Arbeitsgericht Wilhelmshaven
Urt. v. 02.09.1965, Az.: Ca 216/65

Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs bei Kündigung; Teilung des Urlaubs auf Grund von Krankheit; Vertragsbruch durch Ausübung geschäftlicher Tätigkeit für Dritte; Vergütung durch Gewährung des vollen Jahresurlaubs

Bibliographie

Gericht
ArbG Wilhelmshaven
Datum
02.09.1965
Aktenzeichen
Ca 216/65
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1965, 13726
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGWHV:1965:0902.CA216.65.0A

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreitverfahren
hat das Arbeitsgericht in Wilhelmshaven
auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 1965
durch
Arbeitsgerichtsrat Dockhorn als Vorsitzenden und
die Arbeitsrichter Dr. Rohde und Hirsch als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten dieses Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf - 371,34 - DM festgesetzt.

Der Betrag der Kosten wird noch festgestellt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit dem 1.5.1961 als technischer Angestellter bei dem Beklagten tätig gewesen. Die Parteien haben unter dem 1.10.1964 die Vereinbarungen hinsichtlich ihres Arbeitsverhältnisses schriftlich aufgezeichnet. Beide Parteien haben jenen 'Anstellungsvertrag' (Bl. 12/13 d.A.) unterschrieben. In dem erwähnten Vertrag wird in Ziffer 3 eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsschluß bestimmt. In Ziffer 4 a.a.O. heißt es:

"Herr Tietken darf während der Dauer dieses Angestelltenverhältnisses keine andere geschäftliche Tätigkeit für Dritte ausüben, es sei denn, daß folgende Sondervereinbarung getroffen wird:

Genehmigung durch den Arbeitgeber.

..."

2

Nach Ziffer 7 a.a.O. ist als Grundlage für die Urlaubsgewährung die 'tarifliche Bestimmung für die Angestellten im Baugewerbe T 2 a = 19 Arbeitstage' festgelegt worden.

3

Der Kläger ist in der Zeit vom 23.4.1965 bis zum 20.6.1965 (einschließlich) arbeitsunfähig krank gewesen. Das Gehalt hat ihm der Beklagte bis zum 4.6.1965 (einschließlich) weitergezahlt. Am 18.5.1965 hat der Kläger das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Ablauf des 30.6.1965 aufgekündigt. Ab 1.7.1965 steht er unstreitig in einem neuen Arbeitsverhältnis zu dem Dipl. Ing. W. Tode.

4

Der Kläger hat jedoch seine Tätigkeit bei dem Beklagten ab 2.6.1965 nicht mehr aufgenommen. Er hat mit Herrn Tode vereinbart, dieser solle ihm den gesamten Jahresurlaub im Zusammenhang in der zweiten Hälfte des Jahres 1965 gewähren. Dafür ist der Kläger - statt seinen ihm von dem Beklagten ... Erholungsurlaub anzutreten - bereits ab 21.6.1965 bei Herrn Tode tätig geworden.

5

Unter dem 25.6.1965 hat der Beklagte dem Kläger folgendes Schreiben zugehen lassen:

"Sehr geehrter Herr Tietken!

Ich bin mit der fristlosen Kündigung Ihrerseits einverstanden und übersende anbei Ihre Arbeitspapiere nebst Gehaltsabrechnung bis zum 20.6.1965, dem Ablauf Ihrer Krankheit.

In Ihrem Verhalten sehe ich einen groben Verstoß gegen die Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis und gebe meiner tiefen Befremdung Ausdruck.

Da Sie sich nach wieder erlangter Arbeitsfähigkeit nicht zurückmeldeten, sogleich aber die Arbeit an anderer Stelle aufnahmen, war die Möglichkeit zur Abgeltung Ihres Urlaubsanspruchs bei mir nicht mehr gegeben.

Hochachtungsvoll

Harry G. Roese

Ing.-Büro u. Baustatik".

6

Der Kläger sieht dieses Schreiben des Beklagten als fristlose Kündigung an. Er trägt dazu vor, ein 'wichtiger Grund' für eine solche fristlose Kündigung sei nicht vorhanden gewesen; zwar sei es zutreffend, daß ein Arbeitgeber eventuell eine fristlose Kündigung dem Arbeitnehmer gegenüber aussprechen könne, wenn dieser während seines Erholungsurlaubs einer Erwerbstätigkeit nachgehe; doch liege dieser Fall anders, da der Beklagte von der erneuerten Arbeitskraft des Klägers keinen Vorteil mehr hätte haben können; zudem habe die Vereinbarung zwischen ihm und Herrn Tode den Bestrebungen des Bundesurlaubsgesetzes vom 8.1.1963 im Hinblick auf die zusammenhängende Gewährung des Urlaubs entsprochen; - andererseits habe in der Zeit vom 21.6. bis zum 30.6.1965 noch kein Arbeitsverhältnis des Klägers mit Herrn Tode bestanden mit Rücksicht darauf, daß der Kläger für jene Zeit kein Entgelt erhalten habe, so daß von einem etwaigen Vertragsbruch des Klägers nicht gesprochen werden könne.

7

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe ihm 9 Urlaubstage abzugelten; da der Kläger einen Bruttoverdienst von monatlich 1.000,- DM gehabt habe, habe sich ein Gehaltsanteil für jeden Arbeitstag in Höhe von 38,46 DM ergeben, was einem Bruttoanspruch von 346,14 DM entspreche. Außerdem habe aber der Beklagte dem Kläger den Arbeitgeberanteil an den Abgaben zur Sozialversicherung in Höhe von 25,20 DM zu zahlen. Daher hat der Kläger beantragt,

den Beklagten zur Zahlung des Betrages von DM 371,34 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 27.7.1965 (= dem Tage der Klagerhebung) zu verurteilen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er hat vorgetragen, dem Kläger habe nur ein anteilmäßiger Urlaubsanspruch von 9 Werktagen zugestanden, der ihm nach Wiederherstellung seiner Gesundheit hätte gewährt werden können; von der Entstehung insbesondere des vollen Jahresurlaubsanspruchs könne deshalb nicht ausgegangen werden, da der Kläger noch in der ersten Hälfte des Jahres 1965 bei dem Beklagten habe ausscheiden wollen.

10

Am 24.6.1965 habe der Beklagte, der von der Vereinbarung des Klägers mit Herrn Tode keine Kenntnis gehabt habe, durch Zufall von der Krankenkasse des Klägers erfahren, dieser sei wieder gesund und habe seit dem 21.6.1965, bei einem Konkurrenten des Beklagten die Arbeit aufgenommen; ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten entfalle wegen dieses Sachverhalts. Nach § 10 Ziffer III des in Betracht kommenden 'Rahmentarifvertrages für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes' vom 27.1.1964 seien ergänzend die gesetzlichen Vorschriften anzuwenden; wie der Sachverhalt ergebe, seien durch den Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 BUrlG. erfüllt, zumal von einer einverständlichen Beendigung des Arbeitsvertrages der Parteien hier nicht gesprochen werden könne; auch in dem Schreiben vom 25.6.1965 sei zudem klar durch den Beklagten herausgestellt worden, daß der Kläger einen groben Verstoß gegen die Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis begangen habe; der vom Kläger verübte Vertragsbruch stelle gleichzeitig eine besonders grobe Treueverletzung dar. Die Klage sei nach allem mithin unbegründet.

11

Es wird ergänzend auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig. - Zwar haben die Parteien in der Ziffer 1 ihres schriftlichen 'Anstellungsvertrages' vom 1.10.1964 vereinbart, daß für Differenzen das Amtsgericht in Wilhelmshaven zuständig sein sollte. Doch bestimmt § 2 Abs. 1 Ziffer 2 ArbGG, daß für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig sind. Daher hat der Kläger zutreffend vor dem Prozeßgericht Klage erhoben und der Beklagte sich, ohne Einwendungen diesbezüglich geltend zu machen, auf diese Klage eingelassen.

13

Die Klage war jedoch - nach der aufgrund des Ergebnisses der Verhandlung gewonnenen Überzeugung des erkennenden Gerichts - abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Abgeltung auch nur eines Teils des ihm zustehenden Jahresurlaubs.

14

§ 7 Abs. 4 BUrlG. bestimmt:

"Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.".

15

Diese Voraussetzungen sieht das erkennende Gericht hier als gegeben an, wobei letztlich dahingestellt bleiben kann, durch wen der Arbeitsvertrag der Parteien beendet worden ist.

16

Das Gericht ist allerdings der Überzeugung (u.a. der Auffassung des Kommentars von Dr. Borrmann zum Bundesurlaubsgesetz - Seite 109, Ziffer 3 - folgend), daß bei ordnungsgemäßer Beendigung des Arbeitsvertrages der Parteien mit dem Ablauf des 30. Juni 1965 der Kläger nicht mehr 'in der ersten Hälfte des Kalenderjahres' - entsprechend § 5 Abs. 1 c BUrlG. (§ 10 Abschnitt I Abs. 3 c des zur Anwendung kommenden Rahmentarifvertrages vom 27.1.1964) - ausgeschieden wäre, weshalb ihm ein Anspruch auf den vollen Jahresurlaub gegenüber dem Beklagten zugestanden hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob etwa ein Ausscheiden mit dem kalendermäßigen Ablauf des 30.6. noch ein Ausscheiden in der ersten Hälfte des Urlaubsjahres sein kann. Denn das erkennende Gericht stellt darauf ab, daß entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer die volle in der ersten Jahreshälfte von ihm zu erbringende Arbeit geleistet hat.

17

Infolge der tatsächlichen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses der Parteien wird jedoch die vorstehende Überlegung für diesen Fall nicht entscheidend. Der Kläger hat nämlich das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Ablauf des 20.6.1965 beendet, weshalb ihm nur ein anteiliger Urlaub grundsätzlich zustand. Denn er ist jedenfalls innerhalb der ersten Hälfte des Kalenderjahres 1965 aus dem Arbeitsvertrage der Parteien ausgeschieden.

18

Zu einer solchen Beendigung hatte der Kläger auch keine Berechtigung etwa im Hinblick auf § 7 Abs. 2 BUrlG. Zwar ist nach dieser Bestimmung der Urlaub 'zusammenhängend' zu gewähren (Der nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des Klägers noch verbleibende Zeitraum hätte nicht ausgereicht, um ihm den vollen Jahresurlaub zukommen zu lassen.). Doch die erwähnte Bestimmung sieht Ausnahmen bei dem Vorliegen dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers bestehender Gründe vor. Hier waren 'in der Person' des Klägers - infolge seiner Arbeitsunfähigkeit - solche Gründe gegeben. Ebenso wie eine Teilung des Urlaubs in diesen Fällen rechtlich zulässig ist, ist es auch der Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht ausgeschlossen, dem betreffenden Arbeitnehmer den noch möglichen Teil seines Urlaubs in Natur zu gewähren und den Urlaubsrest abzugelten, zumal § 7 Abs. 4 Satz 1 BUrlG. diese Möglichkeit ausdrücklich erwähnt. -

19

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte dem Kläger überhaupt noch Urlaub zu gewähren verpflichtet war, nachdem dieser ihm die Urlaubsgewährung durch den sofortigen Antritt eines anderen Arbeitsverhältnisses unmöglich gemacht hat.

20

Das Verhalten des Klägers stellt sich nämlich objektiv und subjektiv als Vertragsbruch dar. Nach Ziffer 4 des Anstellungsvertrages der Parteien vom 1.10.1964 durfte der Kläger während der Dauer des Vertrages keine geschäftliche Tätigkeit für Dritte ausüben, da die Genehmigung durch den Beklagten nicht erfolgt war. Der Arbeitsvertrag der Parteien jedoch sollte 'ursprünglich' bis zum Ablauf des 30.6.1965 gehen. Statt dessen hat aber der Kläger zu Herrn Tode mit Wirkung ab 21.6.1965 einen Arbeitsvertrag begründet.

21

Der Kläger ist zwar der Ansicht, ein solcher Arbeitsvertrag zu Herrn Tode habe erst mit Wirkung ab 1.7.1965 begonnen. Dieser Auffassung vermag das erkennende Gericht jedoch nicht zu folgen. Wie § 612 BGB beweist, gilt eine Vergütung in einem Arbeitsvertrag als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Vorschrift läßt demnach die Annahme zu, daß eine Vergütung nicht unbedingt vereinbart zu sein braucht. Wenn auch § 611 BGB bestimmt, daß durch den Dienstvertrag derjenige, der Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird, ist doch zudem hier für nicht unbedingte Voraussetzung, daß die Vergütung in Bargeld besteht. Die Vergütung kann vielmehr in der Gewährung anderweitiger Vorteile liegen, wie z.B. hier in der Zusage des Herrn Tode, er werde dem Kläger den vollen Jahresurlaub gewähren. - Da unstreitig der Kläger für Herrn Tode ab 21.6.1965 eine Tätigkeit aufgenommen hat, hat er der Vorschrift der Ziffer 4 des erwähnten Vertrages vom 1.10.1964 zuwidergehandelt und damit einen Vertragsbruch begangen.

22

Dieser Feststellung widerspricht auch nicht die Ansicht des Klägers, dem Beklagten wäre die Erneuerung der Arbeitskraft des Klägers ohnedies nicht zugutegekommen. Urlaub wird nicht nur aus der Überlegung heraus gewährt, daß die erneuerte Arbeitskraft des Arbeitnehmers dem jeweiligen Arbeitgeber nutzbar wird. Eine Urlaubsgewährung erfolgt vielmehr auch aus der allgemeinen Überlegung heraus, den Arbeitnehmer nicht vorzeitig aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden zu lassen, was sich sonst zu Lasten der Allgemeinheit auswirken würde.

23

Es kann für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auch dahingestellt bleiben, welche der beiden Alternativen des § 7 Abs. 4 Satz 2 BUrlG. vorliegt. Es bedurfte hier keiner abschließenden Feststellung, welche der beiden Parteien des Rechtsstreits eine fristlose Beendigung des Arbeitsvertrages vorgenommen hat. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, daß der Beklagte mit dem Schreiben vom 25.6.1965 nicht sein 'Einverständnis' mit der vorzeitigen Beendigung des Vertrages der Parteien hat abgeben wollen. Zwar ist von einem Einverständnis mit der fristlosen Kündigung in jenem Schreiben die Rede. Doch steht einem solchen wirklichen Willen des Beklagten, sein Einverständnis zu erklärender Wortlaut der Absätze 2 und 3 a.a.O. entgegen.

24

Wenn der Beklagte - entsprechend dem Vortrag des Klägers - eine fristlose Kündigung des Vertrages der Parteien vorgenommen hatte, wäre diese in Anbetracht des Vertragsbruchs des Klägers begründet. Der Kläger hat andererseits ohne 'wichtigen Grund', d.h. unberechtigt, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorzeitig gelöst, so daß beide Alternativen des § 7 Abs. 4 Satz 2 a.a.O. angenommen werden können. In beiden Fällen liegt aber zugleich eine grobe Verletzung der Treuepflicht des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien infolge seines Vertragsbruchs vor. Dann aber entfällt die Verpflichtung des Beklagten zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs des Klägers. Mithin ist die Klage unbegründet.

25

Es war daher nach allem, wie geschehen, mit der Kostenfolge des § 91 ZPO sowie der Streitwertfestsetzung gemäß § 3 ZPO (= in Höhe des vermeintlichen Klaganspruchs), jeweils in Verbindung mit § 46 ArbGG, zu erkennen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf - 371,34 - DM festgesetzt.

Streitwertfestsetzung gemäß § 3 ZPO (= in Höhe des vermeintlichen Klaganspruchs), jeweils in Verbindung mit § 46 ArbGG, zu erkennen.