Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.04.1986, Az.: 4 B 80/86
Anspruch auf zusätzliche Leistung von Sozialhilfe anlässlich einer Konfirmation; Zweck der Regelsätze im Sozialhilferecht; Richtiger Anspruchsberechtigter bei Ansprüchen auf Sozialhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.04.1986
- Aktenzeichen
- 4 B 80/86
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 16544
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:0417.4B80.86.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig - 19.03.1986 - AZ: 10 D 32/86
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 1 BSHG
- § 12 Abs. 1 S. 2 BSHG
- § 22 Abs. 1 S. 1 BSHG
- § 1 Abs. 1 RegelsatzVO
Prozessgegner
Hansestadt ... - Sozialamt -, ...
In der Verwaltungsrechtssache
hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
am 17. April 1986
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 10. Kammer - vom 19. März 1986 unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen teilweise geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller über die bereits vom Verwaltungsgericht zugesprochene Beihilfe in Höhe von 150,00 DM hinaus weitere 100,00 DM als Beihilfe anläßlich der Konfirmation seines Sohnes zu gewähren.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
Die Beschwerde hat in dem in der Beschlußformel genannten Umfang Erfolg. Der Senat verpflichtet die Antragsgegnerin gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dem Antragsteller anläßlich der Konfirmation seines Sohnes über die bereits vom Verwaltungsgericht zugesprochene Beihilfe eine weitere Beihilfe von 100,00 DM zu gewähren. Dazu ist auszuführen:
Der in § 12 Abs. 1 BSHG näher umschriebene notwendige Lebensunterhalt, der durch Sozialhilfeleistungen sicherzustellen ist (§§ 11, 21 BSHG), umfaßt u.a. persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BSHG gehören zu diesen Bedürfnissen "in vertretbaren Umfange auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben". Die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten und Heimen und gleichartigen Einrichtungen werden dabei gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG nach Regelsätzen gewährt. Diese laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt erfassen den in allen Monaten annähernd gleichen Lebensbedarf. Aus § 12 Abs. 1 BSHG und § 1 Abs. 1 RegelsatzVO ergibt sich nicht, daß ein Bedarf, der wegen einmaliger Ereignisse anfällt, durch eine gleichmäßige Verteilung auf das gesamte Jahr und die dafür zu gewährenden Beträge gedeckt wird. Hierfür (also für einmalige Ereignisse) muß ein Hilfeempfänger auch nicht aus den Regelsätzen Ersparnisse bilden. Dies widerspräche dem Zweck der Regelsätze, nur den allgemein und regelmäßig auftretenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherzustellen (vgl. zu allem: BVerwG, FEVS 33, 441 - zur Weihnachtsbeihilfe). Die Konfirmation (oder Kommunion) veranlaßt in allen Kreisen der Bevölkerung aufgrund eines allgemeinen Bedürfnisses nach festlicher Gestaltung erhöhte Aufwendungen für den Lebensunterhalt. Die Konfirmation (oder Kommunion) ist ein festliches Ereignis, das nach allgemeiner Übung mit einem höheren Aufwand an Ernährung und Bewirtung von Gästen verbunden ist. Das entspricht den herrschenden Lebensgewohnheiten. Erhielten die Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt keine zusätzlichen Leistungen zur Deckung dieses Bedarfs, so wären sie gezwungen, auf diese Aufwendung zu verzichten.
Der Senat schätzt den zusätzlichen Bedarf, der für die Konfirmationsfeier entsteht, auf 100,00 DM. In diesem Umfang hat die Beschwerde daher Erfolg. Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung genügt dagegen nicht; sie ermöglicht es dem Antragsteller nicht, den anläßlich der Konfirmation entstandenen Bedarf (Bekleidung und Feier) zu decken. Der Senat versteht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dahin, daß die zugesprochene Beihilfe für Bekleidung (des Konfirmanden) und für den höheren Aufwand für die Ernährung und die Bewirtung von Gästen gedacht ist. Diese Beihilfe reicht aber (einschließlich der bereits ausgezahlten Pauschale für Bekleidung) nur aus, um die notwendige Bekleidung zu beschaffen, wie der Antragsteller glaubhaft gemacht hat. Dabei stellt sich in diesem Zusammenhang nicht die Frage, ob sich ein Konfirmand wegen seiner nur für die Konfirmation notwendigen Kleidung auf gebrauchte Kleidung verweisen lassen muß (vgl. Hess. VGH, FEVS 28, 29). Denn nach dem glaubhaften Vortrag des Antragstellers soll sein Sohn die anläßlich der Konfirmation beschaffte Kleidung auch weiter verwenden.
Ist hiernach der Anordnungsanspruch (die materielle Schutzbedürftigkeit) in dem in der Beschlußformel genannten Umfang zu bejahen, so fehlt es auch nicht am Anordnungsgrund (der Eilbedürftigkeit der Regelung). Denn der Sohn des Antragstellers soll: am 20. April 1986 konfirmiert werden, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren käme deshalb zu spät. Wegen der Eilbedürftigkeit der Sache hat der Senat auch davon abgesehen, darauf hinzuwirken, daß der Sohn des Antragstellers in das Verfahren eintritt; nur der Sohn des Antragstellers dürfte berechtigt sein, die geltend gemachten Ansprüche zu verfolgen.
Der Senat hat die Beschwerde zum Teil zurückgewiesen, weil er dem Vortrag des Antragstellers entnehmen muß, daß er eine höhere Beihilfe als die ihm nunmehr zugesprochene begehrt. Insoweit kann der Antrag nach dem Gesagten allerdings keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 188 Satz 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Klay
Atzler