Amtsgericht Bückeburg
Urt. v. 02.02.1983, Az.: 4 Ds 5 Js 2010/82 (482/82)
Relevanz wirtschaftlicher Gesichtpunkte bei der Bemessung der Sperre für die Wiedererteilung eines Führerscheins
Bibliographie
- Gericht
- AG Bückeburg
- Datum
- 02.02.1983
- Aktenzeichen
- 4 Ds 5 Js 2010/82 (482/82)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 18138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGBUECK:1983:0202.4DS5JS2010.82.482.0A
Rechtsgrundlagen
- § 42 S. 2 StGB
- § 69 StGB
- § 69 a StGB
- § 316 Abs. 1 StGB
Fundstelle
- NJW 1983, 1746 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Trunkenheit im Verkehr
Das Amtsgericht Bückeburg hat
in der Sitzung vom 2. Februar 1983
durch
den Richter am Amtsgericht ... als Strafrichter,
den Oberamtsanwalt ... als Beamter der Staatsanwaltschaft,
den Rechtsanwalt ... als Verteidiger sowie
den Justizhauptsekretär ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Angeklagte wird der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr schuldig gesprochen.
Er wird zu einer
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 15,00 DM,
insgesamt somit zu einer Strafe von 450,00 DM, verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Strafe in drei monatlichen Raten von 150,00 DM zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte mit mehr als einer Rate in Rückstand gerät.
Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Führerschein, ... wird eingezogen. Vor Ablauf von 3 Monaten darf ihm keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.
Dem Angeklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Angewandte Vorschriften: §§ 316 Abs. 1, 69, 69 a StGB.
Gründe
Der Angeklagte war seit 1969 Kundendiensttechniker für medizinische Geräte. Ihm stand ein Firmen-Pkw zur Verfügung, den er auch zu privaten Fahrten benutzen durfte. Jährlich legte er ca. 60.000 Kilometer zurück. Am 15. Oktober 1982, einem Freitag, erledigte er nachmittags Repraraturarbeiten in der Firmenwerkstatt in Obernkirchen. Dabei trank er mehrere Flaschen Eier. Gegen 19.45 Uhr machte er Feierabend. Um sich noch zu entspr armen, wo Ute er nicht auf den kürzesten, täglicnen Weg, sondern auf einer Rundtour nach Haus fahren. Auf dieser Tour kehrte er gegen 20.00 Uhr in Helpsen in die Bahnhofsgaststätte ein, in der er im Laufe des Abends etliche Gläser Bier trank. Gegen 22.25 Uhr brach er auf, um nun nach Haus - beabsichtigte Fahrtstrecke ca. 2 1/2 Kilometer - zu fahren. Er spürte eine Alkoholwirkung, hoffte aber, die kurze, ihm bekannte Strecke zu meistern. Nach ca. 1/2 Kilometer Fahrt mit dem Firmenfahrzeug wurde er um 22.30 Uhr in der Bahnhofstraße in Helpsen im Rahmen einer allgemeinen Verkehrsüberwachung von einer Polizeistreife zur Kontrolle angehalten, in deren Verlauf die Polizeibeamten seine Alkoholisierung bemerkten, seinen Führerschein, ..., beschlagnahmten und ihm um 22.50 Uhr eine Blutprobe abnehmen ließen. Sie ergab, vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen nach dem Alkoholdehydrogenaseverfahren und dem Gaschromatographieverfahren untersucht, für die Entnahmezeit im Mittelwert einen Blutalkoholgehalt von 2,12 Promille.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Bückeburg vom 25. Oktober 1982 werde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Der Beschluß wurde ihm am 23. Oktober 1982 zugestellt.
Infolge des Führerscheinverlustes wurde dem angeklagten das Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 5. November 1982 gekündigt. Seitdem ist er arbeitslos. Der frühere Arbeitgeber hat ihm die Wiedereinstellung in Aussicht gestellt, wenn er sofort oder in nicht allzu ferner Zeit den Führerschein wiederbekommt.
Die für den Angeklagten eingeholten Auszüge aus dem Strafregister vom 18. Januar 1983 und dem Verkehrszentralregister vom 17. Januar 1983 enthielten keine Eintragung.
Dieser Sachverhalt wurde festgestellt aufgrund des Geständnisses des Angeklagten, des aus der Akte (Bl. 11) verlesenen Blutalkoholbefunds des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Göttingen vom 19. Oktober 1982 sowie der ebenfalls verlesenen Auszüge aus dem Strafregister und dem Verkehrszentralregister.
Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Tatgeschehens ergab, daß der Angeklagte der - bedingt - vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Absatz 1 Strafgesetzbuch) sich schuldig gemacht hatte.
Als Rechtsfolge der Tat war gegen ihn eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu verhängen. Bei der Bemessung der Strafhöhe fiel der hohe Blutalkoholwert erschwerend ins Gewicht. Strafmildernd wirkte sich dagegen aus, daß der Angeklagte nachts, zu verkehrsstiller Zeit, die Alkoholfahrt unternommen hatte und damit eine geringere Verkehrsgefahr darstellte als ein Kraftfahrer, der tagsüber, zu verkehrsreicher Zeit, alkoholbedingt fahrunsicher mit einem Pkw sich in den Verkehr begibt. Strafmildernd war auch zu berücksichtigen, daß der Angeklagte eine nur kurze Fahrtstrecke hatte zurücklegen wollen. Nach Abwägen der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte war die Strafe mit 30 Tagessätzen zu bemessen.
Der einzelne Tagessatz war auf 15,00 DM festzusetzen. Für diese Entscheidung waren allein die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten ausschlaggebend. Der Angeklagte ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 16 und 5 Jahren. Er erhält ein monatliches Arbeitslosengeld von 1.150,00 DM. Rinzukommt das Kindergeld. Seine Frau ist nicht außer Haus berufstätig und hat kein Einkommen. Da der Angeklagte seinen minderjährigen Kindern und seiner Frau Unterhalt schuldete, war der dafür aufgewandte Betrag für die Berechnung des Tagessatzes von seinen Einkommen abzuziehen. Die Höhe des abzuziehenden Unter halts war im Interesse gleicher Rechtshandhabung den Sicht Sätzen und der Berechnungsmethode der "Düsseldorfer Tabelle" (Stand: 1. Januar 1932), die in Familiensachen allgemein zugrundegelegt werden, zu entnehmen. Nach der "Düsseldorfer Tabelle" konnten die Kinder vom Angeklagten monatlich 504,00 DM Unterhalt beanspruchen. Von dem nach Abzug dieses Betrages dem Angeklagten verbleibenden Einkommen von (1.300,00 DM - 504,00 DM =) 796,00 DM - standen der Frau als Unterhalt drei Siebtel (= 341,00 DM) zu. Das um diesen Betrag verringerte, dem Angeklagten für sich zur Verfügung stehende Einkommen von (796,00 DM - 341,00 DM =) den Satz von abgerundet 15,00 DM.
Dem Angeklagten war zu gestatten, die Strafe in drei monatlichen Raten von 150,00 DM zu zahlen, da es auf der Hand lag, er werde nicht in der Lage sein, sie in eins zu zahlen (§ 42 Satz 1 Strafgesetzbuch). Zur Sicherung des Strafzwecks - die Strafe als Übel spürbar bleiben zu lassen - war anzuordnen, daß diese Vergünstigung entfällt, wenn der eingeklagte mit mehr als einer Rate in Rückstand gerät (§ 42 Satz 2 Strafgesetzbuch).
Da der Angeklagte mit der Alkoholfahrt seine Fahrerlaubnis verwirkt hatte, war sie ihn unter Einziehung seines Führerscheines zu entziehen (§ 69 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 2 und Absatz 3 Satz 2 Strafgesetzbuch).
Die anzuordnende Führerscheinsperre war abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Amtsgerichts Bückeburg, die im Durchschnittsfall zu einer führerscheinlosen Zeit von neun Monaten zwischen Führerscheinwegnahme und Sperrenende führt, auf drei Monate festzusetzen. Der - auch von der Staatsanwaltschaft Bückeburg vertretene - Gedanke, wirtschaftliche Gesichtspunkte hatten bei der Bemessung der Sperre keine Rolle zu spielen (Belegstelle aus der Rechtsprechung: Beschluß des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 1. Oktober 1959, abgedruckt in der Entscheidungssammlung "Verkehrsrechts-Sammlung", Band 19, Seite 31; ähnlich streng in der Frage des Fahrerlaubnisentzuges: Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 6. April 1954, abgedruckt in der Fachzeitschrift "Niedersächsische Rechtspflege", Jahrgang 1954, Seite 232; Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 30. September 1955, abgedruckt in der Entscheidungssammlung "Verkehrsrechtliche Mitteilungen", Jahrgang 1955, Nummer 116) findet im Gesetz keine Stütze (Belegstellen aus Rechtsprechung und Fachliteratur: Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Mai 1956, abgedruckt in der Fachzeitschrift "Deutsches Autorecht", Jahrgang 1956, Seite 248; Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 18. April 1961 abgedruckt in der "Verkehrsrechts-Sammlung" Band 21, Seite 111; Beschluß des Landgerichts Konstanz vom 29. November 1956, abgedruckt in der Zeitschrift "Deutsches Autorecht", Jahrgang 1957, Seite 46; Beschluß des Landgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 1957, abgedruckt in der gleichen Zeitschrift, Jahrgang 1958, Seite 137; Urteil des Landgerichts Krefeld vom 8. Dezember 1978, abgedruckt in der "Verkehrsrechts-Sammlung", Band 56, Seite 283; Kommentar von Jagusch "Straßenverkehrsrecht", 26. Auflage 1981, § 69 a StGB, Randnummern 2 und 14; Kommentar von Rudolphi, Horn und Samson "Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch", 4. Auflage 1982, § 69 a Randnummern 5 und 14) und stammt zudem aus der Zeit der Vollbeschäftigunng Er nimmt von veränderten Umständen keine Notiz und läßt den Wert außer acht in einer Zeit hoher Arbeitslosenzahlen, die das Wirtschaftsleben in der Bundesrepublik Deutschland derzeit kennzeichnen, ein Arbeitsplatz darstellt. Zweck der befristeten Führerscheinsperre ist es, einen verantwortungslos handelnden Kraftfahrer für eine gewisse Zeit von der Teilnahme am motorisierter. Straßenverkehr fernzuhalten und ihm vor Augen zu führen, was es bedeutet, ohne Führerschein leben zu müssen. Der Bedeutung des Führerscheins wird er sich um so eher bewußt als er beruflich auf ihn angewiesen ist oder sogar, wie hier, sein Arbeitsplatz vom Führerscheinbesitz abhängt. Bei einem Arbeitslosen, dem heute bei Wiedererlangung der Fahrerlaubnis ein Arbeitsplatz winkt, kann erwartet werden, ihm genüge eine kurze Sperre als Warnung vor einem Rückfall. Den Angeklagten anders einzuschätzen, traten keine Anhaltspunkte zu Tage. Gegen ihn war deshalb die gesetzlich zulässige Mindestsperre von drei Monaten (§ 69 a Absatz 4 Satz 2 Strafgesetzbuch) anzuordnen (§ 69 a Absatz 1 Satz 1, Absatz 4 und Absatz 6 Strafgesetzbuch).
Als Rechtsfolge der Verurteilung hatte der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 465 Absatz 1 Strafprozeßordnung).