Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.05.2009, Az.: 8 U 53/09
Auslegung eines Prozessvergleichs hinsichtlich der Aufrechnung mit einer bestehenden Forderung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 28.05.2009
- Aktenzeichen
- 8 U 53/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 34802
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2009:0528.8U53.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - AZ: 21 O 3154/08
Rechtsgrundlagen
- § 133 BGB
- § 157 BGB
- § 779 Abs. 1 BGB
Fundstelle
- OLGR Braunschweig 2009, 716-717
Redaktioneller Leitsatz
Haben die Parteien eines Werkvertrages im Werklohnprozess trotz bestehender Mängel eine Abschlusszahlung des Auftraggebers vereinbart, so kann eine Auslegung des Vergleichs ergeben, dass die Aufrechnung mit einer bestehenden Gegenforderung ausgeschlossen ist. Dies kann auch daraus folgen, dass die Parteien die Streitigkeit vorbehaltlos zum Abschluss bringen wollten.
In dem Rechtsstreit
V Bauträgergesellschaft mbH
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbev.:
RA B, Braunschweig
g e g e n
Ingenieur Friedrich H GmbH
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbev.:
RA Dr. S, Berlin
Tenor:
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen.
Gründe
I. 1. Ein unzulässiges Vorbehaltsurteil gemäß § 302 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor. Es handelt sich vorliegend um ein Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess gemäß § 599 ZPO. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung BGH BauR 2007, 2052 ff. [BGH 27.09.2007 - VII ZR 80/05] bezieht sich ausschließlich auf Vorbehaltsurteile gemäß § 302 Abs. 1 ZPO.
2. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob die vom Bundesgerichtshof für § 302 Abs. 1 ZPO aufgestellten Grundsätze auch auf den Urkundenprozess gemäß §§ 592 ff. ZPO Anwendung finden. Dagegen spricht, dass § 302 Abs. 1 ZPO dem Gericht ein Ermessen einräumt, ob es ein Vorbehaltsurteil erlässt, während§ 599 ZPO den Erlass eines Vorbehaltsurteils zwingend vorschreibt, wenn die beklagte Partei dem im Urkundenprozess geltend gemachten Anspruch widersprochen hat und eine Verurteilung erfolgt. Vorliegend greifen die vom BGH angeführten Gründe gegen den Erlass eines Vorbehaltsurteils bei Werklohnklagen mit zur Aufrechnung gestellten Mängelbeseitigungs- und Fertigstellungs-mehrkosten jedoch schon deshalb nicht ein, weil die Parteien im Rahmen des von ihnen abgeschlossenen Vergleichs ein Aufrechnungsverbot vereinbart haben. Ein Aufrechnungsverbot kann auch stillschweigend vereinbart werden (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 387 Rdn. 14). So begründen Barzahlungsklauseln nach der Rechtsprechung ein Aufrechnungsverbot, wenn sie in Kenntnis einer aufrechenbaren Gegenforderung vereinbart wurden. Vorliegend haben die Parteien die Abschlussvereinbarung vom 10.05.2005 ausweislich ihrer Präambel getroffen, um die zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse und Streitigkeiten einvernehmlich zu regeln. Dabei war Streitgegenstand bereits die Mängelhaftung der Klägerin gegenüber der Beklagten aus dem GU-Vertrag vom 10.10.2001 betreffend die Häuser F, G und H "Am G" in Braunschweig. Dabei hat sich die Beklagte in Kenntnis bestehender Mängel verpflichtet, eine Restzahlung in Höhe von 100.000,00 EUR zum 01.10.2005 zu leisten. Diese Vereinbarung kann vor dem Hintergrund der weitergehenden Regelung in Ziffer 3.1. der Abschlussvereinbarung nur dahin verstanden werden (§§ 133, 157 BGB), dass die Zahlung zunächst unabhängig von dem Bestehen etwaiger Gewährleistungsansprüche der Beklagten erbracht werden sollte. In Ziffer 1.3. (b) ist deshalb vereinbart worden, dass sämtliche offenen Restarbeiten und bestehenden Mängel von der Klägerin bis Ende Mai 2005 ausgeführt bzw. beseitigt werden. Für nicht beseitigte Mängel ist in Ziffer 1.3. (c) bestimmt, dass bereits vereinbarte oder noch zu vereinbarende Minderungen von der Klägerin erstattet werden. Dies ist dahingehend auszulegen, dass die Zahlung von 100.000,00 EUR zunächst unabhängig von bestehenden Mängeln zu leisten war und für den Fall, dass eine Mängelbeseitigung durch die Klägerin nicht fristgerecht erfolgen sollte, ein Rückforderungsanspruch der Beklagten besteht.
Auch wenn man in dem Vergleich ein schlüssiges Aufrechnungsverbot nicht sehen wollte, so wäre der Beklagten die Aufrechnung mit Minderungs-, Schadensersatz- und Vorschussansprüchen gemäß § 242 BGB verwehrt. Die Aufrechnung ist gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, wenn die Eigenart des Schuldverhältnisses oder der Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lässt (vgl. Palandt-Grüneberg, aaO., Rdn. 14 m.w.N.).
Dies ist vorliegend der Fall. Gemäß Ziffer 1.4. des Vergleiches vom 10.05.2005 sollten durch die Vereinbarung sämtliche Ansprüche der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem GU-Vertrag und dem Projekt Häuser F/G/H, gleich ob bekannt oder unbekannt, abschließend geregelt werden. Dies schließt eine Aufrechnung der Beklagten mit Vorschussansprüchen wegen Mängeln aus. Vorliegend waren der Beklagten die den Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S vom 04.10.2007, 30.11.2007 und 10.03.2008 zugrundeliegenden Mängel bei Abschluss des Vergleiches zwar nicht bekannt; die Beklagte hat sich die Aufrechnung gegenüber den durch Vergleich festgelegten Zahlungsansprüchen der Klägerin in der Abschlussvereinbarung jedoch nicht vorbehalten. Vielmehr sollten die Zahlungen unabhängig davon erfolgen, dass auch zu diesem Zeitpunkt bereits Mängel der Werkleistung der Klägerin bestanden. In Ziffer 1.3. (c) haben die Parteien lediglich einen Erstattungsanspruch der Beklagten für den Fall vereinbart, dass trotz Nacherfüllung noch Mängel vorliegen sollten. Ausweislich Ziffer 1.4 des Vergleiches hat die Beklagte dabei in Kauf genommen, dass auch noch weitere, unbekannte Mängel bestehen könnten. Daraus folgt, dass die Parteien durch den Abschluss des Vergleiches das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis auf eine neue Grundlage stellen wollten und dazu die synallagmatische Verknüpfung der Werklohnforderung mit der Forderung auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages teilweise außer Kraft gesetzt haben, indem Zahlungen unabhängig davon geleistet werden sollten, ob Ansprüche auf Nacherfüllung (Ziffer 1.3 (b)) oder Minderung (Zifferung 1.3 (c)) aktuell bestehen oder sich in Zukunft ergeben könnten.
3. Dem vertraglichen Aufrechnungsverbot bzw. dem Aufrechnungsausschluss gemäß § 242 BGB steht nicht entgegen, dass die Klägerin selbst sich einen Minderungsbetrag in Höhe von 10.526,66 EUR auf ihre rechnerische Restforderung in Höhe von 26.909,00 EUR anrechnen lässt, denn es handelt sich insoweit nicht um eine Aufrechnung, sondern um eine Anrechnung. Zudem steht es dem Gläubiger einer Forderung jederzeit frei, auf diese ganz oder teilweise zu verzichten.
II. Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen bis zum
29. Juni 2009
Stellung zu nehmen oder die Berufung zurückzunehmen.