Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 22.02.2012, Az.: S 32 SO 140/10

Anspruch eines unter Parkinson leidenden gesetzlich Krankenversicherten auf Übernahme der Kosten für die Gemeinschaftsreise eines Erholungsvereins; Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe Behinderter am Leben in der Gemeinschaft

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
22.02.2012
Aktenzeichen
S 32 SO 140/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 42419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2012:0222.S32SO140.10.0A

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 rechtswidrig ist. Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Tatbestand

Die unter Betreuung stehende Klägerin, geboren am 02.10.1941, begehrt mit der Klage die Feststellung, dass der Bescheid des Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 rechtswidrig ist.

Die Klägerin ist körperlich behindert und leidet unter Cyclothymie sowie unter Morbus Parkinson. Sie erhält Leistungen der Pflegestufe 3. Seit dem 01.05.2009 ist sie im Seniorenzentrum Peine untergebracht. Neben ihrer Altersrente bezieht die Klägerin vom Beklagten ergänzend Leistungen der Hilfe zur Pflege.

Am 24.02.2010 beantragte der Erholungshilfe e.V. bei dem Beklagten für die Klägerin die Kostenübernahme für eine Gemeinschaftsreise in den bayerischen Wald in der Zeit vom 05.05.2010 bis 18.05.2010, für die Kosten in Höhe von 914,08 EUR entstünden. Der Antrag wurde damit begründet, die Reise stelle eine geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe dar. Den Antragsunterlagen ist ein Fragebogen beigefügt, aus dem sich Angaben zu den ganzjährigen Freizeitaktivitäten der Klägerin sowie eine Bedarfsbegründung für die Reise ergibt.

Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 19.03.2010 mit der Begründung ab, eine Notwendigkeit zur Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Erlebnis- und Gemeinschaftsreise sei durch die von der Einrichtung angebotenen Aktivitäten (Frühjahrs-, Sommerfest, Erntedankfest) und die Möglichkeit der Kontaktaufnahme innerhalb der Einrichtung, bei der es sich um ein Pflegeheim und keine Behinderteneinrichtung handele, nicht gegeben. Zudem erhalte die Klägerin in Abständen Besuche vom Peiner Hospizverein.

Die Betreuerin der Klägerin legte sodann am 16.04.2010 Widerspruch mit der Begründung ein, Besuche des Hospizvereins hätten bislang erst zwei Mal stattgefunden. Die Ehrenamtliche sei selbst körperlich behindert und auf einen Rollator angewiesen, so dass Ausflüge kaum möglich seien. Die Feste der Einrichtung würden kaum Gelegenheit bieten, Außenkontakte zu knüpfen, da in der Regel Heimbewohner hieran teilnehmen würden. Da sich die Klägerin in der Vergangenheit fast ausschließlich in Heimen und Krankenhäusern aufgehalten habe, bestehe ein besonderer Bedarf, Außenkontakte zu knüpfen. Die Klägerin bedürfe zur Kontaktaufnahme der Anleitung durch Fachpersonal. Sie benötige die Reise zur Erlangung psychischer Stabilität.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010, zugestellt am 30.06.2010, als unbegründet zurück. Die Gemeinschaftsreise sei nicht notwendig, da das Seniorenzentrum neben Freizeitangeboten innerhalb der Einrichtung auch Aktivitäten außerhalb der Einrichtung anbiete (z.B. Gymnastik, Einkaufsbummel). Aus den Unterlagen gehe hervor, dass die Klägerin die Angebote jedenfalls gelegentlich nutze. Zudem sei zu beachten, dass es sich bei dem Seniorenheim nicht um eine Behinderteneinrichtung, sondern um ein Pflegeheim handele.

Am 28.07.2010 erhob die Klägerin über ihre Betreuerin Klage. Diese begründet sie damit, dass im Vordergrund stehe, Außenkontakte unter fachlicher Anleitung knüpfen zu können, da sich die Klägerin in der Vergangenheit fast ausschließlich in Heimen oder Krankenhäusern aufgehalten habe. Zudem habe sie mehrere Jahre auf einer geschlossenen Station eines Pflegeheimes verbracht. Während depressiver Phasen verlasse sie selten das Bett, in manischen Phasen sei sie aufdringlich und distanzlos, so dass andere vor ihr zurückschrecken würden. Sie bedürfe bei der Kontaktaufnahme zu Nichtbehinderten intensiver Anleitung und Begleitung, die im Pflegeheim nur eingeschränkt möglich sei. Die Gemeinschaftsreise biete ihr Trainings- und Übungsfelder in einer neuen Sozialgemeinschaft. Die Ausflüge der Einrichtung könnten die durch die Gemeinschaftsreise vermittelten Außenkontakte nicht ersetzen. Die Klägerin zeige Hospitalisierungseffekte wie Resignation, Lebensmüdigkeit und Rückzugstendenzen. Es falle ihr aufgrund ihrer psychischen Erkrankung besonders schwer, mit dieser Situation umzugehen. Nachdem der Reisezeitraum verstrichen war, stellte die Klägerin ihr Klagebegehr um, um klären zu lassen, ob der Beklagte grundsätzlich zur Kostenübernahme verpflichtet ist. Die Klägerin wolle weiterhin an einer Gemeinschaftsreise teilnehmen. Nach Angaben des Veranstalters sei trotz einer Pflegebedürftigkeit eine Teilnahme möglich. Der Klägerin gehe es trotz der Parkinson-Diagnose infolge einer Medikamentenumstellung besser, die Symptome seien rückläufig. Da die Klägerin an Angeboten des Heimes wie das Internet-Cafe teilnehme, müsse sie auch als eingliederungshilfeberechtigt eingestuft werden.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 19. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist im Rahmen der Klageerwiderung darauf hin, die Klägerin habe im Pflegeheim die Möglichkeit, Kontakt zu Nichtbehinderten aufzubauen. Sie könne an Freizeitaktivitäten teilnehmen, da es Phasen gebe, in denen sie das Bett verlassen könne. Es bestünde die Möglichkeit der Teilnahme am Internet-Cafe. Eine menschliche Isolierung liege nicht vor. Es sei fraglich, ob nach Art und Schwere der Behinderung sowie des fortgeschrittenen Alters die Aussicht besteht, dass mit der Reise die Aufgabe der Gemeinschaftsreise noch erfüllt werden kann. Die wöchentliche Teilnahme an Freizeitaktivitäten lasse noch nicht den Rückschluss zu, ob der Gesundheitszustand der Klägerin eine mehrtätige Reise zulasse.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten und das beigezogene Verfahren mit dem Aktenzeichen S 32 SO 139/10 ER verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klägerin hat ihre ursprüngliche Anfechtungs- und Leistungsklage mit Schriftsatz vom 15.11.2010 gemäß § 131 Abs.1 S.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) analog in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt, nachdem das Reisedatum verstrichen war. Ihr ursprüngliches Ziel war damit durch Zeitablauf erledigt. Die Umstellung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar (§ 99 Abs.3 Nr. 3 SGG).

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig.

Die ursprüngliche Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die Gemeinschaftsreise im Jahr 2010 war vor dem erledigenden Ereignis zulässig. Der Ablehnungsbescheid vom 19.03.2010 hat sich zwischenzeitlich erledigt, da die Gemeinschaftsreise bereits erfolgt ist. Es besteht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin in Form der Wiederholungsgefahr, da diese nach wie vor beabsichtigt, an einer Gemeinschaftsreise des Erholungsvereins e.V., die in den bayerischen Wald von diesem jährlich angeboten wird, teilzunehmen. Es besteht die Gefahr, dass der Beklagte einen neuerlichen Antrag der Klägerin erneut mit der gleichen Begründung wie bislang ablehnt.

II.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ferner begründet.

Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte Gemeinschaftsreise gemäß §§ 54 Abs.1, 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Verbindung mit § 55 Abs.1 SGB XII.

Sie zählt zum berechtigten Personenkreis gemäß § 53 Abs.1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs.1 S.1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, wozu es auch gehört, ihm eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Leistungen der Eingliederungshilfe sind gemäß § 54 Abs.1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs.1 SGB IX auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Gemäß § 55 Abs.1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unter anderem die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Leistungen in diesem Sinne sind gemäß § 55 Abs. 2 Nr.7 SGB IX insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Diese Hilfen umfassen gemäß § 58 Nr.1 und 2 SGB IX vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs nichtbehinderter Menschen sowie Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen.

Die Klägerin ist wesentlich behindert im Sinne des Gesetzes. Sie leidet insbesondere infolge der bei ihr diagnostizierten Cyclothymie (vgl. Stellungnahme des Niedersächsischen Landeskrankenhauses vom 06.05.1994) und der körperlichen Behinderung (vgl. Gutachten des MDK vom 27.03.2008) unter Behinderungen im Sinne des § 2 Abs.1 S.1 SGB IX, die zu Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft führen. Sie ist durch die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung und infolge ihrer Pflegebedürftigkeit wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt und wird bereits seit längerer Zeit stationär betreut. Bereits mit Bericht vom 06.05.1994 ist der Klägerin die Notwendigkeit der Gewährung von Eingliederungshilfe ärztlicherseits bescheinigt worden. Mit amtsärztlicher Stellungnahme des Dr. G. vom 06.06.1994 wird gleichfalls bestätigt, dass bei der Klägerin eine seelische Behinderung auf Dauer vorliegt.

Es besteht die Aussicht, dass durch die Teilnahme an einer Gemeinschaftsreise des Erholungsvereins e.V. die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Insofern reicht es aus, dass durch die Reise die Begegnung und der Umgang mit nichtbehinderten Menschen gefördert werden kann. Eingliederungshilfe bedeutet eine Förderung von Kontakten auch und gerade zu nichtbehinderten Mitmenschen und zwar nicht nur zu nahestehenden Personen wie Betreuern oder Familienangehörigen, sondern darüber hinaus zu allen Personen, die aufgrund gemeinsamer Interessen und Bedürfnisse dem Behinderten helfen können, das Gefühl für menschliche Isolierung zu überwinden (VG Potsdam, Urteil vom 28.03.2008, AZ: 11 K 2698/04 m.w.N.). Die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft für behinderte Menschen besteht insbesondere im täglichen Umgang mit nichtbehinderten Menschen. Wo solche Kontakte nicht bestehen, wird die Hilfe darauf auszurichten sein, sie herzustellen (VG Potsdam, Urteil vom 28.03.2008, AZ: 11 K 2698/04 m.w.N.).

Die sozialtherapeutischen Erlebnisreisen wie die von der Klägerin beantragte Reise stellen nach einem Schreiben des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 19.11.2007 (Bl. 603 der Verwaltungsakte) nach ihrem Inhalt und Zweck geeignete Maßnahmen der Eingliederungshilfe dar. Ein Ferienaufenthalt bietet für einen in einer Einrichtung untergebrachten behinderten Menschen zahlreiche Abwechslungen und Anregungen, die die Erfahrung ermöglichen, sich besser in der Welt der nicht behinderten Menschen zu bewegen und aus seinem bisherigen Umfeld herauszutreten. Dies gilt schon deshalb, da es sich bei der von der Klägerin beantragten Reise um eine Gruppenreise handelt. Die Unterbringung erfolgt in barrierefreien Unterkünften, die auch dem allgemeinen Fremdenverkehr zugänglich sind, so dass neben organisierten Ausflügen auch im Rahmen der Unterkunft eine Kontaktaufnahme zu nichtbehinderten Menschen möglich ist.

Die Schwere der Behinderung der Klägerin steht nicht der Erwartung entgegen, dass mit ihrer Teilnahme an der Gemeinschaftsreise die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Das Alter der Klägerin kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht maßgeblich sein. Für ältere Menschen besteht keine feste zeitliche Grenze. Eingliederungshilfe ist unter Umständen ein Leben lang zu gewähren, da es z.B. auch zu ihren Aufgaben gehört, Folgen einer Behinderung zu mindern (§ 53 Abs.3 SGB XII) und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden (Hauck/Noftz, SGB XII, § 53 Rn. 26a). Es ist daher kein strenger Maßstab anzulegen, sondern eine Besserung des seelischen Zustands genügt (Hauck/Noftz, SGB XII, § 53 Rn. 26a). Infolge der seelischen Behinderung kann die Reise der Klägerin allein durch die Orts- und die Veränderung ihres Umfeldes positive Impulsive gegen ihre Depressionen bieten. Hierdurch kann ihrer Hoffnungslosigkeit, die kennzeichend für die Erkrankung der Klägerin ist, entgegen gewirkt werden. Es wechseln bei ihr Phasen gehobener Stimmung und Aktivität, Beschäftigungs- und Bewegungsdrang mit Phasen depressiver Stimmung bis hin zur Untätigkeit (Amtsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 06.06.1994). In ihren depressiven Phasen ist die Klägerin unfähig, sich selbst zu versorgen (Amtsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 06.06.1994). In der amtsärztlichen Stellungnahme wird nachvollziehbar beschrieben, welche Probleme für die Klägerin infolge ihrer Stimmungsschwankungen und ihrer manischen Krankheit entstehen. Dies ergibt sich auch aus dem nervenärztlichen Gutachten des Herrn H. vom 03.11.1995. In der Auseinandersetzung mit der Umwelt sei die Klägerin deutlich eingeschränkt. Es würden sich relativ häufig wechselnde manische und depressive Episoden bei der Klägerin zeigen, Insuffizienzerscheinungen chronischer Art werden diagnostiziert. Ihre Bewegungs- und Antriebsarmut, wie sie im Pflegegutachten des MDK vom 02.05.2005 festgehalten worden ist, kann hierdurch vermindert werden. Der Eindruck der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat gezeigt, dass diese trotz ihrer Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe 3) in der Lage ist, ihr Bett zu verlassen und sich unter Einsatz von Hilfsmitteln fortzubewegen. Sie hat versucht, dem Termin zu folgen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Interesse an ihrem Umfeld gezeigt. Infolge ihres Krankheitsbildes hat sie Probleme, Außenkontakte herzustellen. Wie sich aus der ärztlichen Stellungnahme des Dr. I. vom 01.08.2005 ergibt, liegt bei der Klägerin eine maniforme Symptomatik bei affektiver Psychose vor, es wird ein manisches Zustandsbild bei bekannter Cyclothymie diagnostiziert. Das Pflegegutachten des MDK vom 09.05.2005 stellt anamnetisch gleichfalls eine manisch-depressive Psychose mit Persönlichkeitsveränderungen bei der Klägerin fest. In beiden Berichten wird eine verminderte Steuerungsfähigkeit der Klägerin mit Eigen- und Fremdgefährdung festgehalten. Ausweislich des Pflegegutachtens benötigt die Klägerin Motivation, Anleitung und Kontrolle. In manischen Phasen ist sie distanzlos. Ferner wirkt sich aus, dass die Klägerin bereits seit dem Jahr 1980 immer wieder stationär untergebracht war und seit 2005 durchgehend untergebracht ist. Durch die Gemeinschaftsreise kann sie unter Anleitung und Hilfestellung der Reisebegleiter angehalten werden, Kontakte aufzubauen, sich in einer fremden Umgebung zurecht zu finden und Ängste Fremdem gegenüber abzubauen.

Auch nach Angaben des Veranstalters stellt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 3 keinen zwingenden Hinderungsgrund für eine Teilnahme an einer Gemeinschaftsreise dar. Nächtliches Umlagern und Wickeln könne bewerkstelligt werden. Die Reisen werden durch Ehrenamtliche begleitet, die fachkundig ausgebildet sind. Gegebenenfalls erfolge auch eine Unterstützung durch Pflegepersonal der Einrichtung. Das Abwehrverhalten der Klägerin, das sich nach Angaben ihrer Betreuerin wohl ohnehin reduziert hat, stellt gleichfalls nach Angaben des Veranstalters keinen Hinderungsgrund dar, zumal sich dies bislang ausweislich des Gutachtens des MDKs vom 27.03.2008 lediglich in "Kneifen" geäußert hat. Nach dem Eindruck der Klägerin aus der Hauptverhandlung ist diese als transportfähig einzustufen, zumal die Reise in einem behindertengerechten Bus erfolgt.

Die Teilnahme an der Gemeinschaftsreise ist alternativlos. Der Beklagte kann insbesondere nicht geltend machen, die Klägerin nehme an Freizeitangeboten der Pflegeeinrichtung teil. Diese sind nicht in der gleichen Weise wie eine 14-tägige Reise geeignet, die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Der Beklagte verkennt insoweit, dass diese Angebote überwiegend auf dem Gelände der Pflegeeinrichtung liegen und von dieser organisiert werden. Im Rahmen des Einkaufsbummels kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden kann, Kontakte zu nichtbehinderten Menschen zu knüpfen. Durch die Reise können der Klägerin neue Eindrücke vermittelt und durch die Entwicklung ihrer Bereitschaft zu Aktivitäten in der Gemeinschaft ihre Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Die Zusammenkunft in der Gruppe unter Ortsveränderungen fördert ihre Sozialisationsfähigkeit in einem Maße, wie sie in der Pflegeeinrichtung nicht erreicht werden kann. Auch die bislang nur sporadisch erfolgten Besuche des Hospizvereins vermögen den Effekt einer 14-tägigen Reise nicht zu erzielen.

Die Klägerin ist hilfebedürftig, da sie die Kosten der Reise nicht aus ihren Einkünften sicherstellen kann. Sie bezieht Leistungen Hilfe zur Pflege vom Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.