Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.05.2004, Az.: 3 U 25/04
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 25.05.2004
- Aktenzeichen
- 3 U 25/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 42342
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2004:0525.3U25.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 07.01.2004 - AZ: - 7 O 104/03
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Zum Einfluss von besserrangigen Zwischenrechten vor einem Wohnungsrecht eines Kindes (im Anschluss an BGH v. 13.7.1995 - IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 = MDR 1996, 412).
- 2.
Wenn das Wohnungsrecht einen besseren Rang als der bestrangig betreibende Gläubiger hat, so führt die Vorrangeinräumung gem. § 880 Abs. 5 BGB dazu, dass die vorgehenden Rechte der nicht bestreibenden Gläubiger trotz des Vorrückens der Klägerin in das geringste Gebot aufzunehmen sind. Wenn einer der Gläubiger der Zwischenrechte die Zwangsversteigerung betriebe, wäre auf Antrag gemäß § 59 ZVG ein Doppelausgebot vorzunehmen, von denen eines das Bestehenbleiben des Wohnungsrechts vorsieht.
- 3.
Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit der Vorrangseinräumung durch das minderjährige Kind der erstbeklagten Mutter ist unbeachtlich, weil es aufgrund der Fiktionswirkung des § 894 ZPO einer gesonderten Genehmigung nicht mehr bedarf.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.1.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 74.500 Euro.
Tatbestand:
Die Klägerin macht eine Schenkungsanfechtung, hilfsweise Absichtsanfechtung, wegen eines den Beklagten gewährten Wohnrechts geltend. und begehrt den Vorrang vor diesem Wohnrecht.
Die Beklagte zu 1) - nebst ihrem Kind, der Beklagten zu 2) - lebte mit dem Schuldner D. eheähnlich zusammen; der Schuldner ist nicht Vater der Beklagten zu 2). Die Klägerin drohte dem Schuldner mit Schreiben vom 31.1.2000 Vollstreckungsmaßnahmen an und betrieb ab dem 18.3.2000 die Mobiliarzwangsvollstreckung; die Vollstreckungsgegenklage blieb erfolglos. Am 4.5.2000 bestellte der Schuldner zugunsten der Beklagten notariell ein lebenslanges Wohnrecht. Die Klägerin hat sich mehrere Sicherungshypotheken eintragen lassen. Die Forderung an den Schuldner beträgt gegenwärtig 80.106,23 Euro (Bl. 4). Der Wert des Wohnrechts beträgt 135.500 Euro
Die Klägerin meint, das Wohnrecht sei unentgeltlich i.S.d § 4 AnfG übertragen. Außerdem lägen die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung (§ 3 Abs. 1 AnfG) vor.
Die Klägerin, die ursprünglich gem. der Klageschrift Vorrangeinräumung auch hinsichtlich weiterer 10.000 Euro beantragt hatte, beantragt nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 17.6.2003, die Beklagten zu verurteilen, den Sicherungshypotheken über 40.000 Euro (Nr. 11) und 30.000 Euro (Nr. 12) den Vorrang vor dem Wohnungsrecht einzuräumen.
Die Beklagten beantragen
Klageabweisung.
Sie tragen im Wesentlichen vor:
Eine unentgeltliche Leistung liege nicht vor, weil die Unentgeltlichkeit nicht zum Inhalt des dinglichen Wohnrechts gemacht werden könne. Außerdem folge aus der eheähnlichen Lebensgemeinschaft eine Unterstützungspflicht, so dass die Wohnrechtsbestellung, mit der der Schuldner seine Ziehtochter habe zukünftig sicherstellen wollen, nicht unentgeltlich sei. Die Voraussetzungen einer Absichtsanfechtung seien nicht gegeben. Der den Prozesskostenhilfeantrag ablehnende Beschluss des OLG Oldenburg habe übersehen, dass vorrangige Zwischenrechte vorgingen.
Gründe
Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Auf den Hinweisbeschluss vom 27.4.2004 wird Bezug genommen. Auch das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 21.5.2004 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung:
Die Genehmigungsbedürftigkeit der Vorrangseinräumung durch die Zweitbeklagte ist hier unbeachtlich, weil es aufgrund der Fiktionswirkung des § 894 ZPO einer gesonderten Genehmigung nicht mehr bedarf (Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 894 Rz. 7 m.w.N.).
Die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zu den Ansprüchen der Anfechtungsgläubiger bei anfechtbar erlangten Grundstücksrechten sind im Hinweisbeschluss näher dargelegt worden. Der Senat sieht auch aufgrund der Ausführungen im Schriftsatz vom 21.5.2004 keinen Anlass, von diesen Grundsätzen abzuweichen.
Es kommt nicht darauf an, ob die V-Bank L. weiterhin die Zwangsvollstreckung betreibt: Selbst wenn das Wohnungsrecht der Beklagten einen besseren Rang als der bestrangig betreibende Gläubiger haben sollte, ergibt sich daraus nicht zwingend (wie im Hinweisbeschluss ausgeführt), dass sich die Position der Klägerin durch eine Vorrangseinräumung keineswegs verschlechtern wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Hinweisbeschluss
I. Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug wird zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
II. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall:
Die Klägerin kann von den Beklagten verlangen, den zugunsten der Klägerin in Abt. III Nrn. 11 und 12 eingetragenen Sicherungshypotheken den Vorrang vor dem in Abt. II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsrecht einzuräumen.
Wenn dem Sicherungsrecht eines Gläubigers ein anfechtbar erworbenes dingliches Recht eines anderen an einem Grundstück vorgeht, dann begründet der Anfechtungsanspruch regelmäßig auch einen schuldrechtlichen Anspruch des Anfechtenden gegen den Leistungsempfänger auf Einräumung eines Vorrangs, der entsprechend § 880 BGB zu vollziehen ist. Der Anfechtungsgegner ist verpflichtet, alle Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um eine der Einräumung eines Vorrangs gem. § 880 BGB entsprechende Wirkung zu erreichen. Zur Konkretisierung im Hinblick auf § 894 ZPO kann der Antrag auf Abgabe dieser Erklärungen mit dem allgemeinen Antrag verbunden werden, von dem erworbenen Recht keinen Gebrauch zu machen (BGH v. 13.7.1995 - IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 [326 f.] = MDR 1996, 412 [BGH 13.07.1995 - IX ZR 81/94]; Huber, AnfG, 9. Aufl., § 13 Rz. 26).
Es ist nicht ersichtlich, warum - wie die Beklagten offenbar meinen - die Stellung des allgemeinen Antrags zwingend sein soll. Der Anfechtungsgläubiger ist nicht gehindert, sich auf den soeben dargestellten konkreten Antrag zu beschränken.
Ohne Erfolg bleiben auch die von den Beklagten erhobenen Einwendungen, mit denen sie darauf hinweisen, dass sich das Grundstück in der Zwangsversteigerung befindet und in Abt. III Nrn. 8 und 9 Zwischenrechte mit Rang zwischen dem Wohnungsrecht und den Sicherungshypotheken der Klägerin eingetragen sind.
Das Bestehen von Zwischenrechten ist kein Grund, dem Anfechtungsgläubiger allgemein die eigene Möglichkeit zu nehmen, das anfechtbar bestellte Recht in der Zwangsversteigerung zu beseitigen; sonst hingen seine Befriedigungsmöglichkeiten von dem Zufall ab, ob ein noch ranggünstigerer Gläubiger dem Verfahren beitritt (BGH v. 13.7.1995 - IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 [326] = MDR 1996, 412 [BGH 13.07.1995 - IX ZR 81/94]).
Es trifft auch nicht zu, dass die vorliegende Anfechtungsklage unter keinen Umständen Auswirkung auf die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Klägerin haben kann.
Die Beklagten gehen bei ihren entsprechenden Ausführungen offenbar davon aus, dass das ihnen zustehende Wohnrecht als bestehen bleibendes Recht gem. § 44 ZVG in das geringste Gebot aufzunehmen ist. Dies dürfte aber nicht der Fall sein, denn ausweislich des mit der Berufungsbegründung vorgelegten Beschlusses des AG Lingen vom 3.9.2003 - 11 K 49/02 - betreibt auch die V-Bank L. gem. Beitrittsbeschluss vom 19.5.2003 die Zwangsversteigerung aus dem in Abt. III unter Nr. 7 eingetragenen Recht. Dieses am 9.12.1999 eingetragene Recht geht aber dem Wohnungsrecht der Beklagten (eingetragen am 12.5.2000) im Range vor.
Selbst wenn das Wohnungsrecht letztlich einen besseren Rang als der bestrangig betreibende Gläubiger haben sollte, irren die Beklagten, wenn sie ausführen, die Gläubiger der Zwischenrechte könnten gem. § 880 Abs. 5 BGB auf einem Ausgebot bestehen, nach dem das Wohnungsrecht als bestehen bleibendes Recht vom Ersteher zu übernehmen ist.
Die Vorrangeinräumung zugunsten der Klägerin führt dann vielmehr gem. § 880 Abs. 5 BGB dazu, dass die Rechte Abt. III Nrn. 8 und 9, deren Gläubiger die Zwangsversteigerung nicht betreiben, trotz des Vorrückens der Klägerin in das geringste Gebot aufzunehmen sind (Steiner/Eickmann, ZVG, 9. Aufl., § 44 Rz. 74; Dassler/Schiffhauer, ZVG 12. Aufl., § 44 Rz. 36; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 44 Anm. 6. 3b)). Wenn einer der Gläubiger der Zwischenrechte die Zwangsversteigerung betriebe, wäre auf Antrag gem. § 59 ZVG ein Doppelausgebot vorzunehmen, von denen eines das Bestehenbleiben des Wohnungsrechts vorsieht. Ob dies auch der Fall sein wird, hängt von den dann tatsächlich abgegebenen Geboten ab, sodass sich derzeit noch keine sichere Aussage dazu treffen lässt, ob die Klägerin durch die Anfechtung ihre Position im Ergebnis verbessern wird.
III. Da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, beabsichtigt der Senat, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Es besteht Gelegenheit bis zum zu diesem Beschluss Stellung zu nehmen oder - im Kosteninteresse - die Berufung zurückzunehmen.