Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 09.09.2009, Az.: 3 U 41/09

Unterbrechung eines Gerichtsverfahrens über die Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
09.09.2009
Aktenzeichen
3 U 41/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 34805
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2009:0909.3U41.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 08.04.2009 - AZ: 22 O 793/09

Fundstelle

  • GmbHR 2009, 1276-1280

Redaktioneller Leitsatz

1. Die Einsetzung eines neuen Geschäftsführers wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen, da es nicht die Insolvenzmasse betrifft.

2. Ist die Gesellschaft wegen der Insolvenz handlungsunfähig, so kann ausnahmsweise ein Gesellschafter für die Gesellschaft den abberufenen Geschäftsführer auf Unterlassung weiterer Geschäftsführertätigkeit in Anspruch nehmen.

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten und der Nebenintervenientin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 08. April 2009 in dem noch rechtshängigen Umfange abgeändert.

Der Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen und der Nebenintervention hat der Verfügungskläger zu tragen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Berufung der Verfügungsbeklagten und der Nebeninterventin ist zulässig und begründet.

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1. a) Die Berufung ist insbesondere auch insoweit zulässig, als die Verfügungsbeklagtenvertreter sie mit Schriftsatz vom 27.05.09 auch für die Verfügungsbeklagte zu 2 eingelegt haben (Bl. 143f, 147f d. A.). Sie scheitert nicht an § 520 Abs. 1 ZPO, obwohl die nachfolgende Berufungsbegründung vom 29.06.09 (Bl. 267ff d. A.) nach Rubrum und Text ausdrücklich nur für den Verfügungsbeklagten zu 1 formuliert worden ist und auch in der sachlichen Begründung nichts darauf deutet, dass damit auch die Rechte der Verfügungsbeklagten zu 2 weiterverfolgt werden sollen. Denn die zulässigerweise von der unterlegenen Partei und vom Streithelfer eingelegte Berufung ist als ein einheitliches Rechtsmittel anzusehen (BGH NJW 93, 2944 - in Juris Rz. 3 -; BGH 28.03.85 unter 3. - VII ZR 317/84 -, zit. n. Beck-Online, unter Hinweis auf BGH NJW 82, 2069 m.w.N.). Der Streithelfer darf Prozesshandlungen, die die Partei vornehmen könnte, mit derselben Wirkung vornehmen, wie wenn die Partei selbst gehandelt hätte (BGH 28.03.85 aaO. unter 1. m.w.N.). Da die Verfügungsbeklagte zu 2 weder der Berufungseinlegung noch der Berufungsbegründung durch die Nebenintervenientin widersprochen hat, durfte diese die Berufung auch mit Wirkung für die Verfügungsbeklagte zu 2 begründen. Deshalb kann deren Berufung nicht wegen fehlender Begründung unzulässig sein (BGH 28.03.85 aaO. unter 4.; MünchKomm./Rimmelspacher, ZPO, 3. Aufl., Rz. 4 a. E. zu § 520).

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2. Das Verfahren ist nicht unterbrochen gem. § 240 ZPO durch den EröffnungsBeschluss des Amtsgerichts Braunschweig über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 01.05.09 - 274 IN 101/09 b - . Denn das Verfahren betrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern eine organisationsrechtliche Streitigkeit über die Abberufung des einen und Einsetzung eines anderen Geschäftsführers einer GmbH. Das ist im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen neutral; die geltend gemachten Ansprüche gehören deshalb nicht zur Insolvenzmasse (OLG München ZIP 1994, 1021 - zit. n. Juris -; KG ZIP 1990, 1144 - in Juris Rz. 4f -; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., Rz. 15 zu § 240; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., Rz. 5 zu § 240). Deswegen gilt auch die Vollmacht der Verfügungsbeklagten zu 2 für ihren Verfahrensbevollmächtigten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort (vgl. OLG Dresden ZIP 02, 2000 - zit. n. Beck-Online -).

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Die Verfügungsbeklagte zu 2 wird im Verfahren vertreten durch den Verfügungsbeklagten zu 1. Wenn die Wirksamkeit der Abberufung festgestellt werden soll, gilt der bisherige Geschäftsführer als weiterhin vertretungsbefugt (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Aufl., Rz. 68 zu § 38). Hier ist dies der Verfügungsbeklagte zu 1; denn er wäre der Vertreter der Gesellschaft bei Erfolglosigkeit des Klägers im Hauptsachestreit über die Wirksamkeit der Abberufung, welcher beim Landgericht Braunschweig bereits anhängig ist.

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3. Der Antrag des Verfügungsklägers auf Feststellung, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt sei, ist unbegründet. Die Erledigung der Hauptsache kann nur festgestellt werden, wenn der ursprünglich zulässige und begründete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nachträglich gegenstandslos geworden ist (vgl. nur BGHZ 155, 392, 395 m. w. N.). Hier sind die Sachanträge des Verfügungsklägers als zulässig anzusehen, aber unbegründet, weil es am Vorliegen des erforderlichen Verfügungsanspruchs i. S. v.§ 940 ZPO fehlt.

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4. Das gilt zunächst für den Antrag zu 1., dem Verfügungsbeklagten zu 1 bis zur rechtskräftigen Entscheidungüber die Klage des Verfügungsklägers auf Feststellung, dass der Verfügungsbeklagte durch Gesellschafterbeschluss der Verfügungsbeklagten zu 2 vom 23.03.09 mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund als deren Geschäftsführer abberufen worden ist, die Tätigkeit als Geschäftsführer und in sonstigen Funktionen für die Verfügungsbeklagte zu 2 zu untersagen.

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a) Für diesen Antrag ist der Verfügungskläger als prozessführungsbefugt anzusehen. Der von ihm geltend gemachte Anspruch gegen den Verfügungsbeklagten zu 1 auf Unterlassung der weiteren Geschäftsführertätigkeit gegen den Verfügungsbeklagten zu 1 kann sich allein gegen diesen als bisherigen Geschäftsführer richten, nicht aber gegen die Gesellschaft selbst, nämlich die Verfügungsbeklagte zu 2. Denn gegen diese könnte ein Anspruch allenfalls darauf gerichtet sein, sie ihrerseits zu verpflichten, ihrem bisherigen Geschäftsführer die Tätigkeit als solcher zu untersagen (vgl. OLG Frankfurt/M DB 79, 2128). Dies strebt der Verfügungskläger ersichtlich nicht an.

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Dieser Anspruch gegen den Verfügungsbeklagten zu 1 kann sich nur aus § 37 GmbHG i.V.m. dem Gesellschafterbeschluss vom 23.03.09 (so, wie ihn der Verfügungskläger auslegt) und dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ergeben. Er steht grundsätzlich nur der Gesellschaft und nicht dem einzelnen Gesellschafter zu. Die direkte Inanspruchnahme des Verfügungsbeklagten zu 1 durch den Verfügungskläger ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der actio pro socio in Prozessstandschaft für die Verfügungsbeklagte zu 2 denkbar. Die Rechtsprechung hält dies grundsätzlich für möglich, wenn es sich um eine GmbH mit nur zwei Gesellschafter-Geschäftsführern handelt. Denn andernfalls könnte bei Zwistigkeiten keiner der Gesellschafter gegen die Untersagung seiner Geschäftsführung durch den anderen vorgehen; die Gesellschaft wäre handlungsunfähig (BGHZ 86, 177, 183 - in Juris Rz. 14 -; OLG Karlsruhe NJW-RR 93, 1506 - in Beck-Online S. 2 -; Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Aufl., Rz. 74 a.E. zu § 38). Einige Stimmen in Rechtsprechung und Literatur haben jedoch nicht nur die Konstellation der zweigliedrigen GmbH vor Augen, sondern wollen die actio pro socio auch in anderen Fällen zulassen, wenn die Gesellschaft sich in einer kritischen Situation als handlungsunfähig oder -unwillig darstellt (OLG Frankfurt/M NZG 99, 213 = GmbHR 98, 1126 - in Juris Rz. 16 -; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack aaO. Rz. 69 zu § 38; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., Rz. 68 zu § 38). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an, weil auch in einer GmbH mit mehr als zwei Gesellschaftern Situationen denkbar sind, die der Lage einer zweigliedrigen Gesellschaft gleichen, in der zwei Geschäftsführer-Gesellschafter die Geschäftstätigkeit mit gegenseitigen Abberufungsanträgen blockieren mit der Behauptung, es liege ein wichtiger Grund vor.

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Im vorliegenden Falle war die Verfügungsbeklagte zu 2 ersichtlich nicht willens, den Verfügungsbeklagten zu 1 zur vorläufigen Unterlassung seiner Geschäftsführertätigkeit bis zur Entscheidung über die Anfechtungs- und Feststellungsklage des Verfügungsklägers zu bewegen. Die Nebenintervenientin als Mehrheitsgesellschafterin mit einem Anteil von 76% stützte den Verfügungsbeklagten zu 1; dieser hatte - unstreitig - bereits mehrmals ohne Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses Darlehensverträge in siebenstelliger Höhe abgeschlossen. Deshalb muss der Verfügungskläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Anfechtungs- und Feststellungsklage die Möglichkeit haben, eine einstweilige Regelung herbeizuführen.

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b) Der Verfügungsbeklagten zu 2 steht jedoch materiell kein solcher Anspruch gegen den Verfügungsbeklagten zu 1 auf Unterlassung der Geschäftsführer- und sonstigen Tätigkeit für sie zu.

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aa) Soweit der Verfügungskläger Unterlassung von Tätigkeiten über diejenige als Geschäftsführer hinaus in sonstigen Funktionen für die Verfügungsbeklagte zu 2 verlangt, ist für das Bestehen eines solchen Anspruchs ohnehin nichts vorgetragen. Aber auch die Tätigkeit als ihr Geschäftsführer kann dem Verfügungsbeklagten zu 1 entgegen der Auffassung der Kammer nicht untersagt werden.

12

Der Verfügungsbeklagte zu 1 ist durch den Gesellschafterbeschluss vom 23.03.2009 nicht abberufen worden. Die für diesen Tag ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung hat den entsprechenden Antrag des Verfügungsklägers mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin, der Nebenintervenientin, gegen den Stimmen des Verfügungsklägers und der weiteren Gesellschafter F und H abgelehnt. Die Stimmen der Nebenintervention hätten nur dann nicht mitgezählt werden dürfen, wenn die Nebenintervenientin als Mehrheitsgesellschafterin entweder gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG nicht mit hätte abstimmen dürfen oder aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Abstimmung im Sinne des Verfügungsklägers verpflichtet gewesen wäre. Beides kann hier jedoch nicht festgestellt werden.

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bb) Ein Fall des § 47 Abs. 4 GmbHG liegt nicht vor. Danach sind Gesellschafter nicht stimmberechtigt, soweit die Beschlussfassung sie entlasten oder von einer Verbindlichkeit befreien soll oder ein Rechtsgeschäft mit dem Gesellschafter oder die Erledigung eines Rechtsstreits mit ihm betrifft. Ein derartiger Fall liegt nicht vor. Zwar wird angenommen, dass auch bei einem Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grunde der Betroffene nicht mit abstimmen darf (BGHZ 86, 177, 178f; BGH NJW 92, 993 - in Juris Rz.8 -; Achilles/Ensthaler/St, GmbHG, Rz. 17 zu § 38; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., Rz. 45 zu § 38 m.w.N.). Das betrifft jedoch nur Fälle, in denen der Geschäftsführer selbst gleichzeitig Gesellschafter ist; andernfalls hat er in der Gesellschafterversammlung ja ohnehin kein Stimmrecht (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, 17. Aufl., Rz. 17 zu § 38; Roth/Altmeppen aaO. Rz. 46 zu § 38).

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Der betroffene Verfügungsbeklagte zu 1 war aber kein solcher "Gesellschafter-Geschäftsführer"; er war als sog. "Fremdgeschäftsführer" für die Gesellschaft tätig, ohne an ihr beteiligt zu sein. Die Nebenintervenientin dagegen wäre als juristische Person nur dann ausgeschlossen, wenn eines ihrer Mitglieder betroffen wäre und dieses mit ihr identisch oder mindestens wirtschaftlich so stark verbunden ist, dass das Mitglied mit ihr gleichzusetzen ist (BGHZ 68, 107, 109; Achilles/Ensthaler/St aaO. Rz. 28 zu § 47).

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Aber auch solch ein Fall liegt hier nicht vor mit der Folge, dass § 47 Abs. 4 GmbHG nicht anwendbar ist. Alleingesellschafter der Nebenintervenientin ist unstreitig Herr Hans R. S. Die Behauptung des Verfügungsklägers, von jenem - also nicht von der Nebenintervenientin selbst - sei der Verfügungsbeklagte zu 1 weisungsabhängig, kann nicht zu einem Stimmrechtsausschluss für die Nebenintervenientin führen. Eine wirtschaftliche Identität mag nach den Behauptungen des Verfügungsklägers unter Vorlage eines Schaubildes (Anlage zur Berufungserwiderung, Bl. 323f d.A.) allenfalls zwischen der Nebenintervenientin und Herrn Hans R. S bestehen, womöglich auch zwischen der Darlehensgeberin und anderen Gesellschaften und Herrn S. Darauf kommt es aber nicht an. Denn dies ist nicht mit einer wirtschaftlichen Identität zwischen einem Gesellschafter und dem Geschäftsführer, nämlich hier der Nebenintervenientin und dem Verfügungsbeklagten zu 1 gleichzusetzen. Die wirtschaftlichen Interessen eines "Fremdgeschäftsführers" müssen selbst im Falle einer Weisungsabhängigkeit nicht zwingend im gleichen Maße mit denen der Gesellschaft übereinstimmen, wie es zwischen dieser und deren Alleingesellschafter der Fall ist. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, dass der Verfügungsbeklagte zu 1 nicht gleichzeitig bei der Nebenintervenientin Geschäftsführer war, übrigens auch nicht bei der Darlehensgeberin (Hobby & Freizeit GmbH & Co. KG).

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cc) Es kommt deshalb weiterhin nicht entscheidend darauf an, dass der Antrag des Verfügungsklägers auf Abberufung des Verfügungsbeklagten zu 1 entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin in der Versammlung (S. 7 des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 23.03.09, Anlagenband Nebenintervenientin a.A.) schon nach der gegebenen Begründung im Schreiben vom 12.03.09 (Anlagenband Verfügungskläger Anlage Ast9) wegen der geltend gemachten massiven Pflichtverletzungen nur als eine solche aus wichtigem Grund verstanden werden konnte. Es kommt auch nicht darauf an, dass die Entscheidung über eine Abberufung aus wichtigem Grund auch im Hinblick auf § 51 Abs. 2 GmbHG von der mitgeteilten Tagesordnung gedeckt war, obwohl der entsprechende Tagesordnungspunkt den Zusatz "aus wichtigem Grund" nicht enthielt (Anlagenband Verfügungskläger Anlage Ast10; vgl. BGH NJW 62, 393, 394; OLG Hamm GmbHR 95, 736, 738 = OLGR 95, 183, 186; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack aaO. Rz. 28 zu § 38; Achilles/Ensthaler/St aaO. Rz. 16 zu § 38).

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dd) Die Nebenintervenientin war in der Gesellschafterversammlung vom 23.03.09 auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht aus §§ 242 i.V.m. 705 BGB verpflichtet, zumindest nicht gegen die Abberufung des Verfügungsbeklagten zu 1 zu stimmen. In einem solchen Falle wären ihre Gegenstimmen wegen Rechtsmissbrauchs nicht mitzuzählen. Dergleichen kann in Betracht kommen, wenn es um eine Abberufung aus wichtigem Grund geht und das Bestehen eines wichtigen Grundes auf der Hand liegt (BGHZ 64, 253, 257; 102, 172, 176; BGH NJW 91, 846; Ulmer/Paefgen, GmbHG, Rz. 85 zu § 38; Achilles/Ensthaler/St aaO. Rz. 15 zu§ 38). Das hat die Kammer hier angenommen, weil die Darlehen unstreitig ohne Wissen des Klägers und ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung aufgenommen worden seien.

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Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Denn eine solche Treuepflicht des Gesellschafters, die Abberufung nicht scheitern zu lassen, kann bei den vorgenannten strengen Voraussetzungen nur dann bestehen, wenn die Gesellschafterversammlung gar keinen Ermessensspielraum mehr haben kann, ob sie den Geschäftsführer abberufen will oder nicht. Denn es gibt insoweit keinen Automatismus etwa dergestalt, dass im Falle eines die Kündigung rechtfertigenden Pflichtverstoßes die Gesellschafterversammlung verpflichtet wäre, den Geschäftsführer abzuberufen. Vielmehr ist den Gesellschaftern ein Ermessensspielraum zuzugestehen, der sich nur ganz ausnahmsweise auf Null reduzieren kann (vgl. Ulmer/Paefgen aaO.).

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Ein solcher Fall ist hier bei Berücksichtigung aller konkreten Umstände nicht gegeben; die Stimmabgabe der Nebenintervenientin gegen die Abberufung des Verfügungsbeklagten zu 1 war nicht rechtsmissbräuchlich.

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(1) Ein wichtiger Grund für die Abberufung liegt vor, wenn bei Gesamtabwägung aller Umstände unter Berücksichtigung der Interessen der Gesellschafter der weitere Verbleib des Geschäftsführers in seinem Amt der Gesellschaft und den Gesellschaftern nicht zugemutet werden kann. Dabei kommt es weder zwingend auf Pflichtwidrigkeit und Schuld des Geschäftsführers noch auf Eintritt eines Schadens bei der Gesellschaft an; die objektive Gefahr ihrer Schädigung reicht aber aus (BGH GmbHR 85, 256; BGH NJW-RR 92, 292, 295 a.E.; BGH WM 60, 289, 292; Scholz/Schneider aaO. Rz. 43; Ulmer/Paefgen aaO. Rz. 15; Achilles/Ensthaler/St aaO. Rz. 9, alle zu § 38 und m.w.N.).

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Was die Aufnahme von zwei Darlehen über insgesamt 3,2 Mio.€ ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung angeht, hat der Verfügungsbeklagte zu 1 - wie unstrittig ist - gegen § 6 Abs. 5 lit. g) des Gesellschaftsvertrages (Anlagenband Verfügungskläger Anlage Ast1 = K1 S.3) verstoßen. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 lit. a) des Gesellschaftsvertrages liegen dagegen nicht vor, während§ 6 Abs. 5 lit. k) nur Fälle betrifft, welche von lit. g) nicht erfasst sind.

22

Insofern hat die Kammer zu Recht betont, dass bereits wegen des erheblichen Betrages ein schwerer Verstoß des Verfügungsbeklagten zu 1 gegen die Pflichten des Geschäftsführers vorliegt. Es kommt noch hinzu, dass er unstreitig bereits zuvor im November 2008 ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung und ohne Wissen des Verfügungsklägers ein erstes Darlehen über 1,5 Mio. € aufgenommen hatte, womit sich der Verfügungskläger bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub nicht einverstanden gezeigt hatte. Der Verfügungsbeklagte zu 1 hat sich mithin mit der Aufnahme zweier weiterer Darlehen bereits zum wiederholten Male und sehenden Auges über die Rechte der Gesellschafter hinweggesetzt. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagtenseite nicht nur um eine "Petitesse". Der Bundesgerichtshof hat es mit Recht für bedenklich gehalten, in einem solchen Falle etwa von einem "bloßen Formalismus" zu sprechen (BGH GmbHR 91, 197 - in Juris Rz. 10 a.A. -).

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Der Verfügungsbeklagte zu 1 kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, die Zustimmungsvorschriften in den Gesellschaftsvertrag nur auf Betreiben der Nebenintervenientin aufgenommen wurden und sich deren Schutz seit Beginn der Geschäftsführung durch den Verfügungsbeklagten zu 1 erledigt habe. Denn solange § 6 des Gesellschaftsvertrages in der vorliegenden Form galt, schützte er auch die Interessen der Gesellschaft und der Minderheitengesellschafter vor einem eigenmächtigen Vorgehen des Geschäftsführers.

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Es kommt deshalb auch nicht entscheidend darauf an, dass die Verfügungsbeklagten - unabhängig von den streitigen Fragen, wie der Verfügungskläger der Nebenintervenientin die Geschäftslage des Unternehmens im Jahre 2007 dargestellt hat und warum er die Geschäftsführung niedergelegt hat - dargetan und glaubhaft gemacht haben, dass die Verfügungsbeklagte zu 2 Ende 2008/Anfang 2009 zumindest deshalb einen erheblichen Liquiditätsbedarf hatte, weil sie erhebliche Qualitätsprobleme bei den Hy6-Kameragehäusen hatte und deshalb inzwischen ausschließlich mit der Reparatur bereits ausgelieferter Geräte beschäftigt war (Anlagenband Verfügungsbeklagte Anlagen Ag4-Ag6, Ag9). Derartige Probleme sind in der Gesellschafterversammlung zu besprechen; die Gesellschafter haben gemeinsam über Reaktionsmöglichkeiten zu entscheiden unabhängig davon, ob der hinter der mit 76% beteiligte Hauptgesellschafterin stehende Herr Hans R. S nur einen gangbaren Lösungsweg sieht und diesen meint kurzfristig umsetzen zu können. Dass die Nebenintervenientin zugestimmt hatte, wie die Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren unwidersprochen behaupten, und dass die gewährten Darlehen ebenfalls unwidersprochen ausgesprochen zinsgünstig waren, ändert ebenfalls nichts.

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(2) Zudem spricht vieles dafür, den Verstoß des Verfügungsbeklagten zu 1 gegen Informationspflichten des Verfügungsbeklagten zu 1 aus §§ 51 Abs. 2, 51a GmbHG als wichtigen Grund für eine Abberufung anzusehen. Soweit es die nicht ordnungsgemäße Information über die Gründe für die Tagesordnungspunkte "Mitteilung über den Verlust der Hälfte des Stammkapitals/Maßnahmen zur Beseitigung des Verlusts" in den Einladungen zur Gesellschafterversammlung (Anlagen Ast5, Ast8) angeht, mag dies zwar für sich allein nicht derartig bedeutsam sein, dass ein wichtiger Grund anzunehmen wäre. Insoweit hätten Einzelheiten womöglich auch noch in der Gesellschafterversammlung erfragt werden können.

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Jedoch käme ein erheblicher Verstoß jedenfalls durch die Verweigerung der daraufhin verlangten Auskunft nach § 51a GmbHG in Betracht. Auch wenn der Verfügungskläger aufgrund seiner eigenen Geschäftsführertätigkeit bis 02.12.08 über die im ganzen Jahr 2008 bereits prekäre Lage der Gesellschaft Bescheid gewusst haben muss und das Schreiben der Streithelfervertreter vom 15.01.09 (Anlage Ast4) dem Verfügungskläger bereits weitere Informationen über die grundsätzliche Entwicklung gab, kann im Vorfeld der Gesellschafterversammlung von einer ordnungsgemäßen Information zumindest der Minderheitsgesellschafter und damit auch des Verfügungsklägers keine Rede sein. Es lag auf der Hand, dass alle Gesellschafter über die finanziell kritische Lage der Gesellschaft unterrichtet werden mussten, wenn sie zu einer Beratung über Lösungsmöglichkeiten in der auf den 23.03.09 angesetzten Gesellschafterversammlung in der Lage sein sollten. Demgegenüber hat der Verfügungsbeklagte zu 1 vor der Versammlung mit Schreiben vom 02.03.09 (Anlage Ast12) für die Verfügungsbeklagte zu 2 lediglich mitgeteilt, keine Zeit für eine Beantwortung des detaillierten Auskunftsersuchens zu haben. Das Landgericht hat denn auch in einem gesonderten Verfahren - Landgericht Braunschweig 21 O 635/09 - der Verfügungsbeklagten zu 2 mit Beschluss vom 23.04.09 die weitere Information gemäß dem Schreiben des Verfügungsklägervertreters vom 23.02.09 aufgegeben, soweit sie nicht bereits erteilt war (Anlage Ast11, Ast25).

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ee) Ob auch die Verletzung der Informationspflicht einen wichtigen Grund für die Abberufung des Verfügungsbeklagten zu 1 darstellte, kann jedoch im Ergebnis offenbleiben. Denn auch wenn diese Frage zu bejahen wäre, war die Entscheidung der Nebenintervenientin, den Verfügungsbeklagten zu 1 trotz dieser erheblichen Verstöße gegen die Pflichten eines Geschäftsführers in der Abstimmungüber den Antrag des Verfügungsklägers auf Abberufung zu stützen, in der konkreten Situation der Gesellschaft immerhin (noch) vertretbar. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Stimmabgabe zu seinen Gunsten gegen die gesellschafterliche Treuepflicht verstieß. In Anbetracht der damaligen wirtschaftlichen Lage der Verfügungsbeklagten zu 2 kann ein Stimmrechtsmissbrauch noch nicht angenommen werden.

28

Der Weg der Verfügungsbeklagten zu 2 in die Insolvenz war bereits beschritten; das Amtsgericht Braunschweig hatte mit Beschluss vom 04.03.09 - 274 IN 101/09 b (Anlage Ast16) - die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Verfügungsbeklagten zu 2 angeordnet und den späteren Insolvenzverwalter Christoph Kirchberg zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt. In dieser Situation war es den Minderheitsgesellschaftern und damit auch dem Verfügungskläger zumutbar, dass die Nebenintervenientin an dem Geschäftsführer ihres Vertrauens trotz erheblicher Pflichtverstöße festhielt. Denn seine Rechte und damit sein Handlungsspielraum waren durch die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters ohnehin bereits massiv eingeschränkt. Das Handeln der Geschäftsführung unterlag praktisch bereits weitestgehend der Kontrolle des vorläufigen Insolvenzverwalters; Verfügungen der Gesellschaft waren nur mit dessen Zustimmung wirksam. Ein erneutes eigenmächtiges Vorgehen des Geschäftsführers an der Gesellschafterversammlung vorbei war dadurch ausgeschlossen. Darüber hinaus war der Weg in das endgültige Insolvenzverfahren absehbar, zumindest seitdem die Hans-R.-S-Gruppe keine weiteren Darlehen mehr zur Verfügung stellen wollte; es ging nur noch um eine Tätigkeit für eine Übergangszeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in dem der bisherige Geschäftsführer seine Kompetenzen endgültig verlieren würde. Es war mithin absehbar, dass die Befugnisse sich bald darauf beschränken würden, dem Insolvenzverwalter zuzuarbeiten und sein Wissen und seine Kontakte zu nutzen. Das Amtsgericht Braunschweig hat die Eröffnung denn auch bereits am 01.05.09 beschlossen.

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ff) Dabei bleiben die vom Verfügungskläger geltend gemachten weiteren Pflichtverstöße des Geschäftsführers außer Betracht. Denn die Berücksichtigung "nachgeschobener" Pflichtverstöße ist im Rechtsstreit nur zulässig, wenn derjenige, der sich darauf beruft, auch über diese Punkte noch die Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeigeführt hat (BGHZ 60, 333, 335f; BGH GmbHR 92, 40 - in Juris Rz. 14 -; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack aaO. Rz. 15 zu § 38). Ein Fall der nur zweigliedrigen Gesellschaft mit Gesellschafter-Geschäftsführern, in der dieses Verfahren unnötige Schwierigkeiten bereiten würde (BGH GmbHR 92, 40 - in Juris Rz. 15 -), liegt hier nicht vor.

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Deshalb kommt es nicht auf das behauptete mündliche Hausverbot gegen den Verfügungskläger nach Schluss der Versammlung vom 23.03.09 an, abgesehen davon, dass sich insoweit die eidesstattlichen Erklärungen des Verfügungsklägers und des Gesellschafters H (Bl. 17, 20 d.A.) einerseits und die des Verfügungsbeklagten zu 1 sowie des Rechtsanwalts Dr. Schmitt andererseits (Anlageband Verfügungsbeklagte Anlagen Ag4, Ag9) gegenüberstehen. Außer Betracht bleibt aus dem genannten Grund auch die unstreitige Beleidigung des Verfügungsklägers durch den Verfügungsbeklagten zu 1, für die sich der Verfügungsbeklagte zu 1 aber auch bereits am 31.03.09 entschuldigt (Anlage Ag15) und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat (Anlage Ast22). Ebenso wenig kommt es auch nicht auf die Zahlung der Sozialbeiträge und die Beschäftigung von Mitarbeitern der P GmbH bei der Verfügungsbeklagten zu 2 an.

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5. Nach alledem kommt es auch nicht darauf an, ob dem Verfügungskläger ein Verfügungsgrund i.S.v. § 940 ZPO zur Seite steht.

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6. Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter 4. kann Erledigung der Hauptsache auch insoweit nicht festgestellt werden, als das Landgericht auf den Antrag des Verfügungsklägers einen Notgeschäftsführer für die Verfügungsbeklagte zu 2 bestellt hat; nur insoweit richtet sich das Verfahren gegen diese.

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Der Bestellung eines Notgeschäftführers bedarf es jedoch nicht, wenn der bisherige Geschäftsführer im Amt bleibt. Es kann damit offen bleiben, ob für die Bestellung eines Notgeschäftsführers, welche Gegenstand eines besonderen Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit sein müsste, gem. § 29 BGB in entsprechender Anwendung das Amtsgericht ausschließlich zuständig ist (vgl. nur RGZ 138, 98, 101; Staudinger/Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., Rz. 1, 5 zu § 29) oder ob eine Regelung im Wege der einstweiligen Verfügung auch gem. § 940 ZPO möglich ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., Rz. 8 "Gesellschaftsrecht" zu § 940 im Anschluss an BGHZ 33, 105, 108ff, welche Entscheidung allerdings für die OHG ergangen ist; MünchKomm./Reuter, BGB, 5. Aufl., Rz. 5 zu§ 29 m.w.N.). Die Bestellung eines Notgeschäftsführers auch im Verfahren gem. § 940 ZPO wäre hier übrigens schon deshalb problematisch, weil die beiden weiteren Minderheitsgesellschafter F und H am Verfahren nicht beteiligt sind und deshalb bei der Bestellung im Wege des§ 940 ZPOübergangen würden.

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7. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Da gegen das Urteil die Revision nicht stattfindet (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO), entfällt eine Entscheidung über eine vorläufige Vollstreckbarkeit (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 709 Rz. 8). Der Streitwert war gem. §§ 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO im Einvernehmen mit den Parteivertretern, wie in erster Instanz geschehen, auf 15.000,00 € zu schätzen.