Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 22.07.2004, Az.: 12 B 2051/04

Außenbereichsvorhaben; Dorfgemeinschaftshaus; Freizeitlärm-Richtlinie; Konfliktbewältigung; Lärmimmissionen; Nebenbestimmung; Rücksichtnahmegebot; TA Lärm

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.07.2004
Aktenzeichen
12 B 2051/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

I. Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung für die zusätzliche Nutzung eines Feuerwehrhauses als Dorfgemeinschaftshaus.

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Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück C. der Flur 1, Gemarkung B. (D.). Das 5.448 qm große Grundstück ist in seinem nordwestlichen Teil auf der Grundlage einer Baugenehmigung des Antragsgegners vom 18.07.1997 mit einem Einfamilienhaus und Nebenanlagen bebaut. Unter dem 07.05.1999 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung für den Neubau eines Feuerwehrhauses auf dem Grundstück Flurstücke E. und F. der Flur 1, Gemarkung B. (G.). Das Grundstück der Beigeladenen grenzt im Süden an den unbebauten östlichen Teil des Grundstücks des Antragstellers. Die Entfernung zwischen dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück des Antragstellers und dem streitbefangenen Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen beträgt etwa 50 m. Beide Gebäude liegen in einem Bereich, der im Flächennutzungsplan der Beigeladenen als Wohnbaufläche (W) dargestellt ist. Ein Bebauungsplan existiert für dieses Gebiet nicht.

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Im Jahre 2000 kam es erstmals zu Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen durch vom genehmigten Nutzungszweck nicht umfasste öffentliche und private Veranstaltungen in dem Feuerwehrhaus und auf der (zunächst) ungenehmigt errichteten Terrasse auf der Nordseite des Gebäudes. Nach Erlass einer Nutzungsordnung und Einholung eines schalltechnischen Gutachtens durch die Beigeladene erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen nach Beteiligung des Antragstellers unter dem 21.08.2003 eine Baugenehmigung für die zusätzliche Nutzung des Feuerwehrhauses B. als Dorfgemeinschaftshaus, bauliche Änderungen, die Terrasse, die Errichtung einer Eingangsüberdachung und 8 Stellplätze. Das schalltechnische Gutachten vom 01.07.2002 und die Nutzungsordnung vom 09.04.2002 sind - letztere als verbindliche Betriebsbeschreibung - Bestandteile des Genehmigungsbescheides. In der Baugenehmigung wird dem Betreiber - das ist nach § 2 der Nutzungsordnung die Freiwillige Feuerwehr H., Ortswehr B. - aufgegeben, ein Veranstaltungsbuch zu führen, in dem sämtliche Veranstaltungen mit Angabe des jeweiligen Zeitraumes, des Veranstalters und der verantwortlichen Aufsichtspersonen festzuhalten sind (Auflage Nr. 4). Darüber hinaus enthält die Baugenehmigung (u. a.) mehrere Lärmschutzauflagen, begrenzt die Anzahl der Besucher auf max. 90 (Aufl. Nr. 9), beschränkt die Zahl der Veranstaltungen, die über 22:00 Uhr hinausgehen, auf max. 10 pro Kalenderjahr (Aufl. Nr. 7) und verbietet die Nutzung der Außenflächen, insbesondere der Terrasse, in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr (Aufl. Nr. 11). Für die Vermeidung von Lärm nach 22.00 Uhr hat der jeweilige Veranstalter Sorge zu tragen (Aufl. Nr. 6 und Nr. 11). Die Einwendungen des Antragstellers und anderer Anlieger werden, soweit sie nicht in den Auflagen berücksichtigt worden sind, abgelehnt und die zusätzliche Nutzung des Feuerwehrgerätehauses als Dorfgemeinschaftshaus in bauplanungsrechtlicher Hinsicht („Anlage für soziale Zwecke“) für zulässig und die Lärmimmissionen unter Zugrundelegung der Richtwerte der TA-Lärm für ein allgemeines Wohngebiet für zumutbar gehalten.

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Der Antragsteller hat gegen die ihm zugestellte Baugenehmigung am 17.09.2003 Widerspruch erhoben und zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung gestellt, der nicht beschieden worden ist.

5

Die Beigeladene hat Widerspruch gegen die Auflage Nr. 7 der Baugenehmigung erhoben, mit dem Begehren, die Zahl der jährlich maximal zugelassenen 10 Veranstaltungen, die über 22.00 Uhr hinaus gehen dürfen, auf 14 zu erhöhen.

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Über die Widersprüche des Antragstellers und der Beigeladenen ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden.

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Mit dem am 23.04.2004 eingegangenen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz macht der Antragsteller geltend, dass die ohne vorherige Anhörung der Anlieger vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung für ein Feuerwehrhaus einen „Etikettenschwindel“ darstelle und von vornherein eine Nutzung als Dorfgemeinschaftshaus geplant gewesen sei. Dafür spreche schon die verkehrstechnisch unzureichende Lage. Ein Dorfgemeinschaftshaus sei in dem Gebiet, das aufgrund seiner tatsächlichen Nutzung als reines Wohngebiet zu qualifizieren sei, bauplanungsrechtlich unzulässig. Neben einer Möbellagerhalle und dem Feuerwehrgebäude gebe es 34 Einfamilienhäuser. Das schalltechnische Gutachten gehe insoweit von falschen Voraussetzungen aus und werde der tatsächlichen Situation nicht gerecht. Die Bauantragsunterlagen seien hinsichtlich des Feuerwehrübungsplatzes unvollständig und die Räumlichkeiten lärmschutztechnisch nicht für ein Dorfgemeinschaftshaus ausgelegt. Die Auflagen und Bedingungen der Baugenehmigung seien nicht erfüllt bzw. würden insbesondere bei einer Fremdnutzung nicht eingehalten. Der Antragsteller hat hierzu eine Veranstaltungsübersicht vorgelegt, die den Zeitraum 05.05.2000 bis 10.04.2004 umfasst.

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Er beantragt,

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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 16.09.2003 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.08.2003 anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er verteidigt die angefochtene Baugenehmigung und führt aus, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit unerheblich sei, wie und in welchem Umfang das streitbefangene Gebäude derzeit genutzt werde bzw. in der Vergangenheit genutzt worden sei. Rechtlich ohne Bedeutung sei es auch, ob von Anfang an die Nutzung als Dorfgemeinschafts- und nicht als Feuerwehrhaus geplant gewesen sei. Im Übrigen werde die Behauptung, der Bürgermeister der Beigeladenen habe bereits im August 2001 signalisiert, dass man von Anfang an die Errichtung eines Dorfgemeinschaftshauses geplant habe, bestritten. Dem Lärmschutzbedürfnis der Anlieger sei durch die Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung hinreichend Rechnung getragen worden. Für darüber hinausgehende Maßnahmen habe der Antragsgegner nicht zu sorgen. Insbesondere sei es nicht seine Aufgabe, eine Nutzung, die über das in der Baugenehmigung erlaubte Maß hinausgehe, zu unterbinden, indem die Vollziehung ausgesetzt werde. Da es in dem Gebiet, in dem sich das streitbefangene Gebäude befinde, neben Wohnhäusern auch noch eine Lagerhalle gebe, lasse sich das fragliche Baugebiet keiner der in §§ 2 bis 11 BauNVO erfassten Kategorien eindeutig zuordnen. Wegen der gemischten Bebauung sei der Antragsgegner bei der Frage der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen vom Vorliegen eines allgemeinen Wohngebietes ausgegangen.

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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

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den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzulehnen.

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Die Baugenehmigung verletze den Antragsteller nicht in eigenen Rechten. Die Baugenehmigung sei erst erteilt worden, nachdem die Beigeladene das Lärmgutachten eines einschlägig erfahrenen und renommierten Ingenieurbüros beigebracht habe, durch das belegt werde, dass der Antragsteller auch durch Lärmeinwirkungen nicht beeinträchtigt werde. Die tatsächliche Ausnutzung halte sich im Rahmen der Baugenehmigung. Auf den davon abweichenden Vortrag des Antragstellers komme es, da nicht Streitgegenstand, schon aus Rechtsgründen nicht an. Im übrigen verweist die Beigeladene auf ihr Vorbringen im Verfahren 12 A 1736/02. Dort hat sie u.a. ausgeführt, dass die zusätzliche Nutzung des Feuerwehrhauses mit den Interessen der Nachbarn vereinbar sei, weil das Gebiet im Hinblick auf die tatsächliche Bebauung mit einem Dorfgebiet i. S. d. § 5 BauNVO vergleichbar und die Geräusche als ortsüblich anzusehen seien.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und den Inhalt der Gerichtsakte 12 A 1736/02 nebst Beiakten Bezug genommen.

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II. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch ohne die nach §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vorgeschriebene Entscheidung des Antragsgegners über die Anträge des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung vom 16.09.2003 und 15.04.2004 zulässig. Es erscheint schon problematisch, dass der Antragsgegner die Widerspruchsbegründung vom 06.10.2003 nicht zugleich als Begründung für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Baugenehmigung hat ausreichen lassen. Ob deshalb die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO gegeben sind, kann hier jedoch unentschieden bleiben, weil die Beigeladene das streitbefangene Feuerwehrhaus aufgrund der Baugenehmigung vom 21.08.2003 zusätzlich als Dorfgemeinschaftshaus nutzt bzw. nutzen lässt (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO).

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Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

19

Nach §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Nachbarn, von der Vollziehung der angegriffenen Baugenehmigung verschont zu bleiben, das Interesse des Bauherrn an ihrer Ausnutzung überwiegt. In Verfahren des einstweiligen Nachbarrechtsschutzes kommt den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt kann dabei in aller Regel aber nur summarisch überprüft werden. Danach spricht derzeit Überwiegendes für die Annahme, dass der fristgerecht erhobene Widerspruch des Antragstellers voraussichtlich Erfolg haben wird, weil die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 21.08.2003 das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nicht hinreichend beachtet. Die Kammer geht bei der Auslegung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers davon aus, dass dieser sich ausweislich seiner Antragsbegründung nicht gegen die Baugenehmigung vom 21.08.2003 insgesamt, sondern (lediglich) gegen die damit zugelassene zusätzliche Nutzung des Feuerwehrhauses einschließlich der Terrasse als Dorfgemeinschaftshaus wendet. Soweit die Baugenehmigung Baumaßnahmen gestattet („bauliche Änderungen, Terrasse, Errichtung einer Eingangsüberdachung, Stellplätze“) käme vorläufiger Rechtsschutz mit dem in der Antragsschrift formulierten Begehren nicht mehr zum Zuge, weil diese Baumaßnahmen zwischenzeitlich realisiert sein dürften. Einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO hat der Antragsteller nicht gestellt.

20

Die zusätzliche Nutzung des auf der Grundlage der Baugenehmigung des Antragsgegners vom 07.05.1999 errichteten Feuerwehrhauses als Dorfgemeinschaftshaus durch die angefochtene Baugenehmigung ist bei summarischer Prüfung bauplanungsrechtlich rechtswidrig. Nach den der Kammer vorliegenden Lageplänen und dem von dem Antragsgegner mit Schriftsatz vom 28.06.2004 auf Anforderung des Gerichts vorgelegten Luftbild dürfte es sich (nach wie vor) um ein Außenbereichsvorhaben handeln, weil es aufgrund seiner exponierten Lage nicht Bestandteil der zusammenhängenden Bebauung entlang den Straßen I. und J. ist. An der Straße J. endet der Bebauungszusammenhang i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ersichtlich mit den Wohnhäusern K..

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Die genehmigte Nutzung ist nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert. Die der Baugenehmigung für das Feuerwehrhaus vom 07.05.1999 zugrunde liegende Einschätzung des Antragsgegners, dass es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB handele, trifft auch für die streitbefangene zusätzliche Nutzung als Dorfgemeinschaftshaus zu. Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich hätte diese zusätzliche Nutzung nur zugelassen werden dürfen, wenn sie öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Hier befindet sich in der Nähe des streitbefangenen Außenbereichvorhabens eine verdichtende Wohnbebauung, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122) kann bei der Bemessung dessen, was den durch ein Vorhaben betroffenen Nachbarn zugemutet werden kann, auf die Begriffsbestimmungen des § 3 BImSchG zurückgegriffen werden. Danach handelt es sich bei schädlichen Umwelteinwirkungen um Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Es kommt also wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, aaO.).

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Das Grundstück des Antragstellers war schon vor der Genehmigung der hier streitbefangenen Nutzung mit einem Einfamilienhaus bebaut, das der Antragsgegner auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB genehmigt hat. Da es nur etwa 50 m vom streitbefangenen Vorhaben entfernt liegt und der genehmigte Gemeinschaftsraum sowie die Terrasse des Feuerwehrhauses nach Norden ausgerichtet sind, gehört der Antragsteller unzweifelhaft zum Kreis der Nachbarn, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Zwar kann der Antragsteller seinen Schutzanspruch nicht aus den Festsetzungen eines Bebauungsplans herleiten. Aber selbst Nachbarn, die im Außenbereich oder in einer Randlage zum Außenbereich wohnen, können Schutz vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen durch ein (hinzutretendes) Außenbereichsvorhaben verlangen. Das Einfamilienhaus des Antragstellers liegt in einem Bereich, in dem Wohnbebauung vorherrscht. Den Schutz eines reines Wohngebiets wird der Antragsteller jedoch entgegen seiner Auffassung nicht in Anspruch nehmen können. Zum einen ist das Gebiet dadurch vorbelastet, dass sich an der Straße I. in einer Entfernung von etwa 40 m zum Einfamilienhaus des Antragstellers bereits das alte Feuerwehrhaus befand, eine Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen zu Feuerwehrzwecken mithin als ortsüblich anzusehen sein dürfte. Zum anderen liegt in der näheren Umgebung ein Lagergebäude, das nach den Maßstäben der BauNVO in einem reinen Wohngebiet nicht zulässig wäre (vgl. § 3 BauNVO). Die von der Beigeladenen im Verfahren 12 A 1736/02 (als Beklagte) nach der tatsächlichen Bebauung vorgenommene Qualifizierung des Gebiets als Dorfgebiet teilt die Kammer ebenfalls nicht. Das würde voraussetzen, dass sich in der näheren Umgebung noch Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe befänden (vgl. § 5 Abs. 1 BauNVO). Die noch in B. betriebenen landwirtschaftlichen Hofstellen liegen jedoch nach dem Vortrag des Antragsgegners (Schriftsatz vom 28.06.2004) in einer Entfernung von ca. 600 bzw. 800 m Luftlinie vom Dorfgemeinschaftshaus. Mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren teilt die Kammer die von dem Antragsgegner in der angefochtenen Baugenehmigung (Seite 4) vertretene Ansicht, dass hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des Antragstellers von einem allgemeinem Wohngebiet i. S. d. § 4 BauNVO auszugehen ist. Diese Einstufung liegt im übrigen auch dem im Auftrag der Beigeladenen erstellten schalltechnischen Gutachten vom 01.07.2002 zugrunde (vgl. Seite 4 des Gutachtens) und entspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (W).

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Für Lärmimmissionen eines Dorfgemeinschaftshauses gibt es allerdings keine normativ festgelegten Grenzwerte. Qualifiziert man das Dorfgemeinschaftshaus wie der Antragsgegner als im allgemeinen Wohngebiet zulässige Anlage für soziale Zwecke (Baugenehmigung Seite 4), was nach Überzeugung der Kammer der durch die Nutzungsordnung zugelassenen Nutzungsvielfalt nicht gerecht wird, unterfiele die Anlage nicht der bei der Erteilung der Baugenehmigung zugrunde gelegten TA Lärm (vgl. Nr. 1 Satz 2 lit. h TA Lärm). Auch die Heranziehung der sog. Freizeitlärm-Richtlinie (Gem. RdErl. d. MU, d. MI, d. ML u. d. MW v. 08.01.2001, Nds.MBl. 2001, 201) im schalltechnischen Gutachten (Seite 3) ist nicht unproblematisch, weil die dort unter Nr. 1 - allerdings nur beispielhaft („insbesondere“) - aufgeführten Freizeitanlagen ein Dorfgemeinschaftshaus nicht umfassen. Diese technischen Regelwerke dürfen bei der Frage der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigungen für den Antragsteller daher nicht schematisch, sondern nur als Orientierungshilfe im Sinne eines „groben Anhalts“ herangezogen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.01.1994 - 4 B 16.94 - NVwZ-RR 1995, 6).

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In Anbetracht der hier immissionsschutzrechtlich problematischen örtlichen Verhältnisse (Hanglage des streitbefangenen Vorhabens, Nähe zur Wohnbebauung) und den zugelassenen vielfältigen Nutzungszwecken kann die Störwirkung nicht allein an Beurteilungspegeln gemessen werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.01.1988 - 1 OVG B 74/87 -, DWW 1988, 220). Bei der Frage der Einhaltung der in der TA Lärm unter Nr. 6.1 Satz 1 lit. d) aufgeführten Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) ist in Rechnung zu stellen, dass realistischerweise zu erwartende laute Einzelgeräusche durch Musik, Starten von Fahrzeugen, Zuschlagen von Türen, lautes Rufen und Gelächter etc. teils wegen ihrer Informations-, teils wegen der Impulshaltigkeit erheblich störender sind als ein daraus errechneter Dauerpegel. Dem kann nach der TA Lärm nur begrenzt durch Zuschläge Rechnung getragen werden. In besonderem Maße wirken sich die Informations- und Impulshaltigkeit von Geräuschen in der Nachtzeit aus, wo gerade Einzelgeräusche weitaus störender wirken als ein konstanter Dauerpegel (z. B. einer gleichförmig arbeitenden Fabrikationsstätte), da sie geeignet sind, Menschen beim Einschlafen zu stören bzw. daran zu hindern oder den Schlaf zu unterbrechen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.1992 - 7 A 11904/91 - in IURIS, zu Lärmimmissionen eines Dorfgemeinschaftshauses).

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Der bei summarischer Prüfung vom Ansatz her nicht zu beanstandenden Bemessung der Schutzwürdigkeit des Antragstellers nach den Immissionsrichtwerten für ein allgemeines Wohngebiet hat der Antragsgegner nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht durch hinreichende Vorkehrungen zur Einhaltung der Richtwerte in der Baugenehmigung Rechnung getragen (vgl. dazu NdsOVG, Beschl. v. 25.11.1994 -1 M 4954/94 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank des NdsOVG; Große-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/ Wiechert, Kommentar zur NBauO, 7. Aufl., § 75 Rdnr. 59). Zwar mag es noch unschädlich sein, dass die Einhaltung dieser Richtwerte (und der Richtwerte für die als sog. seltene Ereignisse nach Nr. 6.3 TA Lärm gestatteten maximal 10 Sonderveranstaltungen pro Jahr) nicht ausdrücklich in der Baugenehmigung angeordnet worden ist. Das als Anlage zur Baugenehmigung deklarierte und mit einem Prüfvermerk vom 18.08.2003 versehene schalltechnische Gutachten vom 01.07.2002 geht von den einschlägigen Immissionsrichtwerten der TA Lärm aus (vgl. allerdings zum Problem der Bestimmtheit der Bezugnahme auf solche Gutachten: Große-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/Wiechert, aaO., m. w. N.). Außerdem hat der Antragsgegner den im schalltechnischen Gutachten für möglich angesehenen Überschreitungen durch Auflagen zur Baugenehmigung Rechnung getragen. Bei der Abfassung dieser Auflagen ist aber nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Nutzung eines Vorhabens schwerer zu überwachen ist als die bauliche Ausgestaltung (vgl. Grosse-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, aaO.). Die Baugenehmigung „krankt“ daran, dass den teilweise sehr diffizilen Auflagen (z. B. Nr. 7 und Nr. 8) keine wirksamen Kontrollmechanismen gegenüberstehen, sodass der Nachbarschaftskonflikt zwar „auf dem Papier“ bewältigt scheint, nicht jedoch in der Realität (vgl dazu auch NdsOVG, Beschl. v. 25.11.1994, aaO.). Insofern hat die von dem Antragsteller substantiiert vorgetragene Überschreitung der Nebenbestimmungen der angefochtenen Baugenehmigung entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen auch Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und der Verletzung von Nachbarrechten (vgl. dazu auch NdsOVG, Urt. v. 25.03.1996 - 6 L 5539/94 - BRS 58 Nr. 165). Was für die (bloße) Festsetzung von Grenzwerten in einer Genehmigung, deren Einhaltung nicht gewährleistet ist, anerkannt ist (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 25.11.1994, aaO.), gilt nach Auffassung der Kammer entsprechend bei der Umsetzung von Vorgaben eines Gutachtens in Nebenbestimmungen, deren Einhaltung nicht hinreichend abgesichert ist und deren Überwachung den Nachbarn unzumutbar belastet.

26

Hier hat der Antragsgegner hinreichende Vorkehrungen dafür, dass die Auflagen und damit die maßgeblichen Immissionsrichtwerte auch tatsächlich zum Schutz der Nachbarschaft eingehalten werden, in der Baugenehmigung und deren Bestandteilen nicht getroffen. Hinzu kommt, dass die Immissionsprognose des schalltechnischen Gutachtens in einigen Punkten Fragen aufwirft, deren Beantwortung (zunächst) dem Widerspruchsverfahren vorzubehalten ist.

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So beschränkt die angefochtene Baugenehmigung zwar die Anzahl der Besucher der in der Nutzungsordnung geregelten Veranstaltungen auf max. 90. Aus der Baugenehmigung (einschl. der Nutzungsordnung) lässt sich aber nicht entnehmen, wer und wie diese Beschränkung überwacht (wird). In dem nach Auflage Nr. 4 von dem Betreiber zu führenden Veranstaltungsbuch muss die Anzahl der Besucher nach dem Inhalt dieser Nebenbestimmung nicht aufgeführt werden. Wie bei einer Anzahl von bis zu 90 Besuchern in Anbetracht der bei schöner Wetterlage anzunehmenden Fluktuation kontrolliert werden soll, ob sich 30 oder mehr als 30 Personen außerhalb des Gebäudes aufhalten, so dass nach Nr. 7 der Auflagen eine von max. 10 Sonderveranstaltungen gegeben ist oder nicht, bleibt offen; eine wirksame Kontrolle erscheint unrealistisch.

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Hinsichtlich der Dauer der Veranstaltungen sehen die Nebenbestimmungen zwar vor, dass der „Betreiber“ ein Veranstaltungsbuch zu führen hat, in dem sämtliche Veranstaltungen mit Angabe des jeweiligen Zeitraumes einschließlich der Vor- und Nachbereitungszeiten am Veranstaltungsort aufzuführen sind. Wie die Überwachung des (davon zu unterscheidenden) “Veranstalters“ und der „verantwortlichen Aufsichtsperson“ durch den Betreiber erfolgt, dazu verhält sich die Baugenehmigung und die Nutzungsordnung als deren Bestandteil aber nicht. Auch insoweit ist die Einhaltung der Auflagen Nr. 7 und 8, die die Nichtüberschreitung der für „seltene Ereignisse“ nach Nr. 6.3 der TA Lärm zu beachtenden Immissionsrichtwerte gewährleisten sollen, nicht sichergestellt. Dass die Sorge für die Einhaltung der Nachtruhe (22:00 bis 06:00 Uhr) dem jeweiligen Veranstalter selbst übertragen wird, wie dies in den Auflagen Nr. 6 und 11 der Baugenehmigung geschehen ist, erscheint von vornherein als untauglich. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die quasi gastronomische Nutzung problematisch, weil sich der Betreiber damit der an sich ihm unterliegenden Überwachungsaufgabe entledigt und sie im Ergebnis den Gästen überlässt.

29

Das schalltechnische Gutachten geht bei seiner Immissionsprognose davon aus, dass die regelmäßige Nutzung des Gemeinschaftsraumes gemäß der Betriebsbeschreibung (Nutzungsordnung) um 21:45 Uhr beendet wird und dementsprechend ein Pkw-Verkehr nach 22:00 Uhr nicht mehr stattfindet (Seite 3 des Gutachtens). Auch dies erscheint bei einer zulässigen Zahl von bis zu 90 Besuchern nicht realistisch. Es entspricht der Lebenserfahrung und wird von dem Antragsteller wohl zu Recht beklagt, dass Gespräche und Verabschiedungen vor Abfahrt der Pkws noch im Freien fortgesetzt werden. Der dadurch entstehende Sekundärlärm wird in dem schalltechnischen Gutachten - soweit ersichtlich - nicht untersucht. Eine Begrenzung der Nutzungszeit auf 21:30 Uhr dürfte dem Interesse der Nachbarschaft an einer ungestörten Wohnruhe insofern eher gerecht werden (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.01.1988, aaO.).

30

Das schalltechnische Gutachten legt des weiteren bei der Berechnung der vom Parkplatz ausgehenden Emissionen entsprechend der Zahl der genehmigten Stellplätze 8 Pkw-Abfahrten in der „ungünstigsten Nachtstunde“ zugrunde (Gutachten S. 10). Bei einer maximal zulässigen Zahl von 90 Besuchern drängt es sich jedoch auf, dass die Zahl der Einstellplätze zu gering ist und die Zufahrtsstraße zu Parkzwecken teilweise mit in Anspruch genommen wird. Diese Annahme des Gerichts gründet sich darauf, dass das Dorfgemeinschaftshaus am Rande des Ortsteils liegt. Zwar ist die private Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses nach der Nutzungsordnung Einwohnern aus B. vorbehalten und auf die Zeit von donnerstags bis sonntags beschränkt. Die insoweit angedachten Veranstaltungen, nämlich Feiern aus besonderen Anlässen wie Ehejubiläen, runde Geburtstage, „Beerdigungskaffee“ (vgl. die Anlage zum Bauantrag der Beigeladenen vom 14.12.2000 „Feuerwehrhaus im Stadtteil B. - Festlegung der vorgesehenen Nutzungen“), werden es aber mit sich bringen, dass gerade auch auswärtige Gäste mit Kraftfahrzeugen das Dorfgemeinschaftshaus anfahren.

31

Aufgrund der örtlichen Verhältnisse dürfte das Grundstück des Antragstellers Lärmimmissionen besonders bei Veranstaltungen in den Sommermonaten mit Musik im Gemeinschaftsraum und einer gleichzeitigen Nutzung der Terrasse ausgesetzt sein. Insoweit sieht die Baugenehmigung zwar vor, dass die regelmäßigen Nutzungen um 21:45 Uhr beendet sein müssen und Fenster und Türen ab 20:00 Uhr geschlossen zu halten sind, wenn es zu Live-Musik oder zu akustisch verstärkter Musik oder dem Einsatz von Mikrofonen kommt. Das ergibt sich aus § 10 der Nutzungsordnung als Bestandteil der Baugenehmigung. Unklar ist aber insoweit, was mit dem Satz „Die Nutzung der Terrasse regelt sich analog“ gemeint ist. Sofern damit Musik oder Mikrofoneinsatz auf der Terrasse bis 20:00 Uhr zugelassen werden soll, hätte dies bei der Immissionsprognose im schalltechnischen Gutachten berücksichtigt werden müssen. Die Auflagen der Baugenehmigung schließen eine derartige Nutzung jedenfalls nicht aus. Das schalltechnische Gutachten setzt bei seiner Annahme, durch den Teilschallpegel der Terrasse werde hinsichtlich der Immissionsrichtwerte am Tage kein relevanter Immissionsbeitrag geleistet (Gutachten S. 19), unter anderem voraus, dass die Durchführung von Live-Musik-Darbietungen und die Einspielung elektro-akustisch verstärkter Musik im Bereich der Terrasse ausgeschlossen wird.

32

Ob der besonderen Auffälligkeit des Geräusches mit einem Zuschlag von 3 dB (Gutachten Seite 8) hinreichend Rechnung getragen worden ist, erscheint ebenfalls überprüfungsbedürftig. Der von dem Gutachter verwendete theoretische Ansatz für die Prognose der Geräuschimmissionen aus Biergärten ist hinsichtlich der effektiven Einwirkzeit eines Gastes pro Stunde seiner Anwesenheit nicht unumstritten, weil sich das Kommunikationsbedürfnis - je nach Alkoholumsatz - steigern kann (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 07.11.1996 - 1 M 5501/06 - BRS 58 Nr. 70). Damit könnte auch der errechnete Mittelungspegel von 70 dB(A) pro anwesender Person unter Umständen höher anzusetzen sein.

33

Im Hinblick auf die bei Anwendung technischer Lärmschutzrichtlinien letztlich maßgebenden Verhältnisse des Einzelfalls und der Besonderheiten des Gebiets (vgl. NdsOVG, Urt. v. 25.03.1996 - 6 L 5539/94 - BRS 58 Nr. 165) erscheint eine schalltechnisch isolierte Betrachtung der Terrasse ohnehin problematisch. Der Gutacher weist selbst darauf hin, dass bei der Einspielung von Live-Musik bzw. elektro-akustisch verstärkter Musik innerhalb des Gemeinschaftsraums darauf geachtet werden sollte, dass die Terrassentür geschlossen gehalten wird. Nach der Nutzungsverordnung (§ 10) hat dies allerdings erst ab 20:00 Uhr zu geschehen. Die isolierte Betrachtung von Veranstaltungen im Gemeinschaftsraum und auf der Terrasse dürfte gerade in der Sommerzeit den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht werden.

34

Die Nutzung der Terrasse ist nach der Baugenehmigung zwar grundsätzlich ab 22:00 Uhr ausgeschlossen (vgl. Auflage Nr. 9 und § 10 der Nutzungsordnung). Insoweit gilt nach dem Verständnis der Kammer keine Ausnahme für die maximal 10 pro Kalenderjahr als „seltene Ereignisse“ zugelassenen Sonderveranstaltungen. Auch insoweit „krankt“ die Baugenehmigung aber daran, dass die Verpflichtung, alle Türen und Fenster des Gemeinschaftsraumes ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten und die Terrasse nicht zu nutzen, allein in der Verantwortlichkeit des jeweiligen Veranstalters liegt (vgl. Auflagen Nr. 6 und Nr. 11 der Baugenehmigung). Da die Baugenehmigung keine Vorkehrungen gegen ein jederzeit mögliches Öffnen der Türen und Fenster enthält und auch sonst keine effektiven Kontrollmechanismen vorsieht, wird die Überwachung letztlich den betroffenen Nachbarn überantwortet, womit ständige Nachbarschaftskonflikte vorprogrammiert sind.

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In dem schalltechnischen Gutachten (Seite 7) wird darauf hingewiesen, dass insbesondere bei Einspielung elektro-akustisch verstärkter Musik ein hoher Anteil tieffrequenter Geräusche bzw. ein möglicher Pegelzuschlag für eine Ton- bzw. Informationshaltigkeit der Geräusche zu berücksichtigen und die Einhaltung des Immissionsrichtwertes für allgemeine Wohngebiete für den Regelfall nicht von vornherein sichergestellt sei (Gutachten S. 17 f.). Zur Einhaltung der „Regelfallrichtwerte“ in der Nachtzeit wird deshalb der Einbau eines Pegelbegrenzers (in die Baugenehmigung nicht übernommen) oder als Alternative die Beschränkung von Veranstaltungen in der Nachtzeit auf max. 18 vorgeschlagen (in der Baugenehmigung reduziert auf max. 10). Die von dem Gutachter herangezogene Freizeitlärm-Richtlinie i. V. m. Nr. 7.2 TA Lärm ist hier jedoch wegen der genehmigten Nutzungsvielfalt nicht (schematisch) anwendbar. Damit ist auch fraglich, ob und in welchem Umfang die dort geregelten sog. seltenen Ereignisse dem Antragsteller (und der Nachbarschaft) überhaupt zugemutet werden können. Der Antragsgegner argumentiert damit, dass in der Gebietskategorie „WA“ Anlagen für kulturelle und soziale Zwecke allgemein zulässig seien (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Die durch die Nutzungsordnung zugelassenen Veranstaltungen wie Sitzungen kommunaler Gremien und Versammlungen örtlicher Vereine, Realverbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts können diesen Zweckbestimmungen aber nicht ohne weiteres untergeordnet werden. Die erlaubte private Nutzung durch Einwohner aus B. hat einen kommerziellen Charakter (vgl. § 5 der Nutzungsordnung). Die Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses zu diesem Zweck kann nicht mit einer im allgemeinen Wohngebiet zulässigen „der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaft“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) gleichgesetzt werden. Das Dorfgemeinschaftshaus soll nicht nur dem im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche (W) ausgewiesenen Bereich dienen, sondern dem gesamten Ort B., der in seinem Kern im Flächennutzungsplan als gemischte Baufläche (M) dargestellt ist. Darüber hinaus soll sie auch anderen Orten des Ortsteils L. der Beigeladenen (z. B. Haddessen) dienen. Bauplanungsrechtlich gehört ein Dorfgemeinschaftshaus wegen der vielfältigen Nutzungen zudem ohnehin eher in ein Kern- oder Dorfgebiet (vgl. OVG Rheinland- Pfalz, Urt. v. 17.03.1992, aaO.).

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Nach allem bestehen bei summarischer Prüfung derzeit erhebliche Zweifel daran, dass die angefochtene Baugenehmigung dem nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme ausreichend Rechnung trägt. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen gewichtet die Kammer das Interesse des Antragstellers an einer möglichst ungestörten Wohn- und insbesondere Nachtruhe höher als das Interesse des Antragsgegners und der Beigeladenen, die ursprünglich als Feuerwehrhaus genehmigte bauliche Anlage Nutzungszwecken zur Verfügung zu stellen, die an sich bauplanungsrechtlich in ein Dorf- oder Kerngebiet gehören. Die Beigeladene hat zwar in dem Verfahren 12 A 1736/02 (als Beklagte) geltend gemacht, dass in dem Ortsteil L., zu dem B. gehöre, keine Gaststätte mehr existiere, die für die zugelassenen Zwecke genutzt werden könne (Schriftsatz vom 25.10.2001). Demgegenüber ist von dem Kläger jenes Verfahrens auf das Vereinsheim des Schützenvereins B., andere Dorfgemeinschaftshäuser und Gaststätten in der Umgebung verwiesen worden (Schriftsatz vom 19.12.2001). Dem wird in diesem Verfahren nicht weiter nachgegangen, weil nach Überzeugung der Kammer ohnehin keine größere Rücksichtnahme auf die Belange der Beigeladenen von dem Antragsteller verlangt werden kann. Der Zuschnitt der Räumlichkeiten der streitbefangenen baulichen Anlage, insbesondere des sog. Mannschafts- und Schulungsraums und dessen Ausstattung u. a. mit einer Theke, legt die Annahme nahe, dass deren ursprüngliche Deklarierung als Feuerwehrhaus durch die Beigeladene von vornherein ein „Etikettenschwindel“ war und vollendete Tatsachen geschaffen werden sollten. Die Kammer stellt bei der Interessenabwägung daher ein, dass der Antragsteller (wie die übrigen Widerspruchsführer) seit der Fertigstellung des Feuerwehrhauses bereits eine der ursprünglichen Genehmigung widersprechende Nutzung hinnehmen mussten. Der Antragsgegner hat trotz massiver Nachbarbeschwerden ein bau- und kommunalaufsichtliches Einschreiten abgelehnt und ein auch gegen Hoheitsträger mögliches Vorgehen nach Immissionsschutzrecht (§ 24 BImSchG) nach Aktenlage offenbar nicht in Erwägung gezogen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.07.2002 - 7 C 24.01 - BVerwGE 117, 1). Die gemeindliche Aufgabe, Einrichtungen zur Daseinsvorsorge vorzuhalten, befreit die Betreiber einer solchen Anlage nicht davon, diese den Anforderungen des § 22 BImSchG entsprechend zu betreiben (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.01.1988, aaO.).

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Die Regelung über die private Nutzung durch Einwohner aus B. soll nach § 10 der Nutzungsordnung zwar nur gelten, „solange es in B. keine entsprechende Lokalität gibt“. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben in diesem Verfahren aber - bisher - nicht vorgetragen, dass insoweit eine Änderung in absehbarer Zeit ansteht. Dies ist in Anbetracht der Erfahrung, dass mit zunehmender Zweckentfremdung von Feuerwehrhäusern und Vereinsheimen zu gastronomischen Zwecken Gaststätten eher aufgegeben als neu eröffnet werden, auch nicht zu erwarten.

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Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seines Antrages auf die Unvollständigkeit des Bauantrages hinsichtlich der Betriebszeiten des Feuerwehrübungsplatzes und der Standsicherheit des Übungsturms wendet, kann er damit jedoch nicht gehört werden, weil der Feuerwehrübungsplatz und die darauf befindlichen baulichen Anlagen nicht Gegen-stand der Baugenehmigung sind. Die Kammer hat deshalb den Antrag teilweise abgelehnt, die Kosten aber gemäß § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO dem Antragsgegner und der Beigeladenen ganz auferlegt, weil der Antragsteller nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.