Amtsgericht Aurich
Beschl. v. 14.02.2013, Az.: 17 II 169/12
Anrechnung der von einem Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhaltenen Zahlungen auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung
Bibliographie
- Gericht
- AG Aurich
- Datum
- 14.02.2013
- Aktenzeichen
- 17 II 169/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 37133
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGAURIC:2013:0214.17II169.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Aurich - 19.06.2012
Rechtsgrundlagen
- § 44 RVG
- § 58 Abs. 1 RVG
- § 129 BRAGO
Amtlicher Leitsatz
Nach § 58 Abs. 1 RVG sind Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen. Damit sind grundsätzlich alle Zahlungen gemeint, auch wenn sie nicht den vollen Vergütungsanspruch eines Wahlanwalts erreichen.
In der Beratungshilfeangelegenheit
betreffend
...
Erinnerungsführerin: Landeskasse
hat das Amtsgericht Aurich am 14.02.2013 durch die Richterin
beschlossen:
Tenor:
Der Festsetzungsbeschluss des Amtsgericht Aurich vom 19.06.2012 wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG).
Gründe
1.
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 15.11.2012 richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 19.06.2012. Mit diesem wurde die Beratungshilfevergütung auf 99,96 € festgesetzt.
Auf Grund des am 02.04.2012 eingelegten Widerspruchs änderte der Landkreis Aurich den Bescheid vom 23.03.2012 teilweise ab. Es wurden nunmehr 1.200,00 E statt 1.000,00 E darlehensweise zur Anschaffung eines Pkw bewilligt. Im Widerspruchsbescheid wurde ausgesprochen, dass 1/3 der entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag erstattet werden. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin machte gegenüber dem Landkreis seine Vergütung entsprechend geltend. Der Landkreis erstattete anteilig 103,12 E.
Der Antragstellervertreter vertritt die Auffassung, dass keine Erstattung an die Staatskasse zu erfolgen habe, wenn die gewährte Beratungshilfe zzgl. der erstatteten Kosten aus dem Widerspruchsverfahren einen Betrag von 309,40 E brutto nicht übersteige. Der Betrag in Höhe von 309,40 folge aus Nr. 2400, 7002 und 7008 VV RVG und entstehe unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Aus § 59 Abs. 1 S. 2 RVG folge, dass der Übergang nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden könne.
Die Vertreterin der Staatskasse ist mit der Erinnerungseinlegung vom 15.11.2012 dieser Ansicht entgegengetreten. Nach ihrer Auffassung habe eine Anrechnung der Zahlung des Gegners zu erfolgen. Der Umstand, dass der Übergang nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden könne, bedeute in Bezug auf die Beratungshilfe lediglich, dass auch in einem Fall des Forderungsübergangs dem Rechtsanwalt eine Mindestvergütung, nämlich aus dem Beratungshilfemandat verbleiben müsse. Es bedeute aber nicht, dass eine Anrechnung von Zahlungen des Gegners erst dann erfolgen könne, wenn quasi die Wahlanwaltsgebühr vollständig beglichen sei.
Der eingelegten Erinnerung wurde nicht abgeholfen.
Die eingelegte Erinnerung ist gern. §§ 55 IV, 56 I RVG zulässig. Die Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 58 Abs. 1 RVG sind Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen. Damit sind grundsätzlich alle Zahlungen gemeint, auch wenn sie nicht den vollen Vergütungsanspruch eines Wahlanwalts erreichen. Eine davon abweichende Auffassung ist nach dem Zweck des §§ 58 Abs. 1 RVG, 9 BerHG nicht gerechtfertigt. § 9 BerHG will eine Begünstigung des Gegners durch die Mittellosigkeit des Rechtssuchenden verhindern. Die Bestimmung begründet aber keinen Anspruch des Rechtsanwalts darauf, die Vergütung eines Wahlanwalts in voller Höhe zu erhalten, sei es vom Gegner oder aus der Landeskasse. § 58 I RVG will vielmehr zur Entlastung der Landeskasse erreichen, dass der Rechtsanwalt keine Zahlungen mehr erhält, wenn ihm die nach § 44 RVG zustehende gesetzliche Vergütung bereits zugeflossen ist. Die Beratungshilfe will dem Rechtsanwalt einer mittellosen Partei eine Mindestvergütung sichern, nicht mehr. Der in einem Beratungshilfemandat tätige Rechtsanwalt soll zwar im Verhältnis zum Gegner seines Mandanten nicht schlechter gestellt werden, allerdings muss er sich im Gegenzug nach § 58 I RVG auch Zahlungen auf die zu erhaltende Mindestvergütung anrechnen lassen: Aus dem Gesetz ist eine Bevorzugung des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse auch aus dem Sinnzusammenhang der §§ 58, 59 RVG nicht zu entnehmen.
Die nur den beigeordneten Rechtsanwalt betreffenden Absätze 2 und 3 des § 58 RVG können auch nicht analog herangezogen werden. Insoweit fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Ausweislich der Motive zum RVG hat der Gesetzgeber in § 58 Abs. 1 RVG die Regelung aus § 9 S. 4 BerHG und in § 58 Abs. II RVG die Regelung aus § 129 BRAGO übernommen (BT-Dr 15/1971, S. 203). Die nach dem alten Recht bestehenden unterschiedlichen Anrechnungsvoraussetzungen sind vom Gesetzgeber also bewusst unverändert übernommen worden. Darüber hinaus will die Beratungshilfe dem Rechtsanwalt einer mittellosen Person lediglich eine Mindestvergütung sichern und nicht mehr.