Distorsion; Kfz-Unfall; Körperverletzung; Personenschaden; Schadensersatzanspruch; Schulmedizin; Verkehrsunfall

Bibliographie

Gericht
AG Zeven
Datum
13.10.2005
Aktenzeichen
3 C 341/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50954
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

2

Die Klägerin wurde am 20.03.2004 bei einem Verkehrsunfall in Zeven verletzt. Es handelte sich um einen Frontalzusammenstoß zweier Pkws. Die Klägerin erlitt eine HWS-Distorsion und eine Oberschenkelprellung. Die alleinige Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ist unstreitig.

3

Nach dem Unfall begab sich die Klägerin zur Erstuntersuchung ins Martin-Luther-Krankenhaus Zeven. Die Weiterbehandlung erfolgte durch den Hausarzt Dr. .... Er nahm im Zeitraum 22.03. bis 21.04.2004 10 Akupunkturbehandlungen wegen der HWS-Distorsion bei der Klägerin vor. Mit Rechnung vom 26.04.2004 berechnete er hierfür 610,79 € (Bl. 9 d. A.). Die gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin weigerte sich, die Kosten zu übernehmen, weil sie vom Versicherungsumfang nicht abgedeckt sind.

4

Einige Monate nach dem Unfall traten während einer Reise der Klägerin in Indien Schmerzen im Bein auf. Die Klägerin konnte fast nicht gehen. Sie begab sich in ärztliche Behandlung. Hierfür zahlte sie umgerechnet ca. 770,00 €.

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Mit der Klage verlangt die Klägerin:

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- 610,79 € Rechnung Dr. ...

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- 770,00 € Behandlungskosten in Indien

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- Ferner macht sie ein restliches Schmerzensgeld abzüglich bereits gezahlter 650,00 € geltend

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Die Klägerin forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 01.04.2005 zur Zahlung auf.

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Die Klägerin trägt vor:

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Die Kosten der Akupunkturbehandlung seien erstattungsfähig. Die Behandlung sei erfolgreich gewesen. Sie sei nur minimal teurer als eine herkömmliche Behandlung gewesen.

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Die in Indien aufgetretenen Schmerzen im Bein seien auf den Unfall zurückzuführen (Beweis: Sachverständigengutachten). Zuvor seien solche Schmerzen zeitlebens nie aufgetreten.

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Die Schmerzen im Oberschenkel seien immer noch vorhanden. Sie würden vom Oberschenkel durch das Knie in den Unterschenkel ausstrahlen. Insgesamt sei ein Schmerzensgeld von 1.000,00 € angemessen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.380,79 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2005 sowie ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2005 abzüglich bereits gezahlter 650,00 € zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor:

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Die Akupunkturbehandlung sei nicht zwingend erforderlich gewesen. Die Klägerin hätte zunächst die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen müssen.

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Die Arztkosten in Indien stünden mit dem Unfall nicht in Verbindung. Eine Ursächlichkeit sei nicht gegeben.

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Wegen des weiter gehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.

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1. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Im Einzelnen gilt Folgendes:

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a) Die Kosten aus der Rechnung des Dr. ... vom 26.04.2004 kann die Klägerin nicht erstattet verlangten. Zwar besteht ein Anspruch dem Grunde nach aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG. Auch können Heilbehandlungskosten grundsätzlich als Schaden geltend gemacht werden. Das gilt aber nur bei einer schulmedizinischen Heilbehandlung. Die Akupunktur stellt keine schulmedizinische Behandlungsmaßnahme dar. Denn sie ist nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst, wie die Klägerin selber vorträgt. Auch so genannte Außenseitermethoden können zwar erstattungsfähig sein. Das gilt aber nur unter engen Voraussetzungen. Es ist unter anderem erforderlich, dass die Schulmedizin keine Behandlungsmethode anbietet oder dass diese im konkreten Fall nicht erfolgreich war (vgl. OLG Karlsruhe NZV 1999 210 [OLG Karlsruhe 11.07.1997 - 10 U 15/97]; KG NZV 2004, 42 [KG Berlin 03.11.2003 - 12 U 102/03]). Bei einer HWS-Distorsion bietet die Schulmedizin Behandlungsmethoden an (vgl. im Einzelnen die Klagerwiderung). Diese hat die Klägerin nicht angewandt. Sie hat vielmehr gleich eine Akupunkturbehandlung in Anspruch genommen. Unabhängig von der medizinischen Wirksamkeit dieser Behandlung ist ein solches Vorgehen in schadensrechtlicher Hinsicht unzulässig. Das führt dazu, dass die Behandlungskosten für die Akupunktur nicht erstattungsfähig sind.

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Die Klägerin kann die Kosten für die Akupunkturbehandlung auch nicht teilweise als Ersatz für die nicht zur Anwendung gekommenen schulmedizinischen Behandlungsmaßnahmen verlangen. Die Klägerin macht Schadensersatz geltend. Es geht nicht um ersparte Aufwendungen der Beklagten. Im Übrigen fehlt es an konkretem Vortrag der Klägerin, wie hoch die Kosten der schulmedizinischen Behandlung gewesen wären. Möglicherweise wäre die HWS-Distorsion allein durch Schonung und Ruhe behandelbar gewesen.

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Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Rechnung des Dr. ... vom 26.04.2004 enthält zum Teil auch schulmedizinische Behandlungsmaßnahmen, nämlich die Positionen Beratung, vollständige körperliche Untersuchung, chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule und symptombezogene Untersuchung. Die Positionen machen einen Betrag von 82,59 € aus. Insoweit steht der Klägerin ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu, da die Klägerin nicht aktivlegitimiert ist. Vielmehr ist die Forderung gemäß § 116 SGB X auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen. Insoweit könnte die Klägerin aber auch von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung eine Kostenerstattung verlangen.

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b) Einen Anspruch auf Erstattung der in Indien entstandenen Arztkosten hat die Klägerin ebenfalls nicht. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die in Indien aufgetretenen Beschwerden durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht worden sind. Nach dem Unfall klagte die Klägerin über Beschwerden an der Außenseite des linken Oberschenkels. Nach dem Vortrag der Klägerin traten einige Monate später während der Indienreise erneut Beschwerden auf, und zwar diesmal vom Oberschenkel durch die Knie in den Unterschenkel ausstrahlend. Einen Zusammenhang dieser Schmerzen mit dem Unfall ist nicht ausreichend dargelegt. Es ist nicht ausreichend zu behaupten, dass die Klägerin zuvor zeitlebens nie derartige Beschwerden hatte. Es handelt sich um andere Schmerzens als die, die nach dem Unfall aufgetreten waren. Außerdem besteht zwischen dem Unfall und den Schmerzen in Indien ein zeitlicher Abstand von mehreren Monaten, ohne dass die Klägerin zwischendurch Beschwerden am Bein hatte. Für die behaupteten Schmerzen in Indien sind zahlreiche Ursachen denkbar, auch eine anderweitige Oberschenkelprellung, die sich die Klägerin nach dem Unfall bei anderer Gelegenheit zugezogen haben könnte. Ein Sachverständiger könnte eine Kausalität des Unfalls für die mehrere Monate später aufgetretenen Schmerzen nicht feststellen, da die Ursache für den Schmerz auch nach dem Unfall entstanden sein kann.

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Nach allem ist somit eine Ursächlichkeit nicht dargelegt bzw. beweisbar. Ein Anspruch der Klägerin besteht nicht.

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c) Für die von Dr. ... attestierten Beschwerden (vgl. Bescheinigung vom 11.05.2004, Bl. 6 d. A.) ist das von der Beklagten bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 650,00 € ausreichend und angemessen. Ob die Klägerin weitere Beschwerden, insbesondere Schmerzen im Bein, hat, kann dahinstehen. Jedenfalls ist nicht von einer Ursächlichkeit des Unfalls für diese Schmerzen auszugehen. Die obigen Ausführungen geltend sinngemäß. Die Klägerin kann daher ein weiteres Schmerzensgeld nicht verlangen.

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2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.730,79 €.