Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.03.2016, Az.: 10 K 8/16
Einkommensteuerliche Absetzbarkeit weiterer Aufwendungen über die bereits berücksichtigten sonstigen beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.03.2016
- Aktenzeichen
- 10 K 8/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 26580
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2016:0303.10K8.16.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: X B 25/16
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG
- § 10 Abs. 4 S. 4 EStG
Fundstellen
- AuA 2017, 300
- DStR 2017, 6
- DStRE 2017, 722-724
- NWB 2016, 2627
- NWB direkt 2016, 957
- SSP 2016, 4
Amtlicher Leitsatz
§ 10 Abs. 4 EStG ist nicht verfassungswidrig; weder verletzt die beschränkte Abziehbarkeit der Versicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG noch der Ausschluss des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG aufgrund von § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG das Grundgesetz.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob über die bereits berücksichtigten sonstigen beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben hinaus weitere Aufwendungen abzugsfähig sind. Die Kläger gehen insoweit von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 3a Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) aus.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielt als Konstruktionstechniker und die Klägerin als Rechtsanwalts- und Notarangestellte jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber der Kläger behielt jeweils die folgenden Basis - Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Streitjahr ein:
Kläger | Klägerin | Summe |
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Krankenversicherung | 3.265 € | 2.687 € | 5.952 € |
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Zusatzbeitrag | 136 € | 136 € |
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Summe Basiskrankenversicherung | 6.088 € |
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Pflegeversicherung | 507 € | 417 € | 924 € |
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Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung darüber hinaus als sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG Beiträge in Höhe von 1.769 € geltend, die sich wie folgt aufteilen:
Kläger | Klägerin | Summe |
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Arbeitslosenversicherung | 662 € | 476 € | 1.138 € |
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Kfz-Haftpflichtversicherung | 145 € | 192 | 337 € |
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Privathaftpflichtversicherung | 75 € |
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Unfallversicherungen | 219 € |
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Summe | 1.769 € |
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Da der gemeinsame Höchstbetrag der Kläger nach § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgrund der Beiträge der Kläger zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten war, berücksichtigte der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung die darüber hinausgehenden sonstigen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG nicht.
Den Einspruch der Kläger, mit dem diese die Verfassungswidrigkeit des gemeinsamen Höchstbetrags nach § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG geltend machten, wies der Beklagte als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger sind auch weiterhin der Auffassung, dass die sonstigen Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 1.769 € als Sonderausgaben zu berücksichtigen seien.
Bis zur Neuregelung des Sonderausgabenabzugs durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16. Juli 2009, BGBL I 2009, 1959 (BürgEntlG KV) hätten die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits-, Unfall, Haftpflichtversicherung und zu den Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorgesehen hätten, gemäß § 10 Abs. 1 Nr. EStG a.F. als Sonderausgaben gegolten, die bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens gemäß § 10 Abs. 4 EStG a.F. bis zu einem Höchstbetrag von 2.400 € - in bestimmten Fällen bis zu 1.500 € - neben den Beiträgen für Altersvorsorge berücksichtigt worden seien. Bereits diese Höchstbeträge hätten meist nur einen Bruchteil der tatsächlich gezahlten Vorsorgeaufwendungen abgedeckt.
Aufgrund der im Streitjahr geltenden Neuregelung seien bei den Klägern nur noch die Basisbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abzugsfähig. Der Abzug weiterer Vorsorgeaufwendungen sei durch den Gesetzgeber faktisch gestrichen worden. Bereits nach altem Recht hätten sich diese Beiträge kaum ausgewirkt; nach dem im Streitjahr geltenden Recht würde der Abzug vollständig versagt. Dies sei verfassungsrechtlich bedenklich.
Auch diese weiteren Vorsorgeaufwendungen würden zur Absicherung existenzieller Lebensrisiken des Steuerzahlers oder seiner Familie dienen. Dies gelte besonders für die gesetzlichen Zwangsbeiträge zur Arbeitslosenversicherung, aber auch für die übrigen zur Sicherung einer sozialgerechten Existenz notwendigen weiteren Vorsorgeaufwendungen.
Das verfassungsrechtlich gebotene Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gebiete es, dass der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen habe, dass auch bei typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen der entsprechende Bedarf abgedeckt werde. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 lege nahe, dass auch Beiträge zur Arbeitslosen-, Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu den Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall Leistungen vorsähen, - genau wie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - zumindest zum Teil dem steuerfreien Existenzminimum zuzurechnen seien. Die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Vorsorgeaufwendungen sei daher Bestandteil einer verfassungsrechtlich gebotenen leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung. Der Wegfall der steuerlichen Berücksichtigung dieser Versicherungsbeiträge verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und sei folglich verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe mit der Beseitigung der verfassungswidrigen Behandlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Vergangenheit nun eine verfassungswidrige Behandlung der sonstigen Vorsorgeaufwendungen geschaffen. Die zwangsläufigen Aufwendungen zur Vorsorge würden das verfügbare Einkommen und damit die Leistungsfähigkeit mindern. Sie seien daher von der Einkommensbesteuerung auszunehmen. Dies lasse sich auch dem Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 entnehmen. In dieser Entscheidung spreche sich das Gericht ausdrücklich dafür aus, dass bei der Neuordnung des Abzugs von Sonderausgaben klarzustellen sei, welcher Anteil eines Höchstbetrages ausschließlich oder vorrangig für existenznotwendige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zur Verfügung stehe. Mit dieser Formulierung werde zum Ausdruck gebracht, dass neben den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auch weitere, bislang ebenfalls als zwangsläufig beurteilte Vorsorgeaufwendungen zum Abzug zugelassen sein müssten.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid für 2010 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 4. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2012 dahingehend zu ändern, dass die mit Einkommensteuererklärung 2010 geltend gemachten weiteren Vorsorgeaufwendungen in Höhe von insgesamt 1.769 € zum Sonderausgabenabzug zugelassen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist auch weiterhin der Auffassung, dass die Vorsorgeaufwendungen in zutreffender Höhe - den gesetzlichen Vorgaben entsprechend - berücksichtigt worden seien. Insbesondere entspreche die hier streitige Neuregelung zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das subjektive Nettoprinzip und das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums seien durch diese Regelung gewahrt. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung dienten nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern der Erlangung von Lohnersatzleistungen. Das Existenzminimum sei im Leistungskatalog der Sozialhilfe niedergelegt. In diesem sei die Absicherung im Krankheits- oder Pflegefall erfasst, nicht aber der Schutz gegen Lohnausfall.
Ein steuerliches Abzugsgebot ergebe sich auch nicht aus dem zwangsläufigen Entstehen dieser Beiträge.
Im Einverständnis mit den Beteiligten ruhte das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Verfahren X R 5/13 (Beschluss vom 12. Dezember 2013). Nachdem der BFH zwischenzeitlich entschieden hat, ist das Verfahren wieder aufgenommen worden.
Die Beteiligten haben übereinstimmend den Verzicht auf die mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Beiträge der Kläger zu den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind im Hinblick auf das Überschreiten des Höchstbetrags des § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht als Sonderausgaben abziehbar.
1. Zu den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG gehören Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen, soweit diese nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind; Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStG fallen, zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen; Beiträge zu Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd des Einkommensteuergesetzes in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (EStG a.F.), wenn die Laufzeit dieser Versicherungen vor dem 1. Januar 2005 begonnen hat und ein Versicherungsbeitrag bis zum 31. Dezember 2004 entrichtet wurde.
Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG können solche Vorsorgeaufwendungen und die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Beiträge zu diesen Kranken- und Pflegeversicherungen je Kalenderjahr bis insgesamt 2.800 € abgezogen werden. Nach Satz 2 der Vorschrift beträgt der Höchstbetrag 1.900 € bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen i.S. des § 3 Nr. 9, 14, 57 oder 62 EStG erbracht werden. Gemäß Satz 3 bestimmt sich bei zusammenveranlagten Ehegatten der gemeinsame Höchstbetrag aus der Summe der jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zustehenden Höchstbeträge. Übersteigen die Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG die nach den Sätzen 1 bis 3 des § 10 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen, sind diese abzuziehen und ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG scheidet aus.
2. Angewandt auf den Streitfall führen diese Regelungen dazu, dass die Kläger zwar die geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG als Vorsorgeaufwendungen abziehen können. Ein Abzug der darüber hinaus geltend gemachten (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG in Höhe von weiteren 1.769 € für die Unfall-, Haftpflicht- und Arbeitslosenversicherungen scheidet jedoch aus (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG).
Die Richtigkeit der Anwendung der vorgenannten einfachgesetzlichen Regelungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
3. § 10 Abs. 4 EStG ist nicht verfassungswidrig. Weder verletzt die beschränkte Abziehbarkeit dieser Versicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG noch der --im Streitfall vollumfängliche-- Ausschluss des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG aufgrund von § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG das Grundgesetz (GG).
a) Der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend lag bis zur Neuregelung durch das BürgEntlG KV geltende Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F. keine Verfassungswidrigkeit der lediglich in beschränktem Umfang gegebenen Abziehbarkeit der dort genannten Vorsorgeaufwendungen vor (Urteil des BFH vom 18. November 2009 X R 6/08, BStBl II 2010, 282 [BFH 18.11.2009 - X R 6/08]). Dabei handelte es sich sowohl um die im Streitjahr 2010 in § 10 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 10 Abs. 4 EStG (nunmehr) unbeschränkt abziehbaren Beiträge zu den dort genannten Kranken- und Pflegeversicherungen wie auch um die seitdem in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG geregelten (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen. Soweit diese (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG betroffen sind, ist der Gesetzgeber auch weiterhin nicht verpflichtet, Beiträge zu diesen Versicherungen steuerlich freizustellen (Urteil des BFH vom 9. September 2015 X R 5/13, BStBl II 2015, 1043).
aa) Eine solche Verpflichtung besteht nur für Versicherungen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG leitet sich dieses Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums (subjektives Nettoprinzip) ab. Hierzu gehören die Kranken- und Pflegeversicherung, allerdings nur auf Sozialhilfeniveau (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06], [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06] unter D.II.3.). Auf das (höhere) Sozialversicherungsniveau ist deshalb nicht abzustellen (vgl. insoweit auch Urteil des BFH vom 18. November 2009 X R 6/08, BStBl II 2010, 282 und vom 18. Juni 2015 VI R 45/13, BStBl II 2015, 928).
bb) Unerheblich ist, ob andere Kriterien, etwa die faktische oder rechtliche Zwangsläufigkeit von Beiträgen oder die Notwendigkeit einzelner Aufwendungen im Rahmen der Daseinsvorsorge vorliegen (so bereits BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06] und Urteil des BFH vom 9. September 2015 X R 5/13, BStBl II 2015, 1043).
cc) Soweit ein unbeschränkter Abzug der Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen geboten ist, ist der Gesetzgeber diesem Gebot durch die Neuregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 10 Abs. 4 EStG gerecht geworden.
dd) Demgegenüber war der Gesetzgeber aufgrund der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG nicht verpflichtet, die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG genannten Vorsorgeaufwendungen überhaupt (als Sonderausgaben) zum Abzug zuzulassen.
(1) In Bezug auf die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und zum Krankengeld folgt der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die bereits für die Rechtslage bis zur Neuregelung des Sonderausgabenabzugs durch das BürgEntlG KV ergangen ist (Urteil des BFH vom 18. November 2009 X R 6/08, BStBl II 2010) und nunmehr auch für die Neuregelung gilt (Urteil des BFH vom 9. September 2015 X R 5/13, BStBl II 2015, 1043 m.w.N.).
Danach ist es verfassungsrechtlich nicht notwendig, Beiträge zu Arbeitslosenversicherungen steuerlich zum Abzug zuzulassen (zutreffend Myßen/Wolter, Neue Wirtschaftsbriefe 2009, 2313, 2326 f.). Maßgebend für den Umfang der steuerlichen Verschonung von Versicherungsbeiträgen zur Sicherung des Existenzminimums ist der Leistungskatalog der Sozialhilfe. Dieser erfasst zwar die Absicherung im Krankheits- und Pflegefall, nicht aber den Schutz gegen Lohnausfall. Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 125 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06] ausdrücklich hervorgehoben, dass die sozialhilferechtlichen Bestimmungen die Gewährung von Krankengeld nicht vorsehen (unter D.IV.1.a der Gründe). Dementsprechend ist eine steuerliche Freistellung von Krankenversicherungsbeiträgen, soweit sie den Anspruch auf Krankengeld betreffen, zur Absicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich nicht geboten. Nichts anderes kann für Arbeitslosenversicherungsbeiträge gelten, da sich sowohl die Höhe des Krankengelds als auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Höhe des Arbeitsentgelts richtet (vgl. § 132 Abs. 1 des Dritten Buch Sozialgesetzbuch - SGB III und § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das Arbeitslosengeld dient ebenso wie das Krankengeld nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern der Erlangung einer Lohnersatzleistung.
(2) Soweit die von den Klägern geltend gemachten Beiträge zu Risiko- bzw. Unfallversicherungen betroffen sind, folgt der Senat auch hier der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Das BVerfG hat bereits in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 169 erkannt, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, Beiträge für private Kapitallebensversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG) zum steuerlichen Abzug zuzulassen, nicht ersichtlich sei. Gleiches gilt nach diesem Beschluss auch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Beiträgen zu privaten Unfall- und Haftpflichtversicherungen (Urteile des BFH vom 18. November 2009 X R 6/08, BStBl II 2010, 282 und vom 9. September 2015 X R 5/13, BStBl II 2015, 1043).
b) Ist der Gesetzgeber nach den obigen Ausführungen nicht verpflichtet, die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG genannten (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen zum Abzug zuzulassen, können folglich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Möglichkeit des vollständigen Ausschlusses dieser Vorsorgeaufwendungen durch den neugeschaffenen § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG bestehen. Vielmehr entspricht diese Neuregelung in § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG mit der in den meisten Fällen faktischen Folge des Nichtabzugs der sonstigen Vorsorgeaufwendungen dem Gebot der Folgerichtigkeit (Urteil des BFH vom 9. September 2015 X R 5/13, BStBl II 2015, 1043).
aa) Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es als rechtlich gleich qualifiziert, neben dem Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit auch durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Dieses besagt, dass bei der Ausgestaltung der Steuerlast am Prinzip des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt wird (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, unter C.I.2.a). Als Ausnahme hiervon hat das BVerfG u.a. die Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse des Gesetzgebers anerkannt. Denn jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern und dabei von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268 [BVerfG 06.07.2010 - 2 BvL 13/09], [BVerfG 06.07.2010 - 2 BvL 13/09] unter C.I.2.b).
bb) Der Gesetzgeber verletzt nicht das Gebot der Folgerichtigkeit, wenn er neben den Krankenversicherungsbeiträgen auch andere sonstige Vorsorgeaufwendungen dem Sonderausgabenabzug zugewiesen hat, diese sich aber regelmäßig steuerlich nicht auswirken.
Der Gesetzgeber hat den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgend Krankenversicherungsbeiträge, welche die Basisversorgung betreffen, in vollem Umfang steuerlich als Sonderausgaben für abziehbar erklärt. Dies hinderte ihn indessen nicht, höhere Krankenversicherungsbeiträge und andere sonstige Vorsorgeaufwendungen in einer Gruppe "sonstige Vorsorgeaufwendungen" zusammenzufassen und einen Sonderausgabenabzug bis zu einem Höchstbetrag vorzusehen. Dass dies in einer Vielzahl von Fällen im Ergebnis dazu führt, dass neben den Krankenversicherungsbasisbeiträgen sonstige Vorsorgeaufwendungen nicht abziehbar sind, entspricht der gesetzlichen Systematik hinsichtlich der nur im beschränkten Umfang abziehbaren Sonderausgaben (Urteil des BFH vom 9. September 2015 X R 5/13, BStBl II 2015, 1043).
4. Da der erkennende Senat die Regelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3a i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht für verfassungswidrig hält, war das Verfahren nicht auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit dieser einfachgesetzlichen Abzugsbeschränkung nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.