Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 18.01.2010, Az.: AGH 6/09 (II 5)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
18.01.2010
Aktenzeichen
AGH 6/09 (II 5)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 48072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens.

3. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Geschäftswert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der am XX.XX.1950 geborene Antragsteller ist seit 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Nach früherer anderweitiger Zulassung ist er seit 1983 bei dem Amtsgericht Bremervörde und bei dem Landgericht Stade zugelassen. Mit Bescheid des Oberlandesgerichtes Celle vom 5. November 2007 ist der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO endgültig seines Amtes als Notar enthoben worden. Die Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die sofortige Beschwerde des Antragstellers am 20. April 2009 (Aktenzeichen NotZ 12/08) zurückgewiesen hat.

2

Mit Bescheid vom 02.02.2009 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Sie verweist darauf, dass der Antragsteller in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist und drei Haftbefehle gegen ihn vorliegen.

3

Haftbefehl des Amtsgerichts Bremervörde vom 30.09.2008, Aktenzeichen 11 M 9732/08 aufgrund eines Vergleiches des Amtsgerichts Bremervörde vom 13.02.2008, Aktenzeichen 5 C 499/07 über eine Hauptforderung von 2.954,55 € (ursprünglich 5.952,50 €; Gläubiger B. und S. P., B.).

4

Haftbefehl des Amtsgerichts Bremervörde vom 14.10.2008, Aktenzeichen 11 M 9818/08 aufgrund gerichtlichen Vergleichsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 08.09.2006, Aktenzeichen 33 O 32/06 über eine Hauptforderung von 5.717,72 € (Gläubigerin: M. GmbH, S.).

5

Haftbefehl des Amtsgerichts Bremervörde vom 18.12.2008, Aktenzeichen 11 M 10001/08 aufgrund Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Uelzen vom 09.09.2008, Aktenzeichen 08-9813032-0-2 über eine Forderung von (Stand: 17.12.2008) 160,90 € (Gläubigerin: H. GmbH & Co. KG, H.).

6

Darüber hinaus begründet die Antragsgegnerin ihre Entscheidung mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen:

7

Forderung Finanzamt Zeven über Steuerrückstände in Höhe von 28.801,46 € (Stand: 13.01.2009).

8

Vollstreckungsauftrag DR II 1482/08 der S. Bank AG aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 20.10.2008 (Aktenzeichen 08-5277844-0-7) über eine Forderung von 264,28 € (Stand: 24.11.2008).

9

Vollstreckungsauftrag DR II 1452/08 der Gläubigerin L. GmbH aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 23.10.2008 (Aktenzeichen 08-5297229-0-4) über eine Forderung von 341,36 € (Stand: 15.12.2008).

10

Vollstreckungsauftrag DR II 1406/08 der D. Versicherungen M. aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 27.05.2008 (Aktenzeichen 08-8182981-0-7) über eine Forderung von 189,45 € (Stand: 15.12.2008).

11

Zwangsversteigerungsantrag der Sparkasse R. hinsichtlich des im Grundbuch von B. Blatt 4XXX unter der laufenden Nummer 4 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundstücks (Gemarkung B., Flur 31, Flurstück 70/7, Gebäude- und Freifläche, E.-Str. 16, zur Größe von 549 m²) angeordnet durch Beschluss des Amtsgerichts Bremervörde vom 21.04.2008, Aktenzeichen 11 K 14/08. Die Gläubigerin vollstreckt aus der Urkunde des Notars H. M., T., vom 11.06.1993 (UR.-Nr. 212/93) aufgrund dinglich gesicherten Anspruches über 194.290,91 € nebst 20 % Zinsen seit dem 11.06.1993 zzgl. Kosten.

12

Am 12.01.2009 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers der Antragsgegnerin einen Entwurf eines Pacht-/Kaufvertrages (Bl. 1268 BA), mit dem das im Eigentum des Antragstellers und seiner Ehefrau stehende Grundstück N-Str. 98 in B. verpachtet und das Inventar veräußert werden sollte. der Vertrag sollte in den nächsten Tagen unterzeichnet werden. Aus dem Erlös sollten die in der Vollstreckung befindlichen Forderungen getilgt werden.

13

Die Antragsgegnerin weist darüber hinaus darauf hin, dass im Vollstreckungsregister 21 Eintragungen verzeichnet seien. Davon seien manche Angelegenheiten erledigt, manche konnten den Forderungslisten-Nummern der Antragsgegnerin nicht zugeordnet werden. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass eine konkrete Stellungnahme zur Vermögenslage trotz entsprechender Aufforderung des Antragstellers bis heute nicht erfolgt sei.

14

Darüber hinaus verweist die Antragsgegnerin darauf, dass zwei weitere Klageverfahren anhängig gemacht worden seien. Zum einen handele es sich um eine Klage der Sparkasse R. vor dem Landgericht Stade, Aktenzeichen 2 O 391/08, mit der die klagende Bank gegen den Antragsteller und dessen Ehefrau rückständige Darlehensraten in Höhe von 86.369,78 € geltend mache. Eine weitere Klage sei durch die Firma P. B. GmbH, B., erhoben worden. Es handele sich um eine Klage wegen gelieferter Materialien vor dem Amtsgericht Bremervörde, Aktenzeichen 5 C 479/08 (Klagforderung 3.683,94 €). Die Antragsgegnerin weist darüber hinaus darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Stade gegen den Antragsteller den Erlass eines Strafbefehls über eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30,00 € beantragt habe wegen nicht bzw. nur teilweise und jeweils mit erheblicher Verzögerung ausgekehrter Fremdgelder (Aktenzeichen 151 Js 21649/08).

15

Gegen den ihm am 03.02.2009 zugestellten Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.02.2009 hat der Antragsteller am 26.02.2009, eingegangen beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof am 2. März 2009, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er beantragt,

16

den Bescheid vom 02.02.2009 aufzuheben,

17

wobei er den Antrag bisher nicht begründet hat.

18

Die Antragsgegnerin beantragt,

19

den Antrag zurückzuweisen.

20

Sie weist darauf hin, dass zwischenzeitlich drei weitere Haftbefehle ergangen seien. Mit Beschluss vom 20.02.2009 habe das Amtsgericht Bremervörde, Aktenzeichen 11 M 9126/09 Haft angeordnet, weil der Antragsteller zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen sei. Zugrunde läge die Forderung S.-Bank (siehe oben Nr. 5) über eine Forderung von 264,28 €. Entsprechendes gelte in der Zwangsvollstreckungssache der Firma L. (siehe oben Nr. 6) über eine Forderung von 341,36 €. Das Amtsgericht Bremervörde habe am 29.01.2009 in dieser Sache unter dem Aktenzeichen 11 M 9056/09 Haftbefehl erlassen.

21

Darüber hinaus habe das Amtsgericht Bremervörde am 29.01.2009 unter dem Aktenzeichen 11 M 9057/09 weiteren Haftbefehl in der Zwangsvollstreckungssache der D. Versicherungen M. (siehe oben Nr. 7) erlassen. Weiter führt die Antragsgegnerin an, dass sich die Steuerrückstände des Antragstellers beim Finanzamt Zeven auf 34.318,72 € erhöht hätten.

22

Das Amtsgericht Stade habe am 14.04.2009 unter dem Aktenzeichen 73 IN 148/08 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet, wobei der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers als Rechtsanwalt aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat.

23

Die Antragsgegnerin führt weiter aus, dass dem Obergerichtsvollzieher G. zwischenzeitlich weitere Vollstreckungsaufträge erteilt worden seien, die den Vermögensverfall des Antragstellers belegen:

24

Es handele sich um einen Vollstreckungsauftrag der V. Versicherungen H. Az. DR II 36/09 aus einem Vollstreckungsbescheid des AG Uelzen vom 11.01.2008, Aktenzeichen 07-9893225-0-3 über eine Forderung von 734,55 €. Darüber hinaus läge ein Vollstreckungsauftrag der A.Versicherung unter der DR-Nr. II 104/09 vor, dem eine Beitragsforderung vom 20.02.2009, Aktenzeichen 544231197-45812 über 6.135,04 € zugrunde läge.

25

Ein weiterer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bremervörde - 13 M 429/09 -, der von der Fa. V. GmbH wegen einer Forderung über 1.836,12 € beantragt wurde, ist im Hinblick auf das Insolvenzverfahren aufgehoben worden.

26

Die Personalakten des Antragstellers lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, in der dem Antragsteller unter Fristsetzung die Auflage gemacht worden ist, eine vollständige Aufstellung sämtlicher Aktiva und Passiva nachzureichen und die Finanzierungsbestätigung zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten bzw. Vereinbarungen mit den Gläubigern. Der Antragsteller hat eine Aufstellung der Aktiva eingereicht sowie die Tabelle gem. § 175 InsO, die beim Insolvenzgericht eingereicht worden ist (Stand: 12.10.2009). Diese weist weitere Verbindlichkeiten auf, bestehende Verbindlichkeiten, die sich erhöht haben (Finanzamt Zeven 47.846,26 €; A. 11.788,14 €). Die angekündigte Finanzierungsbestätigung, etwaige weitere Tilgungsnachweise oder Vereinbarungen mit Gläubigern sind innerhalb der gerichtlichen Frist nicht beigebracht worden.

II.

27

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Antragsgegnerin hat mit der angefochtenen Verfügung vom 02.02.2009 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht widerrufen. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (ständige Rechtsprechung BGH - Report 2001, 312 m. w. W.). Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 2. Halbsatz BRAO wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwaltes eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt des Widerrufes der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft am 02.02.2009 vor und sind auch heute noch erfüllt. Im Zeitpunkt der Entscheidung lagen insgesamt drei Haftbefehle vor, nämlich derjenige des Amtsgerichtes Bremervörde vom 30.09.2008, Aktenzeichen 11 M 9732/08 (Forderung Eheleute P. über 2.430,00 € und 524,55 €), der Haftbefehl des Amtsgerichts Bremervörde vom 14.10.2008, Aktenzeichen 11 M 9818/08 (Gläubigerin M. GmbH, Forderung von 5.717,72 €) sowie der Haftbefehl des Amtsgerichts Bremervörde vom 18.12.2008, Aktenzeichen 11 M 10001/08 (Gläubigerin H. GmbH & Co. KG, Forderung 160,90 €). Die Haftbefehle bestehen bis heute. Es sind zudem nach Erlass der Widerrufsverfügung drei weitere Haftbefehle hinzugekommen, nämlich derjenige des Amtsgerichts Bremervörde vom 20.02.2009, Aktenzeichen 11 M 9126/09 (Forderung S. Bank über 264,28 €), des Amtsgerichts Bremervörde vom 29.01.2009, Aktenzeichen 11 M 9056/09 (Forderung L. GmbH über 341,36 €) und des Amtsgerichts Bremervörde ebenfalls vom 29.01.2009, Aktenzeichen 11 M 9057/09 (Forderung D. Versicherungen M. über 189,45 €). Der Antragsteller hat nicht dargetan, dass die den Haftbefehlen zugrunde liegenden Forderungen erledigt sind, sodass hier die gesetzliche Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO für den Vermögensverfall des Antragstellers streitet. Dies gilt umso mehr, als zwischenzeitlich das Amtsgericht Stade am 14.04.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet hat (Aktenzeichen 73 IN 148/08). Solange das Insolvenzverfahren läuft, entfällt die Grundlage für die gesetzliche Vermutung nicht (BGH AnwZ [B] 2/08 v. 03.11.2008). Nach alledem lagen die Voraussetzungen über den Vermögensverfall im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und liegen auch heute noch vor.

28

Ausnahmen dafür, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden ausscheidet, sind vom Antragsteller weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere führt die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu einer solchen Ausnahme (vgl. BGH BRAK-Mitteilungen 2008, 42). Ein Abschluss des Insolvenzverfahrens ist nicht absehbar. Der Antragsteller hat nichts zur Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse dargetan. Die Richtigkeit der Vermutung wird zudem dadurch belegt, dass auch nach Erlass der Widerrufsverfügung am 02.02.2009 weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen feststellbar sind, so beispielsweise der Vollstreckungsauftrag der A.Versicherung DR II 104/09, wobei der Beitragsbescheid vom 20.02.2008, Aktenzeichen 544231197-45812 per 11.02.2009 eine Forderung von mehr als 6.000,00 € ausweist. Die in Erfüllung der Auflage vorgelegte Kopie der Tabelle gem. § 175 InsO ist ebenfalls nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen. Die Tabelle zeigt, dass sich die Verbindlichkeiten teilweise noch erheblich erhöht haben. So wird die Forderung der A. zwischenzeitlich mit 11.788,14 € statt bisher 6.135,04 € ausgewiesen. Entsprechendes gilt für die Forderung des Finanzamts Zeven, die sich per 12.10.2009 auf 47.846,26 € erhöht hat. Darüber hinaus sind eine Reihe von Forderungen aufgeführt, die bisher nicht genannt worden sind, beispielsweise eine Forderung der Deutschen Rentenversicherung mit 15.000,00 €, bei der es sich ersichtlich um Sozialversicherungsbeiträge handelt. Zwar sind Forderungen, die der hier streitbefangenen Widerrufsverfügung zugrunde lagen, nicht mehr aufgeführt (so z. B. L.; D.-Versicherungen; M.). Tilgungsnachweise sind jedoch trotz gerichtlicher Auflage nicht beigebracht worden. Die kommentarlose Übersendung der Tabelle reicht insoweit ebensowenig wie die Aufstellung der Aktiva aus. Denn zumindest hinsichtlich des Grundstücks N-Str. 98 in B. steht fest, dass der Antragsteller nicht Alleineigentümer ist. Auch die angekündigte Finanzierungsbestätigung einer Bank im Hinblick auf in Aussicht genommene Grundstücksveräußerungen ist nicht beigebracht worden.

29

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war nach alledem zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 BRAO. Anlass für eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten bestand nicht (§§ 40 IV BRAO, 13 a I 1 FGG).

30

Die Festsetzung des Geschäftswertes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates in vergleichbaren Fällen.