Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.08.2006, Az.: 1 UF 83/06

Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Berufungsverfahrens; Durchführung einer Mangelberechnung bei fehlender finanzieller Möglichkeit zur Zahlung eines geschuldeten Unterhaltsbetrages; Berechnung von zu zahlendem Kindes- und Trennungsunterhalt unter Berücksichtigung des Selbsterhalts des Klägers

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
03.08.2006
Aktenzeichen
1 UF 83/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 35606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2006:0803.1UF83.06.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2006, 1759-1760 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Kindes- und Trennungsunterhalt
hier: Prozesskostenhilfe

In der Familiensache ...
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx,
den Richter am Oberlandesgericht xxx und
die Richterin am Oberlandesgericht xxx
am 3. August 2006
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Kläger wird zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts-Familiengerichts- xxx vom 21. März 2006 Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er in Abänderung des Vergleichs vom 17. März 2005 zu folgenden Unterhaltszahlungen verurteilt worden ist:

    1. a)

      für die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2006 von mehr als monatlich 370,40 EUR und für die Zeit ab 1. August 2006 von mehr als monatlich 355,-- EUR,

    2. b)

      für die Tochter xxx für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. September 2007 von mehr als monatlich 185,-- EUR,somit insgesamt für einen Streitwert von 168,20 EUR.

      Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

  2. 2.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.568,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, der am 19. August 1994 geborene xxx und die am 29. Oktober 2001 geborene xxx . Nach der Trennung der Parteien lebten zunächst beide Kinder im Haushalt der Mutter, seit dem 24. Dezember 2005 hält sich xxx beim Vater auf.

2

Die Beklagte geht keiner Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine Einkünfte. Der Kläger ist vollschichtig bei der xxx AG in xxx beschäftigt, zur Arbeitsstelle hat er für eine einfache Fahrt 15 km zurückzulegen.

3

In dem Verfahren vor dem Amtsgericht-Familiengericht- xxx 12 F 79/05 haben die Parteien am 17. März 2005 einen Vergleich geschlossen, in dem der Kläger - dortiger Beklagter - sich verpflichtete,

  1. a)

    für xxx monatlichen Unterhalt in Höhe von 249,00 EUR,

  2. b)

    für xxx monatlichen Unterhalt in Höhe von 192,00 EUR und

  3. c)

    für die Beklagte - dortige Klägerin - monatlichen Unterhalt in Höhe von 425,00 EUR zu zahlen.

4

Darüber hinaus hat die Beklagte und dortige Klägerin in dem Vergleich dem begrenzten Realsplitting zugestimmt und sich verpflichtet, die erforderlichen Erklärungen gegenüber dem Finanzamt abzugeben.

5

Im Hinblick auf den Wechsel der Steuerklasse im Laufe des Jahres 2005 und den Umstand, dass xxx seit Ende 2005 beim Kläger lebt, hat dieser beantragt, den Vergleich vom 17. März 2005 dahingehend abzuändern, dass er seit dem 01. August 2005 der Beklagten nur noch Unterhalt in Höhe von monatlich 316,00 EUR und der Tochter xxx nur noch Unterhalt in Höhe von monatlich 153,00 EUR schuldet.

6

Mit Urteil vom 21. März 2006 hat das Amtsgericht den Kläger unter Abänderung des Vergleichs und Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, ab Januar 2006 an die Beklagte

  1. a)

    Kindesunterhalt für xxx in Höhe von monatlich 192,00 EUR und

  2. b)

    Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 371,00 EUR zu zahlen.

7

Gegen dieses ihm am 30. März 2006 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 26. April 2006 bei Gericht eingegangenen und zugleich begründeten Berufung, mit der er die Abänderung des Vergleichs dahingehend erreichen will, dass er ab Januar 2006 an die Beklagte nur noch monatlich 257,00 EUR und für xxx nur noch monatlich 92,00 EUR zu zahlen hat. Er rügt, dass das Amtsgericht den Barunterhalt für xxx nicht berücksichtigt hat. Zur Durchführung der Berufung hat er Prozesskostenhilfe beantragt.

8

II.

Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe für die Berufung nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang bewilligt werden, seine weitergehende Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

9

Der Kläger schuldet der Beklagten Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB und der Tochter xxx Kindesunterhalt nach §§ 1600 ff. BGB.. Das Einkommen des Klägers ist auf der Basis seiner 2005 erzielten Einkünfte unter Berücksichtigung der Steuerklasse 2 und 1,0 Kinderfreibeträgen zu ermitteln, denn nach seinem Vortrag im Schriftsatz vom 22. Juni 2006 lebt seine Lebensgefährtin nicht mit ihm in einem Haushalt. Dies führt bei einem Bruttoeinkommen von 33.285,61 EUR, wie es sich aus der Dezember-Abrechnung für 2005 ergibt, zu einem Nettobetrag von 20.471,23 EUR, bei Lohnsteuern und Solidaritätsbeitrag in Höhe von 5.654,88 EUR und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 7.159,50 EUR. Das sind monatlich 1.705,54 EUR. Hiervon abzusetzen ist der um die Abgaben bereinigte Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen mit 16,00 EUR. Ferner können im Hinblick auf die Betreuung des Kindes xxx , die die Fahrt zur Arbeit mit einem Pkw angemessen erscheinen lässt, die vom Kläger geltend gemachten Fahrtkosten von 143,00 EUR abgesetzt werden. Es bleiben 1.546,94 EUR.

10

Hinzuzurechnen sind jedoch die Beträge, die der Kläger im Hinblick auf die Fahrtkosten und durch die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings als Steuererstattung erhalten wird. Der Vortrag des Klägers, er habe für 2004 und 2005 noch keine Steuererklärung abgegeben, weil die Beklagte dem begrenzten Realsplitting nicht zugestimmt habe, ist nicht nachvollziehbar. Im Jahr 2004 wurde der Kläger noch nach Steuerklasse 3 versteuert. Für die Folgezeit hat die Beklagte in dem Vergleich vom 17. März 2005 bereits ihre Zustimmung zum begrenzten Realsplitting erklärt. Die Steuererstattungen für 2004 und 2005 werden voraussichtlich für die Nachzahlung, die der Kläger wegen des Steuerklassenwechsels erst zum August 2005 zu erwarten hat, verbraucht werden, so dass sie für das Prozesskostenhilfeverfahren unberücksichtigt bleiben können. Im Jahr 2006, das in der Berufung allein noch im Streit ist, ist der Kläger jedoch berechtigt und verpflichtet, sich auf der Lohnsteuerkarte einen Freibetrag für Fahrtkosten von monatlich 82,80 EUR (15 km x 0,30 EUR x 220 Tage : 12 Monate) sowie für Unterhaltsleistungen von monatlich 371,00 EUR eintragen zu lassen. Unter Berücksichtigung der bereits in den Lohnsteuertarif eingearbeiteten Arbeitnehmer-Pauschale von 920,-- EUR im Jahr und der Sonderausgabenpauschale von 36,-- EUR im Jahr bleiben 4.489,60 EUR, die vom steuerpflichtigen Einkommen abgesetzt werden können ((82,80 EUR x 12) - 920,-- EUR + (371,-- EUR x 12) - 36,-- EUR). Dies führt zu einem Betrag für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag von 4.251,84 EUR gegenüber 5.654,88 EUR. Bei sonst unveränderten Verhältnissen erhöht sich so das Einkommen des Klägers um monatlich 116,92 EUR auf 1.663,86 EUR. Soweit voraussichtlich ab 1. Januar 2007 die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten für die ersten 20 km entfällt, führt dies zu keiner anderen Berechnung, weil davon auszugehen ist, dass die geringe steuerliche Mehrbelastung durch eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung kompensiert wird.

11

Von diesem Einkommen sind als Unterhalt für xxx 219,00 EUR und als Unterhalt für xxx 265,00 EUR abzuziehen, ferner ist für xxx ein Betreuungsbonus von 150,00 EUR anzuerkennen. Es bleibt ein Betrag von 1.029,86 EUR, von dem der Beklagten 3/7, somit 441,37 EUR zustehen.

12

Der Kläger ist jedoch nicht in der Lage, diesen Unterhaltsbetrag zu zahlen, ohne seinen Selbstbehalt, der nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2006, FamRZ 2006, S. 683, auch gegenüber dem getrennt lebenden Ehegatten mit 1.000,00 EUR zu bemessen ist, zu gefährden. Es ist deshalb eine Mangelberechnung durchzuführen.

13

Für Unterhaltszwecke stehen zunächst unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 1.000,00 EUR 663,86 EUR zur Verfügung. Der Bedarf der Unterhaltsberechtigten, der für die Mangelfallberechnung mit 135% des Regelbetrages für jedes Kind und 770,-- EUR für die Beklagte anzusetzen ist, beläuft sich bis einschließlich Juli 2006 auf 1.380,00 EUR, nämlich 276,00 EUR für xxx , 334,00 EUR für xxx und 770,00 EUR für die Beklagte, und ab August 2006 auf 1.439,00 EUR, weil xxx 12 Jahre alt geworden ist und sich sein Unterhaltsbedarf dadurch auf 393,00 EUR erhöht.

14

Dies führt für die Zeit bis einschließlich Juli 2006 zu einem Unterhaltsanspruch der Beklagten von 370,40 EUR. Ab August 2006 errechnet sich ein Unterhaltsanspruch von 355,-- EUR.

15

Gegenüber den minderjährigen Kindern beläuft sich der Selbstbehalt des Klägers auf 890,00 EUR, so dass für den Unterhalt 773,86 EUR zur Verfügung stehen. Dieser Betrag ist noch um weitere 30,00 EUR zu erhöhen, weil der Kläger nur Wohnkosten in Höhe von 330,00 EUR aufzubringen hat, während im Selbstbehalt von 890,00 EUR 360,00 EUR eingerechnet sind. Derartige ersparte Wohnkosten sind, soweit es um den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder geht, ebenfalls einzusetzen. Es ergibt sich ein Betrag von 803,86 EUR, von dem der vorstehend für die Klägerin errechnete Unterhalt von 370,40 EUR bis Juli 2006 und 355,-- EUR ab August 2006 abzusetzen ist. Es bleibt für den Unterhalt der beiden Kinder bis einschließlich Juli 2006 ein Betrag von 433,46 EUR und ab August 2006 ein Betrag von 448,86 EUR. Daraus errechnet sich ein Unterhaltsanspruch von xxx für die Zeit bis einschließlich Juli 2006 von 196,12 EUR und für die Zeit ab August 2006 bis September 2007 von 185,09 EUR. Im Oktober 2007 wird xxx 6 Jahre alt, so dass sich ihr Bedarf in Höhe von 135% des Regelbetrages nach dem derzeitigen Stand auf 334,00 EUR erhöht. Daraus errechnet sich dann ein Unterhaltsanspruch von 206,22 EUR.

16

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Gerichtskosten aus der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aus § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.