Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.11.2024, Az.: 5 U 279/24
Unterlassungsanspruch eines Immobilienmaklers gegen negative Bewertungen bei Google; Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.11.2024
- Aktenzeichen
- 5 U 279/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 25751
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2024:1105.5U279.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 13 O 201/23
Rechtsgrundlagen
- § 820 BGB
- § 1004 BGB
- § 522 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Zu der Frage, ob ein - auf der Insel S. tätiger - klägerischer Immobilienmakler unter Berücksichtigung der speziellen Umstände des vorliegenden Einzelfalles einen Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat, die ihm dadurch entstanden sind, dass er den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung betreffend einer negativen Bewertung auf dem Google-Bewertungsprofil des Klägers durch einen Rechtsanwalt hat auffordern lassen.
- 1.
Zu den Anforderungen eines Anspruchs auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
- 2.
Eine Vorgehensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO kommt auch dann in Betracht, wenn die Berufung insoweit begründet ist, als die erstinstanzliche Kostenentscheidung zugunsten des Berufungsführers abzuändern ist.
Tenor:
- 1.
Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Kostenentscheidung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil dahingehend abgeändert wird, dass der Beklagte die Kosten der ersten Instanz allein trägt.
Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
- 2.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 818,20 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen einer Google-Bewertung des Beklagten.
Der Kläger ist Immobilienmakler auf S. Er verfügt über ein Google-Bewertungsprofil. Der Beklagte buchte bei der M. GmbH eine Ferienwohnung auf S. Die M. GmbH weist dieselbe Anschrift auf wie die des Klägers. Ihre Geschäftsführerin ist die Ehefrau des Klägers. Während der Mietzeit des Beklagten in der Ferienwohnung kam es zu einem Ausfall der Waschmaschine. Der Beklagte beschwerte sich während der Mietzeit darüber in den Räumlichkeiten, in denen auch der Kläger seiner Maklertätigkeit nachgeht. Im weiteren Verlauf gab die Ehefrau des Beklagten eine (negative) Bewertung unter dem Google-Bewertungsprofil des Klägers ab. Der Kläger antwortete darauf in dem Bewertungsprofil, dass er mit ihr in keiner Geschäftsbeziehung stehe und forderte die Ehefrau des Beklagten zur Löschung ihres Beitrages auf, was die Ehefrau des Beklagten auch tat. Daraufhin gab der Beklagte unter dem Google-Bewertungskonto des Klägers eine gleichlautende Bewertung mit einem Stern ab. Der Kläger mahnte nunmehr den Beklagten mit Anwaltsschreiben ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, die der Beklagte nicht abgab. Das Google-Bewertungsprofil des Klägers enthält eine Vielzahl von positiven Bewertungen, die sich nicht auf seine Maklertätigkeit beziehen, sondern auf die Vermittlung von Ferienwohnungen (also die Tätigkeit, die - wie ausgeführt - nicht der Kläger selber ausübt, sondern die M. GmbH seiner Ehefrau). Gegen die positiven Bewertungen unternahm der Kläger nichts; gegen negative Bewertungen im Zusammenhang mit der Ferienvermittlung ging er bisher - zeitlich vor dem hiesigen Verfahren - mindestens zweimal gerichtlich vor.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Unterlassungsanspruches stattgegeben und sie in Bezug auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen. In Bezug auf Letzteres hat das Landgericht ausgeführt, dass einem diesbezüglichen Schadensersatzanspruch des Klägers ein anspruchsausschließendes Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 Abs. 1 BGB entgegenstehe, was das Landgericht mit einem gleichen Layout der Internetseiten des Klägers einerseits und der M. GmbH andererseits, dem Sitz des Klägers sowie der M. GmbH in derselben Räumlichkeit sowie der Vielzahl von Bewertungen von Ferienwohnungen unter dem Bewertungsprofil des Klägers, die dieser nicht zum Anlass genommen habe, seinen Internetauftritt klarer und eindeutiger zu gestalten, begründet hat.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt. Der Beklagte hat weder Berufung noch Anschlussberufung eingelegt.
II.
Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
1.
Die Berufung ist allerdings zulässig. Streitgegenständlich in der Hauptsache sind in dem vorliegenden Berufungsverfahren (allein) die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 818,20 €. Da der Anspruchsteil, auf den diese vorgerichtlichen Kosten sich beziehen (hier: der Unterlassungsanspruch), im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich ist, werden die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von einer ursprünglichen Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO zu einer nunmehrigen Hauptforderung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2013 - VI ZB 53/12, juris Rn. 6).
2. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
a) Es kann dahinstehen, ob dem Kläger für einen solchen Anspruch überhaupt eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht. Da ein Verzug des Beklagten (vgl. dazu z. B. BGH, Urteil vom 25. April 2017 - XI ZR 212/16, juris Rn. 15) nach Maßgabe der hiesigen - unstreitigen - Umstände des vorliegenden Falles nicht in Betracht kommt, könnte der hier streitgegenständliche Anspruch lediglich aus § 823 Abs. 1 BGB hergeleitet werden (vgl. dazu z. B. BGH, Urteil vom 20. Juni 2023 - VI ZR 262/21, juris Rn. 34). Das allerdings hätte zur Voraussetzung, dass dem Beklagten ein Verschulden zur Last zu legen ist. Das Landgericht hat ein solches Verschulden in seinem angefochtenen Urteil bejaht (Ziffer I 2a der Entscheidungsgründe), was der Senat, wäre dies entscheidungserheblich, eigenständig zu überprüfen hätte (wie ggf. auch den vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Mitverschuldenseinwand).
b) Das kann indes dahinstehen. Denn jedenfalls würde der streitgegenständliche Anspruch des Klägers auf der Rechtsfolgenseite scheitern.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person. Hierbei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21, juris Rn. 18).
bb) Gemessen daran gilt Folgendes: Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass eine "geschäftserfahrene Klagepartei" im Einzelfall für bestimmte Tätigkeiten keiner anwaltlichen Hilfe bedarf, weshalb in einem solchen Fall (Einzel-) die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht "erforderlich und zweckmäßig" ist (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 271/09, juris Rn. 9). So liegt es im Ergebnis hier. Dabei verkennt der Senat keineswegs, dass der Kläger kein Jurist ist und die streitgegenständliche Aufforderung an den Beklagten, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, zuvorderst eine rechtliche Tätigkeit darstellt. Indes ist andererseits nicht zu verkennen, dass der Kläger, der von Beruf Immobilienmakler auf S. ist, eine im Geschäftsleben tätige Person ist. Ausweislich der von dem Kläger selbst vorgelegten Urteile des OLG Schleswig vom 16. Mai 2018 (9 U 111/17, Anlage K5, ,Bl. 17 E-Akte) und des Amtsgerichts Winsen (Luhe) vom 13. Februar 2024 (Anlage K 10, Bl. 92.B E-Akte) war der Kläger zudem auch schon mindestens zweimal zeitlich vor dem streitgegenständlichen Vorfall mit einer vergleichbaren Situation konfrontiert, nämlich einer ihm nicht genehmen Bewertung im Internet, wobei die beiden damaligen Fallgestaltungen vom Grundsatz her genauso lagen wie die vorliegende, nämlich, dass die damaligen beiden Beklagten irrtümlich den Kläger als ihren Vertragspartner (bzgl. der Anmietung einer Ferienwohnung; Vertragspartnerin war auch in jenen Fällen stattdessen die von der Ehefrau des Klägers vertretene M. GmbH) angesehen und daher diesen auf dessen Google-Bewertungsprofil bewertet hatten. Schließlich war der Kläger ganz offensichtlich in der Lage, auf die zeitlich vor der streitgegenständlichen durch die Ehefrau des Beklagten erfolgte Bewertung eigenständig zu reagieren, ohne dafür extra einen Rechtsanwalt zu beauftragen, nämlich mit der Aufforderung zur Löschung von deren eigener Bewertung mit der - rechtlich fundierten - Begründung, dass er mit ihr in keiner Geschäftsbeziehung stehe. Dieser eigenen Aufforderung zur Löschung ist die Ehefrau des Beklagten sodann auch nachgekommen.
Betrachtet man sich diese gesamten Umstände des vorliegenden Einzelfalles in einer Gesamtschau, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass es im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung "erforderlich und zweckmäßig" gewesen ist, vorliegend sogleich einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte zu beauftragen.
III.
Allerdings hat die Berufung des Klägers Erfolg, soweit er sich mit dieser auch gegen die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil wendet.
1. Das beruht darauf, dass der Senat mit Beschluss vom 18. September 2024 in dem Verfahren 5 W 100/24 die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung abgeändert und den Streitwert für die erste Instanz auf 10.000 € festgesetzt hat. Nach dieser Maßgabe beträgt das Teilunterliegen des Klägers mit seiner Nebenforderung weniger als 10 % eines fiktiven Streitwerts (was nach der Senatsrechtsprechung der maßgebliche Wert ist, vgl. dazu im Überblick Zöller/Hergert, ZPO, 35. Aufl., § 92, Rn. 11).
2. Auch wenn nach dieser Maßgabe die Berufung des Klägers im Ergebnis zum Teil Erfolg hat, kann der Senat verfahrenstechnisch nach § 522 Abs. 2 ZPO vorgehen, indem er - so beabsichtigt - die Berufung des Klägers "mit der Maßgabe" der Änderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils zurückweist (vgl. dazu z. B. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. März 2006 - 6 U 1022/05, juris Rn. 2).