Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 08.12.2010, Az.: 2 A 295/09

Luftschutzstollen; Reichsleistungsgesetz; Verfüllung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
08.12.2010
Aktenzeichen
2 A 295/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eigentümer eines im Zweiten Weltkrieg zum Werksluftschutz angelegten Stollens ist der Eigentümer des Grundstücks, in dem der Stollen liegt.
2. Ein Luftschutzstollen ist nicht im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB zu einem nur vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden.
3. Das Reichsleistungsgesetz aus dem Jahre 1939 begründete kein Recht, das im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB einem dinglichen Recht gleichgestellt werden könnte und den Eigentumserwerb des Grundeigentümers an dem Stollen gehindert hätte.
4. Forderungen aus einer etwaigen materiellen Polizeipflichtigkeit des Deutschen Reiches als möglichem Bauherren des Luftschutzstollens, für die als Rechtsnachfolgerin die Bundesrepublik Deutschland einzustehen hätte, sind nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz erloschen.
5. Zur Verhältnismäßigkeit einer Anordnung zur teilweisen Verfüllung des Stollens unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des betroffenen Grundstücks.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 52.473,84 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die bauaufsichtliche Anordnung der Beklagten, einen auf ihrem Grundstück verlaufenden ehemaligen Luftschutzstollen zu verfüllen.

Die Kläger erwarben das Grundstück G., das sie mit einem Wohnhaus bebauten. Entlang der westlichen Grenze des als Garten und Freifläche angelegten Flurstücks H. verläuft auf dem Grundstück der Kläger in einer Tiefe von etwa 27 m der sog. Oststollen des Stollensystems „I.“, dessen südliche Ausdehnung bis auf das südlich gelegene Nachbargrundstück reicht. Bei dem Stollensystem, zu dem neben dem Ost- auch ein West- und ein Mittelstollen gehören, handelt es sich um im Zweiten Weltkrieg ab August 1944 angelegte Werksluftschutzstollen zur unterirdischen Verlagerung der Munitionsproduktion der Hermann Göring-Werke. Der Oststollen mit einer Höhe von durchschnittlich 5 m und einer Breite von durchschnittlich 5,50 m wurde bis Februar 1945 vollständig aufgefahren. Zu einer Nutzung des Stollens zur Granatenproduktion kam es nicht mehr. Nach Kriegsende wurde der Stollen teilweise verfüllt, die Eingangsbereiche wurden gesprengt. In dem am 21. Januar 1999 in Kraft getretenen Bebauungsplan der Beklagten Bad 91 B „Am I. - 2. Bauabschnitt“ ist der Stollen als ehemaliger SMAG-Stollen (J.) verzeichnet. Für die Freifläche des Grundstücks der Kläger enthält der Bebauungsplan eine Festsetzung gemäß § 9 Abs. 5 BauGB, nach der die Grundstücksfläche erdfallgefährdet und mit einem sog. Geotextil zu unterziehen ist.

Nachdem es bei einem in einem anderen Bereich des Stadtgebietes der Beklagten gelegenen früheren Luftschutzstollen zu Erdbewegungen gekommen war, ließ die Beklagte durch die Firma K.) ein Gutachten zur Beurteilung der Standsicherheit und des von dem Stollensystem ausgehenden Gefährdungspotentials erstellen. Für die Begutachtung führte die Firma L. 16 Bohrungen durch, von denen eine Bohrung unmittelbar nördlich des Grundstücks der Kläger (Bohrpunkt E2) und zwei Bohrungen auf dem südlichen Nachbargrundstück (Bohrpunkte E0 und E1) erfolgten. Bei einer Kamerabefahrung der Bohrpunkte stellte die Firma fest, dass der Holzverbau des Oststollens durch Verrottung beeinträchtigt sei und der Stahlträgerverbau den Kräften des Gebirges keinen ausreichenden Widerstand leisten könne. Weitere Zutagebrüche seien zu erwarten, ohne dass deren Zeitpunkt genannt werden könne. Für den Südbereich des Oststollens gelangt das Gutachten der Firma L. vom August 2001 zu dem Ergebnis, dass das Eintreten eines Schadensereignisses als nahezu gesichert anzunehmen sei. Der Stollenverlauf und die Eigenarten des Gebirges begründeten eine besonders risikobehaftete Situation für weit, bis nahe an oder bis an die Tagesoberfläche durchschlagende Brüche. Begünstigt werde das Risiko eines Zutagebruchs durch die latente Verkarstungsanfälligkeit des Gesteins. Zur Wiederherstellung der Gebirgsstandfestigkeit sei eine Teilverfüllung des Stollens geboten. Ergänzend beauftragte die Beklagte den Sachverständigen für Erd- und Grundbau M. der Firma N. mit der Überprüfung und Beurteilung des Gutachtens der Firma L.. In seinem geotechnischen Prüfbericht vom November 2001 stellte der Sachverständige fest, dass die von der Firma L. auf der Grundlage von insgesamt zehn Kernbohrungen im Bereich des Oststollens und der angrenzenden Kammern sowie der durchgeführten Kamerabefahrung gewonnenen Ergebnisse nachvollziehbar seien und auf einer sorgfältigen Dokumentation beruhten. Für den südlichen Teil des Oststollens sei Handlungsbedarf gegeben. Die empfohlene Verfüllung des Stollens sei eine angemessene Maßnahme, um auch einer möglichen Gefährdung der nördlich des Grundstücks der Kläger verlaufenden Kreisstraße K 32 (O.) zu begegnen.

Mit Bescheid vom 11. März 2003 gab die Beklagte den Klägern mit einer bauordnungsbehördlichen Anordnung auf, den unter ihrem Grundstück verlaufenden Luftschutzstollen zu 2/3 verfüllen zu lassen. Die Anordnung sieht vor, dass die Verfüllung nach den als Anlage beigefügten technischen Vorgaben für die Verfüllung von unterirdischen Hohlräumen durch ein hierzu befähigtes Fachunternehmen und unter Begleitung durch einen unabhängigen, amtlich anerkannten Sachverständigen für Erd- und Grundbau durchzuführen ist. Nach den in Bezug genommenen technischen Vorgaben ist die Verfüllung mit einem Dämmer-Gemisch oder einem gleichwertigen Material unter Beachtung bestimmter DIN-Vorschriften dergestalt vorzunehmen, dass sich im gesamten Bereich des unter dem Grundstück verlaufenden Stollens eine annähernd waagerechte Oberfläche ausbildet, welche den Stollen vom Boden bis in die Höhe zu mindestens 2/3 ausfüllt. Für die Durchführung der Maßnahmen bestimmte die Beklagte eine Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheides. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte sie den Klägern die Durchführung der Ersatzvornahme an, deren voraussichtliche Kosten sie mit etwa 43.000,-- EUR bezifferte. Zudem ordnete sie die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bei dem ehemaligen Luftschutzstollen handele es sich um eine bauliche Anlage, deren Standsicherheit entgegen § 18 Satz 1 NBauO nicht mehr gewährleistet sei. Wegen der daraus resultierenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für Leben und Gesundheit von Menschen, sei eine Verfüllung der Stollenanlage geboten. Als Eigentümer des betroffenen Grundstücks seien die Kläger gemäß § 61 NBauO dafür verantwortlich, dass bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Weil nicht abschließend geklärt sei, wer für die Errichtung der Stollenanlage verantwortlich sei, die Gefahrenlage aber ein schnelles Einschreiten erfordere, seien die Kläger zur Verfüllung des Stollens heranzuziehen. Die getroffene Anordnung sei den Klägern zumutbar. Als Grenze der Zumutbarkeit könne der Verkehrswert des jeweiligen Grundstücks als Anhaltspunkt herangezogen werden. Entsprechend einer durch den Gutachterausschuss beim Katasteramt Salzgitter erstellten Bodenwertkarte liege schon der Wert des Grundstücks der Kläger ohne Bebauung weit über den für die Verfüllung veranschlagten Kosten.

Gegen den Bescheid der Beklagten erhoben die Kläger mit Schreiben vom 09. April 2003 Widerspruch. Auf einen zugleich bei Gericht gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellte die erkennende Kammer mit Beschluss vom 28. August 2003 (2 B 176/03) unter Annahme offener Erfolgsaussichten der Hauptsache auf der Grundlage einer Interessenabwägung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Kläger wieder her. Im Beschwerdeverfahren beim Nds. Oberverwaltungsgericht erklärte die Beklagte ihre Bereitschaft, die Verfüllung des Stollens im Wege der Ersatzvornahme selbst vornehmen zu lassen und die Erstattung der entstehenden Kosten vom Ausgang eines Verfahrens gegen ihre bauaufsichtliche Verfügung vom 11. März 2003 abhängig zu machen. Nach Abgabe von Erledigungserklärungen durch die Beteiligten stellte das Nds. Oberverwaltungsgericht daraufhin das Verfahren mit Beschluss vom 13. Januar 2004 (9 ME 271/03) ein. Für die Durchführung der den Klägern aufgegebenen Maßnahme sind der Beklagten Kosten in Höhe von 52.473,84 EUR entstanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009, zugestellt am 30. November 2009, wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen ihren Bescheid vom 11. März 2003 als unbegründet zurück.

Die Kläger haben am 17. Dezember 2009 Klage erhoben. Zur Begründung machen sie geltend: Die Beklagte sei für die getroffene Anordnung nicht zuständig. Nach dem von ihr eingeholten Gutachten der Firma L. vom August 2001 bedürfe jede Versatzmaßnahme eines bergrechtlichen Betriebsplans, über den das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie zu entscheiden habe. Zu prüfen sei zudem eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als Verwaltungsträger für Luftschutzbauten. Der angegriffene Bescheid der Beklagten sei inhaltlich unbestimmt, denn die Anlage des Bescheides zu den technischen Vorgaben für die Verfüllung von unterirdischen Hohlräumen nehme ebenso wie ein dem Bescheid beigelegtes Merkblatt zur Verfüllung von Hohlräumen mit hydraulischen Bindemitteln im Tiefbau auf DIN-Normen Bezug, die ihnen weder bekannt noch allgemein zugänglich seien. Zumindest sei der Bescheid der Beklagten materiell rechtswidrig. Soweit die Beklagte von der fehlenden Standsicherheit der Stollenanlage ausgehe, sei zu berücksichtigen, dass die Kamerabefahrung der ihrem Grundstück nächstgelegenen Bohrpunkte E1 und E2 nach dem Gutachten der Firma L. ergeben habe, dass es an diesen Stellen zu keinem Verbruch des Stollens gekommen sei und ein am Bohrpunkt E1 vorhandener Doppel-T-Träger zwar mit Rost bedeckt, aber sonst gut erhalten und nicht verbogen sei. Unmittelbar auf ihrem Grundstück seien keine Erkundungsmaßnahmen erfolgt. Bei der Aufstellung des maßgeblichen Bebauungsplans sei offenbar auch die Beklagte noch von der Standsicherheit der Anlage ausgegangen, denn anderenfalls hätte sie kaum Baufenster unmittelbar angrenzend an den Stollengrundriss festgesetzt. Den Sachverständigen der Firma L. lehnen die Kläger wegen dessen aus ihrer Sicht unsachlicher ergänzender Stellungnahme vom 14. April 2010 als parteiisch und voreingenommen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien sie für den Zustand des Stollens nicht verantwortlich. Eigentum an dem Luftschutzstollen hätten sie nicht erworben. Der Stollen sei kein wesentlicher Bestandteil ihres Grundstücks. Auf fremden Grundstücken errichtete militärische Anlagen dienten im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB einem vorübergehenden Zweck und zählten daher rechtlich nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks. Jedenfalls sei der Stollen in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB errichtet worden, weil die betroffenen Grundeigentümer die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke seinerzeit auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Befugnisse nach § 2 Abs. 2 des Luftschutzgesetzes aus dem Jahre 1935 hätten dulden müssen. Der Stollen befinde sich weiterhin in einer solchen Tiefe, dass er gemäß § 905 Satz 2 BGB nicht mehr in die Herrschaftssphäre des Grundstückseigentümers falle. Auch sei die Störerauswahl der Beklagten fehlerhaft. Vorrangig sei die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs in seiner Funktion als Bauherr des Luftschutzstollens heranzuziehen. Nach einem Vermerk des Oberbergamtes vom 02. Oktober 1945 sei der Stollen schon bei seiner Erstellung nicht hinreichend standsicher gewesen, so dass bereits seinerzeit die Störerverantwortlichkeit des Deutschen Reichs begründet gewesen sei. Die von der Beklagten getroffene Anordnung belaste sie unzumutbar. Der Verkehrswert ihres Grundstücks betrage weniger als 50.000,-- EUR. Dabei sei der Wert des unbebauten Grundstücks in den Blick zu nehmen, denn das Gartengrundstück sei tatsächlich von Bebauung frei geblieben. Unabhängig davon müsse die durch die Errichtung ihres Wohnhauses eingetretene Wertsteigerung auch deshalb außer Betracht bleiben, weil diese Wertsteigerung nicht sanierungsbedingt eingetreten sei. Bei Erwerb des Grundstücks im Jahre 2000 hätten sie auf der Grundlage des erst ein Jahr zuvor in Kraft getretenen Bebauungsplans der Beklagten darauf vertraut, dass die Nutzung der nicht überbaubaren Grundstücksfläche lediglich die Verwendung eines sog. Geotextils erfordere. Schließlich sei entsprechend einem notariellen Vertrag vom 13. Januar 2010 zwischenzeitlich die Klägerin zu 1) Alleineigentümerin des Grundstücks, so dass der angegriffene Bescheid jedenfalls für den Kläger zu 2) aufgehoben werden müsse.

Die Kläger beantragen,

die bauordnungsrechtliche Verfügung der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert: Eine Zuständigkeit der Bergverwaltung sei nicht begründet. Der Luftschutzstollen habe zu keinem Zeitpunkt der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen gedient und nicht der Aufsicht der Bergverwaltung unterstanden. Es habe sich auch nicht um eine Anlage zum Bevölkerungsschutz gehandelt, so dass eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ebenfalls nicht gegeben sei. Zu den Einwänden der Kläger gegen die Beurteilung der Standsicherheit des unter ihrem Grundstück gelegenen Stollenabschnitts legt sie eine ergänzende Stellungnahme der Firma L. vom 14. April 2010 vor, nach der die durchgeführten Bohrungen und Kamerabefahrungen ausreichend gewesen seien, um auch für das Grundstück der Kläger die Gefahr eines Verbruchs der Stollenanlage feststellen zu können. Die Kläger seien zutreffend als Eigentümer des Luftschutzstollens in Anspruch genommen worden. Anhaltspunkte für eine Errichtung der Stollenanlage zu einem lediglich vorübergehenden Zweck im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB seien nicht gegeben. Auch wenn in dem Stollen Munition habe produziert werden sollen, habe es sich nicht um eine zur militärischen Nutzung bestimmte Anlage gehandelt, sondern vielmehr um den Teil eines produzierenden Betriebes. Die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB erfasse nur dingliche Rechte. Ein solches habe den Reichswerken Hermann Göring seinerzeit an dem Grundstück nicht zugestanden und folge auch nicht aus § 2 Abs. 2 des Luftschutzgesetzes aus dem Jahre 1935. Ein rechtswidriges Verhalten des damaligen Bauherrn, etwa weil bereits bei Errichtung des Stollensystems die Standsicherheit nicht hinreichend gewährleistet worden sei, könne nicht festgestellt werden. Die Bundesrepublik Deutschland sei auch nicht Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs, welches den Bau der Stollenanlage veranlasst habe. Dies gelte um so mehr, als der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07. April 2006 (V ZR 144/05) in einem von ihr gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Eigentumsstörung angestrengten zivilrechtlichen Verfahren ausgeführt habe, dass die für solche Ansprüche nach § 28 Abs. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) geltende Anmeldefrist von einem Jahr, die grundsätzlich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01. Januar 1958 beginne, abgelaufen sei, und Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland deshalb nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Dementsprechend hätten nur die Kläger zur Verfüllung des Stollens herangezogen werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Zu beachten sei, dass den Klägern durch die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans bekannt gewesen sei, dass sich ihr Grundstück im Einwirkungsbereich eines ehemaligen Luftschutzstollens befinde. Zur Instandhaltung dieses Stollens seien sie als Eigentümer verpflichtet gewesen. Sowohl die Bebauung des klägerischen Grundstücks als auch die Verfüllung und Sicherung des Stollens hätten den Verkehrswert des Grundstücks gesteigert. Gemessen an dem nunmehr gegebenen Verkehrswert seien die Kläger nicht unverhältnismäßig belastet. Die für die Durchführung der angeordneten Maßnahme bestimmte Frist von einem Monat sei im Hinblick auf die Dringlichkeit der Verfüllung nicht zu beanstanden. Der angegriffene Bescheid sei auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Die getroffene Anordnung sehe die Ausführung der Arbeiten durch ein hierzu befähigtes Fachunternehmen vor, welchem die einschlägigen DIN-Normen bekannt seien. Die Vorgaben des Bescheides seien insoweit zur Weitergabe an das zu beauftragende Fachunternehmen bestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die beigezogenen Unterlagen des Nds. Bergarchivs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Zulässigkeit der erhobenen Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass die Beklagte den unter dem Grundstück der Kläger verlaufenden ehemaligen Luftschutzstollen bereits im Wege der Ersatzvornahme hat verfüllen lassen. Auch die nicht mehr rückgängig zu machende Vollstreckung eines Verwaltungsakts durch Ersatzvornahme führt nicht zu dessen Erledigung, denn der Grundverwaltungsakt bildet zugleich die Grundlage für einen späteren Kostenbescheid. Diese Titelfunktion des Grundverwaltungsakts dauert auch nach der Durchführung einer Ersatzvornahme an (BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5/08 -, juris).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Anordnung ist § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO, denn die Gefahr, auf deren Abwehr der angegriffene Bescheid gerichtet ist, und die hier in dem Auftreten von bis an die Tagesoberfläche reichenden Verbrüchen des ehemaligen Luftschutzstollens besteht, geht von einer baulichen Anlage aus. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO gelten als bauliche Anlage auch künstliche Hohlräume unterhalb der Erdoberfläche, wie sie bei einem im Erdboden angelegten ehemaligen Luftschutzstollen gegeben sind.

Auf der Grundlage von § 89 Abs. 1 NBauO hat die Beklagte gemäß § 65 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 NBauO als zuständige untere Bauaufsichtsbehörde gehandelt. Eine Zuständigkeit des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie, welche gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 NBauO die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde ausschließen würde, ist nicht gegeben. Nach den vom Nds. Bergarchiv beigezogenen Unterlagen stand der Luftschutzstollen zu keinem Zeitpunkt unter bergpolizeilicher Aufsicht, da es sich nicht um einen Bergwerksbetrieb handelte, welcher der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen diente (so ausdrücklich: Vermerk des Oberbergamtes vom 02.10.1945, Verfügung des Oberbergamtes vom 24.01.1946 und Schreiben des Oberbergamtes an die Stadt Watenstedt-Salzgitter vom 21.03.1946). Eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gemäß § 4 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes (ZSKG) ist gleichfalls nicht begründet, denn bei dem im Zweiten Weltkrieg zu Gunsten der Herman Göring-Werke errichteten ehemaligen Luftschutzstollen handelt es sich nicht um einen mit Mitteln des Bundes, also der Bundesrepublik Deutschland, wiederhergestellten oder errichteten Stollen als öffentlichem Schutzraum im Sinne von § 7 ZSKG oder um eine bauliche Schutzmaßnahme des Bundes zum Schutz lebens- oder verteidigungswichtiger Anlagen und Einrichtungen nach § 9 ZSKG.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 ist im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt. Soweit in der Anlage 2 des Bescheides zu den technischen Vorgaben für die Verfüllung von unterirdischen Hohlräumen und einem dem Bescheid beigefügten Merkblatt zur Verfüllung von Hohlräumen mit hydraulischen Bindemitteln im Tiefbau auf technische Regelwerke in Gestalt von DIN-Normen verwiesen wird, steht diese Bezugnahme der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der getroffenen Anordnung nicht entgegen. In der Anordnung ist ausdrücklich ausgeführt, dass den Klägern die Verfüllung des unter ihrem Grundstück verlaufenden Luftschutzstollens zu 2/3 aufgegeben wird. Der zu verfüllende Hohlraumanteil ist mit 725 m³ angegeben. Die Anlage 2 zu der angegriffenen Verfügung weist die durchzuführenden Arbeitsschritte aus und gibt das Verfüllmaterial mit einem Dämmer-Gemisch oder einem gleichwertigen Material an. Soweit ergänzend auf DIN-Normen verwiesen wird, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass den Klägerin die Durchführung der Verfüllung durch ein hierzu befähigtes Fachunternehmen unter Begleitung durch einen unabhängigen, amtlich anerkannten Sachverständigen für Erd- und Grundbau aufgegeben worden ist, welche hinsichtlich der weiteren zu beachtenden technischen Einzelheiten mit den maßgeblichen DIN-Vorschriften vertraut sind.

Widersprechen bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht oder ist dies zu besorgen, so kann die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem ehemaligen Luftschutzstollen um eine bauliche Anlage. Die bauliche Anlage steht im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht, denn sie besitzt nicht die nach § 18 Satz 1 NBauO erforderliche Standsicherheit und ist, soweit die Nutzung bereits nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegeben worden ist und eine Wiederherstellung der Standsicherheit zu einer zweckentsprechenden Nutzung daher nicht mehr geboten erscheint, entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 NBauO nicht so beschaffen, dass die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leben und Gesundheit von Menschen, nicht gefährdet wird. Nach dem Gutachten der Firma L. vom August 2001 musste bei Erlass der angegriffenen Anordnung jederzeit mit dem Auftreten von Tagebrüchen gerechnet werden. Der Holzverbau des Oststollens ist nach den Ausführungen des Gutachtens weitgehend verrottet und der Stahlträgerverbau auf Dauer nicht geeignet, den Bewegungen und Kräften des Gebirges ausreichenden Widerstand zu leisten. Im Südbereich des Oststollens, zu dem der unter dem Grundstück der Kläger verlaufende Teil des Stollensystems gehört, sei die Standsicherheit in besonderer Weise gefährdet. Der Stollenverlauf und die Eigenarten des Gebirges begründeten hier eine besonders risikobehaftete Situation für das Auftreten von bis nahe an oder bis an die Tagesoberfläche durchschlagende Verbrüche. Begünstigt werde das Risiko eines Zutagebruchs durch die latente Verkarstungsanfälligkeit des vorhandenen Gesteins, so dass eine Risikoaddition vorzunehmen sei. Soweit auf dem Grundstück der Kläger Bohrungen zur Erkundung des Zustandes des Stollens nicht durchgeführt worden sind, steht dies der Aussagekraft des Gutachtens der Firma L. nicht entgegen. Die dem Grundstück der Kläger nächstgelegenen Bohrungen sind unmittelbar auf den nördlich und südlich angrenzenden Grundstücken erfolgt. Zu der Bohrung und Kamerabefahrung am Bohrpunkt E0 auf dem südlich benachbarten Grundstück weist das Gutachten zwar aus, dass ein vorhandener Doppel-T-Träger wenn auch mit Rost bedeckt, ansonsten doch gut erhalten und nicht verbogen sei. Zugleich ist aber ausgeführt, dass der Holzverbau nicht mehr vorhanden sei und das Holz verfault auf der Sohle liege, zum Teil vermengt mit Schutt vom Versturz. Am Rohrpunkt war der Stollen zum Zeitpunkt der Kamerabefahrung in seiner Höhe und Breite erhalten. In Blickrichtung Nord-Nord-West war allerdings Ver-bruch von der Firste festzustellen. Für den dem Grundstück der Kläger noch näher gelegenen Bohrpunkt E1 auf dem südlich benachbarten Grundstück führt das Gutachten aus, dass sowohl in Richtung Nord-Nord-West als auch in Blickrichtung Süd-Süd-Ost Versturz von der Firste gegeben gewesen sei. Einzelne Schichtpakete hingen teilweise abbruchreif an der Firste. Auch hier war der Doppel-T-Träger gut, der Holzverbau jedoch nicht mehr erhalten. Für den Bohrpunkt E2 auf dem nördlichen Nachbargrundstück hält das Gutachten fest, dass es offenbar erheblichen Seitendruck auf den Stollen gegeben habe, denn das Gewölbe liege nunmehr eng an dem Stahlträgerverbau an bzw. habe sich vereinzelt zwischengeschoben. Der Freiraum, in dem sich zuvor der Holzverbau befunden habe, fehle. Bei der Kamerabefahrung war die Strecke in beide Richtungen frei und nicht verstürzt. Der Doppel-T-Träger war gut, der Holzverbau bis auf einzelne Reste zumeist nicht mehr erhalten. Die Feststellungen des Gutachtens lassen es als nachvollziehbar und überzeugend erscheinen, dass wegen der überwiegenden Verrottung des Holzverbaus und den auftretenden Gebirgskräften, denen die noch vorhandenen und gut erhaltenen Stahlträger auf Dauer ausreichenden Widerstand zu leisten nicht geeignet waren, mit Verbrüchen des Luftschutzstollens zu rechnen war, wie sie teilweise im Inneren des Stollens bei den durchgeführten Kamerabefahrungen bereits festgestellt werden konnten, und die bei größeren Schadensereignissen geeignet gewesen wären, bis an die Tagesoberfläche durchzudringen und hier sowohl Personen, die sich auf dem Grundstück der Kläger aufhalten, als auch Personen auf der westlich angrenzenden öffentlichen Grünanlage zu gefährden. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und schwerwiegender der möglicherweise eintretende Schaden ist.

Soweit die Kläger die Parteilichkeit und Voreingenommenheit des Gutachters der Firma L., Diplom-Geologe P., rügen, bietet das Gutachten vom August 2001 dazu keine Veranlassung. Die Kläger wenden sich insoweit auch vielmehr gegen die ergänzende Stellungnahme des Gutachterbüros vom 14. April 2010, die jedoch keine weiteren Erkenntnisse zur Aufklärung der Sachlage enthält und mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Berücksichtigung bedarf. Die inhaltliche Richtigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens der Firma L. vom August 2001 wird durch den geotechnischen Prüfbericht der N. vom November 2001 bestätigt. Der von der Beklagten mit der Prüfung des Gutachtens der Firma L. beauftragte Sachverständige für Erd- und Grundbau, M., führt darin ausdrücklich aus, dass die von der Firma L. gewonnenen Ergebnisse auf einer sorgfältigen Dokumentation der durchgeführten Erkundung beruhen und in ihren Schlussfolgerungen nachvollziehbar seien. Er bestätigt, dass für den südlichen Teil des Oststollens Handlungsbedarf gegeben sei. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Kammer nicht zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens veranlasst. Den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten kommt im Übrigen nicht allein deshalb ein geringeres Gewicht zu, weil sie von der Beklagten in Auftrag gegeben worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.04.2002 - 4 BN 20/02 -, juris).

Die Beklagte hat die Kläger zu Recht als Eigentümer des früheren Luftschutzstollens in Anspruch genommen. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 NBauO sind die Eigentümer dafür verantwortlich, dass bauliche Anlagen und Grundstücke dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Die Kläger sind Eigentümer des ehemaligen Luftschutzstollens, denn dieser ist wesentlicher Bestandteil ihres Grundstücks. Nach § 94 Abs. 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen und damit auch eine im Grund und Boden errichtete Stollenanlage.

Die Voraussetzungen des § 95 BGB sind nicht erfüllt. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Zu Luftschutzstollen hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 09. März 1960 (V ZR 189/58, NJW 1960, 1003) ausgeführt, dass es sich bei ihnen um Luftschutzanlagen besonderer Art handele. Zumindest in ihrer stützenden Wölbung seien sie ein Bauwerk. Allgemein sei eine Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck gegeben, wenn die spätere Wiedertrennung von Anfang an beabsichtigt oder mit Sicherheit erwartet werde. Diese Voraussetzung könne gerade bei einem Stollen nicht bejaht werden, insbesondere nicht, wenn er nur behelfsmäßig ausgebaut worden sei. Werde er für die Zwecke, für die er gebaut ist, nicht mehr benötigt, so geschehe seine Beseitigung nach dem schon bei der Errichtung zu erwartenden gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht durch Abbruch und Entfernung vom Grundstück, sondern durch Auffüllung oder dadurch, dass man den Stollen einfallen lasse. In beiden Fällen bleibe er mit dem Grundstück verbunden. Dieser Rechtsprechung, nach der ein Luftschutzstollen im Eigentum der Person steht, die Eigentümerin des Grundstücks ist, in welchem der Stollen verläuft, hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. September 1965 (I C 48/58, Buchholz 402.41 Nr. 9) ausdrücklich angeschlossen. Nach diesen Maßgaben kann auch für den unter dem Grundstück der Kläger verlaufenden Luftschutzstollen nicht von einer Verbindung zu einem nur vorübergehenden Zweck ausgegangen werden. Dies gilt umso mehr, als nach dem in den Unterlagen des Nds. Bergarchivs enthaltenen Vermerk des Oberbergamtes vom 02. Oktober 1945, nach dem die Arbeiten zur Errichtung der Stollenanlage während des Zweiten Weltkrieges zwar weitgehend durchgeführt worden waren, der endgültige Ausbau aber praktisch noch vollständig fehlte, von einem nur behelfsmäßigen Ausbau des Stollens auszugehen ist.

Auch die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB sind nicht erfüllt. Danach gehört ein Gebäude oder anderes Werk, dass in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks. Die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte seinerzeit den Eigentumserwerb des damaligen Grundeigentümers nur gehindert, wenn die Errichtung des Luftschutzstollens durch ein dingliches oder ein diesem vergleichbares Recht gedeckt gewesen wäre (vgl. Fritzsche in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, Stand: 01.08.2010, § 95 Rdnr. 12 ff.). Wie aus den von der Beklagten vorgelegten Grundbuchauszügen hervorgeht, war das Grundstück seinerzeit nicht mit einem dinglichen Recht belastet, welches den Bau des Luftschutzstollens gestattete. Die Beschaffung von Grundstücken für Luftschutzbauten erfolgte in der Zeit des Dritten Reichs entweder im Wege von Vereinbarungen mit dem Besitzer, durch Enteignung aufgrund der Enteignungsgesetze der Länder oder nach dem Gesetz über Sachleistungen für Reichsaufgaben (Reichsleistungsgesetz) vom 01. September 1939, RGBl. I S. 1645 (so: Foedrowitz, Bunkerwelten - Luftschutzanlagen in Norddeutschland, Berlin 1998, S. 47). Da entsprechend den Eintragungen im Grundbuch eine Enteignung des damaligen Grundeigentümers nicht erfolgt war, kommt alternativ zu einer schuldrechtlichen Vereinbarung, welche den Anforderungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht genügt, eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers nach § 10 Reichsleistungsgesetz in Betracht. Nach dem Reichsleistungsgesetz waren alle Bewohner des Reichsgebietes zu Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes verpflichtet (§ 1 Abs. 1). § 10 Abs. 1 des Reichsleistungsgesetzes bestimmte, dass Grundstücke und Gebäude betreten oder sonst benutzt werden können (Satz 1). Diese Benutzung kann auch in der Aufstellung, dem Anbringen oder dem Einbau von Geräten, Vorrichtungen und Anlagen bestehen (Satz 2). Für die Inanspruchnahme von Grundstücken nach dem Reichsleistungsgesetz erhielten die Grundeigentümer eine Entschädigung oder Pachtzinszahlungen (vgl. Foedrowitz, a. a. O., S. 47). Entgegen der Auffassung der Kläger ist daher aufgrund speziellerer Regelung im Reichsleistungsgesetz von einer Inanspruchnahme des früheren Grundeigentümers nach § 10 Reichsleistungsgesetz und nicht nach § 2 des allgemeiner gehaltenen und keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme eines Grundstücks enthaltenden Luftschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 bzw. in der Fassung vom 31. August 1943 auszugehen, soweit der Errichtung des Luftschutzstollens nicht eine schuldrechtliche Vereinbarung zugrunde lag. Die Vorschrift des § 10 Reichsleistungsgesetz begründete allerdings kein Recht, dass im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB einem dinglichen Recht gleichgestellt werden könnte (so: BGH, Urteil vom 28.05.1971 - V ZR 121/68 -, MDR 1971, 997). Inanspruchnahmen nach dem Reichsleistungsgesetz für die Errichtung von Luftschutzbauten sollten nach dem Zweck des Gesetzes nicht für eine zeitlich unbegrenzte Dauer erfolgen, sondern lediglich den Eigentumserwerb vorbereiten und bis zu diesem die entgegenstehenden Rechte des Grundeigentümers ausschalten. Auch daraus, dass später der Eigentumserwerb unterblieb und infolgedessen die Inanspruchnahme nach dem Reichsleistungsgesetz länger andauerte, als es dem vom Gesetz vorgesehenen Ablauf entsprach, lässt sich für einen Wandel des Rechtscharakters der Inanspruchnahme und der durch sie begründeten Rechtsstellung nichts herleiten (BVerwG, Urteil vom 30.11.1973 - IV C 29/72 -, DÖV 1974, 537).

Gemäß § 905 Satz 1 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann nach § 905 Satz 2 BGB nur solche Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Nach diesen Bestimmungen erstreckt sich das Herrschaftsrecht des Grundeigentümers auch auf natürliche oder künstliche Hohlräume, wie Höhlen oder Bergwerksstollen im Erdkörper (vgl. Fritzsche, a. a. O., § 905 Rdnr. 1, 4), und damit auch auf den streitgegenständlichen Luftschutzstollen, der sich noch nicht in einer solchen Tiefe befindet, dass er wegen seiner Entfernung von der Grundstücksoberfläche die Interessen des Grundeigentümers nicht mehr berührt.

Steht der im Grundstück der Kläger verlaufende Teil des Luftschutzstollens damit im Eigentum der Kläger, folgt eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland für den Stollen auch nicht aus einer bereits im Zeitpunkt seiner Errichtung nicht hinreichend standsicheren Herstellung durch den damaligen Bauherrn, den die Kläger im Deutschen Reich erblicken. Dabei kann offen bleiben, ob die Stollenanlage bereits im Zeitpunkt ihrer Errichtung den seinerzeit geltenden Bestimmungen widersprach, was zwischen den Beteiligten umstritten ist. Ebenso bedarf keiner Klärung, ob tatsächlich das Deutsche Reich die Stellung des Bauherrn übernommen hatte. Zwar hätte die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgern des Deutschen Reichs für dessen materielle Polizeipflichten als Verhaltensverantwortliche einzustehen. Forderungen aus der materiellen Polizeipflichtigkeit des Deutschen Reichs unterfallen aber der Erlöschensregelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reichs entstandener Schäden - Allgemeines Kriegsfolgengesetz (AKG) -, nach der Ansprüche gegen das Deutsche Reich mangels anderweitiger Regelung durch dieses Gesetz erloschen sind (so: BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 7 C 3/05 -, BVerwGE 125, 325 = NVwZ 2006, 928; Urteil vom 03.11.2005 - 7 C 27/04 -, DVBl. 2006, 186). Eine Inanspruchnahme der Bundesrepublik Deutschland wegen eines etwaigen polizeipflichtigen Verhaltens des Deutschen Reichs ist dementsprechend nicht mehr möglich.

Ist neben der Verantwortlichkeit der Kläger als Eigentümer des Grundstücks und des darin verlaufenden Teils des Luftschutzstollens eine weitere Störerverantwortlichkeit nicht begründet, begegnet die Heranziehung der Kläger zur Verfüllung des Stollens keinen rechtlichen Bedenken.

Die Beklagte hat auch das ihr nach § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer an Belastungen zugemutet werden darf, kann als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung herangezogen werden. Im Verkehrswert des Grundstücks spiegeln sich nicht nur die Erträge der eigenen Nutzung des Eigentümers wider, sondern auch Vorteile, die ohne eigene Mitwirkung und Leistung entstehen, wie etwa planungs- und marktbedingte Steigerungen des Grundstückswerts (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, BVerfGE 102, 1 = NJW 2000, 2573). Die Kosten für die von der Beklagten durchgeführte Ersatzvornahme belaufen sich für das Grundstück der Kläger auf insgesamt 52.473,84 EUR. Die Kläger haben ihr Gartengrundstück im Jahre 2000 nach eigenen Angaben zu einem Preis in Höhe von 48.245,-- EUR erworben. Der gezahlte Kaufpreis bezog sich auf das unbebaute Grundstück. Nach Erwerb des Grundeigentums haben die Kläger auf dem Flurstück Q., für das sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung des Gerichts einen Kaufpreis von etwa 75.000,-- EUR zahlten, ein Einfamilienhaus mit Garage errichtet. Dadurch ist es zu einer erheblichen Wertsteigerung des Grundeigentums gekommen, die bei der Bestimmung der Grenze dessen, was den Klägern an Belastungen zugemutet werden darf, zu berücksichtigen ist. Bei wirtschaftlicher Betrachtung stellen sich die Flurstücke R., die für das Haus- und Gartengrundstück gemeinsam in Anspruch genommen werden, als einheitliches Grundstück dar. Eine isolierte Veräußerung erscheint wegen der tatsächlich einheitlichen Nutzung und der dann für das Hausgrundstück fehlenden Garten- und Freifläche nicht lebensnah, weshalb auch der Verkehrswert einheitlich zu bestimmen ist. Selbst wenn die Kläger ohne die von der Beklagten in einem Zuge durchgeführte Verfüllung des südlichen Endes des Oststollens - wie von ihnen geltend gemacht - an der nördlichen und südlichen Grenze ihres Grundstücks jeweils eine Barriere hätten errichten müssen, um ein Abfließen des Füllmaterials zu verhindern, und dadurch höhere Kosten entstanden wären als sie die Beklagte für die Durchführung der Ersatzvornahme aufwenden musste, ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass die kostenmäßige Belastung der Kläger nicht an den nach Durchführung der Verfüllung zu bestimmenden Verkehrswert des bebauten Grundstücks heranreicht, der mit mehr als 100.000,-- EUR anzunehmen ist. Bei dieser Sachlage haben die Kläger die Belastung mit den aus der Anordnung der Beklagten vom 11. März 2003 resultierenden Kosten als Folge der Sozialbindung ihres Eigentums hinzunehmen, um eine effektive Beseitigung der von ihrem Grundstück ausgehenden Gefahren zu ermöglichen. Dass die Kläger nach ihrem Vorbringen darauf vertraut haben, entsprechend den Festsetzungen im maßgeblichen Bebauungsplan mit keinen weiteren Kosten als solchen für die Einbringung eines sog. Geotextils in den Erdboden belastet zu werden, rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht, zumal die Kläger damit jedenfalls einräumen, Kenntnis vom Verlauf des ehemaligen Luftschutzstollens im Erdboden ihres Grundstücks gehabt zu haben. Über etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die Beklagte wegen der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen ist im anhängigen Verfahren nicht zu entscheiden.

Die Kläger können eine teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 11. März 2003 auch nicht deshalb beanspruchen, weil der Kläger zu 2) seinen Miteigentumsanteil an dem betroffenen Grundstück durch notariellen Vertrag vom 13. Januar 2010 auf die Klägerin zu 1) übertragen hat und diese nunmehr Alleineigentümerin des Grundstücks ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über eine erhobene Anfechtungsklage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung. Dies war hier der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. November 2009. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger aber noch gemeinsam (Mit-)Eigentümer des Grundstücks und konnten damit von der Beklagten als Adressaten der getroffenen bauordnungsbehördlichen Anordnung in Anspruch genommen werden.

Die von der Beklagten mit Bescheid vom 11. März 2003 bestimmte Frist für die Verfüllung des Luftschutzstollens von einem Monat nach Zustellung des Bescheides bedarf keiner Überprüfung mehr, nachdem die Frist schon während der Anhängigkeit des gerichtlichen Eilverfahrens abgelaufen war und dementsprechend ohnehin von der Beklagten neu hätte bestimmt werden müssen, wenn sich die Kläger anstelle der Beklagten zur Durchführung der getroffenen Anordnung bereit erklärt hätten. Bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens durch Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2004 (9 ME 271/03) hätten die Kläger jedenfalls genügend Zeit gehabt, um dem Bescheid vom 11. März 2003 durch Beauftragung eines Fachunternehmens Folge zu leisten.

Die Androhung der Ersatzvornahme beruht auf § 89 Abs. 4 NBauO i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 66 Abs. 1, 70 Nds. SOG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 1 GKG.