Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 21.01.2020, Az.: 3 A 402/18

Aussagegenehmigung; Fortsetzungsfeststellungsinteresse; Fortsetzungsfeststellungsklage; Widerklage

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
21.01.2020
Aktenzeichen
3 A 402/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71914
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1.) Erledigt sich der Rechtsstreit über eine beamtenrechtliche Aussagegenehmigung, so kann die Behörde bei Vorliegen eines berechtigten Interesses eine Fortsetzungsfeststellungswiderklage erheben.

2) Weder das Sozialgeheimnis, noch Datenschutz können von einer Behörde dem Erteilen einer Aussagegenehmigung entgegengehalten werden, wenn die Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzes deren Erteilung erfordert.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass sich die Hauptsache des Rechtsstreits - 3 A 402/18 - erledigt hat.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung des Klägers gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechende Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das unter anderem im Bereich der Förderung der Altenhilfe tätig ist.

Das Hauptzollamt Osnabrück - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - leitete im Juli 2015 gegen den damaligen Geschäftsführer des Klägers ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten ein, weil geringfügig Beschäftigte und angestellte Pflegekräfte Überstunden in einem Maße geleistet hatten, die sie zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten machten. Ein weiteres Strafverfahren wurde gegen den Geschäftsführer wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs zu Lasten der Pflegekassen eingeleitet. In der Folgezeit wurde der damalige Geschäftsführer der Klägerin wegen dieser Vorfälle mit einem Gesamtschaden von knapp 300.000,00 € strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.

Im November 2017 erhob die Klägerin gegen ihren damaligen Geschäftsführer eine Schadensersatzklage zum Landgericht Osnabrück zum Az. 13 O 448/17. Innerhalb dieses zivilgerichtlichen Verfahrens erließ das Landgericht Osnabrück unter dem 21. September 2018 einen Beweisbeschluss zur Einvernahme einer Beamtin der Beklagten als Zeugin mit folgendem Inhalt:

„Der klagenden Partei wird zur Replik eine Frist von 2 Wochen gesetzt.

Gemäß § 273 ZPO wird weiter angeordnet:

die Ladung der Zeugin ...

Etwaiges Beweisthema:

„Verantwortlichkeit des Beklagten für fehlende Fachkraftbetreuung der klägerischen Kunden; Abrechnung nicht erbrachter Leistungen und stationärer Versorgung in ambulanten Einrichtungen; Unterschreitung des Mindestlohnes; Abrechnung von Überstunden als Fahrtkosten; Firmenfahrzeugüberlassung.“

Gemäß § 273 ZPO ergehen Hinweise/Auflagen:

Die Strafakten werden beigezogen.“

Quelle: Schreiben (Ladung) Landgericht Osnabrück an Rechtsanw. F. vom 21.09.2018 (Anlage A9 zum Antrag 3 B 76/18)

Unter dem 26.09.2018 verfügte das Landgericht ferner die Ladung des Beamten G. des Beklagten (Anlage A 10) mit vergleichbarem Beweisthema.

Die Beamten des Beklagten H. (Blatt 1, Beiakte 001) und G. (Blatt 3, Beiakte 001) beantragten nach Erhalt der Ladungen bei ihrer Dienststelle Aussagegenehmigungen. Der Leiter des Hauptzollamtes teilte der die Ladung der Beamten G. und H. verfügenden 13. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück durch Schreiben vom 21. November 2018 mit, dass eine Aussagegenehmigung nicht erteilt werde (Blatt 29 und 30, Beiakte 001).

Unter dem 26. November 2018 beantragte der Kläger, die Beklagte unter Aufhebung der Entscheidung vom 21. November 2018 zu verpflichten, Frau ZAI´in H. und Herrn ZAR G. gem. § 67 Abs. 3 i. V. m. § 86 BBG Aussagegenehmigungen für den Rechtsstreit - 13 O 448/17 - bei dem Landgericht Osnabrück im Umfang der landgerichtlichen Beweisbeschlüsse zu erteilen, und suchte zugleich um den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach.

Zur Begründung führte der Kläger aus, dass die Voraussetzungen zur Verweigerung der Aussagegenehmigungen nach §§ 68 Abs. 1 und 3 BBG nicht vorlägen. Vielmehr habe er - der Kläger- einen Anspruch auf Erteilung der Aussagegenehmigung. Denn der Verweigerungsgrund des Bereitens von Nachteilen für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes läge nicht vor. Die anzustellende Interessenabwägung gehe zu Gunsten des rechtsstaatlich abgesicherten Interesses an der Wahrheitsfindung aus.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, dass aus § 35 Abs. 1 SGB I eine spezialgesetzliche Geheimhaltungspflicht folge und als Ausfluss des § 35 Abs. 3 SGB I, der die Unzulässigkeit der Übermittlung von Sozialdaten als Unterfall der Verarbeitung regele, weder Auskunfts- noch Zeugnispflichten seiner Bediensteten bestünden. Die Beamtin ZAI´in H. und der Beamte ZAR G. seien in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eingesetzt und nähmen Aufgaben und Befugnisse wahr, die sie zur Wahrung des Sozialgeheimnisses verpflichteten. Daten, die diese Beamten im Zusammenhang mit ihren Prüfaufgaben nach dem Schwarzarbeitsgesetz erhöben, seien Sozialdaten. Eine Übermittlung für die Aufgaben der Gerichte im Sinne von § 68 Abs. 1 SGB X scheide aus, da die ausgewählten Daten sich auch schon aus den staatsanwaltlichen Akten ergäben. Das Sozialgeheimnis sei strikt zu wahren. Da eine Bekanntgabe der durch die Beamtinnen und den Beamten erhobenen Sozialdaten nicht in Betracht komme, sei eine Aussagegenehmigung nicht zu erteilen. Sie - die Beklagte- müsse ihre Beamten vor der Gefahr schützen, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach dem Datenschutzrecht belangt zu werden.

Durch Beschluss vom 29. November 2018 hat die erkennende Kammer die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Frau ZAI´in H. und Herrn ZAR G. Aussagegenehmigungen gem. § 67 Abs. 3 i. V. m. § 68 BBG für den Rechtsstreit zum Az. - 13 O 448/17 - bei dem Landgericht Osnabrück im Umfang der dortigen Beweisbeschlüsse zu erteilen; die Entscheidung der Kammer wurde rechtskräftig.

Nachdem sich das landgerichtliche Verfahren erledigt hatte, hat der Kläger durch Schriftsatz vom 03. Dezember 2018 (Blatt 117 der Gerichtsakte) die Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat durch Schriftsatz vom 02. April 2019 der Erledigung widersprochen, da er an seiner Rechtsmeinung wegen der von ihm nicht erteilten Aussagegenehmigungen festhalte. Er ist ferner der Ansicht, dass die in das Wissen der Beamten G. und H. gestellten Tatsachen Sozialdaten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seien, für die nach dem einschlägigen SGB I keine Übermittelungsbefugnis bestehe. Die Zeugen hätten deswegen eine Zeugnisverweigerungspflicht, da die Beweisthemen Sozialdaten, diesen gleichgestellte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und das Steuergeheimnis beträfen und es sich hierbei um eine explizite, über die normale Amtsverschwiegenheit hinausgehende Geheimhaltungspflicht handele und die Verarbeitung dieser Geheimnisse, die in einer jeweiligen Zeugenaussage läge, einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe und eine solche für den dem Streitgegenstand zugrundeliegenden Zivilprozess nicht vorliege. Auch seien die Aussagen seiner Beamten nicht zweifelsohne für den Prozess von Bedeutung, da sich sämtliche Angaben aus der Ermittlungsakte und den Niederschriften ergäben. Sie - die Beklagte - erhebe im Übrigen eine Widerklage, da sie ein konkretes Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Bezug auf eine Wiederholungsgefahr habe, da regelmäßig Unternehmen zivilrechtliche Ansprüche gegen Verantwortliche durchsetzen würden und ihre - der Beklagten - Beamte hierzu dann als Zeugen benannt würden. Im Übrigen habe sie - die Beklagte - ein Rehabilitationsinteresse, da sie ihre Beamten aufgrund ihrer Fürsorgepflicht schützen müsse und sie ihnen nur die Aussagegenehmigung auf einer tatbestandlich erfüllten gesetzlichen Grundlage erteilen könne. Es könne und dürfe nicht sein, dass spezialgesetzlich geschützte Daten ohne gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung von privaten Ansprüchen offenbart werden müssen.

Der Kläger hat daraufhin seine Klage auf eine Erledigungsfeststellungsklage umgestellt.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt,

festzustellen, dass sich die Hauptsache des Rechtsstreits zum Aktenzeichen - 3 A 402/18 - erledigt hat.

Die Beklagte und Widerklägerin beantragt,

die Klage abzuweisen,

sowie widerklagend,

festzustellen, dass der Kläger und Widerbeklagte keinen Anspruch auf Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Rechtsstreit - 13 O 448/17 - bei dem Landgericht Osnabrück im Umfang des landgerichtlichen Beweisbeschlusses vom 21. September 2018 hatte.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Widerklage aufgrund des Nichtvorliegens eines eigenen Streitgegenstandes unzulässig sei und im Übrigen kein Feststellungsinteresse bestehe. Denn eine Wiederholungsgefahr bestehe weder konkret, noch überhaupt zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits, und die Ausführungen zum Rehabilitationsinteresse seien nicht nachvollziehbar. Jedenfalls sei die Widerklage unbegründet, weil sozialgesetzliche Vorschriften einer Aussagegenehmigung nicht entgegenstünden und im Übrigen aufgrund der Vorschrift des § 128 Abs. 1 ZPO der sogenannte Unmittelbarkeitsgrundsatz gelte.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Für die vorliegende Konstellation, dass zwischen den Beteiligten Streit über den Eintritt eines erledigenden Ereignisses besteht und parallel dazu die Beklagte ein Interesse an einer Sachentscheidung geltend macht, hält die Kammer nicht eine in ihrem Prüfungsumfang über den Eintritt der Erledigung hinaus um die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Übrigen erweiterte Feststellungsklage, sondern - so, wie es auch die Beteiligten durch ihre Anträge zu Beginn der mündlichen Verhandlung rechtlich und den Streitgegenstand bestimmend zum Ausdruck gebracht haben - den sogenannten Erledigungsrechtsstreit kombiniert mit einer Widerklage auf Fortsetzungsfeststellung für prozessrechtlich statthaft (1.). Diese, auf die Feststellung, dass sich die Hauptsache erledigt habe, zulässigerweise umgestellte Klage hat Erfolg (2.). Demgegenüber ist die Widerklage (3.) zwar zulässig (a.), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (b.).

1. Für die vorliegende Konstellation, dass zwischen den Beteiligten Streit besteht über den Eintritt eines erledigenden Ereignisses und parallel dazu die Beklagte ein Interesse an einer Sachentscheidung geltend macht, werden unterschiedliche prozessuale Lösungsansätze vertreten.

Nach einer Ansicht (Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Auflage Heidelberg 2018, § 161 Rn. 28 f.; BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990, - BVerwG 4 C 7.88 -, BVerwGE 87, 62 [67]) ist in einem derartigen Fall der Erledigungsstreit, in den sich das ursprüngliche Klagebegehren wandelt, von seinem Prüfungsumfang her über die Frage, ob objektiv ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, hinaus auf die Klärung der Frage, ob die Klage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war, zu erweitern, wenn der Beklagte ein schützenswertes Interesse an einer Sachentscheidung hat, das sich aus denselben Grundsätzen, wie sie zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für den Kläger entwickelt worden sind, ergeben kann.

Nach anderer Ansicht ist, wenn sich der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht anschließt, sondern begehrt, die frühere Begründetheit der Klage klären zu lassen, ein solches Begehren bei Vorliegen eines anhand § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu bestimmenden Feststellungsinteresses als sogenannte Fortsetzungsfeststellungswiderklage gemäß § 89 VwGO zu werten. Einer solchen Fortsetzungsfeststellungswiderklage steht nach dieser Ansicht die Vorschrift des § 89 Abs. 2 VwGO in der gebotenen restriktiven Auslegung in Anbetracht des Fehlens eines Subordinationsverhältnisses zwischen den Beteiligten nicht entgegen. Die sich an diese Ansicht prozessrechtlich anschließende Frage, ob die in Bezug auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse primär in den Blick zu nehmende Wiederholungsgefahr gerade auch im Verhältnis zu dem jeweiligen Kläger des vorliegenden Verfahrens bestehen muss, oder ob es genügt, dass eine solche auch ganz allgemein im Verhältnis zu Dritten bestehen kann, ist hiernach unter Berücksichtigung der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG im letzteren Sinne zu beantworten: Den Kläger des Ausgangsverfahrens auf diese Weise an dem Verwaltungsprozess festzuhalten, erscheint hiernach nicht unbillig. Denn die bei ursprünglich zulässiger und begründeter Klage gemäß § 154 Abs. 1 VwGO ergehende Kostenentscheidung verbürgt im Gegensatz zu einer allein auf summarischer Prüfung beruhenden Kostenentscheidung auf der Grundlage des § 161 Absatz 1 Satz 2 eine höhere Ergebnisrichtigkeit; in der Konstellation des Obsiegens der Widerklage ist der Kläger des Ausgangsverfahrens bei ursprünglich unzulässiger oder unbegründeter Klage nicht schutzwürdig (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. München 2019, § 161 Rdnr. 26 ff.).

Die Kammer entscheidet diese Rechtsfrage im Sinne der zweitgenannten Rechtsansicht, die auch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Klaganträgen entspricht. Die - auch von dem Bundesverwaltungsgericht vertretene - erstgenannte Ansicht leistet es nicht, das berechtigte Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung widerspruchsfrei in das Prozessrechtsinstitut der einseitigen Erledigungserklärung einzubauen; dies erscheint auch - wie in der Literatur zutreffend angemerkt wird (Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage Baden-Baden 2018, § 161 Rn. 172 ff.) - als dogmatisch unmöglich. Wäre mit der erstgenannten Ansicht tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten, so wäre die Klage schon deshalb als - nunmehr - unbegründet oder sogar unzulässig abzuweisen. Die Annahme eines erweiterten Prüfungsmaßstabes für die auf den Erledigungsfeststellungsstreit geänderte Klage verlangt die Annahme zweier unterschiedlicher und miteinander unvereinbarer Erledigungsbegriffe, je nachdem, ob der Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Prüfung der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit der Klage hat oder nicht. Dies ist dogmatisch nicht leistbar. Ferner lässt dies im Übrigen die Dispositionsmaxime, nach der der Kläger den Streitgegenstand bestimmt, im Ergebnis leerlaufen (Neumann/Schaks, a.a.O., Rn. 176). Zutreffend hat der Kläger daher einen Erledigungsfeststellungsantrag gestellt und die Beklagte eine Fortsetzungsfeststellungswiderklage erhoben.

2. Die Erledigungsfeststellungsklage hat Erfolg. Nachdem die Klägerin durch Schriftsatz vom 3. Dezember 2018 (Blatt 117 der Gerichtsakte) die Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist Gegenstand der Klage nicht mehr das ursprünglich anhängig gemachte Verpflichtungsbegehren hinsichtlich der streitgegenständlichen Aussagegenehmigungen für die Beamten Frau ZAI H. und Herr ZAR G.. Die (einseitige) Erledigungserklärung konnte den Rechtsstreit aber auch nicht beenden, weil die Beklagte der Erledigungserklärung durch Schriftsatz vom 2. April 2019 (Blatt 127 der Gerichtsakte) nicht zugestimmt hat.

Diese prozessuale Situation hat zur Folge, dass ein sogenannter Erledigungsstreit vorliegt, dessen Gegenstand allein die Frage ist, ob sich der Rechtsstreit durch eine nach Rechtshängigkeit des ursprünglichen Sachbegehrens eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage erledigt hat (sogenannte Erledigungsfeststellungsklage). Würde das Gericht nämlich im Rahmen der ursprünglich erhobenen Verpflichtungsklage zu dem Ergebnis kommen, dass sich der Rechtsstreit durch eine (nachträgliche) Änderung der Sach- oder Rechtslage tatsächlich erledigt hat, wäre die – möglicherweise im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässige und begründete – Klage abzuweisen, mit der Folge der Kostentragungspflicht des Klägers. Dieser Kostenfolge kann der Kläger nur entgehen, wenn er die Hauptsache für erledigt erklärt, um gemäß § 161 Abs. 2 VwGO eine Kostenentscheidung des Gerichts nach billigem Ermessen zu erreichen. Widersetzt sich der Beklagte jedoch - wie hier - der Erledigungserklärung, kann der Kläger die Erledigung feststellen lassen, um auf diese Weise der Kostentragungspflicht zu entgehen. Der Klageantrag ist deswegen umzustellen oder andernfalls sachdienlich dahingehend auszulegen (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO), festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

a. Die Klage auf Feststellung der Erledigung ist sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Klageänderung (aa) als auch in Bezug auf das erforderliche Feststellungsinteresse (bb) zulässig.

(aa) Der Wechsel vom ursprünglichen Anfechtungsbegehren im Zeitpunkt der Klageerhebung zur Erledigungsfeststellung unterliegt nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2001, - BVerwG 6 CN 1.01 -, juris [Rn. 7]). Insoweit ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Feststellung der Hauptsacheerledigung eine nicht von der Einwilligung des Beklagten abhängige, zulässige Klageänderung (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011, - BVerwG 5 C 21.10 -, juris [Rn. 10]). Neuer Streitgegenstand ist somit die Feststellung, dass sich das Verfahren erledigt hat.

(bb) Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Umstellung des Klageantrags die einzige Möglichkeit darstellt, sich der für den Kläger nachteiligen Kostenfolge zu entziehen, wenn die Klage in Folge eines erledigenden Ereignisses unzulässig geworden ist und der Beklagte einer Erledigungserklärung nicht zustimmt (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011, - BVerwG 5 C 21.10 -, juris [Rn. 12]). Um nicht nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens tragen zu müssen oder in Folge der prozessualen Erledigung zur Klagerücknahme mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO genötigt zu werden, kann der Kläger stattdessen eine Erledigungserklärung abgeben, mit der Folge, dass im Falle der Zustimmung des Beklagten über die Kosten gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen entschieden wird. Widersetzt sich der Beklagte der Erledigungserklärung, kann der Kläger der Kostentragung dadurch entgehen, dass er gerichtlich die Erledigung der Streitsache feststellen lässt. Ist er mit diesem Antrag erfolgreich, trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens. Die Vermeidung der insoweit vorliegenden wirtschaftlichen Nachteile ist ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO.

b. Die Erledigungsfeststellungsklage ist auch begründet.

(aa) Voraussetzung für die Begründetheit der Klage auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache ist zunächst, dass objektiv ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Die Hauptsache hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über den Klageanspruch erübrigt oder ausschließt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 3.7.2006 – 7 B 18.06 – juris Rn. 11). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob sich der Rechtstreit erledigt hat, ist die mündliche Verhandlung (Schmidt in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 113). Als erledigendes Ereignis kommt jede nach Klageerhebung eintretende Änderung der Sach- und Rechtslage in Betracht, die bereits für sich betrachtet die Abweisung der Klage als unzulässig oder unbegründet rechtfertigen würde. Für den Erledigungseintritt kommt es nicht darauf an, welche Ursachen der Erledigung zugrunde liegen, insbesondere, ob der Kläger die Erledigung durch sein eigenes Verhalten herbeigeführt hat, sondern er richtet sich ausschließlich nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes (Schmidt in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 76).

(bb) Infolge der Einigung im zivilgerichtlichen Verfahren, für das die Kammer des Landgerichts beschlossen hatte, die beiden Beamten der Beklagten als Zeugen zu vernehmen, hat sich deren Einvernahme erübrigt, und es bedurfte und bedarf keiner Aussagegenehmigungen mehr. Die Sachlage hat sich damit geändert, und die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Aussagegenehmigungen wäre im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Kammer mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen gewesen. Die Hauptsache hat sich objektiv erledigt.

Die Erledigungsfeststellungsklage hat daher Erfolg.

3. Die Widerklage ist zulässig (a.), aber unbegründet (b.).

a. Die Widerklage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in doppelter Analogie) zulässig. Die spezifischen für eine Widerklage geltenden Anforderungen des § 89 VwGO sind erfüllt.

Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt.

(aa) Danach setzt die Erhebung der Widerklage zunächst die Rechtshängigkeit der Hauptklage voraus (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 2009, - 7 LB 185/06 -, NVwZ-RR 2009, 231 [VGH Bayern 09.07.2008 - 8 A 07.40013]; Bamberger in Wysk, VwGO, 2. Aufl., § 89 Rn. 3). Hier ist bei Erhebung der Widerklage und noch andauernd im Entscheidungszeitpunkt der Kammer die Hauptklage anhängig.

(bb) Ferner muss zwischen dem Gegenanspruch und dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch ein Zusammenhang bestehen. Allerdings darf sich die Widerklage nicht in der bloßen Leugnung des Klageanspruchs erschöpfen, sondern muss darüber hinaus gehen. Es müssen jeweils selbständige Streitgegenstände vorliegen (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 89 Rn. 7; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 89 Rn. 1a und 5). Auch diese Voraussetzung ist hier gegeben. Denn in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage war diese nur noch - wie ausgeführt - eine Erledigungsfeststellungsklage. Der Streit um die Erledigung der Verpflichtungsklage auf Erteilung der Aussagegenehmigungen mit seinem auf die Frage der objektiven Erledigung begrenzten Streitgegenstand ist etwas wesentlich anderes als die Feststellungsklage in Bezug auf die Berechtigung, in der Sache die Erteilung der Aussagegenehmigungen zu verweigern. Beide Ansprüche stehen zwar in einem engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang. Jedoch handelt es sich um jeweils selbständige Streitgegenstände. Die Widerklage erschöpft sich nicht in der bloßen Leugnung des Anspruchs der Klägerin, sondern geht darüber hinaus.

(cc) Ferner ist die Widerklage nicht wegen der Norm des § 89 Abs. 2 VwGO unzulässig. Danach ist bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen die Widerklage ausgeschlossen. Allerdings ist dieser Ausschluss entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen der Widerbeklagte dem Kläger im Rahmen eines Subordinationsverhältnisses untergeordnet ist. Denn in diesen Fällen hat der Widerkläger alternativ die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. BT-Drs. III/55, S. 41; BVerwG, Urteil vom 17. April 2002, - BVerwG 9 A 24.01 - BVerwGE 116, 175; BVerwG, Urteil vom 8. September 2005, - BVerwG 3 C 49.04 - NVwZ 2006, 703 [705]).

Vorliegend ist der Widerbeklagte dem Widerkläger nicht in dem Sinne unterworfen, dass die Widerklägerin gegenüber dem Widerbeklagten durch Verwaltungsakt Regelungen erlassen könnte. Vielmehr wendet sich hier ein Bürger (bzw. eine subjektive öffentliche Rechte geltend machende juristische Person des Privatrechts) gegen einen Hoheitsträger und begehrt dessen Verpflichtung auf Erlass eines Verwaltungsakts. Für einen feststellenden Verwaltungsakt gegenüber dem Widerbeklagten fehlt es sowohl an einem Antrag als auch an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, das dem Adressaten erklärtermaßen nicht genehm ist (BVerwG, Urteil vom 29. November 1985, - BVerwG 8 C 105.83 -, BVerwGE 72, 265 – 269 = NJW 1986, 1120). Besteht insoweit kein Subordinationsverhältnis, so ist die Widerklage nicht nach § 89 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen.

(dd) Bezüglich des Antrags der Widerklage auf Feststellung, dass der Widerbeklagte keinen Anspruch auf Erteilung der fraglichen Aussagegenehmigungen hatte, liegen auch die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vor.

(1) Bei der Widerklage handelt es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in doppelter Analogie, und zwar sowohl in Bezug auf die Anwendung der Norm auf die Verpflichtungsklage (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014, - BVerwG 4 C 33.13 -, juris [Rn. 13]; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1993, - BVerwG 6 C 20.92 -, juris [Rn. 19]) als auch in Bezug auf die Geltendmachung durch die Beklagte.

(2) Die Kammer bejaht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Widerklägers. Im Hinblick auf die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Fallgruppen kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses in Betracht kommen; schließlich ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch zur Rehabilitierung oder im Hinblick auf eine schwere Grundrechtsverletzung zu prüfen, soweit die Umstände hierfür Anlass geben.

Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist dann gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse grundsätzlich nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23). Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es vorliegend, nicht zu fordern, dass die Wiederholungsgefahr gerade zu dem Kläger des vorliegenden Verfahrens besteht. Aus den unter 1. genannten Gründen ist es nicht unbillig, den Kläger des Verfahrens so an dem Rechtstreit festzuhalten. Zudem hätte der Beklagte bei einer anderen Sichtweise schlechterdings nie die Möglichkeit, die Rechtsfrage in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen, da sich Streitigkeiten über die Erteilung einer Aussagegenehmigung typischerweise in der Konstellation des vorläufigen Rechtsschutzes abspielen und sich das Hauptsacheverfahren jeweils erledigt. Da regelmäßig Beamte der Beklagten in vergleichbaren Fällen aussagen müssen, ist eine Wiederholungsgefahr gegeben.

Abwegig ist demgegenüber die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung. Ein Rehabilitationsinteresse kann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung begründen, wenn der Verwaltungsakt außer seiner (erledigten) belastenden Wirkung zusätzlich diskriminierenden Charakter hat, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist. Dies kann insbesondere bei gewichtigen Grundrechtseingriffen der Fall sein, wenn in der Zeit bis zum Eintritt der Erledigung eine gerichtliche Entscheidung nicht herbeigeführt werden kann (BVerfGE 81, 138 [140 f.] [BVerfG 30.11.1989 - 2 BvR 3/88]; BVerfGE 110, 77 [86] [BVerfG 03.03.2004 - 1 BvR 461/03]; BVerfGE 117, 244 [268]). Hierfür ist indes vorliegend nichts erkennbar. Die Erteilung einer Aussagegenehmigung hat für die Bediensteten der Beklagten allenfalls grundrechtliche Relevanz in Bezug auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, der unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze steht. Diese minimale grundrechtliche Relevanz kann aber die Beklagte unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. Die Beklagte selbst ist nicht Grundrechtsträgerin, sondern Grundrechtsverpflichtete; es ist ihr deswegen verwehrt, grundrechtliche Positionen zu rügen.

(3) Die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog ist der Beklagten nicht abzusprechen.

b. Die Widerklage ist jedoch nicht begründet.

Die Weigerung der Beklagten, die Aussagegenehmigungen gem. § 67 Abs. 3 i.V.m. § 68 BBG zu erteilen, war rechtswidrig. Denn der Kläger hatte einen Anspruch auf deren Erteilung. Gem. § 68 Abs. 1 und 3 BBG darf die oberste Dienstbehörde bzw. die von ihr bestimmte Behörde die Genehmigung für einen Beamten, als Zeuge auszusagen, nur versagen, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Nach dieser Vorschrift ist somit eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Staatswohls sowie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben einerseits und dem Interesse an einer umfassenden und uneingeschränkten Wahrheitsfindung sowie den damit zusammenhängenden Interessen Beteiligter andererseits vorzunehmen. Der Gesetzgeber hat durch die Fassung der Vorschrift deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Interesse an der Wahrheitsfindung grundsätzlich Vorrang gegenüber Geheimhaltungsinteressen hat (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1982, - BVerwG 2 C 91.81 -, BVerwGE 66, 39 - 47; BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 1982, - BVerwG 2 C 72.81 -, juris).

Bei der Prüfung, ob einer der gesetzlichen Versagungsgründe vorliegt, ist der Behörde weder ein Beurteilungsspielraum noch ein Ermessen eingeräumt. Es handelt sich vielmehr um unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch das Gericht voll überprüft werden können (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1982, a.a.O.). Dabei muss die Behörde allerdings die Gründe, die sie für die Ablehnung der Aussagegenehmigung als maßgeblich erachtet, dem Gericht nicht in vollem Umfang offenbaren. Ausreichend ist es vielmehr, wenn sie ihre Entscheidungsgrundlagen so einleuchtend darlegt, dass das Gericht die Wertung der Behörde unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1982, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger einen Anspruch auf die Erteilung der von ihm begehrten Aussagegenehmigungen gehabt.

Nach § 68 Abs. 1 BBG ist eine Aussagegenehmigung - wie bereits dargestellt - unter anderem dann zu verweigern, wenn die Aussage die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Dieser Versagungsgrund betrifft die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Ihm kommt bei Behörden dann eine besondere Bedeutung zu, wenn in deren Aufgabenbereich zur allgemeinen Amtsverschwiegenheit im Sinne des § 68 Abs. 1 BBG besondere gesetzliche Geheimhaltungsgründe hinzutreten, wobei sich beide Geheimhaltungsbereiche überschneiden können. In diesen Fällen wird den Betroffenen im Umgang mit der Behörde durch das Gesetz Vertraulichkeit mit der Folge zugesichert, dass bei einem Verstoß gegen die gesetzliche Geheimhaltungspflicht der Behörde künftig die erforderlichen Informationen vorenthalten werden könnten (VG Minden, Beschluss vom 17. Dezember 2010, – 10 L 690/10 -, juris).

Hier hat die Beklagte ihre Verweigerung der Aussagegenehmigung mit einem Verstoß gegen das Sozialgeheimnis gem. § 35 Abs. 1 SGB I begründet.

Dieser Vorschrift zufolge hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs. 2 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 SGB X durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren. Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht gem. § 35 Abs. 3 SGB 1 keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

Ausweislich der Legaldefinition in § 67 Abs. 2 SGB X sind Sozialdaten personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden.

Grundsätzlich könnte die Beklagte die Verweigerung der Aussagegenehmigung für ihre in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eingesetzten Bediensteten, die Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes durchführen, daher mit einem möglichen Verstoß gegen § 35 Abs. 1 und 3 SGB I begründen (vgl. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).

Aus zwei selbstständig tragenden Gründen ist dies hier jedoch nicht der Fall:

1. Zum einen ist der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 SGB I angesichts des Beweisthemas nicht berührt. Ausweislich der Ladungen des Landgerichts (Bl. 2 und 4 der BA 001) lautet das etwaige Beweisthema in beiden Fällen:

„Verantwortlichkeit des Beklagten für fehlende Fachkraftbetreuung der klägerischen Kunden; Abrechnung nicht erbrachter Leistungen und stationärer Versorgung in ambulanten Einrichtungen; Unterschreitung des Mindestlohnes; Abrechnung von Überstunden als Fahrtkosten; Firmenfahrzeugüberlassung.“

Sozialdaten sind ausweislich der oben wiedergegebenen Legaldefinition personenbezogene Daten, die von einer der befugten Stellen im Hinblick auf ihre Aufgaben nach dem SGB I verarbeitet werden. Die Zeugenaussagen der beiden Beamten hingegen sollten sich nicht (mehr) darum drehen, dass Namen und Daten der beim Kläger und Widerbeklagten beschäftigten Personen etc. genannt werden – diese sind sämtlichen Beteiligten bekannt -, sondern sollen Details zum mutmaßlichen Vorgehen des im Zivilprozess beklagten ehemaligen Geschäftsführers des Klägers und Widerbeklagtem zum Thema haben und die vorliegenden schriftlichen Ermittlungsergebnisse damit ergänzen. Kernpunkt der Beweisaufnahme sollte dem Thema zufolge das Handeln des Beklagten, dessen Pflichtverletzung der Kläger und Widerbeklagte beweisen muss, sein, und nicht Daten und Namen der Beschäftigten oder weiterer Betroffener.

2. Selbst wenn man den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 SGB I aufgrund der denklogisch dennoch notwendigen und zwangsläufig erfolgenden Nennung von Sozialdaten der Beschäftigten und weiterer Betroffener eröffnet sähe, wäre die Übermittlung dieser Daten zum anderen gem. § 35 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausnahmsweise dennoch zulässig. Gem. § 68 Abs. 1 SGB X dürfen im Einzelfall zur Erfüllung von Aufgaben der Polizeibehörden, der Staatsanwaltschaften und Gerichte, der Behörden der Gefahrenabwehr und der Justizvollzugsanstalten auf Ersuchen Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige Anschrift der betroffenen Person, ihr derzeitiger oder zukünftiger Aufenthaltsort sowie Namen, Vornamen oder Firma und Anschriften ihrer derzeitigen Arbeitgeber übermittelt werden, soweit kein Grund zu der Annahme besteht, dass dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden, und wenn das Ersuchen nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Die ersuchte Stelle ist über § 4 Absatz 3 hinaus zur Übermittlung auch dann nicht verpflichtet, wenn sich die ersuchende Stelle die Angaben auf andere Weise beschaffen kann.

Soweit die Beklagte und Widerklägerin dem unter Hinweis auf Satz 2 der Vorschrift entgegentritt und darauf verweist, dass die Informationen der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte entnommen werden könnten und sie daher nicht zur (erneuten) Datenübermittlung verpflichtet sei, kann ihr darin aus zwei Gründen nicht gefolgt werden.

a. Wie bereits oben (1.) ausgeführt, wird die Zeugenaussage über die „bloße“ erneute Übermittlung von Sozialdaten hinausgehen, so dass der schlichte Verweis auf die dem Kläger bereits aus den Ermittlungsakten bekannten Informationen hier nicht ausreicht. Gerade weil ergänzende Informationen benötigt und eine unmittelbare Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung auch durch das Landgericht für erforderlich gehalten wird, wurden die Beamten als Zeugen geladen. Bereits aus der Ladung selbst und dem Beweisthema ergibt sich, dass die den Akten zu entnehmenden Daten durch ergänzende Angaben unterfüttert werden und ggf. Erläuterungen durch die Beamten gegeben werden sollen. Dass die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Übrigen eine der Prozessmaximen des Zivil- (und auch des Verwaltungs- [BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011, - BVerwG 2 C 28.10 -, BVerwGE 140, 199-209])prozesses ist (statt aller: Kern, Der Unmittelbarkeitsgrundsatz im Zivilprozess, ZZP 2012, 53-73) und welche Folgerungen hieraus für die Beweisaufnahme vor dem Landgericht zu ziehen sind, sollte auch der Beklagten geläufig sein.

b. Zudem verkennt die Beklagte den Zweck des § 68 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Dieser soll verhindern, dass die Sozialträger zu „Ersatzmeldebehörden“ werden und durch Auskunftsersuchen zu Sozialdaten übermäßig belastet werden. Primär sollen weiterhin gerade wegen des Sozialgeheimnisses die Meldebehörden entsprechende Auskünfte geben. Die ersuchenden Stellen sollen zunächst andere Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen (sog. Subsidiaritätsprinzip) (vgl. Rombach in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB X, Kommentar, Loseblatt, § 68 Rn. 41 ff.). Aus diesen Erwägungen folgt, dass § 68 Abs. 1 Satz 2 SGB X der ersuchten Stelle dazu dienen soll, überflüssige Anfragen bezüglich ihr bekannter Meldedaten ablehnen zu können und die Auskunft Suchenden an die originär zuständigen Stellen zu verweisen. Zweck dieser Vorschrift ist jedoch nicht, einem Gericht gegenüber die Auskunft im Hinblick auf Ermittlungsergebnisse und –abläufe unter Verweis auf diesem vorliegende Akten zu verweigern.

Letztendlich weist die Kammer darauf hin, dass der von der Beklagten - angeblich altruistisch - geltend gemachte Datenschutz letztendlich grundrechtlich fundiert in dem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 2019, - BVerwG 2 C 32.18 -, juris [Rn. 15]). Eine verfassungsrechtliche Abwägung hat hingegen immer mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG für den Bereich des öffentlichen Rechts, mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG für den Bereich des Zivilrechts zu erfolgen. Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit einer Zeugenaussage in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist die Kammer - bis zur Grenze der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit - grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden (BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008, - BVerwG 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236-252, Rn. 13 zu einer Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzelner Dritter kann die Beklagte als Grundrechtsverpflichtete nicht geltend machen.

Weitere Gründe für eine Verweigerung der Aussagegenehmigung sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten und Widerklägerin auch nicht geltend gemacht.

Nach alledem war die Widerklage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

In derselben Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 3. Kammer - am 27. Januar 2020 beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG; hierbei hat die Kammer den Streitwert für die Klage und für die Widerklage nicht addiert. Denn die Ansprüche betrafen im Wesentlichen denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).