Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 22.03.2002, Az.: 10 Qs 9/03
Ablehnung; Anfechtbarkeit; Beschränkung; Beschwerde; Einschränkung; Hauptverhandlungstermin; innere Verbindung; isoliertes Rechtsmittel; Ladung; Nichterscheinen; Revision; spätere Ladung; Strafbefehlserlass; Terminshoheit; Terminsverfügung; Terminsverlegung; Unstatthaftigkeit; Unzulässigkeit; Urteilsfällung; Urteilsvorbereitung; Verhinderung; Verteidigung; Verteidigungsbeschränkung; Vorsitzendenanordnung
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 22.03.2002
- Aktenzeichen
- 10 Qs 9/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43710
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 06.12.2002 - AZ: 3 Ds 307/02
Rechtsgrundlagen
- § 305 Abs 1 S 1 StPO
- § 336 StPO
- § 338 Nr 8 StPO
- Art 6 Abs 3c MRK
Tenor:
Es wird die Beschwerde des Angeklagten vom 09.12.2002 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Bad Iburg vom 06.12.2002 - 3 Ds 307/02 - als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
In dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Bad Iburg -3 Ds 307/02- wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung hat der Strafrichter nach Eröffnung des Hauptverfahrens vom 11.11.2002 mit Verfügung vom gleichen Tage Termin zur Hauptverhandlung auf den 11.12.2002 anberaumt und die Ladung des Angeklagten und seines Verteidigers angeordnet. Diese Ladung ist dem Verteidiger am 18.11.2002 zugestellt worden. Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 28.11.2002 unter Hinweis auf einen gleichzeitigen Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Mayen die Verlegung des Hauptverhandlungstermins beantragt. Der Strafrichter hat durch Verfügung vom 6.12.2002 eine Terminsverlegung abgelehnt, da der Verteidiger die Ladung zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Mayen später erhalten habe als die Ladung zum Termin vor dem Amtsgericht Bad Iburg. Hiergegen hat der Verteidiger mit Telefax vom 9.12.2002 Beschwerde eingelegt, der der Strafrichter durch Beschluß vom 9.1.2003 nicht geholfen hat. Am 11.12.2002 fand eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten statt, zu der der Angeklagte und sein Verteidiger nicht erschienen sind. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat der Strafrichter einen Strafbefehl erlassen, gegen den Angeklagte inzwischen rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.
II.
Die Beschwerde ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
Ob und unter welchen Voraussetzungen Terminsverfügungen mit der Beschwerde angefochten werden können, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig (bejahend: OLG Hamm MDR1975, 245; OLG Oldenburg StV1991, 152; OLG Frankfurt StV1995, 9; OLG Hamburg StV1995, 11; verneinend: OLG Celle NStZ1984, 282; OLG Düsseldorf JMBl.NRW1995, 248; OLG Hamm NStZ1998, 133; OLG Karlsruhe StV1982, 560; OLG Stuttgart MDR1980, 954; vgl. auch Kleinknecht/Meyer- Goßner, StPO, 46.Aufl., §213 Rdn.8 m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer ist die Anordnung eines Hauptverhandlungstermins wie auch die Ablehnung einer beantragten Terminsverlegung gemäß § 305 Abs.1 S.1 StPO einem Rechtsmittel nicht zugänglich, sondern kann in Verbindung mit §336 StPO nur unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr.8 StPO im Rahmen der Revision gerügt werden. Nach§305 Abs.1 S.1 StPO unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, grundsätzlich nicht der Beschwerde durch die Verfahrensbeteiligten. Diese Bestimmung schließt nach einer von der Kammer vertretenen Auffassung generell jedenfalls die Beschwerde des Angeklagten bzw. des Verteidigers gegen eine Terminsverfügung aus (so auch OLG Stuttgart, NJW 1976, 1647 [OLG Stuttgart 06.02.1976 - 3 Ws 30/76]; MDR1980, 954; OLG Celle NStZ1984, 282; OLG Düsseldorf JMBl.NRW1995, 248; OLG Hamm NStZ1998, 133; OLG Karlsruhe StV1982, 560; OLG Stuttgart MDR1980, 954).
Maßgebend für die Einschränkung der gesonderten Anfechtbarkeit von Vorsitzendenanordnungen im Rahmen des § 305 StPO ist, ob die angegriffene Entscheidung in einem inneren Zusammenhang mit der nachfolgenden Urteilsfällung steht und der Vorbereitung der letzteren dient, demzufolge eine bloß vorläufige Entscheidung darstellt und bei der Urteilsfällung nochmals der Prüfung des Gerichts unterliegt (HK- Rautenberg, StPO, 3.Aufl., §305 Rdn.1). Zugleich soll damit vermieden werden, daß derartige die Urteilsfällung vorbereitende Entscheidungen von den verschiedenen Rechtsmittelinstanzen divergierend beurteilt werden. Diese Voraussetzungen treffen auf die Terminsbestimmung zu. Die Terminsverfügung steht in innerer Verbindung mit der Urteilsfällung. Sie dient der Urteilsvorbereitung und hat -jedenfalls für den Angeklagten- keine weiteren Verfahrenswirkungen.
Aus diesem Grunde ist die Terminsverfügung und die damit zusammenhängenden Vorsitzendenanordnungen entgegen der Auffassung, wonach ein Rechtsmittel ausnahmsweise dann zulässig sein soll, wenn der Vorsitzende sein Ermessen bei der Terminsbestimmung fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. OLG Oldenburg StV1991, 152; OLG Frankfurt StV1995, 9; OLG Hamburg StV1995, 11; OLG Karlsruhe StV1991, 509; HK- Julius, StPO, 3.Aufl., §21 Rdn.9; Kleinknecht/Meyer- Goßner, StPO, 46.Aufl., §213 Rdn.8 m.w.N.), einem isolierten Rechtsmittel schlechthin nicht zugänglich.
Eine derartige Ausnahme ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts des Angeklagten auf einen Verteidiger seiner Wahl gemäß Art.6 Abs.3 lit.c) EMRK ergeben. Diese Bestimmung gewährt dem Angeklagten jedoch keinen umfassenden Anspruch auf die Anwesenheit eines von ihm gewählten Verteidigers. Der Anspruch auf „konkrete und wirkliche“ Verteidigung schließt diese Möglichkeit nicht ein, wie sich bereits aus §228 Abs.2 StPO ergibt. Aus dieser Regelung folgt vielmehr, daß das Gericht zu einer Aussetzung des Verfahrens bei einer Verhinderung des Wahlverteidigers in Fällen nicht notwendiger Verteidigung mit den sich aus den Grundsätzen eines fairen Verfahrens ergebenden Einschränkungen (vgl. OLG Hamm, VRS 41, 45; 47, 358; 68, 49; NStZ1998, 133) nicht gehalten ist. Dies muß erst recht für den Fall gelten, in denen der Verteidiger oder der Angeklagte wegen einer solchen Verhinderung des Verteidigers um die Verlegung des Hauptverhandlungstermins nachsucht. Inwieweit sich aus der Verhinderung des Verteidigers eine Revisibilität des dann erlassenen Urteils ergibt (vgl. hierzu BGH NStZ1999, 527), ist eine andere Frage.
Wäre eine ermessensfehlerhafte Terminsbestimmung isoliert anfechtbar, würde dies nach der hierzu vertretenen Auffassung, die dem Beschwerdegericht nur die Möglichkeit einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zubilligen will, dazu führen, daß wegen der Fortwirkung der Terminsbestimmung das Rechtsmittel infolge der prozessualen Überholung auch nicht unzulässig würde (vgl. BVerfGE96, 27; Kleinknecht/Meyer- Goßner, StPO, 46.Aufl., Vor §296 Rdn.17 ff.), sondern die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Terminsbestimmung und der darauf beruhenden weiteren Entscheidungen, hier dem Erlaß des Strafbefehls, nach sich ziehen müßte, was dem geltenden Strafverfahrensrecht fremd wäre.
In Fällen der vorliegenden Art besteht danach keine Notwendigkeit für einen mit der Eröffnung des Beschwerdeverfahrens möglichen Eingriff in die "Terminshoheit" (OLG Stuttgart, aaO) des Vorsitzenden. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.