Landgericht Lüneburg
Urt. v. 14.11.1996, Az.: 2 O 337/95

Arzthaftungsrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schmerzensgeldrente aufgrunf einer ärztlichen Fehlbehandlung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
14.11.1996
Aktenzeichen
2 O 337/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 32418
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 1996 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 250.000,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 09.09.1995 zu zählen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 20.800,00 DM seit dem 05.11.1996 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente von 800,00 DM, beginnend mit dem Monat Dezember 1996, jeweils fällig zum 05. eines jeden Monats, zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und zukünftige, derzeit nicht vorhersehbare immaterielle Schäden zu ersetzen, die Folge der gesamten Behandlung des Klägers im Haus der Beklagten zu 1), speziell durch den Beklagten zu 2), in der Zeit vom 11.09. bis 06.10.1994 sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 34%, die Beklagten als Gesamtschuldner 66%.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 305.500,00 DM und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert beträgt bis zum 09.10.1996 500.000,00 DM, für die Zeit ab dem 10.10.1996 760.000,00 DM.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Ansprüche aus einer ärztlichen Behandlung bei dem Beklagten zu 1) im Herbst 1994 geltend,

Der am ...1985 geborene Kläger, der seit seiner Geburt wiederholt an Herzrhythmusstörungen litt, hatte am 10.09.1994 hohes Fieber, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. Weil die Behandlung durch den Notarzt keine Besserung des Gesundheitszustandes herbeiführte, brachten die Eltern des Klägers den Kläger zur Behandlung in das Krankenhaus des Beklagten zu 1). Der Kläger wurde in der Allgemeinen Kinderstation wegen eines hoch fieberhaften Infektes und einer Leukopenie medikamentös und durch Inhalationen behandelt

Am 13.09.1994 konnte der Kläger erstmals wieder Nahrung zu sich nehmen, hatte jedoch durchgängig Fieber und Husten und war leicht spastisch. In der Nacht zum 14.09.1994 bekam der Kläger gegen 0.10 Uhr schlecht Luft und schlief nach einer Inhalation wieder ein. Um 2.10 Uhr bekam der Kläger starken Husten, schwitzte, wurde unruhig und hatte starke Einziehungen. Der hinzugerufene diensthabende Facharzt für Kinderkrankheiten, der Beklagte zu 2), ließ den Kläger erneut inhalieren und verabreichte ein Schlafmittel. Der Kläger litt an Luftnot und Angst Um 4.15 Uhr verabreichte die Schwester eine weitere Inhalation. Es waren deutliche Einziehungen zu sehen, der Kläger hatte eine blasse Gesichtsfarbe, die Atmung war beschwert. Wegen des um 6.10 Uhr verschlechterten Zustandes wurde der Arzt nochmals hinzugerufen, der jedoch den Eindruck hatte, der Kläger habe sich beruhigt.

Kurz darauf erlitt der Kläger in Seitenlage einen Atemstillstand und der hinzugerufene Beklagte zu 2) diagnostizierte eine Zyanose und Bradykardie. Er versuchte dies mit Inhalation zu beheben mit nur mäßiger Besserung. Es wurde eine Beatmung mit dem Ambu-Beutel durchgeführt. Darauf erschienen Pfleger der Anästhesie mit einem Notfallkoffer und Prof. J... und Dr. L... wurden informiert. Der Kläger erlitt einen völligen Herzstillstand und es erfolgte eine Herzmassage. Spätestens um 7.28 Uhr war die Intubation des Klägers gelungen. Um 7.50 Uhr wurde der Kläger auf die Intensivstation verbracht, wo sich herausstellte, daß der Kläger durch den Atem- und Herzstillstand Hirnschäden davongetragen hatte. Auf der Intensivstation wurden pseudomembranöse Belege der Atemwege festgestellt und diese abgesaugt. Der Kläger wurde 5 Tage beatmet und dann extubiert. Er wurde auf die Kinderstation verlegt

Der Kläger wurde am 06.10.1994 in die ... verlegt, mußte am 07.10.1994 jedoch zurückgebracht werden, weil erneut ein Absaugen erforderlich wurde und eine Bronchoskopie durchgeführt wurde. Bis zum 25.10.1994 wurde der Kläger wieder bei dem Beklagten zu 1) behandelt und dann nach G... zurückverbracht. Wegen des Verdachtes auf Nierensteine durch die hohe Medikamentengabe ist der Kläger am 11.11.1994 in das Kinderkrankenhaus nach A... verlegt worden. Am 17.11.1994 wurden die festgestellten Nierensteine in der Universitätsklinik in E... zertrümmert. Am 24.11.1994 wurde der Kläger von A... nach G... zurückverlegt. Es erfolgte eine erneute Behandlung der Nierensteine im Krankenhaus B... vom 02.12. bis 04.12.1994.

Ab dem 05.12.1994 wurde der Kläger in der Neurologischen Rehaklinik in G... behandelt. Er wurde durch eine Magensonde ernährt, hatte keine Kontrolle über seine Ausscheidungen. Er war in wachem Zustand nur begrenzt ansprechbar und sprach selbst nicht. Er ist erblindet und schwer an der gesamten Körpermuskulatur gelähmt. Er hat häufig kurze epileptische Anfälle und schreit laut und anhaltend.

Im Herbst 1996 stellt sich der Zustand des Klägers so dar, daß er das Landesbildungszentrum für Blinde besucht. Seine Sehfähigkeit ist mit einer an Blindheit grenzenden Weise eingeschränkt. Er verfügt nur über einen eingeschränkten Wahrnehmungswinkel und kann Dinge nur wahrnehmen, die sich wenige Zentimeter entfernt von seinem Auge abspielen. Er kann, trotz einer Besserung des Zustandes, nur Schemen wahrnehmen.

Gemäß einer ärztlichen Bescheinigung vom 11.09.1996 leidete der Kläger an einer schweren hypoxischen Hirnschädigung, einer cerebralen Dysfunktion, cerebralen Bewegungsstörungen im Sinne einer spastischen Tetraparese und symptomatischer Epilepsie. Trotz zahlreicher therapeutischer Maßnahmen, die der Kläger über sich ergehen lassen muß, bedarf er rund um die Uhr einer Betreuung, weil er wegen seiner Behinderung wenig allein ausführen kann. Er muß gewaschen, angezogen und gefüttert werden. Dann wird er in den Rollstuhl gesetzt. Er erleidet noch immer epileptische Anfälle. Er wird mit einem Krankentransport und einer Begleitperson nach H... zur Schule für behinderte Kinder gefahren und um 13.30 Uhr zu Hause von einer Pflegekraft in Empfang genommen.

Der Kläger ist ein intelligentes Kind, das ständig beschäftigt werden muß. Er versteht, wenn er angesprochen wird und signalisiert mit dem Auge oder mit bestimmten Lauten, wenn er etwas benötigt. Mittlerweile ist er in der Lage, einige wenige Wörter auszusprechen, wobei die Artikulation sehr schlecht ist. Dreimal wöchentlich erhält er Ergotherapie und Krankengymnastik, alle 2 Wochen fährt er nach Ha... zu einer Therapie in das Zentrum für Kindesentwicklung. Wegen des weitergehenden Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 275 ff. d.A. verwiesen.

Der Kläger behauptet, gegen 2.10 Uhr am 14.09.1994 seien bei ihm Symptome, insbesondere starke Einziehungen, festgestellt worden, die ein Zeichen dafür gewesen seien, daß die Atemwege verlegt gewesen seien. Die Beklagten hätten eine unzureichende Diagnostik vorgenommen, es sei notwendig und geboten gewesen, die Verdachtsdiagnose abzusichern, zumal die Therapie erfolglos gewesen sei. Solange ein Krankheitsbild mit unklarer Genese vorgelegen habe, hätte der Kläger ganz anders überwacht werden müssen in Anbetracht seiner seit frühester Kindheit verzeichneten tachykarden Herzrhythmusstörungen. Da der Kläger fieberhaft erkrankt gewesen sei, habe durchgängig die akute Gefahr einer Bradykardie und eines Herzstillstandes bestanden, der sich dann am 14.09.1994 verwirklicht habe. Bei der unklaren Diagnose und einem derartig hochgradigen Risikopatienten wäre durchgängig die Überwachung der Herzfunktion durch einen Monitor angezeigt gewesen. Es hätte auch durchgängig die Sauerstoffsättigung im Blut überwacht werden müssen, möglicherweise durch eine Pulsoxymetrie. Bei zweifelhaften Werten dieser Pulsoxymetrie hätte dies durch eine Blutgaseanalyse abgesichert werden können, wobei jederzeit eine Sauerstoffgabe hätte verabreicht werden können. Wäre eine derartige Überwachung erfolgt, hätte schon vor der dramatischen Zuspitzung der Situation kurz nach 6.00 Uhr am 14.09.1994 reagiert werden und der Kläger rechtzeitig auf die Intensivstation überwiesen werden können oder eine Sauerstoffgabe durchgeführt werden können. Der Verlauf der akuten Ateminsuffizienz am 14.09.1994 stehe in Zusammenhang mit den Herzrhythmusstörungen des Klägers, jedenfalls habe dieser Risikofaktor dazu beigetragen, daß die Bradykardie in dem geschehenen dramatischen Maße aufgetreten sei. Wegen des Fehlens einer eindeutigen Diagnostik sei nicht bemerkt worden, daß sich im Verlaufe des Krankenhausaufenthaltes Pseudomembrane gebildet hätten, die schließlich die Atemwege verlegt hätten, bei einer umfassenden Diagnostik und Überwachung wäre die Verschlechterung der Sauerstoffsituation frühzeitig erkannt worden und es hätte die Möglichkeit bestanden, durch Sauerstoffzugabe und Bronchoskopie einen Atem- und Herzstillstand zu verhindern. Wegen der Herzrhythmusstörungen des Klägers sei er ein Risikopatient gewesen. Die durchgängig verzeichneten starken Einziehungen und das blasse Munddreieck seien Symptome einer akuten Atemnot gewesen. Der in der Nacht am 14.09.1994 hinzugerufene Beklagte zu 2) habe über Stunden auf die unveränderten Symptome nur unzureichend reagiert. Allein das Anordnen einer Inhalation sei nicht ausreichend gewesen. Spätestens um 2.10 Uhr sei eine Blutgasanalyse angezeigt gewesen. Diese hätte pathologische Werte gezeigt, die zu einer Sauerstoffgabe über die zentrale Anlage Anlaß gegeben hätten. Spätestens um 2.15 Uhr sei es zudem geboten gewesen, sich Aufschluß über die Ursache der Atemprobleme zu verschaffen durch die Anordnung einer akuten Thoraxaufnahme. Diese Maßnahme hätte ergeben, daß die großen Atemwege schon teilweise durch Sekret verlegt gewesen seien. Die Atemwege hätten durch Absaugen des Sekrets befreit werden müssen, so daß es weder zu einem Atem- noch Herzstillstand gekommen wäre. Aufgrund des Lungenthoraxes hätte sich zudem die Notwendigkeit einer Bronchoskopie ergeben, um die sich bildenden Pseudomembrane, die die Bronchien verlegt hätten, absaugen zu können. Es stelle einen groben ärztlichen Behandlungsfehler dar, bei einem Kind, welches unter tachykarden Herzrhythmusstörungen leide und durchgängig Atemnot habe, um 2.15 Uhr ein sedierendes Schlafmittel zu verabreichen. Gerade im Hinblick auf die Atemprobleme sei die Sedation kontraindiziert gewesen. Dieses Verhalten sei um so unverständlicher, als keine Überwachung erfolgt sei. Ein offensichtlich in Not befindliches Kind könne nicht mit einem Schlafmittel ruhiggestellt werden ohne vorherige Untersuchung, was die Ursache der Atemnot ist. Gerade der Umstand, daß der Kläger trotz des Schlafmittels nach relativ kurzer Zeit erneut mit Atemnot aufgewacht sei, zeige, wie bedrohlich der Zustand des Klägers gewesen sei. Eine atemdepressive Wirkung durch Vergabe des Mittels Chloralhydrat sei zu erwarten gewesen. Ab 6.25 Uhr seien eine Reihe von Fehlern auftreten. Der Beklagte zu 2) hätte sofort das Notfallteam, zu dem auch ein intensivmedizinisch erfahrener Arzt und Pfleger gehörten, informieren müssen. Es sei notwendig gewesen, endlich die Ursache der Atemnot festzustellen und unverzüglich eine Bronchoskopie zu veranlassen. Es dürfe nicht sein, daß ein in einer Notfallsituation zur Hilfe gerufener Anästhesiepfleger mit einern Notfallkoffer erscheine, in dem die Sauerstofflasche leer sei bzw. in dem sich nicht die erforderlichen Medikamente befinden, daß keiner der Beteiligten wisse, wo sich ein als Widerlager für die Herzmassage benötigtes Brett befinde und daß nach erfolgter Intubation der Anästhesiearzt die Lunge nicht belüften könne. Die ersten Beatmungsversuche des Dr.L... seien gescheitert, weil der Ambu-Beutel für Kinder nur einen verminderten Druck habe und die Überdrucksperre zu spät gelöst worden sei. Es hätte hier auch ein Beatmungsgerät eingesetzt werden können und müssen. Bei einem entsprechenden Widerlager bei den Belebungsmaßnahmen wäre der Erfolg besser gewesen. Nach der Untersuchung des Klägers am 14.09.1994 um 6.15 Uhr durch den Beklagten zu 2) habe sich der Kläger umgedreht und sofort in der Seitenlage einen Atemstillstand erlitten. Der Beklagte zu 2) habe einen Anästhesiepfleger kommen lassen. Eine Beatmung mit einem Sauerstoffgerät sei jedoch gescheitert, weil die in dem Notfallkoffer vorhandene Sauerstofflasche leer gewesen sei. Eine Hilfeleistung durch den Anästhesiepfleger H... sei nicht möglich gewesen, weil in dem Notfallkoffer, den dieser mitgebracht habe, die benötigten Medikamente nicht mehr vorhanden gewesen seien Herrn Dr. L... sei es nach 7.00 Uhr am 14.09.1994 nach Intubation nicht gelungen, die Lunge des Klägers ausreichend zu beatmen, weil mit dem Ambu-Beutel keine Luft in die Lunge gelangt sei. Die Intubation sei erst um 7.28 Uhr gelungen. Herr Dr. U... habe zu spät die Überdrucksperre des Ambu-Beutels gelöst. Der Beklagte zu 2) habe nicht die Anästhesie, sondern nur den Pfleger von der W 8 alarmiert. Eine Verschlechterung der Situation des Klägers sei eingetreten, nachdem der Beklagte zu 2) um 6.15 Uhr das Krankenzimmer unter völliger Fehleinschätzung der Situation verlassen habe. Schon zu diesem Zeitpunkt sei ein Atemstillstand aufgetreten, der die Notwendigkeit einer Reanimation bedingt habe. Die Sauerstofflasche des Zeugen P... sei benötigt worden. Dies ergebe sich auch daraus, daß Herr P... nachdem er festgestellt habe, daß die Sauerstofflasche leer gewesen sei, sich sofort wieder wegbegeben habe, um eine andere Flasche zu holen. Zwischen 4.00 und 6.00 Uhr am 14.09.1994 habe sich der Zustand des Klägers nicht gebessert, dieser sei unverändert ernst gewesen, weshalb die Schwester M... auch regelmäßig noch dem Kläger gesehen und ihre Befunde dokumentiert habe. Jeder der vorbezeichneten Fehler sei für sich allein genommen ausreichende Ursache für die späteren gesundheitlichen Folgen beim Kläger.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die Folge der gesamten Behandlung des Klägers im Haus der Beklagten zu 1) und speziell durch den Beklagten zu 2) in der Zeit vom 11. September 1994 bis 06. Oktober 1994 sind, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.

Der Kläger beantragt hilfsweise,

  1. 1.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angefressenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit Klagzustellung zu zahlen, wobei das Schmerzensgeld einen Betrag von 500.000,00 DM nicht unterschreiten sollte,

  2. 2.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente von 1.000,00 DM, beginnend mit dem Monat Oktober 1994, die Rückstände fällig sofort, die laufenden Beträge jeweils fällig zum 05. eines jeden Monats, zu zahlen,

  3. 3.

    festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und die weiteren heute nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die Folge der gesamten Behandlung des Klägers im Haus der Beklagten zu 1) und speziell durch den Beklagten zu 2), in der Zeit vom 11.09. bis 06.10.1994 sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Bradykardie im Verlauf der akuten Ateminsuffizienz am 14.09.1994 sei nicht im Zusammenhang mit der vorbekannten Rhythmusstörung des Klägers zu sehen. Eine zielgerechte Behandlung des Klägers habe in einer parenteralen Flüssigkeitstherapie, einer parenteralen Gabe von Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum (Gramaxin) und in einer adäquaten Inhalationstherapie bestanden. Zahlreiche dokumentierte Befunde der zwei indizialen Krankheitstage belegten eine schwere akute Atemwegserkrankung des Klägers, der in sachgerechter Weise Rechnung getragen worden sei und bei der eine rasche Besserung nicht zu erwarten gewesen sei. Die Bradykardie am 14.09.1994 müsse wahrscheinlich als Folge einer Hypoxie durch akute Atemwegsverlegung interpretiert werden. Die angeblich teere Sauerstofflasche hätte zum Zeitpunkt des Eintreffens in dem Krankenzimmer bis zur Stabilisierung der Beatmung nicht eingesetzt werden können, sondern erst nach Verlegung des Klägers auf die Intensivstation. Ein Bronchospasmus könne durch reinen Sauerstoff und Medikamente gelöst werden, nicht jedoch durch extreme Druckerhöhung, die eine Zerreißung von Gewebe zur Folge gehabt hätte. Der Kläger müsse etliche Minuten vor der Blutabnahme für die Bestimmung der Blutgase intubiert gewesen und über das Narkosegerät beatmet worden sein. Für den Beklagten zu 2) habe so, wie sich die Situation für ihn in der Nacht vom 13. auf den 14.09.1994 dargestellt habe, kein Anlaß bestanden, die klägerseits geforderten Maßnahmen zu ergreifen. Herr Dr. L... sei sofort nach dem Anruf der Kinderstation K 3 und nach kurzer Verständigung mit dem Zeugen H... zu dem Krankenzimmer des Klägers gelaufen, wo er gemeinsam mit dem Zeugen Dr. Z... eingetroffen sei. Der Kreislaufstillstand des Klägers sei sofort mit Herzmassage durch den Beklagten zu 2) und Medikamenten durch den Zeugen Dr. Z... bei ständiger Beatmung über den Tubus durch Dr. L... behandelt worden, wobei Dr. Z... stets einen peripheren Puls habe tasten können. Zugleich sei ein Narkosegerät aus der Notfallaufnahme durch Herrn Kindsvater gebracht und der Kläger über dieses Gerät mit 100% Sauerstoff und Halothan beatmet worden. Darunter habe sich der Beatmungswiderstand deutlich gelöst. Alle Medikamente, die zur Wiederbelebung benötigt worden seien, seien im Patientenzimmer griffbereit vorhanden gewesen, als das Anästhesieteam eingetroffen sei. Ein Notfallkoffer sei nicht gebracht und gebraucht worden. Die Druckmassage habe sofort zum Erfolg geführt. Eine Herzmassage sei nicht nötig gewesen. Zudem hätte das Kind nicht auf den Boden gelegt werden können. Eine Herzmassage hätte nur Zeit gekostet und weitere Maßnahmen wären behindert worden. Ein Narkosegerät sei aus der nahegelegenen Notfallaufnahme schnei! herangeschafft worden. Als der Beklagte zu 2) den Kläger gegen 6.15 Uhr erneut untersucht habe, seien die Lungen sicher seitengleich frei belüftet gewesen und es seien keine Spastik und keine Rasselgeräusche zu bemerken gewesen. Durch die unmittelbare Benachrichtigung des Dr. L... sei gerade Zeit gespart worden, weil der Weg aus der Anästhesie zur Kinderklinik kürzer sei als der, den das Team der Intensivstation M 25 hätte zurücklegen müssen. Auch bei einer sachgerechten, erfolgreichen Reanimation sei nicht auszuschließen, daß ein Hirnschaden zurückbleibe.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Parteien zu dem Behandlungsablauf, der Frage einer ordnungsgemäßen Behandlung durch die Beklagten und eine mögliche Kausalität zwischen Behandlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitszustand des Klägers durch Vernehmung der Zeugen M..., P..., H..., Dr. L..., Dr. Z..., Dr. H... sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.02.1996 (Bl. 135 d.A.) und die beiden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S... aus H... vom 08.04.1996 und 25.06.1996 (Bl. 171 und 227 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegenüber den Beklagten Ansprüche auf Schmerzensgeld, eine Schmerzensgeldrente und Feststellung bezüglich des eingetretenen materiellen Schadens infolge der ärztlichen Fehlbehandlung am 13. und 14.09.1994 im Allgemeinen Krankenhaus in O... gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 831, 840 Abs. 1, 847 BGB in Verbindung mit § 230 StGB und positiver Verletzung des Behandlungsvertrages in Verbindung mit § 278 BGB.

I.

Soweit der Kläger im Rahmen seines Hauptantrages die Feststellungsklage auch bezüglich immaterieller Schäden begehrt, die bereits eingetreten und vorhersehbar sind, fehlt es an dem Feststellungsinteresse des § 256 ZPO. Denn nach dem Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit ist die Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Dies ist hier der Fall, Ausnahmen sind nicht ersichtlich. Aufgrund des geschilderten Behandlungsablaufs, der bereits erlittenen Beeinträchtigungen und Schmerzen und der geschilderten zukünftigen Lebensbeeinträchtigungen des Klägers, die sicher vorliegen werden, ist es dem Gericht möglich, das Schmerzensgeld bereits jetzt zu bestimmen. Aus diesem Grunde unterliegen der Feststellung nur noch Ansprüche auf Ausgleich immaterieller Schäden, soweit diese derzeit nicht absehbar sind. Insbesondere wäre durch eine bloße Feststellung eine erschöpfenden Lösung des Rechtsstreits zwischen den Parteien nicht zu erwarten. Denn durch das Feststellungsurteil wäre der Streit insoweit noch nicht endgültig beigelegt, als keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich wären, welche Schmerzensgeldzahlung vorliegend billig ist. Aufgrund der von dem Kläger im vorliegenden Fall für mindestens gerechtfertigt angesehenen Gesamtschmerzensgeldzahlung von 728.414,00 DM ist gerade offen, daß die dahinter stehenden Haftpflichtversicherungen eine solche Summe freiwillig zahlen würden, nachdem eine Haftung zum Grunde feststellen würde. Nach alledem war daher bezüglich des Schmerzensgeldes und der Schmerzensgeldrente dem Hilfsantrag des Klägers auf Leistung stattzugeben und der Feststellungsantrag als unzulässig abzuweisen.

II.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, daß die Behandlung des Klägers durch den Beklagten zu 2) nicht lege artis vorgenommen worden ist. Es liegt von 2.10 Uhr bis 6.25 Uhr am 14.09.1994 eine ärztliche Fehlbehandlung vor, die sowohl eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung des Klägers bedingt als auch eine grobe Verletzung des Behandlungsvertrages.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Kläger ab 0.00 Uhr am 14.09.1994 gesundheitliche Probleme hatte. Er litt an Atemnot und hatte spätestens ab 2.00 Uhr Einziehungen mit deutlichem Heben und Senken des Brustkorbes. Auch nach den verordneten Inhalationen durch den Beklagten zu 2) ging es dem Kläger nicht wesentlich besser. Ab. 5.30 Uhr muß es dem Kläger sehr schlecht gegangen sein, aber auch um 6.00 Uhr hat der Beklagte zu 2) keine wesentlichen Behandlungen bei dem Kläger vorgenommen. Sofort nach dem Atemstillstand um 6.15 Uhr wurde der Kläger erst von einer Krankenschwester, dann von verschiedenen Ärzten durch den Ambu-Beutel beatmet. Dieser Sachverhalt steht nach Auffassung des Gerichts fest aufgrund der Angaben der glaubwürdigen Zeugin M... und der in der Nacht von ihr getätigten Aufzeichnungen. Gegen 6.50 Uhr wurden der Anästhesist Dr. L... und der Krankenpfleger H... zum Zwecke der Durchführung der Intubation zu dem Kläger gerufen, die sich unverzüglich zu dem Krankenzimmer begeben haben. Herr Dr. L... führte die Beatmung des Klägers weiter und intubierte ihn. Danach wurde mittels eines Anästhetikums aus dem Narkosegerät der Bronchiospasmus des Klägers behandelt. Die Intubation war problemlos möglich gewesen, die Beatmung mittels des Ambu-Beutels war jedoch problematisch, da aufgrund des Atmungswiderstandes die Luft nicht richtig an die Lunge herangekommen war. Unterstützend haben die Ärzte auch noch eine Herzdruckmassage für 5 -10 Minuten durchgeführt. Schließlich wurde der Kläger auf die Intensivmedizin übernommen. Diesen Sachverhaltsverlauf haben die Zeugen P... H..., Dr. L... und Dr. Z... JSHQ übereinstimmend geschildert.

Aufgrund der Unterlagen und der einzelnen Schilderungen der Zeugen zum konkreten Behandlungsverlauf am Morgen des 14.09.1994 hat der Sachverständige Prof. Dr. S... ausgeführt, daß die Diagnostik und Behandlung des Klägers bis zur Nacht des 13.09.1994 zwar nicht optimal gewesen sei, weil der klinische Befund im Zusammenhang mit dem Röntgenbefund eine Veranlassung zu einer differenzialdiagnostischen Maßnahme Anlaß gegeben hätte, um eine bösartige Laryngotracheobronchitis hätte ausgeschlossen werden müssen, insgesamt jedoch die Behandlung des Klägers als vertretbar anzusehen ist. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang auf die kontroversen und schwierigen antibiotischen Behandlungen bei Infektionen der oberen und unteren Luftwege hingewiesen, zudem ist der Kläger am Abend des 13.09.1994 erst durch Herrn Prof. Dr. J... untersucht worden.

Aus den beiden Sachverständigengutachten ist jedoch zu entnehmen, daß zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr am 14.09.1994 der Verdacht der malignen Tracheobronchitis hätte zur Gewißheit werden müssen, weil eindeutige Symptome bei dem Kläger vorlagen, die auf eine beginnende Ateminsuffizienz mit Sauerstoffmängel hingewiesen haben. Es hat nicht ausgereicht, das Kind lediglich inhalieren zu lassen, es hätten elementare Kontrollbefunde vorgenommen werden müssen. Zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr an diesem Morgen hätte der Beklagte zu 2) eine Ateminsuffizienz, einen Sauerstoffmangel und Schock des Klägers sicher ausschließen müssen und die Herzfrequenz kontinuierlich überwachen müssen. Im übrigen hätten alle Vorbereitungen getroffen werden müssen, um eine ganz schnelle und dramatische Verschlechterung zu vermeiden und gerüstet zu sein auf eine etwaige notwendige Notfallintubation. Spätestens um 6.15 Uhr war der Kläger ateminsuffizient mit einer hypoxischen Bradykardie. Dies hatte zur Folge, daß zwischen 6.15 Uhr und 6.25 Uhr eine Intubation hätte durchgeführt werden müssen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, daß die Beatmung mit einem Ambu-Beutel nur für einige Atemstöße vertretbar gewesen sei, weil die Gefahr bestünde, daß das Sekret von oben in die Atemwege hineingedrückt werde. Diese Notfallintubation, die spätestens um 6.25 Uhr dringend indiziert gewesen wäre, ist jedoch nicht sogleich erfolgt. Die Anästhesisten wurden vielmehr erst um 6.50 Uhr alarmiert.

Soweit sich die Beklagten darauf berufen, daß es sich bei der malignen Laryngotracheobronchitis um eine seltene Erkrankung handelt, hat dies der Sachverständige bestätigt, er hat jedoch ebenfalls unmißverständlich bekundet, daß es sich um eine im Kindesalter typische Erkrankung handelt und der Kläger alle typischen Merkmale dieser Krankheit aufgewiesen hat. Der Verlauf bei dem Kläger war lehrbuchmäßig und jeder Kinderarzt muß diesen malignen Verlauf als Möglichkeit in Betracht ziehen, wenn solche deutlichen Ausprägungen vorliegen, wie dies bei dem Kläger der Fall gewesen ist. Dies hätte dem ärztlichen Standard entsprochen. Der Verlauf der Krankheit ist im übrigen in dem von dem Sachverständigen zitierten und gebräuchlichem Lehrbuch der Kinderheilkunde aufgeführt, so daß sich der Beklagte zu 2) nicht darauf berufen kann, daß er die seltene Krankheit nicht hätte kennen müssen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die Versäumnisse der differenzialdiagnostischen Aufklärung bis zum 14.09.1994 von dem Beklagten zu 2) spätestens ab 2.00 Uhr hätten behoben werden müssen, indem spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die notwendigen Untersuchungen und apparativen Kontrollen durchgeführt werden müssen. Auch auf die hoch lebensbedrohliche Situation um 6.15 Uhr hat der Beklagte zu 2) nicht angemessen reagiert und nicht sofort intubiert. Der Sachverständige hat auch ausgeführt, daß die Gabe von Chloralhydrat nicht angemessen gewesen ist und nicht zum üblichen Behandlungsrepertoire gehört, in der Beurteilung ex ante hielt der Sachverständige diese Medikation sogar für höchst problematisch.

Die von dem Sachverständigen in seinen beiden Gutachten geschilderten Behandlungsfehler sind als grobe Fehler anzusehen, weil sie in besonders grobem Maße gegen den ärztlichen Standard verstoßen und in Anbetracht des Krankheitsbildes und der eindeutigen Symptome sogar unverständlich sind. In der Gesamtbetrachtung erscheint die ärztliche Behandlung durch den Beklagten zu 2) unter Berücksichtigung der konkreten Umstände in Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei dem Beklagten zu 2) um einen Facharzt für Kinderheilkunde handelt als nicht mehr verständlich und verantwortbar. Die von dem Sachverständigen aufgeführten Fehler hätten nicht unterlaufen dürfen. Da konkret die Kausalitätsfeststellung erschwert ist, tritt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den vorliegenden Fall eine Beweislastumkehr ein. Die Beklagten trifft somit die Beweislast für eine fehlende Ursächlichkeit zwischen der Fehlbehandlung und den eingetretenen Gesundheitsbeschädigungen des Klägers.

Der Sachverständige hat ausgeführt, daß der Hirnschaden wahrscheinlich nicht eingetreten wäre, wenn ab 0.10 Uhr eine apparative Überwachung stattgefunden hätte, der Beklagte zu 2) sämtliche Voraussetzungen für eine Notfallbehandlung geschaffen hätte und sofort die sachgerechte Beatmung um 6.15 Uhr wäre durchgeführt worden. Aufgrund seiner Einschätzung unter Zuhilfenahme der großen ärztlichen Erfahrung des Sachverständigen und der Literaturberichte kommt Herr Prof. Dr. S... zu dem Ergebnis, daß es bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich sei, daß der Kläger heute gesund wäre. Damit vermochten die Beklagten nicht den Nachweis zu erbringen, daß der Kläger auch bei einer dem ärztlichen Standard entsprechenden Behandlung und ohne die unterlaufenen Fehler die erheblichen Gesundheitsbeschädigungen erlitten hätte. Der gesundheitliche Zustand des Klägers ist ihnen damit zuzurechnen.

III.

Die Haftung des Beklagten zu 2) ergibt sich gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 230 StGB. Dem Beklagten zu 2) als behandelnder Arzt ist die Fehlbehandlung ab 0.10 Uhr am 14.09.1994 unterlaufen.

Die Haftung des Beklagten zu 1) ergibt sich aus dem Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung in Verbindung mit § 278 BGB und gemäß §§ 831, 823 BGB. Im Rahmen des zwischen den Parteien abgeschlossenen totalen Krankenhausvertrag ist das Verschulden des Beklagten zu 2) dem Beklagten zu 1) zuzurechnen. Der Beklagte zu 2) ist sowohl als Erfüllungsgehilfe als auch als Verrichtungsgehilfe des Krankenhauses anzusehen. Im Rahmen der unerlaubten Handlung des Beklagten zu 2) hat sich der Beklagte zu 1) nicht exkulpiert, so daß der Beklagte zu 1) für die Fehlbehandlung eintreten muß.

IV.

Unter Berücksichtigung der bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsbeschädigung und der damit verbundenen erheblichen Beeinträchtigungen, der zahlreichen Behandlungen, die der Kläger bislang auf sich nehmen mußte, der Prognose über das zukünftige Leben des Klägers, soweit diese momentan möglich ist, des Alters des Klägers und der Tatsache, daß der Kläger intelligent genug ist, seinen bedauerlichen Zustand zu verstehen, erscheint es sachgerecht, dem Kläger für den Ausgleich der Schäden und die Genugtuung ein Schmerzensgeld von insgesamt 437.000,00 DM zukommen zu lassen. Denn unstreitig hat der Kläger eine schwere hypoxische Hirnschädigung mit cerebralen Bewegungsstörungen und eine Retardierung erlitten. Er ist nahezu blind und kann sein Leben nur im Rollstuhl verbringen. Er wird bis zu seinem Lebensende einer ständigen Betreuung bedürfen und ist nur bedingt in der Lage, sich zu artikulieren. Schon die einfachsten Tätigkeiten, wie waschen, anziehen und essen kann der Kläger nicht selbst ausführen. Er erleidet häufige epileptische Anfälle und bedarf zahlreicher therapeutischer Maßnahmen und Krankengymnastik, um auch nur leichte Verbesserungen seines Zustandes herbeizuführen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird der Kläger nie einen Beruf ausüben können. Daneben ist der Kläger jedoch intelligent und versteht auch, wenn er angesprochen wird. Da der Kläger bis zum 9. Lebensjahr ein altersbedingt entwickeltes Kind gewesen ist, ist besonders problematisch, daß der Kläger seinen jetzigen Zustand begreift, ihm der Unterschied zu seinem Leben als gesundes Kind deutlich sein muß und daraus eine nicht unerhebliche Belastung resultiert.

Als Folge der Fehlbehandlung mußten Nierensteine bei dem Kläger zertrümmert werden und er hatte im Oktober und November 1994 dadurch erhebliche Umstände ständiger Verlegungen zwischen der Rehaklinik in G... und diversen Krankenhäusern hinzunehmen.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeld war auch als wesentlich anzusehen, daß der Kläger 5 Tage unter Beatmung auf der Intensivstation verbracht hat, er durch die Magensonde anfangs ernährt werden mußte und neben seiner erheblichen Lähmungszustände zudem noch fast völlig blind ist.

Unter Einbeziehung der Tatsache, daß ein grober Behandlungsfehler gegeben ist und die Menschenwürde des Klägers infolge seines Zustandes und des Angewiesenseins auf andere erheblich beeinträchtigt wird, mußte die Schmerzensgeldhöhe im Rahmen der Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion für den derzeitigen Zustand des Klägers, soweit er auch für die Zukunft absehbar ist, über 400.000,00 DM angesiedelt werden. Das Gericht hat unter anderem aus der Tabelle von Hacks-"Ring-Böhm, 17. Auflage, als Musterfälle die Nummern 1744 und 1749 herangezogen. Soweit in dem Fall Nummer 1749 insgesamt 540.000,00 DM ausgeurteilt worden sind, handelte es sich nicht um einen völlig vergleichbaren Fall, im übrigen entspricht die vorgenommene Einschätzung der Rechtsprechung der 2. Zivilkammer, die für Hirnschädigungen von Kindern im Rahmen der Geburt bei einem Schmerzensgeld von ca. 300.000,00 DM anzusiedeln ist bei etwas weniger drastischen Folgen und Beeinträchtigungen, wie sie bei dem Kläger vorliegen. Da der Kläger außer einer Schmerzensgeldzahlung auch eine monatliche Schmerzensgeldrente verlangt, war die Gesamtsumme von 437.000,00 DM aufzusplitten. In Anlehnung der monatlichen Rentenzahlungsvorstellungen hat das Gericht diese Aufsplittung derart vorgenommen, daß 250.000,00 DM sofort zu zahlen sind, 187.000,00 DM jedoch bis zum Lebensende des Klägers in monatlichen Raten von 800,00 DM. Bei der Bemessung der Schmerzensgeldrente hat das Gericht die Kapitalisierungsfaktoren bei einem Zinsfuß von jährlich 5% (Anlage zu dem Lehrbuch von Geigel, Der Haftpflichtprozeß) herangezogen. Bei einem Alter des Klägers zum Zeitpunkt des Vorfalls von 9 Jahren beträgt der Kapitalisierungsfaktor 19,0345, so daß der Wert der monatlichen Schmerzensgeldrente insgesamt auf 187.000,00 DM festzusetzen ist. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger infolge seiner Krankheit eine wesentlich kürzere Lebenszeit hat, liegen derzeit nicht vor.

V.

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet, soweit der Kläger die Feststellung auf materielle Schäden und immaterielle Schäden, soweit sie derzeit nicht voraussehbar sind, bezieht. Der materielle Schaden ist derzeit noch in der Entwicklung begriffen und eine abschließende Bezifferung des bisher nur teilweise entstandenen Schadens ist noch nicht möglich. Infolge der erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind weitere Anwendungen, Krankenhausaufenthalte und Änderungen bezüglich des gesundheitlichen Zustandes des Klägers möglich.

VI.

Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 92 Abs. 1, 709, 3 ZPO, 17 Abs. 2, 19 GKG. Bis zur Stellung des Hilfsantrages, der letztendlich überwiegend begründet war, betrug der Streitwert 500.000,00 DM, danach war er auf 760.000,00 DM festzusetzen. Denn der Kläger war der Auffassung, daß ihm an Schmerzensgeld 500.000,00 DM zustünden, der Streitwert der Feststellung betrug nur noch 200.000,00 DM und bezüglich der Schmerzensgeldrente war der 5-jährige Bezug gemäß § 17 Abs. 2 GKG heranzuziehen.