Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 24.09.2001, Az.: 3 U 168/00
Beweiserleichterung; Beweislast; Darlegungslast; Diebstahlgeschehen; Diebstahlversicherung; Erscheinungsbild; Fahrzeugschlüsselaufbewahrung; hinreichende Wahrscheinlichkeit; Kfz-Kaskoversicherung; Kraftfahrzeugdiebstahl; Kraftfahrzeugentwendung; Leistungsausschluß; Leistungsfreiheit; Mindestsachverhalt; Minimalsachverhalt; richterliche Beweiswürdigung; Versicherungsfall; Widersprüchlichkeit; Zeugenaussage; äußeres Bild
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 24.09.2001
- Aktenzeichen
- 3 U 168/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40290
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 14.07.2000 - AZ: 5 O 2617/99 (407)
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs 1 UAbs 1 Buchst b AKB
- § 286 Abs 1 S 1 ZPO
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 14.07.2000 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer und der Streitwert werden auf 54.800,00 DM festgesetzt.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag gemäß §§ 1, 49 VVG, 12 Abs. 1 I b AKB.
Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis, dass das versicherte Fahrzeug entwendet worden ist, nicht erbracht. Es ist Sache der Klägerin, den von ihr behaupteten Diebstahl des Fahrzeuges Mercedes Benz Geländewagen als Anspruchsvoraussetzung für eine Entschädigungsleistung der Beklagten zu beweisen (vgl. BGH NJW 1991, 2493 [BGH 03.07.1991 - IV ZR 220/90] m. w. Nachw.). Zu ihren Gunsten gelten zwar Beweiserleichterungen. So genügt sie ihrer Beweislast regelmäßig dann, wenn sie Tatsachen beweist, die nach der Lebenserfahrung das äußere Bild eines Diebstahls hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BGH VersR 1999, 18). Diesen Beweis hat sie jedoch nicht geführt.
Nach den Aussagen der Zeugen D. und E. A. stand der PKW bis zum Diebstahl direkt hinter ihrem Haus vor dem Schlafzimmerfenster. In diesem Bereich befinden sich Bewegungsmelder, die für ca. 5 - max. 15 min. angehen. Der Zeuge E. A. hat angegeben, er sei in der Nacht des 08.05.1999 durch ein Geräusch aufgeschreckt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Bewegungsmelder noch nicht gebrannt. Kurz darauf habe es wieder ein Geräusch gegeben, nunmehr seien auch die Bewegungsmelder an gewesen und der Zeuge will bemerkt haben, dass das Fahrzeug nicht mehr auf seinem Platz stand.
Da das Fahrzeug im Bereich der Bewegungsmelder abgestellt worden war, müssen diese bereits angegangen sein, als sich die Täter dem Fahrzeug näherten. Nach Aussage des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen F. hätten die Täter bei voller Konzentration und entsprechenden Kenntnissen 10 min. zum Ausbau der Wegfahrsperre benötigt. Davor aber hätten sie zunächst in das Fahrzeug hineinkommen und die mechanische Lenkradsperre, die ausweislich der Angaben der Zeugin D. A. bei ihrer Befragung durch den Mitarbeiter der Beklagten, Herrn G., eingerastet war, überwinden müssen. Nach Abschluss all dieser mechanischen Arbeiten hätten die Täter zudem das Fahrzeug bereits um die Hausecke herum weggeschoben haben müssen. All dies ist aber in einem Zeitraum von weniger als max. 15 min. - denn die Bewegungsmelder waren nach der Aussage des Zeugen E. A. noch an, als er zum Fenster des Schlafzimmers ging - nicht möglich. Ein Aufbruch des Fahrzeuges an einer anderen, außerhalb des Bereichs der Bewegungsmelder liegenden Stelle war ebenso wenig möglich, da zum Wegschieben des Fahrzeugs die Lenkrad- und die Wegfahrsperre überwunden werden mussten.
Zudem müssen zum Ausbau der Wegfahrsperre umfangreiche mechanische Arbeiten durchgeführt werden. Die Überwindung der Lenkradsperre ist nach den Angaben des Sachverständigen lautlos nicht möglich. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass es sich darum handele, den Schließmechanismus, ein Gussteil, komplett auseinander zu brechen. Dies verursacht verhältnismäßig laute Geräusche. Wenn man keine Brechstange oder ein sonst geeignetes Werkzeug bei sich hat, muss man das Lenkrad ungefähr 50 x hin- und her bewegen. Mit einer Brechstange geht es sofort. Entsprechende Geräusche konnte der Zeuge E. A. jedoch nicht beschreiben. Er hat lediglich pauschal davon gesprochen, zweimal ein Geräusch gehört zu haben.
Schließlich hätten die Täter, wenn man davon ausgeht, dass das Automatikgetriebe nicht wie normalerweise üblich auf Parkstellung geschaltet war - anderenfalls hätte das Fahrzeug nach Aussage des Sachverständigen nur geschleift oder auf einen Abschleppwagen geladen werden können - das Fahrzeug bis zum Eintreffen der Zeugen auf der Veranda ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Skizze unbemerkt bereits 84 m um die Ecken des Hauses und der offenen Garage herum, geschoben haben müssen. Schon dies ist zeitlich nicht nachvollziehbar. Völlig unerklärlich ist aber, weshalb die Täter dann nicht das Fahrzeug noch die wenigen Meter aus der Toreinfahrt heraus auf den nicht mehr einsehbaren Weg geschoben haben, sondern den PKW im Torbereich abgestellt haben sollen, wo der Standort so gut einsehbar gewesen sein soll, dass die Zeugin D. A. sogar das rote Licht im Innenspiegel des Fahrzeuges gesehen haben will.
Zudem weisen die Aussagen der Zeugen D. und E. A. eine Reihe von Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten auf, so dass diese Aussagen insgesamt unglaubhaft sind. Die Schilderungen der Zeugen von dem Ablauf der Ereignisse hat im Laufe der Schadensregulierung mehrfach gewechselt.
So hat die Zeugin D. A. unmittelbar nach der behaupteten Tat bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 08.05.1999 in H. bekundet, sie sei gemeinsam mit ihrem Mann auf die Veranda gegangen. Erst nachdem der PKW Mercedes ohne eingeschalteten Motor am Zaun hinuntergefahren sei, sei sie ins Haus gegangen und habe die Polizei angerufen. Dabei hat die Zeugin weder die auf dem Grundstück befindlichen Hunde erwähnt, noch, dass die Bewegungsmelder angegangen waren oder - wie ihr Ehemann bekundet hat - ein weiterer PKW davon gefahren sein soll.
Bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2000 hat die Zeugin demgegenüber angegeben, sie sei zunächst in die Küche gegangen und habe von dort aus 3 Telefonate geführt, einmal mit der Polizei in H., wo nur das Faxgerät eingeschaltet gewesen sei, sowie zweimal mit ihrer Buchhalterin. Bei dem zweiten Gespräch mit ihrer Buchhalterin habe sie durch die geöffnete Küchentür gesehen, wie ihr Mann mit seinem Gewehr und einer Taschenlampe zur Veranda gegangen sei. Demgegenüber hat ihr Ehemann vor dem Landgericht bekundet: "Ich bemerkte aber, dass die Außenbeleuchtung angegangen war und bemerkte auch, dass unser Auto weg war. Ich bin sofort raus und bin mit meinem Gewehr auf den Trittstein gegangen. Meine Frau kam auch, sie trug die Lampe". Bei ihrer erneuten Vernehmung vor dem Senat haben beide Zeugen schließlich angegeben, sie seien gemeinsam in die Küche gegangen, erst bei dem zweiten Gespräch der Zeugin D. A. mit ihrer Buchhalterin will der Zeuge E. A. die Küche wieder verlassen haben, um mit dem Gewehr und der Taschenlampe auf die Veranda zu gehen. Eine solch wechselhafte Erinnerung an ein einschneidendes Erlebnis kann nur damit erklärt werden, dass es sich dabei nicht um ein tatsächliches Erleben gehandelt hat. Dies wird auch durch den Widerspruch bestätigt, dass die Zeugin D. A. zunächst angegeben hat, dass Fahrzeug sei ohne eingeschalteten Motor am Zaun hinuntergefahren, während der Zeuge E. A. wiederholt erwähnt hat, der PKW Mercedes sei zügig gestartet worden und mit quietschenden Reifen davon gefahren.
Ebenso wenig nachvollziehbar sind die Angaben der Zeugen dazu, weshalb erst ab 04.00 Uhr Anrufe vom Festnetzanschluss erfolgt sind. Angeblich sind die behaupteten Telefongespräche in dem Zeitraum von 03.30 Uhr - 04.00 Uhr vom Handy der Zeugin D. A. aus geführt worden, weil der Festnetzanschluss zu dieser Zeit defekt gewesen sein soll. Nach Angaben der Zeugen soll es zwar wiederholt zu Defekten des Festnetzanschlusses gekommen sein. Erforderlich war dann nach Aussage der Zeugen aber jedesmal eine Mitteilung an die Telekom, damit der Defekt behoben wurde. Weshalb in der fraglichen Nacht auch ohne Mitteilung an die Telekom der Anschluss ausnahmsweise von allein wieder funktioniert haben sollte, konnten die Zeugen nicht erklären.
Ebenso unerklärlich ist, weshalb die Zeugin D. A. das Verhalten ihrer Hunde nicht bereits bei ihrer ersten Vernehmung vor der Polizei in H. erwähnt hat und weshalb beide Zeugen nicht in der Nacht nach dem Vorfall nach ihren Hunden gesehen haben, nachdem diese nicht angeschlagen hatten. Da der Zeuge E. A. bei seiner Vernehmung vor dem Senat bekundet hat: "Bei dem Schäferhund handelt es sich um einen scharfen Wachhund. Wenn der Angestellte, der den Wachhund gewöhnlich füttert, nicht da ist, kann ich diesen Wachhund nur mit der Stange füttern", erscheint auch fraglich, wie es den Tätern gelungen sein soll, diesen Wachhund zu betäuben.
Schließlich sind auch die Angaben der Zeugen zu den beiden Autoschlüsseln widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. So hat der Inhaber der Klägerin gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn G., angegeben, der Zweitschlüssel habe sich in seiner Wohnung in I. im Flurbereich befunden. Demgegenüber hat die Zeugin D. A. diesem Mitarbeiter gegenüber bei ihrer Befragung am 28.06.1999 erklärt, der Ersatzschlüssel hätte sich zu Hause in K. im Tresor befunden. Bei ihrer Vernehmung vor dem Senat hat die Zeugin plötzlich bekundet, sie habe beide Schlüssel mit in Polen gehabt. Der Zeuge E. A. hat hierzu angegeben, nicht mehr genau zu wissen, wo sich der 2. Schlüssel zu dieser Zeit befand. Er vermute, dass ihn seine Frau in der Tasche gehabt habe, weil sie ihn immer bei sich trage. Wenn die Zeugin D. A. versucht hat, den Widerspruch zwischen ihren Angaben damit zu erklären, dass Herr G. vielleicht gemeint habe, dass der Schlüssel "nachdem das Auto weggekommen ist, nunmehr im Tresor sei", gibt dies keinen Sinn, da die Zeugen behaupten, beide Schlüssel bereits am 17.05.1999 an die Beklagte geschickt zu haben, die Befragung aber erst am 28.06.1999 stattfand. Ebenso wenig kann die Erklärung der Zeugin auf die Frage des Senats, weshalb sie den zweiten Schlüssel überhaupt mit nach Polen genommen habe, wenn dieser doch defekt gewesen sei, weil sie ihn versehentlich mitgewaschen habe, stimmen. Die Zeugin hat dazu angegeben, "der Schlüssel ist erst in Polen defekt gegangen", also in dem Zeitraum ab dem 28.04.1999. Demgegenüber hat die Zeugin bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht angegeben, der zweite Schlüssel sei bei einem anderen Besuch in Polen versehentlich mitgewaschen worden, deshalb habe der Inhaber der Klägerin bereits Ende März 1999 einen weiteren Schlüssel bei der Firma L. bestellt.
Die Ungereimtheiten in der Darstellung der Klägerin sowie die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten in den Bekundungen der Zeugen D. und E. A. hindern eine Überzeugungsbildung dahin, dass die Angaben der Klägerin zur Entwendung des Fahrzeuges zutreffen. Vielmehr drängen sich erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Klägerin aufgestellten Behauptung der Entwendung des Fahrzeuges auf. Danach hat die Klägerin nicht den erforderlichen Beweis für das äußere Bild einer Entwendung erbracht. Dies geht zu ihren Lasten, da sie, wie bereits ausgeführt, die Beweislast für das Vorliegen des Versicherungsfalles hat.
Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO in Höhe des nach § 3 ZPO bestimmten Streitwertes festgesetzt worden.