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  • ab 01.05.2017 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 3 VV-ROG/NROG - ZAV - Zuständige Stellen

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zum ROG und zum NROG für die Durchführung von Zielabweichungsverfahren (VV-ROG/NROG - ZAV)
Amtliche Abkürzung
VV-ROG/NROG - ZAV
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
23100

3.1
Zuständigkeitsverteilung zwischen den Landesplanungsbehörden; Zustimmung zum Verfahrensergebnis

Die untere Landesplanungsbehörde ist zuständig, wenn es ausschließlich um eine Abweichung von Zielen eines RROP geht (§ 19 Abs. 2 Satz 1 NROG). Für eine Abweichung ausschließlich von Zielen des LROP liegt die Zuständigkeit gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 NROG bei der obersten Landesplanungsbehörde.

Sind Ziele eines RROP und Ziele des LROP betroffen, ist die untere Landesplanungsbehörde zuständig. Im Interesse eines zügigen und abgestimmten Verfahrensablaufs ist die oberste Landesplanungsbehörde frühzeitig über das Zielabweichungsverfahren zu informieren. Hinsichtlich der Abweichung vom LROP ist ihr Einvernehmen einzuholen (siehe Nummer 2.3). Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NROG bedarf ferner das Verfahrensergebnis der vorherigen Zustimmung der obersten Landesplanungsbehörde. Diese umschließt eine vollständige Rechts- und Zweckmäßigkeitsprüfung des Entscheidungsvorschlags der unteren Landesplanungsbehörde. Hierzu zählt nicht nur die Prüfung, ob die tatbestandlichen Zielabweichungsvoraussetzungen vollständig geprüft wurden oder ob das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, sondern beispielsweise auch die Entscheidungsbefugnis, dass nach Bewertung aller (auch nicht-raumordnerischer) Umstände das Ermessen anders ausgeübt werden soll und zu einem anderen Verfahrensergebnis führen soll, als von der unteren Landesplanungsbehörde vorgeschlagen (z. B. Ablehnung der Zielabweichung statt Zulassung).

Die oberste Landesplanungsbehörde kann das Verfahren gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 NROG an sich ziehen, wenn es um ein Vorhaben mit besonderer Bedeutung geht, z. B. Ländergrenzen übergreifende Vorhaben mit hoher landespolitischer Bedeutung.

3.2
Sonderfragen der Zuständigkeitsverteilung: Zielabweichungsverfahren im Verhältnis zu Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren

Bei Vorhaben, für die ein Raumordnungsverfahren erforderlich ist und bei Vorhaben, die einer Planfeststellungspflicht unterliegen, sind unterschiedliche Zeitpunkte denkbar, in denen sich die Notwendigkeit eines Zielabweichungsverfahrens ergibt. Je nachdem, wann konkret erkannt wird, ob eine raumbedeutsame Planung oder Maßnahme mit einem Ziel der Raumordnung in Widerspruch steht und inwieweit es zur Weiterverfolgung eines Vorhabens notwendig ist, frühzeitig über eine Zielabweichung zu entscheiden, sind folgende Ausführungen zur Zuständigkeit für die Verfahrensführung zu beachten.

3.2.1
Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Raumordnungsverfahren

Werden Zielkonflikte bereits während eines Raumordnungsverfahren erkannt, ist es in der Regel Aufgabe des Raumordnungsverfahrens, abzustimmen, ob es raum-verträglichere Alternativen gibt oder wie das Vorhaben bereits in einer frühen Planungsphase - z. B. mit einem parallel zum Raumordnungsverfahren geführten Zielabweichungsverfahren - mit den Zielen der Raumordnung in Einklang gebracht werden kann.

Die Landesplanerische Feststellung, mit der das Raumordnungsverfahren endet, hat lediglich gutachtlichen Charakter.

Wegen der unterschiedlichen Rechtsform der Entscheidungen kann die Landesplanerische Feststellung nach § 11 NROG nicht die an die gesetzlichen Voraussetzungen von § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG gebundene, verbindliche Entscheidung über eine Zielabweichung ersetzen. Wird das Zielabweichungsverfahren zeitlich parallel mit einem Raumordnungsverfahren durchgeführt, ist auf das Ergebnis des Zielabweichungsverfahrens in der Landesplanerischen Feststellung einzugehen.

Für das separat zu führende Zielabweichungsverfahren gelten die Ausführungen zur Zuständigkeit in Nummer 3.1.

3.2.2
Zielabweichungsverfahren im Vorfeld von Planfeststellungsverfahren

Insbesondere planfeststellungsbedürftige Vorhaben erfordern regelmäßig zeit- und kostenintensive Vorarbeiten. Insofern besteht in aller Regel ein erhebliches Interesse der Beteiligten an einer frühzeitigen Klärung der Raumordnungskonformität. Ähnlich wie ein Raumordnungsverfahren sollte auch ein Zielabweichungsverfahren frühzeitig und vorab als selbständiges Verfahren durchgeführt werden, um die (unabdingbare) Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den Zielen der Raumordnung und seine raumordnerische Zulässigkeit im Einzelfall bereits in einer frühen Planungsphase herzustellen oder Planungsvarianten auszuschließen, die nicht realisierungsfähig sind. Ein derart geführtes Zielabweichungsverfahren wird nicht von der Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsverfahrens erfasst, da sich die Konzentrationswirkung des § 75 VwVfG immer nur auf der konkreten Zulassungsebene, nicht aber auf einer zeitlich vorgelagerten Verfahrensstufe entfalten kann. Vielmehr bedarf es bei frühzeitig erkannten Zielkonflikten einer dem Planfeststellungsverfahren vorgeschalteten Zulassung der Zielabweichung durch die nach § 19 NROG zuständige Landesplanungsbehörde. Es gelten die Ausführungen zur Zuständigkeit in Nummer 3.1.

3.2.3
Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Planfeststellungsverfahren

Wird die Notwendigkeit einer Zielabweichung ausnahmsweise erst im Planfeststellungsverfahren erkannt und erst dann über die raumordnerische Zulässigkeit eines Vorhabens entschieden, entscheidet die Planfeststellungsbehörde innerhalb des Planfeststellungsverfahrens über die Zielabweichung. Dies kann z. B. dann eintreten, wenn ein Verstoß mit Zielen der Raumordnung erst zu einem späten Zeitpunkt erkannt wird, weil sich aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung oder Konkretisierung der Vorhabenplanung erst zum Zeitpunkt des Planfeststellungsverfahrens konkret ein Zielverstoß abzeichnet oder weil im Planungsraum gerade erst neue oder geänderte Ziele der Raumordnung festgelegt wurden.

Die gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung einer Zielabweichung bleiben bestehen. Die Planfeststellungsvorschriften sehen zwar eine formelle Konzentrationswirkung (Konzentrationswirkung in Bezug auf Zuständigkeit, Verfahren und Form) vor. Das bedeutet, dass nach außen nur die Planfeststellungsbehörde in Erscheinung tritt, die Verfahrensvorschriften des Fach- und Raumordnungsrechts durch das Planfeststellungsverfahren ersetzt werden und anstelle von Einzelentscheidungen verschiedener Behörden ein einheitlicher Planfeststellungsbeschluss als Zulassungsentscheidung ergeht. Das Planfeststellungsrecht bewirkt hingegen keine materielle Konzentration im Hinblick auf die inhaltlichen Voraussetzungen des Vorhabens. Die Planfeststellungsbehörde ist im selben Maß an materielles Fach- und Raumordnungsrecht gebunden wie die an sich zuständigen Behörden.

Das bedeutet: § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG bestimmt eine ausdrückliche Beachtenspflicht der Ziele der Raumordnung im Planfeststellungsverfahren. Anders als Grundsätze der Raumordnung, in Aufstellung befindliche Ziele und sonstige Erfordernisse der Raumordnung unterfallen Ziele der Raumordnung als zwingend zu beachtende Vorgaben nicht der eigenen Abwägung der Planfeststellungsbehörde (die Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung entfällt nur in solchen Fällen, wo dies durch Fachgesetz oder durch § 5 ROG vorgesehen ist). Ansonsten ist die Zielkonformität unabdingbare Zulassungsvoraussetzung für das planfeststellungspflichtige Vorhaben. Soll die Zielbindung im Einzelfall überwunden werden, ist dies auch im Planfeststellungsverfahren nur im Wege einer Zielabweichungsentscheidung möglich, bei der - auch wenn sie in ein Planfeststellungsverfahren integriert durchgeführt wird - die tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG genauso einzuhalten sind wie in Zielabweichungsverfahren der sonst zuständigen Landesplanungsbehörden.

Die Planfeststellungsentscheidung ist nur zulässig, wenn sie i. S. der nachstehenden Prüfungsreihenfolge

  • mit der dafür maßgeblichen Zulassungsnorm in Einklang steht und durch die Ziele dieser Norm gerechtfertigt ist (Planrechtfertigung),

  • den strikt zu beachtenden Vorgaben des Raumordnungsrechts (Zielen der Raumordnung) entspricht,

  • mit dem gesamten Recht in Einklang steht, das für die aufgrund der Konzentrationswirkung ersetzten Genehmigungen und Entscheidungen beachtlich ist und

  • dem Abwägungsgebot und den daraus folgenden Geboten der gerechten Abwägung genügt.

Daher kann eine Planfeststellung bei Vorliegen eines Zielverstoßes nur erfolgen, wenn geprüft und festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung erfüllt sind. Insofern kann auch im Planfeststellungsverfahren nur dann eine Zielabweichung zugelassen werden, wenn - neben der raumordnerischen Vertretbarkeit der Abweichung und der Einhaltung der Grundzüge der Raumordnungsplanung - die Planfeststellungsbehörde das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt hat und alle von der Zielabweichung in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen gegenüber der Planfeststellungsbehörde ihr Einvernehmen erteilt haben.

Zu den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen zählen bei Betroffenheit eines RROP unabdingbar die zuständigen Regionalplanungsträger sowie bei Betroffenheit des LROP die oberste Landesplanungsbehörde. Bei einer Zielabweichung für in Aufstellung befindliche Ziele in einem RROP ist auch die obere Landesplanungsbehörde zu beteiligen.

Die Einvernehmenserteilung geht über die im Planfeststellungsverfahren ohnehin vorgesehene Anhörung berührter öffentlicher Stellen hinaus, weil das Einvernehmen oder dessen Verweigerung keiner Abwägung der Planfeststellungsbehörde zugänglich ist. Bei der Erteilung des Einvernehmens handelt es sich insofern nicht um eine bloße Stellungnahme im Rahmen der normalen Beteiligung. Da ein nicht erteiltes Einvernehmen mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht ersetzt werden kann (siehe Nummer 2.3.3), kann die Planfeststellungsbehörde bei fehlendem Einvernehmen die Zielabweichung nicht zulassen und folglich den Planfeststellungsbeschluss nicht erlassen.

Die vorgenannten Erfordernisse bestehen auch, wenn im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens bereits ein Raumordnungsverfahren durchgeführt und mit einer Landesplanerischen Feststellung abgeschlossen wurde. Wegen der Selbständigkeit der Verfahren und ihrer unterschiedlichen Rechtswirkungen kann eine Landesplanerische Feststellung nach § 11 NROG nicht das Einvernehmen der Landesplanungsbehörde zu einer Zielabweichung ersetzen.

Außer Kraft am 1. Januar 2025 durch Nummer 6 des Runderlasses i.d.F. vom 2. Mai 2018 (Nds. MBl. S. 454)