Amtsgericht Stolzenau
Beschl. v. 28.12.2010, Az.: 7 M 917/10
Nichtvorhandensein von Ersatzwohnraum kann nicht als "ganz besonderer Umstand" i.S.v. § 765a ZPO bei einer Räumungsvollstreckung gesehen werden; Nichtvorhandensein von Ersatzwohnraum als "ganz besonderer Umstand" i.S.v. § 765a ZPO bei einer Räumungsvollstreckung
Bibliographie
- Gericht
- AG Stolzenau
- Datum
- 28.12.2010
- Aktenzeichen
- 7 M 917/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 37427
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGSTOLZ:2010:1228.7M917.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 765a ZPO
Fundstelle
- JurBüro 2011, 529
Tenor:
In der Zwangsvollstreckungssache ... wird der Antrag der Schuldner vom 17.12.2010 auf Bewilligung von Räumungsschutz gegenüber dem vollstreckbaren Schuldtitel
AG. Stolzenau -1 K 13/08 - Zuschlagsbeschluss vom 31.08.2010, zugestellt am 18.11.2010
zurückgewiesen. Der Wert für das Verfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Nach dem oben angegebenen Titel sind Schuldner verpflichtet, die Wohnung zu räumen und an den Gläubiger herauszugeben. Der Gerichtsvollzieher A. H., ...str. ..., ... ... hat den Räumungstermin unter dem Aktenzeichen DR II 1268/10 auf den Dienstag, den 04.01.2011 um ca. 9.30 Uhr angesetzt. Hiergegen richtet sich der Antrag der Schuldner, der auf § 765a ZPO gestützt wird.
Der Antrag ist unbegründet.
Vollstreckungsschutz darf einem derartigen Räumungstitel nur gewährt werden, wenn die engen Voraussetzungen des § 765a ZPO gegeben sind.
Nach dieser Vorschrift darf vom Vollstreckungsgericht nur dann und insoweit im Wege des Vollstreckungsschutzes Räumungsaufschub gewährt werden, als die sofortige Räumungsvollstreckung auch unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände für den Schuldner eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung genügt allein die Tatsache, dass eine Ersatzwohnung nicht zur Verfügung steht nicht, um die strengen Voraussetzungen des § 765a ZPO zu bejahen, weil das Nichtvorhandensein von Ersatzwohnraum nicht als "ganz besonderer Umstand" gesehen werden kann. Eine Räumungsvollstreckung stellt in aller Regel für den Schuldner eine meist fühlbare Härte dar. Nur wenn diese unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers mit den guten Sitten nicht vereinbar ist, darf im Wege des Vollstreckungsschutzes ein Räumungsaufschub gewährt werden.
Für das Vorliegen einer solchen sittenwidrigen Härte sind seitens der Schuldner hinreichende Gründe nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Die ärztlichen Bescheinigungen des Arztes Bernd Schumacher sowie des Gutachten der Bundesagentur für Arbeit, die als Beweise für die schwere Herzkrankheit und die fehlende Leistungsfähigkeit des Schuldners xxx eingereicht wurde, datieren aus 2009 und sprechen von einer "gewissen Leistungsunfähigkeit, deren Ausmaß hier nicht festgesetzt werden kann" und davon, dass eine "Rena-Maßnahme zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes nicht sehr erfolgreich ist, da es sich um einen Zustand nach Myokardinfarkt handelt und das Gewebe generell geschädigt ist". Daraus ist ersichtlich, dass die Zwangsräumung als solches den bereits seit März 2009 bestehenden Gesundheitszustand des Herrn xxx nicht derart negativ beeinflussen wird, dass Lebensgefahr besteht. Dieses wurde auch zu keinem Zeitpunkt von Herrn xxx vorgetragen und durch entsprechende aktuelle Attests nachgewiesen.
Auch die von dem Schuldner xxx vorgetragenen Argumente, dass er aufgrund seinen Arbeitslosengeld I-Bezuges keinen eigenen Haushalt finanzieren kann, begründet keine mit den guten Sitten nicht vereinbare Härte der Zwangsräumung. Zum einen hat der Schuldner Benjamin Puls bis heute keinen Leistungsbescheid über das Arbeitslosengeld I nachgereicht und zum anderen sind vorrangig andere Stellen, so z.B. die zuständige Verwaltungsbehörde, zuständig für die Abwendung der eventuellen drohenden Obdachlosigkeit des Schuldners Benjamin Puls. Dieses kann über den Räumungsschutzantrag nach § 795a ZPO nicht dem Gläubiger auferlegt werden.
Bisher haben die beiden Schuldner damit keinen Nachweis erbracht, dass sie sich ausdauernd und intensiv um Ersatzwohnraum für sich und ihre Familie bemüht haben.
Überdies steht der Annahme einer sittenwidrigen Härte hier entgegen, dass zwischen Erlass des Zuschlagsbeschlusses vom 31.08.2010 und der vorgesehenen Zwangsräumung ein erheblicher Zeitraum liegt, der ausgereicht haben müsste, um eine Ersatzunterkunft zu beschaffen, wenn die Schuldner den zu erwartenden guten Willen und die gebotene Energie hierfür aufgewendet hätten. Überdies steht dem Vollstreckungsschutzantrag das nach § 765a ZPO voll zu würdigende Schutzbedürfnis des Gläubigers auf nunmehr alsbaldige Verwirklichung des sich aus dem Schuldtitel ergebenden Räumungsanspruchs entgegen.
Notfalls muss es den Schuldnern überlassen bleiben, zur Vermeidung der Obdachlosigkeit die Verwaltungsbehörde anzurufen, die nach öffentlichem Recht die Unterkunft der Schuldner zu regeln hat.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde zulässig.
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