Amtsgericht Bersenbrück
Urt. v. 31.05.1989, Az.: 11 C 139/89
Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 12 Abs. 2 S. 1 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG); Anforderungen an eine schwerwiegende Verletzung im Sinne des § 12 Abs. 2 S. 1 PflVG
Bibliographie
- Gericht
- AG Bersenbrück
- Datum
- 31.05.1989
- Aktenzeichen
- 11 C 139/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 20482
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGBERSB:1989:0531.11C139.89.0A
Rechtsgrundlage
- § 12 Abs. 2 S.PflVG
Fundstelle
- VersR 1991, 180 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schmerzensgeld
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Bersenbrück
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 1989
durch
den Richter Obermeyer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 800,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Entschädigungsfond gemäß § 12 Pflichtversicherungsgesetz die Zahlung von Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 29. März 1987 in Bramsche.
Die Klägerin war Beifahrerin in dem Opel Manta, amtliches Kennzeichen OS-LU 645, welcher von ihrem Verlobten Michael ... gesteuert wurde. Gegen 18.40 Uhr kam das Fahrzeug auf der B 218 in Richtung Bramsche von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Dabei wurde neben der Klägerin auch der Vater des Fahrers Herr Heinrich ... verletzt. Die von der Klägerin geltendgemachten Ansprüche wurde von der Regulierungskommission der Beklagten abgelehnt. Die daraufhin angerufene Schiedsstelle nach § 14 Nr. 3 des Pflichtversicherungsgesetzes hat von einem möglichen Einigungsvorschlag abgesehen. Hinsichtlich des Mitinsassen Heinrich ... hat die Beklagte außergerichtlich ein Schmerzensgeld von 16.000,00 DM gezahlt.
Die Klägerin trägt vor, der Unfall sei allein auf Grund eines Fahrfehlers eines nicht mehr feststellbaren Pkws verursacht worden, welcher während eines Überholmanövers ihres Verlobten Michael ... grundlos vor ihrem Fahrzeug ausgeschert und es zum Ausweichen auf den Straßenrand gezwungen habe. Zu den erlittenen Verletzungen trägt die Klägerin vor, sie habe infolge des Verkehrsunfalls eine dislozierte Jochbeinfraktur rechts sowie eine dislozierte Unterkieferkörperfraktur links erlitten. Insgesamt sei es zu vier Knochenbrüchen im Gesicht gekommen, wobei der Kiefer der Klägerin zweimal gebrochen war. Weiterhin habe sie eine Gehirnerschütterung, diverse Hautabschürfungen, Prellungen am ganzen Körper sowie eine Narbe am Augenlid erlitten. Sie habe sich zunächst vom Unfalltage bis zum 31. März 1987 in stationäre Behandlung des Stadtkrankenhauses Bramsche begeben. Danach sei sie bis zum 7. April 1987 in der kiefer- und gesichtschirurgischen Abteilung der Stadt. Kliniken Osnabrück stationär behandelt worden. Am 1. April 1987 sowie am 28. Juli 1987 seien Operationen erforderlich gewesen.
Obwohl die Brüche des Gesichtsschädels ohne Folgen verheilt seien, leide sie an einem Taubheitsgefühl des Unterkiefers links. Auch würde eine Narbe im rechten Augenlid von 3 cm auf Dauer verbleiben. Auf Grund des Unfalls leide sie häufig an Kopfschmerzen, welche insbesondere bei Schwüle aufträten. Sie sei zwar nur insgesamt vom 29. März bis 21. April 1987 krankgeschrieben gewesen, dies sei jedoch darin begründet, daß sie trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen darauf gedrängt habe, an beruflichen Abschlußprüfungen im Juni 1987 teilzunehmen. Insgesamt hätten die schmerzhaften Unfallfolgen über die Dauer von 4 Monaten angehulten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. März 1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, daß die Klägerin nicht in der Lage sei, den gemäß § 12 Pflichtversicherungsgesetz erforderlichen Nachweis der Verursachung des Unfalls durch den Fahrer eines nicht ermittelten Fahrzeuges zu führen. Da beide Beifahrer keine Erinnerungen mehr an das Zustandekommen des Unfalles haben, reiche dafür die Aussage allein des Fahrers Michael ... nicht aus. Darüberhinaus seien die Verletzungen der Klägerin nicht so gravierend, daß sie den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Pflichtversicherungsgesetz (besondere Schwere der Verletzung und zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich) genügen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Pflichtversicherungsgesetz besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob der Klägerin durch Vernehmung des Zeugen Michael ... der Nachweis gelingt, daß sich der Verkehrsunfall nur infolge des Verschuldens des nicht mehr zu ermittelnden Pkw-Fahrers ereignet hat, denn die dargelegten Verletzungen der Klägerin sind nicht so schwerwiegend, daß eine Entschädigung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Pflichtversicherungsgesetz). Die Rechtssprechung stellt an das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale erhebliche Voraussetzungen. Danach muß der eingetretene Schaden aus der Masse der Personenschäden herrausragen, insbesondere dadurch, daß der Betroffene eine dauernde und erhebliche Beeinträchtigung seiner körperlichen Funktionen erlitten hat; die Verletzungen müssen deutlich und drastisch über das hinausgehen, was bei den täglichen Unfällen im Straßenverkehr an Verletzungen auftritt (vgl. Hacks, Ring, Böhm, Schmerzensgeldbeträge, Ausgabe 1987, Seite 15, m.w.N.). Die Verletzungen der Klägerin rechtfertigen angesichts dieser Maßstäbe keinen Schmerzensgeldanspruch. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich die Klägerin insgesamt nur 10 Tage in stationärer Behandlung befunden hat und ausweislich der vorgelegten ärztlichen Atteste von einer folgenlosen Ausheilung der Unfall Verletzungen auszugehen ist. Bezeichnend dafür ist auch, daß die Klägerin nicht einmal einen Monat arbeitsunfähig geschrieben worden ist. Wenn sie nach Ablauf dieser Zeit in der Lage war, an einer Abschlußprüfung teilzunehmen, so spricht dieses für sich und kann nicht eine Arbeitsfähigkeit nach dem 21. April 1987 widerlegen. Soweit die Klägerin als Spätfolgen des Verkehrsunfalles ein Taubheitsgefühl des Unterkiefers, häufige Kopfschmerzen und Wetterfühligkeit vorträgt, so gehen diese Beschwerden nicht deutlich und drastisch über das hinaus, was bei täglichen Unfällen im Straßenverkehr an Verletzungen auftritt. Die Verletzungen der Klägerin sind sicherlich nicht mit den einfachsten Unfallverletzungen zu vergleichen, wie sie bald bei jedem Unfall auftreten (z.B. HWS-Schleudertrauma). Dennoch gelangen die vorgetragenen Verletzungen nicht in den Bereich solcher gravierenden Verletzungen, wie sie das Gesetz für eine Regulierung durch den Entschädigungsfond vorsieht. Allein der Umstand, daß die Beklagte außergerichtlich an den weiteren Mitinsassen Heinrich ... Schmerzensgeld gezahlt hat, läßt keinen Rückschluß darauf zu, daß auch an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen ist. Wie sich aus dem Beschluß der Regulierungskommission von März 1988, Seite 2, Abs. 2 (Bl. 24 d.A.) ergibt, dauerte sein stationärer Aufenthalt im Stadtkrankenhaus Bramsche immerhin einen Monat. Darüberhinaus bestand eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von über 9 Monaten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.