Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.10.2023, Az.: 1 ORs 46/23
Verwendung eines sog. Judensterns mit der Aufschrift "Ungeimpft" in sozialen Medien
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.10.2023
- Aktenzeichen
- 1 ORs 46/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 39901
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 02.11.2022 - AZ: 5 Ns 131/22
Rechtsgrundlage
- § 130 StGB
Fundstelle
- StRR 2024, 4-5
Amtlicher Leitsatz
Es ist im Wege der Auslegung durch den Tatrichter festzustellen, ob sich die Verwendung eines sog. Judensterns mit der Aufschrift "Ungeimpft" in sozialen Medien über die Gleichstellung der für Ungeimpfte mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen mit den durch die nationalsozialistische "Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden" vom 1. September 1941 verbundenen Beschränkungen hinaus auch als Verharmlosung des unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermordes i.S.d. § 6 VStGB darstellt.
In der Strafsache
gegen Herrn AA,
geboren am TT.MM.1973 in (...),
wohnhaft (...),
wegen Volksverhetzung,
Verteidiger: Rechtsanwalt ..., (...),
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg in der Sitzung vom 16. Oktober 2023, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ...
als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht ... und
Richter am Landgericht ...
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt ...
als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt ..., (...),
als Verteidiger,
Justizsekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 2. November 2022 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Das Amtsgericht Lingen hatte den Angeklagten mit Urteil vom 2. Mai 2022 wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Dieses Urteil hat das Landgericht Osnabrück - 5. kleine Strafkammer - auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten am 2. November 2022 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.
Hiergegen richtet sich die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1.
Nach den in tatsächlicher Hinsicht mit dem rechtzeitig angefochtenen Strafbefehl des Amtsgerichts Lingen vom 7. Januar 2022 übereinstimmenden Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte am TT.MM.2021 im Diskussionsforum auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite des Tierparks Ort1 das folgende Posting platziert (Fehler des Originaltextes wurden beibehalten):
Wann kommt der neue Stern, das ist doch viel einfacher wenn sich die Ungeimpften zu erkennen geben, dann brauch die Masse nicht immer Beweisen das sie es getan haben oder schon mal Krank waren. Wäre doch viel einfacher für alle 2G Veranstaltungen. Denkt mal drüber nach! Sarkasmus ENDE
Unterhalb seines Postings platzierte der Angeklagte eine - im Urteil des Landgerichts bildlich wiedergegebene - Abbildung, die einen sogenannten Judenstern zeigt, in welchem die Inschrift "Jude" in gleicher Schriftart durch das Wort "Ungeimpft" ersetzt worden ist.
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte sich geweigert, eine Impfung gegen COVID-19 durchführen zu lassen. Im Jahr 2021 war er deshalb in seinen sozialen Aktivitäten erheblich eingeschränkt, weil der Zutritt zu vielen Veranstaltungen und Institutionen durch sog. 2-G-Regeln eingeschränkt war.
Am TT.MM.2021 führte der Tierpark Ort1 einen sog. Zootag durch, den er u.a. auf seiner öffentlich zugänglichen Facebookseite bewarb. Für den Zootag galt - auch das wurde öffentlich kommuniziert - die sog. 2-G-Regel, so dass nur geimpfte oder genesene Personen Zugang hatten; der Impf- oder Genesenenstatus musste durch entsprechende Dokumente nachgewiesen werden.
Der Angeklagte als Inhaber einer Dauerkarte des Tierparks Ort1 und regelmäßiger Zoobesucher nahm über die Facebookseite des Tierparks Ort1 von dieser Regelung Kenntnis und echauffierte sich darüber, dass er als "Ungeimpfter" von dieser Veranstaltung ausgeschlossen sein würde. Gesinnungsgenossen des Angeklagten aus der Impfgegnerszene hatten postwendend auf der Facebookseite eine Diskussion eröffnet, in der sie sich - wie auch der Angeklagte - über die vermeintlich ungerechte 2-G-Regel ausließen, diese beklagten und ihrem Unmut durch diverse Postings Luft machten. So fühlte sich der Angeklagte am TT.MM.2021 motiviert, mit dem dargestellten Posting auch seinen eigenen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten.
Mit diesem Posting wollte der Angeklagte gegen die 2-G-Eintrittsregeln des Tierparks protestieren, die er als ungerechtfertigte Einschränkung des Soziallebens von Impfgegnern empfand. Im Rahmen des Facebook-Diskussionsforums auf der Facebookseite des Tierparks befanden sich ca. 60 Einträge, unter ihnen auch derjenige des Angeklagten.
Der Angeklagte war sich bei Verwendung insbesondere der wiedergegebenen Abbildung des Umstands bewusst, dass der "Ungeimpft"-Stern dem sog. Judenstern nachgebildet ist. Diesen hätten die Machthaber während der Herrschaft des Nationalsozialismus im September 1941 als öffentliches Zwangskennzeichen für Personen eingeführt, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 als Juden galten. Der Judenstern habe der Stigmatisierung der betroffenen Personen gedient und es den Machthabern und ihren zahlreichen Unterstützern und Handlangern erleichtern sollen, seine Träger leichter für die nunmehr zusehends einsetzenden planmäßigen Deportationen in Ghettos, Konzentrationslager und Vernichtungslager zu identifizieren. Das Abzeichen habe eine öffentlich sichtbare Maßnahme zur Durchführung des Holocausts dargestellt und könne bis heute als ein maßgebliches Symbol für die systematische und industrielle Ermordung der nach der NS-Rassenideologie als "Juden" eingruppierten Personen gelten.
Auch all dessen sei der Angeklagte sich bewusst gewesen; er habe ausdrücklich erklärt, diese Verbrechen des Völkermords weder relativieren noch gar in Frage stellen zu wollen. Er habe weder jetzt noch beim Absetzen des Postings die Ermordung von Juden im Dritten Reich verharmlosen wollen. Es habe sich um einen Kommentar innerhalb der seinerzeit hitzig geführten Debatte gehandelt; ihm sei es nur darum gegangen, die 2-G-Regeln zu kritisieren und seinem Ärger darüber nachdrücklich Luft zu machen. Der - von ihm als "Sarkasmus" gekennzeichnete - Vorschlag zum Tragen eines veränderten Judensterns habe zudem an die Idee angeknüpft, dass die geimpften und genesenen Personen ein 2-G-Bändchen als Kennzeichnung hätten tragen sollen.
2.
In rechtlicher Hinsicht führt das Landgericht aus, es könne offen lassen, ob durch die Verwendung eines offenkundig dem sog. Judenstern nachgebildeten "Ungeimpft-Sterns" ein hinreichender Bezug zu einer "unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art" hergestellt werde. Jedenfalls fehle es an einer Tathandlung des Angeklagten im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB; er habe den Völkermord an Personen, die das NS-Regime als Juden eingeordnet habe, weder gebilligt noch geleugnet oder verharmlost. Ein Billigen oder Leugnen könne in der Verwendung des Bildes bzw. des Textes des Postings ohnehin nicht erblickt werden. Aber auch an einer Verharmlosung fehle es jedenfalls in dem hier zu bewertenden konkreten Einzelfall.
Denn dem Angeklagten sei es nicht darum gegangen, mit seinem Post die Einzigartigkeit der der im sog. Dritten Reich zum Nachteil der Juden begangenen Verbrechen zu relativieren. Dieser habe sich nicht auf die Verfolgungsmaßnahmen und den Völkermord im Nationalsozialismus bezogen.
Abgesehen davon erschiene es fernliegend, auch solche Vergleiche als ein Verharmlosen anzusehen, mit denen der Verfasser gerade auf eigene, wenn auch nur vermeintliche, von ihm aber so erfundene Unrechtserlebnisse hinweisen wolle. Zwar könne ein Verharmlosen auch darin liegen, dass tatsächlich eine eher untergeordnet bedeutsame Einschränkung der Lebensführung, nämlich die Unmöglichkeit der Teilnahme am Zootag für Impfgegner, ins Verhältnis gesetzt werde zu einem Monumentalverbrechen wie dem Holocaust. Dem lasse sich aber entgegenhalten, dass bei einer meinungsäußerungsfreundlichen Interpretation des von dem Angeklagten verfassten Postings nach Maßgabe der Wechselwirkungslehre des Bundesverfassungsgerichts eben auch überspitzt-polemische Formulierungen hingenommen werden müssten (Hoven/Obert, NStZ 2022, 331, 334), die sich außerhalb einer strafrechtlichen Bewertung sicherlich als stillos, unangemessen und auch geschmackslos darstellten (BVerfG, Beschluss v. 05.02.1998, 1 BvR 410/95; OLG Saarbrücken, Urteil v. 08.03.2021, Ss 72/20 Rz. 21).
3.
Dies hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
a.
Ob und unter welchen Voraussetzungen durch das Verwenden eines sogenannten Judensterns mit der Aufschrift "UNGEIMPFT" unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen der in § 6 Abs. 1 VStGB bezeichneten Art verharmlost werden, ist allerdings streitig:
aa.
Das Landgericht Köln hat dies in seinem Beschluss vom 4. April 2022 (113 Qs 6/22, bei juris) bejaht und unter anderem ausgeführt, dass als Gegenstand der Verharmlosung sämtliche nationalsozialistische Gewalt- und Willkürmaßnahmen wie Massenvernichtungen, Menschenversuche im Konzentrationslager, Zufügung schwerer körperlicher und seelischer Schäden, Zwangssterilisationen, Schaffung unmenschlicher Lebensbedingungen durch Einweisung in Konzentrationslager, Verfolgung und Ächtung nebst völligem Eigentumsentzug oder Ghettoisierung erfasst würden. Der sogenannte "Judenstern" mit der Aufschrift "UNGEIMPFT" solle die Situation derjenigen, die in der heutigen Zeit in Deutschland nicht gegen die Infektionskrankheit Covid-19 geimpft seien, mit der Situation der jüdischen Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus gleichstellen, denn diese Menschen hätten den sogenannten Judenstern tragen müssen.
Zwar seien Ungeimpften während der Covid-19-Pandemie im Vergleich zu Geimpften weitergehende Einschränkungen auferlegt worden, etwa durch die Regelungen zu Isolation und Quarantäne oder den Besuch von bestimmten Geschäften und Gaststätten. An denjenigen, die den sogenannten Judenstern zur Zeit des Nationalsozialismus tragen mussten, sei hingegen mit der Shoah von 1941 bis 1945 ein Völkermord verübt worden, der das Ziel gehabt habe, sämtliche Juden und Jüdinnen im deutschen Machtbereich zu töten, dem etwa sechs Millionen von ihnen zum Opfer gefallen seien und der von einer vollständigen Entrechtung vorbereitet und begleitet worden sei. Wer diese beiden Sachverhalte mittels Tragens des vorbeschriebenen Sterns gleichstelle, bagatellisiere das Ausmaß des Unrechts der Shoah und verharmlose damit den unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord im Sinne des § 6 Abs. 1 VStGB. Der angestellte Vergleich lasse sich auch nicht auf eine Gleichstellung von vermeintlicher öffentlicher Hetze gegen Ungeimpfte und deren angeblicher Stigmatisierung mit Hetze und Stigmatisierung betreffend jüdische Menschen im Nationalsozialismus - und damit unter Umständen nicht § 6 Abs. 1 VStGB unterfallenden Handlungen - reduzieren. Die Verpflichtung zum Tragen des sogenannten "Judensterns" mit Verordnung vom 1. September 1941 sei Teil der bereits kurz nach Machtübernahme der Nationalsozialisten mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933, RGBl. I S. 175, beginnenden und später etwa mit den sogenannten "Nürnberger Gesetzen" vom 15. September 1935 (insbesondere dem "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" sowie dem "Reichsbürgergesetz", beide RGBl. I S. 1146) fortgesetzten vollständigen Entrechtung jüdischer Menschen und stehe überdies im unmittelbaren zeitlichen und geistigen Zusammenhang mit der 1941 grundsätzlich und auf der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 in seiner organisatorischen Ausgestaltung beschlossenen restlosen Ermordung der europäischen Juden und Jüdinnen. Mit der Gleichsetzung des offensichtlich geringeren (vermeintlichen) Unrechts mit dem ebenso offenkundig höheren Unrecht des Holocausts gehe zwangsläufig auch eine Herabsetzung des letzteren einher.
Entsprechend führt auch das Landgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 18. Mai 2022 (1 Qs 80/22, bei juris Rz. 15) aus, die Verpflichtung zum Tragen des Judensterns habe nicht nur die systematische Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischstämmigen Bevölkerung fortgesetzt, sondern letztlich die staatlich betriebene Enteignung, Massendeportation und -vernichtung vorbereitet. Der Judenstern habe damit nicht "nur" der Ausgrenzung jüdischer Mitbürger gedient, sondern sei vielmehr eine öffentlich sichtbare Maßnahme zur Durchführung des Holocausts gewesen. Durch die Verwendung des Judensterns mit der Inschrift "NICHT GEIMPFT" bringe der Verwender unmissverständlich zum Ausdruck, dass er sich in vergleichbarer Weise öffentlich gebrandmarkt, ausgegrenzt, rechtlos gestellt, verfolgt und existentiell bedroht fühle.
bb.
Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 7. September 2023 (1 ORs 10/23, bei juris Rz. 14-18) ausgeführt, dass mit der Verwendung eines "Judensterns" mit der Aufschrift "Nicht geimpft" in einem Facebook-Post fraglos eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, namentlich die mit der durch das nationalsozialistische Unrechtsregime erzwungenen Pflicht der jüdischen Bevölkerung zum Tragen des sogenannten "Judensterns" einhergehende Ausgrenzung und Stigmatisierung verharmlost werde. Jedoch habe der Senat Bedenken, den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB als erfüllt anzusehen, weil sich die Nutzung des Judensterns nicht konkret auf den Völkermord an den Juden und damit nicht auf eine Handlung nach § 6 Abs. 1 VStGB beziehe. Bei Vergleichen von Ungeimpften mit der Situation der europäischen Juden während der NS-Herrschaft komme allenfalls eine Bezugnahme auf Taten nach Art des § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB in Betracht. Danach werde bestraft, wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen. Die Verpflichtung der Juden zum Tragen eines "Judensterns", die durch die "Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden" vom 1. September 1941 eingeführt wurde, stelle für sich genommen noch keinen Völkermord im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB dar, denn die Kennzeichnung einer Gruppe sei juristisch von der auf körperliche Zerstörung gerichteten lebensgefährlichen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zu trennen. Dass die Pflicht zum Tragen des Sterns eine Vorstufe für die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung dargestellt und diese erleichtert habe, genüge nach dem Wortlaut der Norm nicht. § 130 Abs. 3 StGB stelle die Bezugnahme auf eine Völkermordhandlung "der in § 6 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art" unter Strafe. Die - zweifellos schon für sich genommen furchtbare - Kennzeichnungspflicht beschreibe keine von § 6 VStGB erfasste Handlung, auch keine Lebensbedingung, die im Sinne von § 6 Nr. 3 VStGB allein geeignet wäre, die körperliche Zerstörung der jüdischen Bevölkerung herbeizuführen.
Werde der "Judenstern" als "Symbol für die Judenverfolgung schlechthin" angesehen, würde die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Unterscheidung zwischen den Tatbeständen des § 130 Abs. 3 StGB und des § 130 Abs. 4 StGB, der nicht an konkrete Handlungen des Völkermordes anknüpfe, sondern jede Bezugnahme auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft genügen lasse, im Gegenzug aber ein "Verharmlosen" nicht erfasst, eingeebnet, wenn eine symbolische Bezugnahme auf die Grausamkeiten des Holocaust auch für § 130 Abs. 3 StGB ausreiche.
cc.
Auch nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 13. Februar 2023 (1 Ss 166/22, bei juris Rz. 9 ff.) kann jedenfalls allein in der Verwendung des sog. Judensterns mit der Aufschrift "Ungeimpft" ein Verharmlosen im Sinnes des § 130 Abs. 3 StGB nicht erblickt werden.
Ob die Veröffentlichung den Holocaust im Sinne dieser Vorschrift verharmlose, sei vielmehr im Wege der Auslegung zu ermitteln. Sei die Tathandlung, was festzustellen Aufgabe des Tatrichters sei, erkennbar gegen die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie, insbesondere gegen Einschränkungen, die Ungeimpfte durch die 2-G- und 3-G-Regeln betrafen, gerichtet, dann sei der Vergleich mit der millionenfachen Ermordung von Menschen fernliegend. Der gezogene Vergleich zu der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Ausgrenzung der Juden stelle sich dann zwar als geschichtsvergessen und geschmacklos dar und dramatisiert die Situation der Ungeimpften maßlos, verfolge aber nicht das Ziel, den Schrecken des Holocaust als weniger schwerwiegend darzustellen.
dd.
Der Senat schließt sich letztgenannter Auffassung an.
Ein Verharmlosen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB liegt, wenn sich aus dem Kontext und unter Berücksichtigung einer am Grundrecht der Meinungsfreiheit und des Zweifelssatzes orientierten Auslegung ergibt, dass damit ein Vergleich (allein) zur sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Ausgrenzung gezogen werden soll, nicht vor. Etwas anders gilt indessen dann, wenn mit der Verwendung des Judensterns auch auf die gegen die jüdischstämmige Bevölkerung verübten Verbrechen Bezug genommen werden solle (so auch BayObLG, Beschluss v. 25.06.2020, 205 StRR 240/20, bei juris; die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit Kammerbeschluss vom 21.09.2021 (1 BvR 1787/20, bei juris) ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen; der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat hierin in seiner Entscheidung vom 05.07.2022 (1854/22, bei juris) keinen Verstoß gegen Art. 10 EMRK gesehen).
Eine derartige Deutung, die etwa auch der bezeichneten Entscheidung des Landgerichts Würzburg vom 18. Mai 2022 angesichts der Betätigung des dort Beschuldigten an insgesamt 59 systemkritischen Telegram-Gruppen, in denen zum Teil fortlaufend antisemitische und holocaustleugnende Äußerungen getätigt und Inhalte geteilt wurden, zu Grunde lag, hat aber das Landgericht vorliegend in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
b.
Darauf, ob - was das Landgericht mit seinen weiteren Ausführungen in Zweifel zu ziehen scheint - in dem Vergleich mit (vermeintlichen) eigenen Unrechtserlebnissen überhaupt ein "Verharmlosen" des den Juden zugefügten Unrechts und nicht vielmehr lediglich eine nicht § 130 Abs. 3 StGB unterfallende Aufwertung der eigenen Beschränkungen der Lebenssituation gesehen werden kann, kommt es daher nicht mehr an.
Auch sonst lässt das angefochtene Urteil einen Rechtsfehler nicht erkennen.
4.
Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG ist nicht veranlasst.
Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht in der bezeichneten Entscheidung vom 25. Juni 2020 ein Verharmlosen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB durch die Verwendung des sog. Judensterns bejaht. Der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt war aber, worauf das Oberlandesgericht Braunschweig in seiner Entscheidung vom 7. September 2023 (dort Rz. 19) zutreffend hingewiesen hat, ausweislich des der Entscheidung vorangegangenen und gleichfalls veröffentlichten Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 23. August 2019 (6 Cs 101 Js 134200/18, BeckRS 2019, 57849) anders gelagert. In jenem Fall war der sog. Judenstern ausdrücklich mit den Jahreszahlen 1933 bis 1945 verknüpft, so dass eine Bezugnahme auf das gesamte NS-Unrecht in Betracht kam. Zudem war das Amtsgericht Augsburg - anders als hier das Landgericht Osnabrück - zu der Überzeugung gelangt, die Verwendung des sog. Judensterns könne im konkreten Fall nicht lediglich als Gleichsetzung mit der damaligen Ausgrenzung der Juden, sondern mit deren systematischer Verfolgung verstanden werden (a.a.O. Rz. 15).
5.
Nach alledem war die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.