Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.12.2019, Az.: 3 Ws 325/19 (MVollz)

Unabhängigkeit zweier Gutachter auch bei bezahlter Tätigkeit für ein Land; Zwangsmedikation als Vorbereitung für soziale Rehabilitation

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.12.2019
Aktenzeichen
3 Ws 325/19 (MVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 60632
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2019:1212.3WS325.19MVOLLZ.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 04.11.2019 - AZ: 29 StVK 155/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die gebotene Unabhängigkeit der Sachverständigen bei Anordnung einer Zwangsmedikation im Maßregelvollzug setzt nicht voraus, dass diese nicht im Dienst des Landes stehen.

  2. 2.

    Die Unterrichtung über die Anordnung einer Zwangsmedikation im Maßregelvollzug ist nicht gleichzusetzen mit der Unterrichtung über die vorhergehende Untersuchung; während erste vorrangig dem Gewähren rechtlichen Gehörs dient, dient zweite vorrangig der Klarstellung, dass die Untersuchung nicht Teil der Behandlung durch die Vollzugseinrichtung ist.

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.

Der Wert des Verfahrens wird für beide Instanzen auf bis zu 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover, mit welchem sein gegen die Anordnung der Zwangsmedikation gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wurde. Darüber hinaus hat er beantragt, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zu einer Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen.

1. Ausweislich der von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Feststellungen befindet sich der Antragsteller aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Hannover vom 28. Januar 2019 zur Vollstreckung der hiermit angeordneten Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB im Klinikum R. H. W., dem Antragsgegner. Mit dortiger Entscheidung vom 4. Oktober 2019 ordnete dieser die medikamentöse Behandlung der Anlasskrankheit des Antragstellers gegen dessen Willen an und führte hierzu im wesentlichen aus, dass eine medikamentöse Behandlung der Erkrankung des Antragstellers (paranoide Schizophrenie mit inhaltlichen und formalen Denkstörungen, affektiven Störungen und erheblichen psychosozialen Einschränkungen) dringend erforderlich sei, um das Vollzugsziel einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft sowie eine Entlassung aus der stationären Unterbringung zu erreichen. Dabei sei die Reduktion der Krankheitssymptomatik unabdingbare und wesentliche Voraussetzung für einzelne Behandlungsfortschritte sowie für die Erprobung in Vollzugslockerungen. Der Antragsteller sei krankheitsbedingt nicht fähig, Einsicht in die Schwere der Erkrankung und die Notwendigkeit der Behandlungsmaßnahmen zu entwickeln bzw. entsprechend zu handeln. Krankheitsbedingt sei seine Fähigkeit, adäquat beurteilen zu können, welche Chancen die beabsichtigte Behandlung für seine weitere Lebensperspektive biete, eingeschränkt.

Trotz wiederholter Versuche der zuständigen Stationsärztin, den Antragsteller von der Erforderlichkeit der Behandlung zu überzeugen, sowie nach einer umfassenden Information über die Behandlung an sich, habe dieser seine Zustimmung verweigert. Nach der fachlichen Einschätzung der Klinik überwiege aber der Nutzen der Behandlung deutlich die damit einhergehenden Belastungen und Risiken. Die geplante medikamentöse Behandlung mit flankierenden Kontrollen während des gesamten Behandlungszeitraumes von maximal sechs Monaten sei in Anbetracht der krankheitsbedingten fehlenden Einsichtsfähigkeit in die Schwere der vorliegenden Erkrankung derzeit alternativlos. Nachdem in der Vergangenheit alle bisherigen psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen aufgrund der durchgehenden Verweigerungshaltung des Antragstellers nicht zur Anwendung gelangen konnten, seien nunmehr ausschließlich die im Behandlungsplan aufgeführten Maßnahmen geeignet, um erfolgsversprechend die Anlasserkrankung zu heilen bzw. insoweit zu lindern, dass weitere therapeutische Maßnahmen, aber auch Lockerungen greifen können.

Konkret sei nach der Empfehlung der externen Sachverständigen vom 19. September 2019 eine medikamentöse Behandlung mit Neuroleptika über einen Zeitraum von zunächst maximal sechs Monaten erforderlich. Im einzelnen seien eine orale Medikation mit Olanzapin als Schmelztablette beginnend mit einmal 10 mg nach zwei Tagen eine Steigerung auf 10 bzw. 20 mg mit der Möglichkeit der Erhöhung bei unzureichender Wirkung und niedrigem Serumspiegel bis auf 30 mg pro Tag erforderlich. Bei Agitation bzw. Erregungszuständen sei die zusätzliche Gabe von 10 mg Diazepam bis zu dreimal täglich erforderlich.

2. Der Antragsteller hat sowohl im Rahmen seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung als auch im Rahmen der vorliegenden Rechtsbeschwerde ausgeführt, es sei zunächst fehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin aus der Verweigerungshaltung des Antragstellers folgere, ihm fehle es krankheitsbedingt an einer Einsichtsfähigkeit. Vielmehr beruhe die Verweigerungshaltung gegenüber der geplanten Medikation auf guten Gründen, wie der nicht einschätzbaren Risiken und Nebenwirkungen. Insgesamt sei der Antragsteller gesprächsfähig und es sei durchaus ein freier Wille vorhanden. Darüber hinaus sei die medizinische Zwangsbehandlung unverhältnismäßig, weil sie einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers auf körperliche Integrität und das Selbstbestimmungsrecht darstelle. Ferner seien die beiden Sachverständigen des Indikationsteams nicht unabhängig im Sinne der gesetzlichen Regelung und hätten entgegen dieser nicht zwei Gutachten vorgelegt. Auch sei es rechtswidrig gewesen, dass der Antragsteller sich nicht habe auf die Begutachtung vorbereiten können.

Das niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wurde nach Maßgabe von § 111 Abs. 2 StVollzG beteiligt und hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig im Sinne des § 116 Abs. 1 StVollzG zu verwerfen. Der Beschluss des Landgerichts Hannover sei aus den dort genannten Gründen zutreffend, die Voraussetzungen für eine medikamentöse Zwangsbehandlung nach § 8a Abs. 1 Nds. MVollzG lägen vor.

II.

Der Senat hat davon abgesehen, über den Antrag auf Aussetzung der angefochtenen Entscheidung nach § 114 Abs. 2 StVollzG gesondert zu entscheiden und hat demnach sogleich die in der Hauptsache erforderliche Entscheidung getroffen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG sowohl zur Rechtsfortbildung als auch zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zulässig; der Senat hat sich zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen bislang jedenfalls noch nicht tragend geäußert.

Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts zulässig erhoben; die zugleich erhobene Verfahrensrüge wurde nicht ausgeführt. Eine über den Schriftsatz vom 7. November 2019 hinausgehende Begründung der Rechtsbeschwerde liegt trotz entsprechender Ankündigung nicht vor. Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist am 6. Dezember 2019 abgelaufen. Dass die Rechtsbeschwerde entgegen der Regelung in § 118 Abs. 1 StVollzG keine Anträge enthält, ist unschädlich, da sich Ziel und Umfang des Rechtsmittels ausreichend aus dem Zusammenhang der Beschwerdebegründung ergeben (vgl. nur SBJL-Laubenthal, 7. Aufl., § 118 Rn. 4 m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde gilt hiernach und im Zweifel als im Umfang nicht beschränkt erhoben.

IV.

In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde indessen ohne Erfolg; sie ist unbegründet.

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Anordnung der Zwangsmedikation verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 109 Abs. 2 StVollzG).

1. Die Voraussetzungen, unter denen eine medikamentöse Zwangsbehandlung im Bereich des niedersächsischen Maßregelvollzugs angeordnet werden darf, ergeben sich aus § 8a des niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes (Nds. MVollzG) in der Fassung vom 12. Mai 2015.

Das Gesetz folgt hierbei ausdrücklich den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. März 2011 (AZ.: 2 BvR 882/09, NJW 2011, 2113 [BVerfG 23.03.2011 - 2 BvR 882/09]) für die Anordnung einer Zwangsmedikation aufgestellt hat (vgl. LT-Drucks. 17/1277, S. 10 ff.). Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zufolge kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG, der in der medizinischen Behandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten gegen dessen natürlichen Willen liegt, zur Erreichung des Vollzugsziels gerechtfertigt sein und ist demnach nur zulässig, wenn der Untergebrachte krankheitsbedingt zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht nicht fähig ist. Maßnahmen der Zwangsbehandlung dürfen nur als letztes Mittel und nur dann eingesetzt werden, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, erfolgversprechend und für den Betroffenen nicht mit Belastungen verbunden sind, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen.

Zum Schutz der Grundrechte des Untergebrachten sind demnach besondere verfahrensmäßige Sicherungen geboten und müssen sich die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung sowie für die Anforderungen an das Verfahren aus klaren und bestimmten gesetzlichen Regelungen ergeben. Dem wird die in Niederachsen geltende Regelung ersichtlich gerecht. Insoweit geht der Senat in seiner Rechtsprechung auch auf der Grundlage eigener Prüfung bislang auch davon aus, dass die in § 8a Nds. MVollzG enthaltene Regelung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht und Bedenken an deren Wirksamkeit insoweit nicht bestehen.

2. Aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Voraussetzungen zum Anordnen einer medikamentösen Zwangsbehandlung nach Maßgabe von § 8a Nds. MVollzG auch in der Person des Antragstellers gegeben sind. Insofern hält die angefochtene Entscheidung einer Überprüfung im Verfahren der Rechtsbeschwerde stand. Die vom Antragsteller hiergegen vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.

a) Ausweislich der vom Landgericht frei von Rechtsfehlern und zureichend getroffenen Feststellungen ist der Antragsgegner nach eigener ärztlicher Prüfung und auf der Grundlage der sachverständigen Stellungnahme vom 19. September 2019 zu dem Ergebnis gelangt, dass die in § 8 a Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 Nds. MVollzG benannten Voraussetzungen in der Person des Antragstellers vorliegen, dieser insbesondere zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist (Nr. 1), der ernsthafte, mit dem erforderlichen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer zuständigen Ärztin oder eines zuständigen Arztes, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu der Behandlung zu erreichen, erfolglos geblieben ist (Nr. 4), die Behandlung dem Ziel dient, die untergebrachte Personen leistungsfähig zu machen, (Nr. 5), die Behandlung zur Erreichung ihres Ziels geeignet, nach ihrer geplanten Art und Dauer einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente sowie der begleitenden Kontrollen erforderlich ist, weniger eingreifende Behandlungen aussichtslos sind (Nr. 6) und der Nutzen der Behandlung die mit ihr einhergehenden Belastung und den möglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich überwiegt (Nr. 7).

Soweit der Antragsgegner - über seine Verfahrensbevollmächtigte - demgegenüber und hiervon abweichend vorbringt, seine Verweigerungshaltung gegenüber der Medikation beruhe auf guten Gründen, wie der nicht einschätzbaren Risiken und Nebenwirkungen, insgesamt sei er geschäftsfähig und es sei durchaus ein freier Wille vorhanden, kann er hiermit - zumal im Verfahren der Rechtsbeschwerde - kein Gehör finden. Denn insoweit ist dem Antragsgegner bei seiner Entscheidung aufgrund dessen besonderer Sachkunde ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt (vgl. nur Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 115 StVollzG Rn. 16 m.w.N.), namentlich dahingehend überprüfbar ist, ob die behandelnden Ärzte von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind, ob sich die Entscheidung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegt und ob die angeordnete Behandlung nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen Risiken und Gefahren steht (OLG Celle vom 3. August 2011, StV 2012, 104). Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht; Fehler bei Ausschöpfen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums sind nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller vorgebracht hat, es sei seitens der Klinik nicht in hinreichendem Maße versucht worden, den mutmaßlichen Patientenwillen zu ermitteln. Auch insoweit hat die Kammer zureichende Feststellungen getroffen, nicht zuletzt durch wirksame Inbezugnahme der Stellungnahmen des Antragsgegners nach Maßgabe von § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG. Soweit der Antragsteller dieses Vorbringen als Ausführungen im Rahmen der von ihm erhobenen Verfahrensrüge verstanden wissen sollte, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es der hierbei als solcher in Betracht kommenden Aufklärungsrüge an notwendigem Vortrag fehlt, was die entsprechende Aufklärung an Ergebnissen ergeben hätte.

Dass eine Patientenverfügung im Sinne von § 8a Abs. 1 Nr. 2 Nds. MVollzG nicht vorliegt, haben der Antragsgegner und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer ebenfalls festgestellt.

b) Der Annahme des der Entscheidung zugrunde zu legenden richtigen und vollständigen Sachverhalts steht auch nicht das Vorbringen des Antragstellers entgegen, es fehle an (getrennten) Gutachten zweier unabhängiger Sachverständiger; nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfe es einer vorausgehenden Prüfung der Maßnahme durch Dritte in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung; die gutachterliche Stellungnahme des Indikationsteams werde diesen Voraussetzungen nicht gerecht. Dieses Vorbringen greift nicht durch.

§ 8a Abs. 2 Nds. MVollzG schreibt hierfür fest, dass vor Anordnen einer Behandlung nach Abs. 1 der Vorschrift zwei von der Einrichtung unabhängige Sachverständige das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 Nds. MVollzG in einer schriftlichen Stellungnahme einvernehmlich bestätigen müssen. Eine oder einer der Sachverständigen muss Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein, die oder der andere Sachverständige muss Erfahrung im Umgang mit untergebrachten Personen haben. Diesen Anforderungen wird die gutachterliche Stellungnahme des Indikationsteams vom 19. September 2019 gerecht. Insbesondere handelt es sich bei den benannten Sachverständigen um von der Einrichtung unabhängige Sachverständige. Der Sachverständige Dr. H. ist als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzugzentrum N. in M. tätig und die Sachverständige N. als Diplom-Psychologin im Maßregelvollzugszentrum in B. R., beide mithin ersichtlich nicht in der Einrichtung des Antragsgegners.

Unabhängigkeit im Sinne von § 8a Abs. 2 Satz 1 Nds. MVollzG liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers aber nicht bereits dann nicht vor, wenn die Sachverständigen ebenso wie die behandelnden Ärzte Tätigkeiten im - respektive für - das Land Niedersachsen ausüben. Insofern statuiert die Regelung § 8a Abs. 2 Nds. MVollzG vielmehr ausdrücklich, dass es sich hierbei um zwei von der Einrichtung unabhängige Sachverständige handelt, die weisungsungebunden und unabhängig von der Einrichtung sind, in der die zu begutachtende Person untergebracht ist (vgl. auch LT-Drucks. 17/1277 S. 23). Mehr ist auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 nicht erforderlich. Diese Betrachtung entspricht überdies auch der zu einer vergleichbaren Sachlage in § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO vorgenommenen Regelung für die Annahme eines vom mit dem Vollzug der Unterbringung betrauten psychiatrischen Krankenhauses unabhängigen Sachverständigen. Dass die vorliegend mit der externen Begutachtung beauftragten Sachverständigen in irgendeiner Weise weisungsgebunden von der Einrichtung des Antragsgegners sind, ist nicht ersichtlich. Die Auffassung des Antragstellers, die fehlende Unabhängigkeit beruhe bereits darauf, dass die Sachverständigen ebenso wie die behandelnden Ärzte schließlich vom Land Niedersachsen bezahlt würden (Zitat: "wes' Lied ich sing .."), greift nicht durch.

Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang ebenfalls vorbringt, nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 Nds. MVollzG seien zwei (voneinander unabhängige) Gutachten erforderlich, findet auch dies in der maßgeblichen gesetzlichen Regelung keine Stütze. § 8a Abs. 2 Nds. MVollzG erfordert vielmehr, dass zwei von der Einrichtung unabhängige Sachverständige das Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen in einer schriftlichen Stellungnahme einvernehmlich bestätigen. Dies bedeutet entgegen der Annahme des Antragstellers gerade nicht, dass beide Sachverständige getrennt voneinander begutachten und getrennt voneinander ihre Stellungnahmen abgeben müssen. Dies ist weder von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert noch entspricht es der Intention des niedersächsischen Gesetzgebers. Der gesetzlichen Regelung liegt vielmehr der - nach Auffassung des Senats überdies sachgerechte - Gedanke zugrunde, dass die Sachverständigen "das Ergebnis ihrer Prüfung miteinander beraten und in einer gemeinsam verantworteten Stellungnahme niederlegen" (LT-Drucks. 17/1277, S. 23). Dass die verfassungsmäßigen Rechte des Antragstellers durch diese Regelung und deren Umsetzung durch Beauftragung sogenannter Prognoseteams (vgl. LT-Drucks. a.a.O.) unzulässig beeinträchtigt werden, ist nach alledem nicht ersichtlich.

c) Ebenfalls nicht durchdringen kann der Antragsteller mit seinem Vorbringen, der angefochtenen Maßnahme stehe entgegen, dass er von der zuständigen Ärztin oder dem zuständigen Arzt über die bevorstehende Begutachtung durch die Sachverständigen nicht unterrichtet worden sei (§ 8a Abs. 2 Satz 9 Nds. MVollzG).

Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dem Antragsteller sei bei Ankunft der Sachverständigen in der Einrichtung des Antragsgegners der Besuch zur Begutachtung kurz zuvor telefonisch mitgeteilt worden, was ausreichend gewesen sei. Dies ist von Rechts wegen jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu unterscheiden ist insoweit das Erfordernis der vorherigen Mitteilung über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen im Sinne von § 8a Abs. 1 Nr. 3 Nds. MVollzG und der Unterrichtung der untergebrachten Personen über die bevorstehende Begutachtung durch die Sachverständigen im Sinne von § 8a Abs. 2 Satz 9 Nds. MVollzG. Die vorherige Mitteilung über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen beruht auf dem Erfordernis, die untergebrachte Person über die bevorstehende Anordnung, also die Behandlung, zu informieren (LT-Drucks. a.a.O.) und ihr Gelegenheit zu geben, nach entsprechender Überlegung Rechtsmittel gegen die angeordnete Maßnahme zu ergreifen (vgl. BVerfG a.a.O.). Dies dient der Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG, wonach sichergestellt werden soll, dass betreffende Personen vor Umsetzung einer angeordneten Maßnahme Gelegenheit haben müssen, hiergegen eröffnete Rechtsmittel einzulegen.

Die Unterrichtung der untergebrachten Personen über die bevorstehende Begutachtung dient nach dem Verständnis des Senats bzgl. der ratio legis dieser Vorschrift demgegenüber der Klarstellung für die Untergebrachten, dass das sich anschließende fachärztliche Gespräch nicht Teil der Behandlung durch die Vollzugseinrichtung, sondern vielmehr Gegenstand der hiervon unabhängigen Begutachtung durch externe Sachverständige zur Vorbereitung einer etwaigen Anordnung einer medizinischen Zwangsmedikation ist. Dies ist letztlich auch Ausdruck des aus Art. 1 Abs. 1 GG herzuleitenden verfassungsrechtlichen Grundgedankens, dass niemand zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf, der vorliegend seine konkrete Ausprägung darin findet, den Betreffenden über Anlass und Zielrichtung der sich anschließenden Begutachtung nicht im Unklaren zu lassen. Anders als im Fall der Information über die bevorstehende Medikation bedarf es hierbei auch keiner weiträumig zu setzenden Frist, weil die Begutachtung als solche, die keine ärztliche Behandlungsmaßnahme darstellt, als bis dahin nur vorbereitende Maßnahme ihrerseits mit Rechtsmitteln nicht angefochten werden kann (vgl. nur Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 109 StVollzG Rn. 9 a.E.).

Auch wenn eine Unterrichtung der untergebrachten Personen mit zeitlichem Vorlauf vor der geplanten Begutachtung sicher noch besser geeignet - und hiernach grundsätzlich sinnvoll - ist, um dem sich aus der Regelung des § 8a Abs. 2 Satz 9 Nds. MVollzG ergebenden Zweck gerecht zu werden, wird die Rechtmäßigkeit der hier konkret angefochtenen Maßnahme durch die kurzfristige Unterrichtung des Antragstellers im vorliegenden Fall jedenfalls nicht infrage gestellt.

Ausweislich der von der Strafvollstreckungskammer nach Maßgabe von § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG wirksam in Bezug genommenen und dem Senat hiernach auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde zugänglichen Stellungnahme des Antragsgegners vom 16. Oktober 2019 (Bl. 33, 42 d.A.) wurde der Antragsteller zudem bereits am 30. August 2019 - und zuvor - durch die Stationsärztin über Sinn und Zweck der Begutachtung durch ein Indikationsteam zumindest kurz in Kenntnis gesetzt wurde. Mit seinem dem entgegenstehenden Vorbringen kann der Antragsteller daher nicht durchdringen.

d) Ausweislich der vom Landgericht getroffenen Feststellungen enthält die Anordnung der medizinischen Zwangsmedikation respektive der hierzu erlassene Behandlungsplan auf der Grundlage des externen Sachverständigengutachtens auch hinreichende Angaben über die für erforderlich erachtete Dosierung der im einzelnen benannten Medikamente und eine Begründung zu der für erforderlich erachteten Höchstdauer der Maßnahme von sechs Monaten.

e) Die angefochtene Entscheidung berücksichtigt schließlich auch, dass der Nutzen der Behandlung die mit ihr einhergehenden Belastungen und den möglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich überwiegt (§ 8a Abs. 1 Nr. 7 Nds. MVollzG). Ausweislich der vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen dient die Behandlung der schriftlichen Stellungnahme der externen Sachverständigen zufolge ausdrücklich dem Ziel, den Antragsteller entlassungsfähig zu machen, in dem durch eine (erste) medikamentöse Einstellung die Reduktion der vorliegenden Krankheitssymptomatik und die damit einhergehende mögliche verbesserte Selbst- bzw. Wahrnehmung der Erkrankung ermöglicht wird. Die Maßnahme diene ebenso der sozialen Rehabilitation und der Ausgestaltung eines geeigneten sozialen Empfangsraumes. Schließlich berücksichtigt die angefochtene Entscheidung auch, dass auf der Grundlage der sachverständigen Einschätzung sich nur aufgrund der medikamentösen Behandlung eine realistische Perspektive für eine deliktfreie und psychisch stabile Zukunft des Antragstellers und somit überhaupt erst eine ernsthafte Entlastungsperspektive ergebe. Dass die angefochtene Maßnahme insgesamt unverhältnismäßig ist, ist hiernach nicht ersichtlich.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 StVollzG.

VI.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3, 65 GKG.

VII.

Gegen diesen Beschluss ist nach Maßgabe von § 119 Abs. 5 StVollzG ein Rechtsmittel nicht eröffnet.