Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.06.2000, Az.: L 4 KN 3/98 KR

Übernahme von Kosten eines Stützmieders durch die Krankenkasse; Zuständigkeit der Sozialgericht auch für Verträge über häusliche Krankenpflege

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
21.06.2000
Aktenzeichen
L 4 KN 3/98 KR
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 15434
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2000:0621.L4KN3.98KR.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 30.06.1998 - AZ: S 12 KN 16/98

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Bundesknappschaft, Siemensstraße 7, 30173 Hannover,

hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2000

durch

die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Schimmelpfeng-Schütte,

den Richter am Landessozialgericht Wolff,

die Richterin am Sozialgericht Böhmer-Behr sowie

den ehrenamtlichen Richter Stiegen und

die ehrenamtliche Richterin Sand

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

1

Die Kläger begehren die Zahlung von 1.924,65 DM für das An- und Ausziehen eines Stützmieders bei der Beigeladenen nebst Fahrtkosten.

2

Die Kläger betreiben einen ambulanten Krankenpflegedienst und haben am 19. Januar 1995 ua mit der Beklagten eine am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Vereinbarung über häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 1 und § 37 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) geschlossen.

3

Nach § 1 der Vereinbarung ist Gegenstand des Vertrages die Versorgung der Versicherten der Krankenkassen mit

  1. a)

    häuslicher Krankenpflege (Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftlicher Versorgung) gem § 37 Abs 1 SGB V,

  2. b)

    häuslicher Krankenpflege (Behandlungspflege) gem § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sowie die Vergütung und Abrechnung dieser Leistungen.

4

Gem § 3 Abs 1 der Vereinbarung ist vor Beginn der häuslichen Krankenpflege grundsätzlich die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen. Dem Antrag ist eine kassenärztliche Bescheinigung (Verordnung häuslicher Krankenpflege - Vordruckmuster 12) beizufügen; sie muss Angaben über den Grund der häuslichen Krankenpflege sowie die Art, Intensität und voraussichtliche Dauer der erforderlichen Maßnahmen enthalten. Der in der ärztlichen Verordnung attestierte Pflegeumfang ist in Ausnahmefällen (an Feiertagen oder an Wochenenden) ohne vorherige Genehmigung bis zum nächsten Arbeitstag einschließlich dieses Tages Grundlage der Rechnungslegung.

5

In der Anlage 2 zur Vereinbarung - Leistungsbeschreibung zur Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V ist als Position 2 das Verband anlegen/wechseln genannt. Diese wird wie folgt beschrieben:

6

Versorgung von Wunden, die aufgrund ärztlicher Anordnung, vom Pflegepersonal beobachtet, behandelt, versorgt oder verbunden werden. Verbandwechsel ist die Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen zur Vermeidung von Infektionen und das Entfernen und Anlegen von Verbänden. Unabhängig vom Vorliegen einer Wunde fallen unter diese Position auch Kompressionsverbände. Kompressionsverbände dienen der Förderung des venösen Rückstroms und der Verhinderung thrombo-embolischer Geschehen. Sie umfassen das Anlegen und Entfernen der plastischen Spezialbinden. In der Anmerkung dazu heißt es: Diese Position ist auch abrechenbar für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen anstelle eines Kompressionsverbandes.

7

Wundschnellverbände (zB Heftpflasterverband) fallen nicht unter diese Position.

8

Die Leistung Verband anlegen/wechseln wird nach Anlage 3 B mit 6,75 DM vergütet. Die Wegpauschale beträgt nach Anlage C 5,40 DM je Einsatz.

9

Die Kläger betreuten die Beigeladene E., geb am 2. August 1926, ein Mitglied der Beklagten. Diese litt an Adipositas per magna und einem Zustand nach Leberteilresektion wegen eines Leberkarzinoms. Der Arzt F., verordnete der Beigeladenen am 12. Juli 1995 zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung ua das zwei Mal tägliche An- und Ausziehen eines Stützmieders vom 11. Juli 1995 bis zum 30. September 1995.

10

Für die Erbringung dieser Leistung stellten die Kläger der Beklagten insgesamt 1.924,65 DM einschließlich Fahrkosten in Rechnung (Rechnung vom 31. Juli 1995: 642,60 DM, vom 31. August 1995: 731,70 DM, vom 30. September 1995: 550,35 DM).

11

Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für das Anlegen eines Stützkorsetts mit Schreiben vom 28. September 1995 und 13. Dezember 1995 ab, da diese Verrichtung nicht zur Behandlungspflege gehöre, sondern der Grundpflege zuzuordnen sei.

12

Mit ihrer am 12. Januar 1996 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage begehren die Kläger die Zahlung von 1.924,65 DM. Sie haben zur Begründung vorgetragen, dass das An- und Ausziehen eines Stützmieders nach Position 2 der Anlage der Vereinbarung nach § 37 Abs 2 SGB V zu vergüten sei, denn der Arzt G. habe der Beigeladenen diese Leistung im Rahmen eines postoperativen Zustandes zur Verhinderung eines thrombo-embolischen Geschehens verordnet. Anstelle eines Kompressionsverbandes habe der Arzt eben ein entsprechendes, dieselbe Funktion übernehmendes Stützmieder verordnet. Die Beigeladene habe im Verhältnis zur Beklagten unstreitig den Anspruch gem § 37 Abs 2 SGB V auf die Übernahme der medizinisch erforderlichen behandlungspflegerischen Leistungen. Würden derartige Leistungen durch den Arzt verordnet, müsse die Krankenkasse diese Leistungen auch übernehmen. Die vertraglichen Regelungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkasse seien so auszulegen, dass der gesetzliche Leistungsanspruch des Patienten nicht beeinträchtigt werde. Bei dem der Beigeladenen verordneten Stützmieder handele es sich um Behandlungspflegeleistungen gem § 37 Abs 2 SGB V. Behandlungspflegerische Leistungen seien alle Leistungen, die als medizinische Hilfsleistungen charakterisiert werden könnten und eine entsprechende krankenpflegerische Ausbildung voraussetzten. Die Voraussetzungen lägen für ein Stützmieder vor, das kein Kleidungsstück sei. Die Beklagte könne nicht davon ausgehen, dass ihr Vertragspartner Leistungen unentgeltlich erbringe. Sie schulde auch dann eine angemessene Vergütung, wenn die konkrete behandlungspflegerische Leistung, die vom Leistungserbringer verordnungsgemäß erbracht worden sei, in der Vergütungsvereinbarung nicht ausdrücklich aufgeführt worden sei. Eine derartige Vertragslücke sei unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben zu schließen. Im Übrigen habe die Beklagte die zugrunde liegenden Verordnungen genehmigt. Das vorgeschaltete Genehmigungsverfahren diene dazu, von Anfang an klarzustellen, welche Leistungen nach Ansicht der Kassen erbracht werden dürften und dann dementsprechend nach Erbringung auch zu vergüten seien. Die Kläger hätten auf diese Genehmigung vertraut und im Vertrauen darauf ihre Leistung erbracht.

13

Das SG Hannover hat eine Auskunft des Arztes G. vom 27. Oktober 1997 eingeholt und die Klage mit Urteil vom 30. Juni 1998 abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das An- und Ausziehen des Stützmieders. Aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages vom 19. Januar 1995 über die Art und den Umfang der im Rahmen des § 37 Abs 1 und § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V zu erbringenden Leistungen häuslicher Krankenpflege bestehe ein Erstattungsanspruch für das Anlegen von Kompressionsverbänden, die der Förderung des venösen Rückstroms und der Verhinderung thrombo-embolischer Geschehen dienten. Diese Position sei auch abrechenbar für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen. Das An- und Ausziehen eines Stützmieders falle nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages nicht in den Bereich der Behandlungspflege. Nach der Auskunft des G. diente das Stützmieder entgegen dem Vortrag der Kläger auch nicht der Verhinderung eines thrombo-embolischen Geschehens, sondern der Gefahr eines erneuten Bauchdeckenbruchs bei adipöser und dünner Bauchdecke.

14

Gegen das ihnen am 31. Juli 1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. August 1998 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt und ihr erstinstanzlichen Vorbringen wiederholt.

15

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Juni 1998 aufzuheben,

und

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.924,65 DM nebst 12 % Zinsen auf 1.374,30 DM ab 1. Oktober 1995 und auf 550,35 DM ab 11. Oktober 1995 zu zahlen.

16

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte des ersten und zweiten Rechtszuges und auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

19

Die gem § 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gem §§ 143 ff SGG statthafte Berufung ist zulässig.

20

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

21

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

22

Die Klage ist zulässig.

23

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gem § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG gegeben. Zwar sind die einzelnen Beschaffungsverträge über Leistungen an Versicherte und die Abrechnungsverhältnisse mit privaten Leistungsanbietern privat-rechtlicher Natur (BGH NJW 92, 1561 [BGH 25.06.1991 - KZR 19/90]), für Streitigkeiten aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände entscheiden jedoch gem § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Dies gilt auch für Verträge über häusliche Krankenpflege gem § 132 SGB V aF (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, 1998, § 51 Rdnrn 34, 35; Hencke, in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd I, 19. Aufl Stand: 1. Oktober 1999, § 132a Rdnr 8; Kranig, in Hauck/Haines, Gesetzliche Krankenversicherung, 1 Bd, Stand: 1. März 2000, § 132 Rdnr 8).

24

Die Klage ist als Leistungsklage gem § 54 Abs 5 SGG zulässig. Ein Verwaltungsakt hatte nicht zu ergehen, denn es geht hier um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis. Das Gleichordnungsverhältnis entsteht bereits durch die vertragliche Beziehung zwischen den Beteiligten entsprechend § 132 SGB V aF vom 19. Januar 1995.

25

Die Klage ist nicht begründet.

26

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zahlung von 1.924,65 DM.

27

Gem § 132 Abs 1 SGB V in der hier noch geltenden Fassung durch Art 1 § 132 Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2477 - geändert ab 1. Juli 1997 durch Art 1 Nr 48 des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 23. Juni 1997 - BGBl I, 1520) kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege, häuslicher Pflegehilfe, häuslicher Pflege und von Haushaltshilfe geeignete Personen anstellen. Wenn die Krankenkasse dafür andere geeignete Personen, Einrichtungen oder Unternehmen in Anspruch nimmt, hat sie über Inhalt, Umfang, Vergütung sowie Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen Verträge zu schließen. Einen derartigen Vertrag haben die Kläger ua mit der Beklagten am 19. Januar 1995 geschlossen.

28

Nach Position 2 der Anlage 2 - Leistungsbeschreibung zur Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V des Vertrages über häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 1 und § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V vom 19. Januar 1995 sind mit 6,75 DM (Anlage 3 B) vergütete Leistungen das Verband anlegen/wechseln. Nach der Leistungsbeschreibung ist das die Versorgung von Wunden, die aufgrund ärztlicher Anordnung, vom Pflegepersonal beobachtet, behandelt, versorgt oder verbunden werden. Verbandwechsel ist die Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen zur Vermeidung von Infektionen und das Entfernen und Anlegen von Verbänden. Unabhängig vom Vorliegen einer Wunde fallen unter diese Position auch Kompressionsverbände. Kompressionsverbände dienen der Förderung des venösen Rückstroms und der Verhinderung thrombo-embolischer Geschehen. Sie umfassen das Anlegen und Entfernen der plastischen Spezialbinden. Nach der Anmerkung zur Position 2 sind Verbände an verschiedenen Körperteilen nebeneinander abrechnungsfähig. Diese Position ist auch abrechenbar für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen anstelle eines Kompressionsverbandes.

29

Danach ist das An- und Ausziehen eines Stützmieders nicht abrechenbar.

30

Das Abrechnungsverhältnis zwischen den Beteiligten wird trotz seines zivilrechtlichen Charakters auch maßgeblich durch sozialversicherungsrechtliche Elemente geprägt. Die Rechtsbeziehungen zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und den Krankenkassen dienen der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten und haben sich somit auch an den Grundsätzen auszurichten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung gelten (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 11. August 1997 - L 4 KR 88/97 eR, Nds Rechtspflege 1988, 59, 60).

31

Das An- und Ausziehen des Stützmieders fällt nicht unter den ausdrücklichen Wortlaut des Vertrages vom 19. Januar 1995. Ein Stützmieder ist weder ein Kompressionsverband noch ein Kompressionsstrumpf.

32

Die Abrechenbarkeit des Anlegens des Stützmieders entspricht aber auch nicht dem mutmaßlichen übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner (vgl zur Vertragsauslegung Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl, 2000, § 157 Anm 2 ff). Das Vorliegen einer Regelungslücke ist nicht ersichtlich. Die Abrechenbarkeit des Anlegens von Kompressionsstrümpfen anstelle eines Kompressionsverbandes ist bereits eine in der Anmerkung ausdrücklich genannte Ausnahme. Der Kompressionsstrumpf wird dabei deshalb dem Kompressionsverband gleichgestellt, weil auch er der Verhinderung von Thrombosen dient. Nach der Auskunft des G. vom 27. Oktober 1997 diente das Stützmieder nach seinem Sinn und Zweck bei der Beigeladenen aber nicht - wie ein Kompressionsstrumpf oder -verband - der Förderung des venösen Rückstroms oder der Verhinderung thrombo-embolischer Geschehen, sondern der Verhinderung der Gefahr eines erneuten Bauchdeckenbruchs bei adipöser und dünner Bauchdecke.

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Entgegen der Ansicht der Kläger ist der Betrag von 1.924,65 DM auch nicht deshalb zu zahlen, weil das An- und Ausziehen des Stützmieders zur Behandlungspflege gehören würde, die Versicherte einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der streitigen Leistung gehabt hätte und diese deshalb nach dem Vertrag vom 19. Januar 1995 zu vergüten sei, obwohl sie in der Leistungsbeschreibung nicht genannt wird.

34

Zum einen gehört ein Anspruch der Beigeladenen gegen die Beklagte aus § 37 SGB V zum Leistungsrecht und nicht zum Leistungserbringungsrecht, für das hier allein der zwischen den Klägern und der Beklagten geschlossene Vertrag vom 19. Januar 1995 maßgeblich ist. Zum anderen gehört die streitige Leistung entgegen der Ansicht der Kläger nicht zur Behandlungspflege gem § 37 Abs 2 SGB V.

35

Gem § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt.

36

Der Beigeladenen ist durch G. am 12. Juli 1995 häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung verordnet worden.

37

Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine schwere Erkrankung verursacht werden, auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSGE 82, 27 = SozR 3-3000 § 14 Nr 2; BSGE SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 8). Darunter fallen medizinische Hilfeleistungen, die nicht vom behandelnden Arzt selbst erbracht werden, wie Injektionen, Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitus-Versorgung, Sicherung des notwendigen Patientenbeitrages der ärztlichen Therapie (Medikamenteneinnahme), Verabreichung von Medikamenten, Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten (zB Blutdruckkontrolle) uä (vgl die Aufzählung von Gerlach, in Hauck/Haines, aaO, § 37 Rdnr 22). Demgemäß sind im Vertrag vom 19. Januar 1995 als Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V Injektionen, Verband anlegen/wechseln, Katheterisierung einschließlich Spülung, Blasenspülung, Einlauf/Klisma, Stomaversorgung, Dekubitus-Versorgung, Einreibung/Wickel, Inhalation und Versorgung der Atemwege aufgeführt. Das An- und Auskleiden, zu dem auch das An- und Ablegen des Stützkorsetts gehört (vgl Wilde in Hauck/Wilde, Soziale Pflegeversicherung, Stand: 1. Januar 2000. § 14 Rdnr 11), zählt zu den pflegerischen Leistungen nichtmedizinischer Art. Auch nach der von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2000 vorgelegten Anlage der Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB V und Nr 7 - Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (in Kraft ab 13. Mai 2000) gehört das An- und Ablegen von Stützkorsetts zu den Leistungen der Grundpflege. Grundpflege wird jedoch nach § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V lediglich dann von der Krankenkasse gewährt, wenn diese eine entsprechende Satzungsbestimmung erlassen hat und nicht Pflegebedürftigkeit gem § 14 Soziale Pflegeversicherung - SGB XI vorliegt (Höfler, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd 1, Stand 1999, Rdnr 21). Eine entsprechende Satzungsbestimmung hat die Beklagte jedoch nicht erlassen. Nach ihrer Auskunft vom 25. Mai 2000 bestehen seit dem 1. Januar 1990 in ihrer Satzung keine Regelungen mehr zur häuslichen Krankenpflege.

38

Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte besteht auch nicht deshalb, weil diese die Leistung genehmigt hätte. Gem § 3 Abs 1 des Vertrages über häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 1 und § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V vom 19. Januar 1995 ist vor Beginn der häuslichen Krankenpflege grundsätzlich die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen. Dem Antrag ist eine kassenärztliche Bescheinigung (Verordnung häuslicher Krankenpflege - Vordruck Muster 12) beizufügen; sie muss Angaben über den Grund der häuslichen Krankenpflege sowie die Art, Intensität und voraussichtliche Dauer der erforderlichen Maßnahmen enthalten. Der in der ärztlichen Verordnung attestierte Pflegeumfang ist in Ausnahmefällen (an Feiertagen oder an Wochenenden) ohne vorherige Genehmigung bis zum nächsten Arbeitstag einschließlich dieses Tages Grundlage der Rechnungslegung. Die Kläger haben der Beklagten die Verordnung des Dr Dejam vom 12. Juli 1995 am 17. Juli 1995 vorgelegt. Auf dem von den Klägern in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Exemplar der Genehmigung der Krankenkasse vom 2. August 1995 werden die Kosten für die beantragte häusliche Krankenpflege bis 30. September 1995 nach den vereinbarten Sätzen übernommen. Auf der Genehmigung befinden sich die Stempelaufdrucke: "§ 37 Abs 2 SGB V - ohne Grundpflege", "Gegenstand für unsere Zusage ist die gültige Rahmenvereinbarung über die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 1 und 2 SGB V in Niedersachsen". Daraus ergibt sich, dass die Genehmigung nur im Rahmen der gültigen Rahmenvereinbarung erfolgte, deren Wortlaut mit dem des Vertrages vom 19. Januar 1995 identisch war und in der das An- und Ausziehen eines Stützmieders nicht als vergütungsfähige Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V aufgeführt ist. Die Beklagte war deshalb auch nicht gehalten, die Kläger vorab nochmals ausdrücklich auf den Ausschluss dieser Leistung von der Vergütung hinzuweisen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.