Anlage NBesG§19DRdErl - Durchführungshinweise zu § 19 NBesG
Bibliographie
- Titel
- Durchführungshinweise zu § 19 NBesG
- Redaktionelle Abkürzung
- NBesG§19DRdErl,NI
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 20441
Zu § 19 (Rückforderung von Bezügen)
Zu den Bezügen gehören die Dienstbezüge und die sonstigen Bezüge (§ 2 Abs. 2 und 3). Bei der Rückforderung anderer nach dem NBesG gewährter Leistungen sind besondere Bestimmungen wie z. B. gemäß § 11 Abs. 6 Satz 3 zu beachten.
Für die Rückforderung von Versorgungsbezügen gilt § 63 NBeamtVG, von Kindergeld § 37 Abs. 2 AO und von Geldleistungen, die der Dienstherr aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften - also außerhalb der Besoldung - leistet (z. B. Beihilfe, Heilfürsorge, Reisekostenvergütung, Umzugskostenvergütung, Trennungsgeld, Aufwandsentschädigungen, sonstige Geldzuwendungen), § 87 NBG.
Ein Vorschuss auf Bezüge ist eine Erfüllungsvorausleistung. Seine Verrechnung mit den künftigen Dienstbezügen stellt keine Rückforderung i. S. des § 19 dar.
Die in den Nummern 2.3, 2.4, 2.8.5 und 2.16.1 aufgeführten Vorschriften des VwVfG sind aufgrund des NVwVfG als Landesrecht anzuwenden.
1. Zu § 19 Abs. 1
Eine gesetzliche Änderung der Bezüge liegt auch dann vor, wenn die Änderung durch Rechtsverordnung erfolgt. Eine Besoldungsempfängerin oder ein Besoldungsempfänger wird durch eine gesetzliche Änderung schlechter gestellt, wenn und soweit ihr oder ihm durch die Änderung ihrer oder seiner Bezüge für den maßgeblichen Zeitraum im Ergebnis brutto weniger zusteht als zuvor.
2. Zu § 19 Abs. 2
2.1 Neben einem Rückforderungsanspruch aus § 19 Abs. 2 kann bei schuldhafter, die Überzahlung verursachender Pflichtverletzung (z. B. Verletzung der Anzeigepflicht) ein Schadenersatzanspruch aus § 48 BeamtStG gegeben sein. Da Ansprüche aus § 48 Satz 1 BeamtStG und § 19 Abs. 2 nebeneinander bestehen können, empfiehlt es sich, den Rückforderungsbescheid ggf. auf beide Vorschriften zu stützen.
2.2 Bezüge sind "zu viel gezahlt", soweit sie ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden, wobei unerheblich ist, ob der rechtliche Grund von Anfang an nicht bestanden hat oder erst später weggefallen ist. Ohne Rechtsgrund zu viel gezahlte Bezüge liegen auch vor, wenn der Dienstherr für Rechnung der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers (Steuerschuldnerin oder Steuerschuldner) Lohnsteuer nachentrichtet hat.
2.3 Dies ist etwa der Fall, wenn
Bezüge gezahlt wurden ohne Bescheid im Widerspruch zum geltenden Recht,
Bezüge gezahlt wurden im Widerspruch zu einem wirksamen Bescheid,
der Bescheid nichtig ist (§ 44 VwVfG),
die Bezüge z. B. infolge eines Fehlers in der Kassenanordnung oder beim Auszahlungsvorgang überzahlt wurden oder wenn sie wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, der Bezüge entzieht oder herabsetzt, zunächst weitergezahlt worden sind, der angefochtene Bescheid aber aufrechterhalten wird,
die Zahlung aufgrund eines zunächst wirksamen, später jedoch ganz oder teilweise zurückgenommenen, widerrufenen, anderweitig aufgehobenen (z. B. durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung) oder durch Zeitablauf oder in anderer Weise (z. B. durch Beendigung des Beamtenverhältnisses oder durch förmliche Feststellung des Verlustes der Bezüge nach § 14) erledigten Bescheides oder aufgrund eines später nach § 42 VwVfG berichtigten Bescheides erfolgt ist.
2.4 Ein rechtswidriger Bescheid bleibt nach § 43 Abs. 2 VwVfG wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben (z. B. durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung) oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (z. B. Beendigung des Beamtenverhältnisses, Feststellung des Verlustes der Bezüge nach § 14). Wann und in welchem Umfang ein rechtswidriger Bescheid zurückgenommen werden kann, ergibt sich aus § 48 VwVfG. Erst wenn der rechtswidrige Bescheid zurückgenommen wurde, kann eine darauf beruhende Zahlung zurückgefordert werden.
Bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist besonders darauf zu achten, dass unter bestimmten Voraussetzungen Vertrauensschutz zu gewähren ist, wenn die oder der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hatte und ihr oder sein Vertrauen schutzwürdig ist.
2.5 Wenn für denselben Zeitraum ein Nachzahlungsbetrag zugunsten der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers einem Rückforderungsbetrag zugunsten des Dienstherrn gegenüber steht, und diese Beträge "in der Weise den einheitlichen Dienstbezug bilden, dass es entscheidend auf die Auszahlung des richtigen Gesamtbetrages ankommt" (Urteil des BVerwG vom 6.4.1965 - II C 102.62 -), können beide Beträge gegeneinander verrechnet (saldiert) werden. Hier bedarf es keiner förmlichen Rückforderung, sondern es genügt die Saldierung bei der Berechnung der Nachzahlung.
2.6 Bescheide in diesem Sinne sind Mitteilungen an die Besoldungsempfängerin oder den Besoldungsempfänger über ihr oder ihm zustehende oder bewilligte Bezüge, sofern in ihnen eine Regelung der Bezügehöhe oder die Festsetzung einzelner Bemessungsgrundlagen der Bezüge enthalten ist (z. B. die Erfahrungsstufen-Festsetzung nach § 25 Abs. 6 oder die Gewährung des Familienzuschlags). Hierzu gehören nicht die Bezügemitteilungen, welche die Bezüge lediglich aufgeschlüsselt darstellen und die keine Regelung treffen, sondern die Besoldungsempfängerin oder den Besoldungsempfänger lediglich über die erfolgenden Zahlungen unterrichten sollen.
2.7 Eine Rückzahlungspflicht nach den §§ 812 ff. BGB besteht, wenn und soweit der Wegfall der Bereicherung nicht in Betracht kommt (vgl. Nummer 2.8) und von der Rückforderung nicht aus Billigkeitsgründen abgesehen werden kann (vgl. Nummer 2.12).
2.8 Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger nicht berufen, wenn sie oder er aus einem der folgenden Gründe verschärft haftet:
2.8.1 Die Bezüge stehen ausdrücklich unter Rückforderungsvorbehalt oder wurden als Vorschuss, als Abschlag oder aufgrund eines als vorläufig bezeichneten oder erkennbaren Bescheides, etwa im Vorgriff auf eine geplante Besoldungserhöhung, gewährt.
2.8.2 Der Rückforderungsanspruch wurde gerichtlich geltend gemacht und die Klage der Besoldungsempfängerin oder dem Besoldungsempfänger zugestellt, oder die Bezüge wurden wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, der Bezüge herabsetzt oder entzieht oder Grundlage für die Herabsetzung oder Entziehung von Bezügen ist, zunächst weitergezahlt und der angefochtene Bescheid über die herabgesetzten oder entzogenen Bezüge wird unanfechtbar.
2.8.3 Die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger kannte den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des der Zahlung zugrundeliegenden Bescheides beim Empfang der Bezüge oder erfuhr ihn nachträglich.
2.8.4 Der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheides war so offensichtlich, dass die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger dies hätte erkennen müssen (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2). Das ist dann der Fall, wenn die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheides nur deswegen nicht erkannt hat, weil sie oder er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß außer Acht gelassen hat (grob fahrlässige Unkenntnis, vgl. Urteil des BVerwG vom 28.6.1990 - 6 C 41.88 -). Dabei ist insbesondere auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers (z. B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihr oder ihm zuerkannten Bezüge abzustellen. Ob die für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung der Bezüge zuständige Stelle selbst die ihr obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich; dies kann allenfalls im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach § 19 Abs. 2 Satz 3 von Bedeutung sein.
Aufgrund der ihr oder ihm obliegenden Treuepflicht ist die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger verpflichtet, einen Festsetzungsbescheid oder eine ihr oder ihm sonst zugeleitete aufgeschlüsselte Berechnungsgrundlage auf Richtigkeit zu überprüfen. Versäumt sie oder er eine solche Prüfung oder hat sie oder er diese nach ihren oder seinen individuellen Kenntnissen oder Fähigkeiten nicht sorgfältig durchgeführt, so hat sie oder er regelmäßig die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß außer Acht gelassen, wenn sie oder er nicht durch besondere Umstände an der Prüfung gehindert war. Erkennt die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger bei der Prüfung, dass die Zahlung fehlerhaft ist, so hat sie oder er die erforderliche Sorgfalt dann in ungewöhnlich hohem Maß außer Acht gelassen, wenn sie oder er es versäumt, die für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung der Bezüge zuständige Stelle auf diesen Fehler hinzuweisen. Bei maschinellen Berechnungen erstreckt sich die Prüfungspflicht der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers auch darauf, Schlüsselkennzahlen anhand übersandter Erläuterungen zu entschlüsseln.
2.8.5 Hat die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheides nicht beim Empfang der Bezüge gekannt, sondern erst später erfahren (z. B. anlässlich der Anhörung i. S. des § 28 VwVfG) oder hätte sie oder er dies erkennen müssen, so ist bei dem erforderlichen Vergleich der Vermögensverhältnisse anstelle des Zeitpunktes der Rückforderung der Überzahlung der Zeitpunkt zugrunde zu legen, in dem die Kenntnis erlangt wurde oder hätte erlangt werden müssen. Die Prüfung der Offensichtlichkeit des Mangels des rechtlichen Grundes erfolgt auf der Tatbestandsseite und bestimmt, ob die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger einer verschärften Haftung unterliegt. Diese Prüfung ist von der Frage zu trennen, in wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung liegt. Die Prüfung erfolgt gesondert im Rahmen der Billigkeitsentscheidung (vgl. Nummer 2.12).
2.9 Liegt kein Fall der verschärften Haftung vor, wird der Wegfall der Bereicherung unterstellt, wenn die im jeweiligen Monat zu viel gezahlten Bezüge 200 EUR nicht übersteigen; dies gilt auch dann, wenn in einem Monat Nachzahlungen erfolgen. Ist in einem mehrere Monate umfassenden Überzahlungszeitraum der Höchstbetrag von 200 EUR nur in einem Monat überschritten (z. B. im Dezember infolge der jährlichen Sonderzahlung) und wird in den übrigen Monaten der Wegfall der Bereicherung unterstellt, so kann sich die Prüfung der Bereicherung und ggf. eine Rückforderung auf die in diesem Monat überzahlten Bezüge beschränken. Der Höchstbetrag von 200 EUR gilt ausnahmslos und unabhängig von der Höhe der Bezüge.
2.10 Übersteigt der monatliche Überzahlungsbetrag diese Schwelle - und liegt kein Fall der verschärften Haftung vor - ist der Wegfall der Bereicherung anzunehmen, wenn die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger glaubhaft macht, dass sie oder er die zu viel gezahlten Bezüge im Rahmen ihrer oder seiner allgemeinen Lebensführung verbraucht hat und sie im Vermögen nicht mehr vorhanden sind. Eine Bereicherung ist jedoch noch vorhanden, wenn im Zeitpunkt der Rückforderung gegenüber dem Beginn des Zeitraumes, in dem die Überzahlung geleistet worden ist, ein Vermögenszuwachs zu verzeichnen ist, der ohne die Überzahlung nicht eingetreten wäre. Im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind dabei alle Vermögensveränderungen zu berücksichtigen. Eine Verminderung von Schulden oder ersparte Aufwendungen stehen einem Vermögenszuwachs gleich.
2.11 Wird der Wegfall der Bereicherung nicht unterstellt, so ist der Empfängerin oder dem Empfänger der Überzahlung Gelegenheit zu geben, sich innerhalb einer angemessenen Frist dazu zu äußern (Anhörung), wie die Überzahlung verwendet wurde. Die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen. Macht sie oder er den Wegfall der Bereicherung geltend, so ist sie oder er aufzufordern, sich innerhalb einer angemessenen Frist über die Höhe ihrer oder seiner Einkünfte während des Überzahlungszeitraumes und über deren Verwendung zu äußern. Inwieweit eine Bereicherung weggefallen ist, hat die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen, z. B.:
Aufwendungen für den Erwerb von Vermögensgegenständen (Sachen, Rechte), die noch vorhanden sind,
Aufwendungen zur Tilgung von Schulden,
Aufwendungen für den Lebensunterhalt oder sonstige Zwecke,
unentgeltliche Zuwendungen an Dritte.
2.12 Vor einer Rückforderung ist zwingend eine Billigkeitsentscheidung durchzuführen.
2.12.1 Die Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende - für die Behörde zumutbare und für die bereicherte Besoldungsempfängerin oder den bereicherten Besoldungsempfänger tragbare - Lösung zu erreichen. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind auch das Lebensalter, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die sonstigen Lebensverhältnisse der herausgabepflichtigen Besoldungsempfängerin oder des herausgabepflichtigen Besoldungsempfängers maßgeblich zu berücksichtigen.
2.12.2 Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist hingegen nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen. Vielmehr ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und dabei vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung (z. B. Stundung) und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände der bereicherten Besoldungsempfängerin oder des bereicherten Besoldungsempfängers abzustellen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die Lage der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers in dem Zeitraum an, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf deren oder dessen Situation im Zeitpunkt der Rückabwicklung. Regelmäßig genügt es der Billigkeit, wenn der oder dem Verpflichteten Rückzahlungsraten eingeräumt werden, deren Höhe zum einen dem insgesamt zu erstattenden Betrag und zum anderen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der bereicherten Besoldungsempfängerin oder des bereicherten Besoldungsempfängers angemessen Rechnung tragen.
2.12.3 Ist die Überzahlung aufgrund eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers entstanden, so kann im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung grundsätzlich nicht von der Rückforderung abgesehen werden.
2.12.4 Liegt der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung, kann auf die Rückforderung teilweise verzichtet werden. In der Regel ist ein Verzicht auf 30 % des Überzahlungsbetrages angemessen (vgl. Urteile des BVerwG vom 26.4.2012 - 2 C 15.10 - und - 2 C 4.11 -). Es ist jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Verzichtsquote ausnahmsweise über- oder unterschritten werden muss. Ein Rückforderungsverzicht, der 30 % des Überzahlungsbetrages übersteigt, kann allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen der Billigkeit entsprechen, etwa in Fällen, in denen die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger wiederholt auf mögliche Unrichtigkeiten hingewiesen hat, die Behörde aber gleichwohl über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist. Eine geringere Verzichtsquote und damit ein höherer Rückforderungsbetrag kann ungeachtet eines behördlichen Verschuldens demgegenüber angemessen sein, wenn die laufende Überzahlung offensichtlich war und es die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger entgegen der ihr oder ihm obliegenden Treuepflicht unterlässt, ihre oder seine Dienststelle auf den Fehler hinzuweisen.
2.13 Bei der Durchführung der Billigkeitsprüfung, die auch Bestandteil des Rückforderungsbescheides sein muss, sind zwei Prüfungsschritte nacheinander durchzuführen, und zwar
die Erfassung der Billigkeitsgründe und
die Ermessensentscheidung selbst.
Soll von einer Rückforderung nach § 19 Abs. 2 Satz 3 abgesehen werden, bedarf diese Entscheidung der Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Entsprechend der bisherigen Regelung wird die Zustimmung für die obersten Landesbehörden allgemein wie folgt erteilt:
- a)
bis zu einem Betrag von 5 000 EUR, soweit für die Festsetzung der Bezüge den obersten Landesbehörden unmittelbar nachgeordnete Behörden zuständig sind,
- b)
bis zu einem Betrag von 500 EUR, soweit für die Festsetzung der Bezüge sonstige nachgeordnete Behörden zuständig sind.
Maßgebend ist der Betrag, von dessen Rückforderung abgesehen werden soll.
2.13.1 Die Feststellung, dass überhaupt Billigkeitsgründe vorliegen, ist in der Akte zu dokumentieren, da sie gerichtlich voll nachprüfbar sein muss. Hier sind im Wesentlichen die Tatsachen und Gesichtspunkte zu benennen, die zugunsten der Rückforderungsschuldnerin oder des Rückforderungsschuldners für ein Absehen von der Rückforderung sprechen. Diese Billigkeitsgründe können z. B. das Lebensalter, die anstehende Pensionierung, die geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Unterhaltsverpflichtungen oder eine sonstige Schuldenlast sein. Zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Billigkeitsgründe vgl. Nummer 2.12.2 Satz 3.
2.13.2 Bei der - gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren - Ermessensentscheidung, ob eine Erleichterung bei den Rückzahlungsmodalitäten gewährt werden kann, ist eine Abwägung zwischen dem vom Gesetz vorgeschriebenen Grundsatz der Rückforderung und der - restriktiv auszulegenden - Ausnahmevorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 3 vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Rückforderung in der Regel stark belastend ist und eine gewisse Härte bedeutet, die das Gesetz in Kauf nimmt. Daher kommt ein Absehen von der Rückforderung nur in besonders ungewöhnlichen, extremen Ausnahmefällen in Betracht, die unter Beachtung des Gebots von Treu und Glauben eine Rückforderung schlechthin untragbar oder als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen. Soweit die Überzahlung aufgrund eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers (z. B. Verletzung von Anzeigepflichten) entstanden ist, gilt Nummer 2.12.3.
Wenn bestehende Härten bereits durch die Einräumung von Ratenzahlungen oder sonstigen Erleichterungen genügend gemildert werden, darf von einer Rückforderung weder ganz noch teilweise abgesehen werden. Ist das nicht der Fall, so ist zu prüfen, ob verbleibende Härten durch ein teilweises Absehen von der Rückforderung ggf. in Kombination mit oder ohne die Einräumung einer Ratenzahlung hinsichtlich des verbleibenden Restbetrages genügend gemildert werden können. Erst wenn auch diese Prüfung negativ ausfällt, kann von der Rückforderung in vollem Umfang abgesehen werden. Insoweit besteht ein klares Stufenverhältnis.
2.13.3 In die Ermessensentscheidung sind sowohl die zugunsten der Rückforderungsschuldnerin oder des Rückforderungsschuldners bestehenden Billigkeitsgründe einzubeziehen als auch die zu ihren oder seinen Lasten bestehenden Erwägungen, z. B. (Mit-)Verschulden oder ausreichende Finanzkraft der Rückforderungsschuldnerin oder des Rückforderungsschuldners aufgrund sonstiger Einkünfte, gleichmäßiges Handeln der Verwaltung, Gesetzmäßigkeit der Besoldung und sparsame Bewirtschaftung der Haushaltsmittel.
2.14 § 19 Abs. 2 Satz 3 ist eine Spezialvorschrift zu § 59 LHO. Daher sind neben einer Billigkeitsentscheidung die allgemeinen haushaltsrechtlichen Maßnahmen zur Behandlung von Forderungen wie Stundung, Erlass und Niederschlagung ausgeschlossen. Dies gilt jedoch nur, soweit von Besoldungsempfängerinnen oder Besoldungsempfängern Zahlungen zurückgefordert werden. Bei Rückforderungen von anderen Personen findet § 59 LHO Anwendung. Im Rahmen der Rechnungsprüfung festgestellte Ansprüche dürfen nur nach Anhörung des LRH niedergeschlagen werden; dieser kann auf die Anhörung verzichten (vgl. VV Nr. 2.5 zu § 59 LHO und § 98 LHO).
2.15 Die Verjährung von Ansprüchen ist in § 18 geregelt. Für ab dem 1.1.2002 entstandene oder zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Rückforderungsansprüche nach § 19 Abs. 2 gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine 30-jährige Verjährungsfrist maßgeblich. Wird die Rückforderung als Schadenersatzanspruch (§ 51 NBG) geltend gemacht, gilt gleichermaßen die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB.
2.15.1 Überzahlte Bezüge können nicht zurückgefordert werden, wenn der Rückforderungsanspruch verjährt ist und die Besoldungsempfängerin oder der Besoldungsempfänger die Einrede der Verjährung geltend macht. Die Verjährungsfrist für die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Dienstherr) von den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Schuldnerin oder des Schuldners (Besoldungsempfängerin oder Besoldungsempfänger) Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
2.15.2 Nach § 212 BGB endet die bisherige Verjährungsfrist und beginnt die Verjährungsfrist sofort erneut zu laufen, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner (Besoldungsempfängerin oder Besoldungsempfänger) den Rückforderungsanspruch anerkennt oder der Gläubiger (Dienstherr) eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung (z. B. Pfändung) vornimmt oder beantragt.
2.15.3 Demgegenüber wird bei der Hemmung der Verjährung lediglich der Verlauf der Verjährung angehalten, bis der Hemmungsgrund entfallen ist. Die Hemmung der Verjährung beginnt im Regelfall in dem Zeitpunkt, in dem die Besoldungsempfängerin als Schuldnerin oder der Besoldungsempfänger als Schuldner Kenntnis vom Hemmungsgrund erlangt. Die Zeit, in der die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungszeit nicht eingerechnet. Fällt der Hemmungsgrund weg, läuft die noch nicht abgelaufene Verjährungsfrist weiter. Die Hemmungsgründe ergeben sich aus den §§ 203 ff. BGB.
2.15.4 Beispiele einer Verjährungshemmung:
Verhandlungen zwischen der Schuldnerin oder dem Schuldner und dem Gläubiger (Dienstherr): hierzu zählt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder den zugrunde liegenden Sachverhalt; die Hemmung der Verjährung endet, wenn sich eine der Verhandlungsparteien weigert, die Verhandlungen fortzusetzen oder wenn nach Treu und Glauben der nächste Verhandlungsschritt zu erwarten gewesen wäre, aber nicht unternommen wird,
Erhebung der Leistungsklage,
Zustellung eines Mahnbescheides im Mahnverfahren,
Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren,
Aufrechnung im Prozess oder
Erlass eines Verwaltungsaktes zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs.
2.16 Die Durchführung der Rückforderung überzahlter Bezüge wird durch Rückforderungsbescheid, Leistungsklage oder Aufrechnung des Rückforderungsanspruchs gegen den Anspruch auf pfändbare Bezüge geltend gemacht.
2.16.1 Der Rückforderungsbescheid des Dienstherrn gegen die Besoldungsempfängerin oder den Besoldungsempfänger ist ein Verwaltungsakt. Dies gilt auch für Rückforderungsbescheide gegen ausgeschiedene Besoldungsempfängerinnen oder Besoldungsempfänger, gegen Personen, deren Dienstverhältnis wegen nichtiger oder zurückgenommener Ernennung nie bestanden hat und gegen die Erbinnen und Erben einer früheren Besoldungsempfängerin oder eines früheren Besoldungsempfängers, wenn sich die erfolgte Gehaltszahlung durch deren oder dessen Tod als Überzahlung erweist (Urteil des BVerwG vom 11.3.1971 - II C 36.68 -). Der Rückforderungsbescheid muss den Überzahlungsbetrag, den Überzahlungszeitraum, den Überzahlungs- und Rechtsgrund für die Rückforderung, den Rückforderungsbetrag sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 VwGO) enthalten. Die Empfängerin oder der Empfänger ist darüber zu unterrichten, in welcher Form die Rückzahlung erfolgen soll. Der Bescheid muss ferner nach § 39 VwVfG eine Entscheidung der Behörde darüber enthalten, aus welchen Billigkeitsgründen von einer Rückforderung (§ 19 Abs. 2 Satz 3) ganz oder teilweise abgesehen wird oder weshalb der Dienstherr keine Billigkeitsgründe berücksichtigt hat.
Solange die Vollziehbarkeit eines Rückforderungsbescheides infolge eines Widerspruchs oder die Vollziehbarkeit eines die Rückforderung betreffenden Widerspruchsbescheides infolge einer Anfechtungsklage aufgeschoben ist, ist der Vollzug der Rückforderung des überzahlten Betrages auszusetzen. Die Empfängerin oder der Empfänger sollte jedoch vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass sie oder er mit der Einziehung des überzahlten Betrages in dem sich aus dem Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ergebenden Umfang zu rechnen hat und sich dann nicht etwa auf einen Wegfall der Bereicherung berufen kann. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist entsprechend § 80 Abs. 2 und 3 VwGO auf Ausnahmefälle zu beschränken und eingehend zu begründen. Ein Ausnahmefall ist insbesondere gegeben, wenn nach Lage des Einzelfalles die Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs gefährdet erscheint.
2.16.2 In den Fällen, in denen der Dienstherr seinen Rückforderungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend machen könnte, hat er alternativ die Möglichkeit, die allgemeine Leistungsklage zu erheben. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn nach der Sachlage ohnehin mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen ist. Nach § 54 Abs. 1 BeamtStG ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben. Die allgemeine Leistungsklage ist in jedem Fall zu erheben, wenn sich der Rückforderungsanspruch gegen eine nichtbeamtete Dritte oder einen nichtbeamteten Dritten richtet, z. B. bei Zahlung an eine falsche Adressatin oder einen falschen Adressaten oder Überweisung auf ein falsches Konto. In diesen Fällen ist der Zivilrechtsweg zu beschreiten. Die Rechtsprechung ist jedoch uneinheitlich. In der Praxis empfiehlt es sich bei Zweifeln, einen richterlichen Hinweis zur Zuständigkeit zu erbitten. Auch vor Erhebung einer Leistungsklage ist eine Billigkeitsentscheidung zu treffen.
2.16.3 Hinsichtlich der Möglichkeiten zur Aufrechnung wird auf § 17 verwiesen. Auch wenn der Dienstherr eine Überzahlung durch Aufrechnung geltend machen will, ist eine Billigkeitsentscheidung zu treffen. Werden die Informationen für eine Billigkeitsentscheidung telefonisch oder persönlich vorgetragen, sind sie aus Beweisgründen in der Akte zu vermerken. In den Fällen einer Aufrechnung wird ein Bescheid nur dann erlassen, wenn die oder der Betroffene sich gegen die Aufrechnung wendet.
Die Aufrechnung richtet sich nach den Vorschriften der §§ 387 ff. BGB.
2.17 Die Überzahlungen sind in Bruttobeträgen, also einschließlich der bereits an das Finanzamt entrichteten Lohnsteuer, zurückzufordern; die steuerliche Behandlung dieser Bruttobeträge richtet sich nach den Vorschriften des Steuerrechts.
2.18 Ist die geltend gemachte Forderung fällig und rechtshängig, sind Prozesszinsen zu erheben. Die Rechtshängigkeit tritt durch Erhebung der Leistungsklage und nicht schon durch Erlass eines Leistungsbescheides ein (§ 90 VwGO, § 261 Abs. 1 ZPO).
2.18.1 Darüber hinaus sind Prozesszinsen ab Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides zu erheben. Voraussetzung dafür ist, dass die Zahlungsempfängerin oder der Zahlungsempfänger nach § 818 Abs. 4 i. V. m. § 819 BGB verschärft haftet. Dies ist der Fall, wenn die Zahlungsempfängerin oder der Zahlungsempfänger wusste, dass ihr oder ihm die Leistungen nicht oder nicht in dieser Höhe zugestanden haben. Dasselbe gilt, wenn sie oder er den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung zwar nicht positiv kannte, dieser Mangel aber so offensichtlich war, dass sie oder er ihn hätte erkennen müssen (Nummer 2.8.4). In diesen Fällen wird der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (§ 291 Satz 1 BGB) auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung oder des Kennenmüssens vorverlegt.
2.18.2 Die Höhe der Prozesszinsen bestimmt sich nach § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und beträgt pro Jahr 5 % über dem Basiszinssatz. Dies gilt auch bei einem negativen Basiszinssatz, denn ein Mindestzinssatz von 5 % pro Jahr ist nicht normiert.
2.18.3 Auf die Geltendmachung von Prozesszinsen kann ausnahmsweise verzichtet werden, wenn der Aufwand in keinem Verhältnis zum Zinsertrag steht. Andere Zinsen sind bis zur Bestandskraft des Rückforderungsbescheides nicht geltend zu machen. Wird eine Überzahlung ausschließlich im Wege der Aufrechnung getilgt, sind Prozesszinsen dann zu erheben, wenn die Überzahlung nicht durch eine einmalige Aufrechnung, sondern nur durch eine ratenweise Aufrechnung erledigt werden kann.
3. Zu § 19 Abs. 3
Die Regelung stellt Rückforderungsansprüche des Dienstherrn sicher, wenn Bezüge in Unkenntnis des Todes der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers auf deren oder dessen Konto überwiesen und deshalb zu Unrecht gezahlt worden sind. Es handelt sich um einen eigenständigen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut, der von einem Rückforderungsanspruch gegen Erbinnen und Erben (nach § 19 Abs. 2) zu unterscheiden ist. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet. Da es sich um eine Vorbehaltszahlung handelt, ist eine schnelle und vollständige Rücküberweisung der Bezüge möglich. Eine Prüfungspflicht des Geldinstituts besteht nicht.
4. Zu § 19 Abs. 4
4.1 Die Vorschrift normiert einen besonderen, öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Dienstherrn gegen Dritte, insbesondere Erbinnen und Erben der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers.
4.2 Die Voraussetzungen sind:
- a)
Geldleistungen sind für die Zeit nach dem Tod der Besoldungsempfängerin oder des Besoldungsempfängers erbracht worden,
- b)
das Geldinstitut, bei dem die verstorbene Besoldungsempfängerin oder der verstorbene Besoldungsempfänger ihr oder sein Konto unterhielt, kann den Betrag nicht zurücküberweisen, weil
Dritte diese Geldleistungen in Empfang genommen oder über sie verfügt haben und
die Rücküberweisung nicht aus einem Guthaben auf dem Konto erfolgen kann, auf das die Bezüge überwiesen worden sind.
4.3 Dritte können sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da § 19 Abs. 4 nicht auf das Bereicherungsrecht nach dem BGB und damit auf die Einrede des Wegfalles der Bereicherung verweist. Eine Rückforderung durch Verwaltungsakt scheidet aus, da die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 4 nicht im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge nach der verstorbenen Besoldungsempfängerin oder dem verstorbenen Besoldungsempfänger stehen.
Außer Kraft am 1. Januar 2024 durch RdErl. vom 24. April 2018 (Nds. MBl. S. 347; 2019 S. 1656)