Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 01.03.2021, Az.: S 24 AS 167/20
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 01.03.2021
- Aktenzeichen
- S 24 AS 167/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 70659
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.07.2020 zusätzliche Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt i. H. v. 41,- € monatlich vorläufig zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind vom Beklagten zu 37 % zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die im Rahmen des SGB II Bezugs zu berücksichtigen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.07.2020.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II und bewohnt seit dem 01.01.2018 eine Wohnung in der Astraße in A-Stadt. Die Wohnung hat eine Größe von 54 qm, die Gesamtgebäudefläche beträgt 488 qm. Für die Wohnung fallen insgesamt Kosten i. H. v. 490,- EUR (415,- EUR Kaltmiete, 75,- EUR Nebenkosten) an. Die Heizkosten betragen 25,- € monatlich für eine zentrale Gasheizung mit Warmwasseraufbereitung. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 20.09.2019 darauf hin, dass die zu zahlenden Unterkunftskosten zu hoch seien und nur bis zum 31.03.2020 anerkannt werden könnten.
Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 13.01.2020 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2020 bis 31.07.2020. Dabei wurden ab dem 01.04.2020 die Kosten der Unterkunft lediglich i. H. v. 380,- € für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.07.2020 berücksichtigt. Der Widerspruch vom 29.01.2020, der damit begründet wurde, dass die Klägerin über einen Hund und eine Katze verfüge, keine Wohnung zu günstigeren Konditionen finden könne und eine Belehrung über die Unterkunftskosten unterblieben sei, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2020 zurückgewiesen.
Mit Änderungsbescheid vom 08.06.2020 gewährte der Beklagte der Klägerin vorläufig monatlich insgesamt 390,- EUR Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.07.2020.
Die Klägerin hat am 30.04.2020 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft angemessen seien. Der Beklagte habe die angemessenen Kosten der Unterkunft nicht anhand eines schlüssigen Konzeptes ermittelt. Die Klägerin nimmt Bezug auf die Entscheidung des BSG vom 30.01.2019 (Az. B 4 AS 24/18 R) und die Entscheidung des SG C-Stadt vom 09.11.2015 (Az. S 24 AS 843/13).
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.01.2020 i. G. d. Widerspruchsbescheides vom 17.04.2020 und des Änderungsbescheides vom 08.06.2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft i. H. v. 490,- € für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.07.2020 vorläufig zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei seiner Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft für den Landkreis C-Stadt (Stand 05.05.2020) des Empirica Instituts um ein schlüssiges Konzept im Sinne des Bundessozialgerichts handele. Es seien sämtliche Wohnwertmerkmale berücksichtigt worden, die die Vermieter in Inseraten für erwähnenswert hielten. Die Mieterin habe keine konkreten Suchbemühungen nachgewiesen.
Die Beteiligten haben sich in den Schriftsätzen vom 19.08.2020 und 21.08.2020 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist teilweise begründet. Der Bescheid vom 13.01.2020 i. G. d. Widerspruchsbescheides vom 17.04.2020 und des Änderungsbescheides vom 08.06.2020 ist teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf weitere 41,- EUR monatlich für Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt nach § 22 Abs. 10 SGB II.
Nach § 22 Abs. 10 SGB II ist zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann nach Satz 2 für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre.
Die angemessenen Heizkosten betragen im vorliegenden Fall 66,- EUR.
Die Angemessenheit der Heizkosten bestimmt sich dabei im Wesentlichen aus der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl der Wohnung für die konkrete Bedarfsgemeinschaft und den sich aus einem kommunalen oder bei dessen Fehlen aus dem bundesweiten Heizspiegels ergebenden Wert für extrem hohe Heizkosten pro Quadratmeter (BSG, 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R). Es kommt dabei gerade nicht auf die tatsächliche Größe der Wohnung an. So spielt es für die Höhe der Heizkosten andererseits auch keine Rolle, wenn eine an sich angemessene Wohnungsgröße überschritten wird. Nicht erstattungsfähig sind Heizkosten aber dann, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach im Einzelfall nicht erforderlich erscheinen. Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches bzw. unsachgemäßes Heizverhalten ergeben sich, wenn die Heizkosten im Einzelfall die Grenzwerte des kommunalen Heizspiegels und – soweit ein solcher nicht vorhanden ist – des bundesweiten Heizspiegels überschreiten. Dabei ist der Grenzwert zu berücksichtigen, der sich aus der Spalte für die „extrem hohen“ Heizkosten des jeweiligen Energieträgers und der Größe der Wohnanlage ergibt. Dieser ist mit der für den Haushalt des Leistungsberechtigten abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl der Wohnung zu multiplizieren (siehe BSG a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist bei der Klägerin von einer angemessenen Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz von 50 qm auszugehen. Dieser Wert ist mit dem Wert aus der rechten Spalte des bundesweiten Heizspiegels für 2020 in der Zeile für Gebäude mit einer Fläche von 251 bis 500 qm und Erdgas als Energieträger, also mit 15,81 EUR zu multiplizieren. Die danach angemessenen Heizkosten von 790,50 EUR pro Jahr betragen monatlich somit aufgerundet 66,- EUR.
Demgegenüber belaufen sich die tatsächlichen Heizkosten der Klägerin auf (nur) 25,- EUR. Somit hat die Klägerin aufgrund der Gesamtangemessenheitsgrenze einen höheren Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 41,- EUR.
Darüber hinaus besteht jedoch kein höherer Anspruch auf Kosten der Unterkunft.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Satz 3 der Regelung als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Da der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2019 darauf hingewiesen hat, dass die zu zahlenden Unterkunftskosten zu hoch seien und nur bis zum 31.03.2020 anerkannt werden könnten, waren ab dem 01.04.2020 nur noch die angemessenen Kosten zu berücksichtigen.
Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft sind auch nicht nach § 67 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 SGB II für die Dauer von weiteren sechs Monaten zu gewähren, da er Bewilligungszeitraum nicht in der Zeit vom 01.03.2020 bis 31.03.2021 begonnen hat, sondern bereits am 01.02.2020. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Absenkung der Unterkunftskosten erst ab dem 01.04.2020 stattfand, da es nach dem Wortlaut der Norm auf den Beginn des Bewilligungszeitraums ankommt.
Der Begriff der Angemessenheit ist ein in vollem Umfang überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen dem Leistungsträger kein Beurteilungsspielraum zusteht (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 09.04.2020), Rn. 94; BSG, 07.11.2006, B 7b AS 10/06R).
Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist in mehreren Schritten zu prüfen (ständige Rechtsprechung, siehe u. a. bereits BSG, 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R; BSG, 17.09.2020, B 4 AS 11/20 R, Rn. 15 nach Juris). Dabei sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs.
Die abstrakte Angemessenheit ist nach der so genannten Produkttheorie zu bestimmen, wonach die angemessene Höhe der Unterkunftskosten als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt bemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro qm zu ermitteln ist (siehe u. a. BSG, 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R).
Zunächst ist die zulässige Größe in qm der konkreten Unterkunft einer Bedarfsgemeinschaft festzustellen. Für die Ermittlung der angemessenen Grundfläche einer Wohnung oder eines Eigenheimes ist typisierend auf die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße abzustellen, die sich aus den von den Bundesländern zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG) bzw. § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz in der Fassung vom 19.08.1994 (WoBindG a.F.) erlassenen Ausführungsvorschriften ergibt. In Niedersachsen regelt dieses die Richtlinie zur Durchführung der sozialen Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderbestimmungen – WFB). Nach Nr. 15.1 WFB (in der zur streitgegenständlichen Zeit geltenden Fassung vom 02.07.2019, galt bei Mietwohnungen für ein Haushaltsmitglied eine Wohnfläche bis 50 qm als angemessen.
Sodann ist in einem nächsten Schritt der räumliche Vergleichsmaßstab zu definieren, anhand dessen die angemessene Miete ermittelt wird und in einem weiteren Schritt das Mietniveau bestehend aus Nettokaltmiete und den kalten Betriebskosten des unteren Segments der jeweiligen Wohnraumgröße festzustellen (Referenzmiete), wobei die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind.
Dieses hat nach einem sogenannten schlüssigen Konzept zu erfolgen (siehe u. a. BSG, 17.09.2020, B 4 AS 11/20 R; 30.01.2019, B 14 AS 10/18 R, B 14 AS 11/18 R, B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 24/18 R, B 14 AS 27/18 R, B 14 AS 41/18 R; erstmals BSG, 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R -).
Dabei sind grundsätzlich alle erreichbaren Erkenntnisquellen heranzuziehen und diese auf ihre methodischen Schwächen und ihre Aussagekraft zu untersuchen. Es bietet sich an, auf örtliche Mietspiegel bzw. Mietdatenbanken (vgl. die §§ 558c ff. BGB) zurückzugreifen. Sind diese nicht vorhanden, muss der Grundsicherungsträger eigene grundsicherungsrelevante Mietspiegel erstellen. Datenquellen hierfür können ganz unterschiedliche statistische Datenerhebungen und -auswertungen sein, wie z. B. Datenbestände des Jobcenters, von Wohnungsbaugesellschaften, Daten von Wohnungseigentümern, eigene statistische Erhebungen, Mietpreisübersichten des Verbandes Deutscher Makler oder anderer privater Organisationen sowie Auswertungen von Immobilienanzeigen in der örtlichen Presse (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 09.04.2020), Rn. 109). Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss jedoch auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt (siehe BSG a. a. O.).
Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen auch bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert bei Methodenvielfalt insbesondere
- eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard,
- Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung,
- Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht,
- Repräsentativität und Validität der Datenerhebung,
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung,
- Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation,
- eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird.
Es ist in erster Linie Aufgabe des Leistungsträgers, ein schlüssiges Konzept zu erstellen und die zur Überprüfung durch das Gericht notwendigen Daten vorzulegen. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept, so hat der Grundsicherungsträger im gerichtlichen Verfahren nachzubessern. Ihm ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Gericht ist auch auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht verpflichtet und nicht befugt, eine eigene Vergleichsraumbildung vorzunehmen oder ein solches Konzept selbst zu erstellen. Die Bildung des Vergleichsraumes kann nicht von der Erstellung des Konzeptes getrennt werden, dieses gilt einschließlich der anzuwendenden Methoden. Fehlen nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten weitere Erkenntnismöglichkeiten zu den angemessenen Kosten der Unterkunft oder hält das vorgelegte Konzept den gestellten Anforderungen nicht stand, hat das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückzugreifen. Andernfalls sind mangels in rechtlich zulässiger Weise bestimmter Angemessenheitsgrenze die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft diesem Bedarf zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG plus einen Zuschlag von 10 %. (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 09.04.2020), Rn. 122).
Bei der Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft für den Landkreis C-Stadt des Empirica Instituts (Stand 05.05.2020, im Folgenden Herleitung genannt) handelt es sich unter Zugrundelegung der oben genannten Aspekte zur Überzeugung der Kammer um ein schlüssiges Konzept.
Zunächst entspricht der räumliche Vergleichsmaßstab den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept.
Bei der Festlegung des Vergleichsraumes geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsempfängers. Daher sind ausgehend vom Wohnort des Leistungsberechtigten Vergleichsmaßstäbe diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R). Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es vor allem im ländlichen Raum geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R).
Der in der Herleitung gewählt Vergleichsraum 3 –Mitte (bestehen aus T, A-Stadt und B.) als örtlicher Wohnungsmarkt ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden. Die Kammer nimmt zur näheren Begründung Bezug auf die Entscheidung der 16. Kammer des Sozialgerichts Osnabrück vom 30.07.2019 mit dem Aktenzeichen S 16 AS 556/18.
Die angemessene Netto-Monatskaltmiete im Segment für 50 qm Wohnungen mit 300,- € als Höchstwert des unteren Drittels begegnet keinen rechtlichen Bedenken und bietet eine hinreichende Gewährt dafür, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes adäquat wiedergegeben werden. Die Datengrundlage wurde mit allen verfügbaren Quellen von Internetportalen (Immobilienportalen und online Portalen der Tagespresse) sowie lokalen Mitteilungsblättern ausreichend breit gewählt. Eine breitere Datenerhebung scheint der Kammer kaum möglich.
Die Daten sind auch hinreichend valide und zeigen die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes auf. Im Vergleichsraum 3 –Mitte wurden im Auswertungszeitraum der Quartale I/2018 bis IV/2019 insgesamt 1044 Wohnungen ausgewertet (siehe Seite 11 der Herleitung), wobei für das Feld der Wohnungsgröße von um 50 qm 145 Wohnungen in die Aufwertung einbezogen wurden. Dieses ist nicht zu beanstanden.
Nach den Hinweisen zu Erstellung von Mietspiegeln, Sonderpublikation des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumwesen (BSSR), 3. aktualisierte Aufl. 2020 ist bei Tabellenmietspiegeln mit 40 Tabellenfeldern unter Berücksichtigung einer minimalen Feldbesetzung von 30 Wohnungen je Mietspiegelfeld eine Ergebnisstichprobe von 1.200 ausreichend (zitiert nach W.-Futterer, a. a. O., Rn. 98). Für Regressionsmietspiegel genügen hiernach kleinere Stichproben: Für kleinere Kommunen mit homogenem Wohnungsbestand und entsprechend geringer Mietendifferenzierung reichen nach den genannten Hinweisen Ergebnisstichproben von mindestens 500 Wohnungen aus, bei größeren Kommunen sind bis zu 1 % des relevanten Wohnungsbestandes erforderlich (zitiert nach W.-Futterer, a. a. O., Rn. 100). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel i. S. der §§ 558c und 558d BGB abstellen muss (BSG, 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R; 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R; BSG, 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein „angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 18).
Unproblematisch ist ferner, dass in der Auswertung grundsätzlich nur Angebotsmieten aus der empirica-systeme Marktdatenbank erhoben wurden und keine Bestandmieten bei der Erstellung der Herleitung berücksichtigt wurden. Das ergibt sich zum einen daraus, dass dadurch sichergestellt wird, dass zu den ermittelten Mietobergrenzen zum jeweils relevanten Zeitpunkt auch tatsächlich Wohnungen angemietet werden können (vgl. LSG NRW, 05.12.2019, L 7 AS 1764/18 und bereits LSG Niedersachsen-Bremen, 11.12.2008, L 13 AS 210/08). Zudem ist dieses Vorgehen im Hinblick auf den Sinn und Zweck eines schlüssigen Konzeptes nicht zu beanstanden. So führt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17.09.2020 (B 4 AS 11/20 R) aus, dass schlüssige Konzepte die Gewähr dafür bieten sollen, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mag die Kammer bei einer reinen Berücksichtigung von Angebotsmieten nicht erkennen (im Ergebnis wohl anders: SG C-Stadt, 30.07.2019, S 16 AS 556/18). Zum anderen wurden in der Herleitung Bestandsmieten zur Plausibilisierung herangezogen mit dem Ergebnis, dass aufgrund der Preissteigerungen der letzten Jahre eine Berücksichtigung der Bestandsmieten zu geringeren Werten führen würde. Hinsichtlich der Detail nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen auf S. 17, 44 ff und insbesondere auf die Abbildungen Nr. 34, 35, 36 und vor allem 40 der Herleitung (Stand 05.05.2020).
Im vorliegenden Fall wurden Wohnwertmerkmale in einem praktisch vertretbaren Maße bei der Erstellung des Konzeptes berücksichtigt. Dieses geschah dadurch, dass sämtliche Wohnwertmerkmale berücksichtigt worden sind, die die Vermieter in Inseraten für erwähnenswert gehalten haben (siehe dazu Seite 10 der Herleitung (Stand 05.05.2020) unter 2.2.1 Datengrundlage: Mieten verfügbarer Wohnungen sowie Seite 43 unter 2.2 Details zu Arbeitsschritt 2: Eckwerte der empirica-Preisdatenbank). Es ist nach Auffassung der Kammer nicht möglich, bei der Eruierung von Angeboten jeweils nachzufragen, welche konkreten Merkmale eine Wohnung aufweist, wenn diese nicht bereits in der ursprünglichen Anzeige genannt wurden. Zudem ist davon auszugehen, dass relevante Merkmale bereits in der Anzeige genannt werden und sich auf den Angebotspreis auswirken, da die Vermieter ein Eigeninteresse an der frühzeitigen Nennung sowohl positiver als auch negativer Wohnwertmerkmale haben, um auf der einen Seite den Wert der Wohnung bereits in der Anzeige anzupreisen und auf der anderen Seite, um durch die Nennung negativer Merkmale von vornhinein keinen unnötigen und arbeitsaufwendigen Kontakt zu im Ergebnis nicht interessierten potentiellen Mietern entstehen zu lassen, die sich bei einem erst späteren Bemerken der negativen Merkmale nicht zu einem Vertragsschluss entscheiden werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass selbst in dem rein hypothetischen Fall, dass sämtliche Wohnwertmerkmale erfasst werden könnten, dieses nicht dazu führen würde, dass alle Wohnungen eindeutig einer Kategorie (z. B. „einfach“ oder „gehoben“) zugeordnet werden könnten. Das ergibt sich daraus, dass einige Wohnwertmerkmale in eine höhere Kategorie und andere in eine niedrige Kategorie deuten könnten und es nur rein subjektiv möglich sein dürfte, eine diesbezügliche Wertung vorzunehmen. Außerdem wäre eine regionale Bewertung vorzunehmen, da nicht in allen Wohnlagen z. B. ein Balkon einer bestimmten Größe eindeutig zum einfachen oder gehobenen Standard gerechnet werden kann (siehe dazu auch die Ausführungen auf Seite 41 der Herleitung (Stand 05.05.2020 unter 2.1.3 Qualitative Angemessenheit: Abgrenzung des unteren Marktsegmentes).
Die bei der Erstellung des Konzeptes gewählte Kappungsgrenze von einem Drittel (also die günstigsten 33 % aller Wohnungen eines Segmentes werden für die Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft herangezogen) ist ebenfalls nicht geeignet, von einem unschlüssigen Konzept auszugehen, da bei diesem Wert sichergestellt ist, dass für Grundsicherungsleistungsempfangende geeigneter Wohnraum in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Aufwendungen für eine Wohnung nur dann angemessen sind, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandart aufweist (BSG, 01.11.2006, B 7b AS 18/06 R). Dieses ist nur Überzeugung der Kammer zumindest für Wohnungen der Fall, die sich preislich im unteren Drittel aller angebotenen Wohnungen befinden. Es ist fernliegend, dass ein Drittel aller vermieteten Wohnungen einen so geringen Standard aufweisen, dass die Deckung grundlegender Bedürfnisse nicht gewährleistet wäre. Hinsichtlich der Begründung nimmt die Kammer Bezug auf die Entscheidung der 16. Kammer des Sozialgerichts Osnabrück vom 30.07.2019 mit dem Aktenzeichen S 16 AS 556/18 und weist lediglich ergänzend darauf hin, dass das Bundessozialgericht hinsichtlich einer Begrenzung auf die unteren 20 % keine Bedenken hatte (siehe BSG, 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R).
Die Begrenzung der Nebenkosten auf maximal 90,- € ist ebenfalls rechtmäßig und bildet den aktuellen Wohnungsmarkt nach Auffassung der Kammer zutreffend ab. Die Herleitung verwertet dabei einen Wert deutlich über dem Median der gesamten erhobenen Wohnungen im jeweiligen Segment zur jeweiligen Größe und nicht lediglich den Median des unteren Drittels. Bei der Verwendung des Median statt eines arithmetischen Mittels werden auffallend hohe und auffallend niedrigen Nebenkosten weniger berücksichtigt. Dieses Vorgehen ist sachgerecht und insbesondere deshalb unproblematisch, da es sämtliche Wohnungen und nicht lediglich das untere Drittel berücksichtigt.
Die Herleitung (Stand 2020) ist zudem hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums vom 01.04.2020 bis 31.07.2020 hinreichend aktuell. Schlüssige Konzepte für angemessene Unterkunftskosten im SGB II sind regelmäßig nach Ablauf von zwei Jahren nach Datenerhebung, Datenauswertung und deren Inkraftsetzen zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 09.04.2020), Rn. 128).
Schließlich bestehen für die Kammer auch keine Zweifel bezüglich der konkreten Angemessenheit.
Konkret angemessen sind Kosten der Unterkunft, wenn nach der Struktur des Wohnungsmarktes am Wohnort des Hilfebedürftigen tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit besteht, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (siehe u. a. BSG, 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R). Besteht eine solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die tatsächlichen Aufwendungen für die tatsächlich angemietete Unterkunft in vollem Umfang zu übernehmen. Dabei liegt die Darlegungslast für das Bestehen einer konkreten Unterkunftsalternative beim Grundleistungsträger und dafür, dass der Hilfebedürftige sich überhaupt bzw. hinreichend um eine solche bemüht hat, bei diesem. Der Leistungsträger muss keine konkrete Unterkunftsalternative aufzeigen, wenn der Hilfebedürftige ersichtlich nichts unternimmt, um eine kostengünstigere, bedarfsgerechte Wohnung zu finden (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 09.04.2020), Rn. 131).
Zum Beleg ausreichender Eigenbemühungen reicht die bloße Vorlage von Tagespresse oder dem Internet entnommener Angebote teurerer Wohnungen nicht aus. Vielmehr muss sich der oder die Hilfebedürftige intensiv unter Inanspruchnahme aller ihm oder ihr zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel (z. B. regelmäßige Recherche der Wohnungsangebote in Internet und Tageszeitungen, Anfragen an Wohnungsbaugesellschaften und Hausverwaltungen, Verhandlungen mit Vermieter über einen Mietnachlass) ernstlich um eine Kostensenkung bemühen und seine Bemühungen systematisch und substantiiert nachweisen Ein hinreichender Nachweis setzt voraus, dass Behörden und Gerichte in die Lage versetzt werden, die Kontaktaufnahmen und die Gründe für das Scheitern der einzelnen Suchbemühungen rekonstruieren und verifizieren zu können (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 09.04.2020), Rn. 135).
Im vorliegenden Fall reicht das von der Klägerin nicht weiter substantiierten Vorbringen, dass sie keine preisgünstigeren Wohnungen u. a. aufgrund ihrer Katze und ihrem Hund habe finden können, nicht aus, um von einem Beleg ausreichender Eigenbemühungen ausgehen zu können.
Die Kostenentscheidung ergeht aus § 193 SGG.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Frage, ob es sich bei dem Konzept des Beklagten um ein schlüssiges Konzept handelt zuzulassen.