Vergabekammer Hannover
Beschl. v. 19.07.2006, Az.: VgK 1/2006 J 14 26045-3
Europaweite Ausschreibung von Reinigungsarbeiten für mehrere Liegenschaften des Landes Hannover im Offenen Verfahren; Feststellung des offenbaren Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung bei Reinigungsleistungen durch eine besondere Vergleichsrechnung; Ordnungsgemäße Ermessensausübung der Vergabestelle
Bibliographie
- Gericht
- VK Hannover
- Datum
- 19.07.2006
- Aktenzeichen
- VgK 1/2006 J 14 26045-3
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 23421
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 25 Nr. 1 u. 2 VOL/A
Amtlicher Leitsatz
Das offenbare Missverhältnis von Preis und Leistung kann bei Reinigungsleistungen ermessensfehlerfrei mit einer besonderen Vergleichsrechnung festgestellt werden.
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
nach Rücknahme des Nachprüfungsantrages
im Anschluss an die mündliche Verhandlung
am 17. Juli 2006
folgenden Beschlussgefasst:
Tenor:
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I. Sachverhalt
Mit der Vergabenummer 06 E 5060 schrieb die Ag Reinigungsarbeiten für mehrere Liegenschaften des Landes in Hannover europaweit im offenen Verfahren in Losen aus. Mit der geschätzten Gesamtvergütung für alle Lose und die Jahre der Laufzeit des Reinigungsvertrages wird der Schwellenwert der VOL deutlich überschritten.
Die Ast hatte fünf Tage nach der Absageinformation die Wertung des Loses 3, Reinigung des Verwaltungsgerichts Hannover, bei der vergebenden Stelle gerügt und das Interesse am Auftrag als Mindestfordernde bekundet. Durch Zustellung des Nachprüfungsantrages hat die Kammer die Auftragserteilung an die zweitmindestfordernde Beigeladene zunächst verhindert.
Die vergebende Stelle hat die Wertung auf der Grundlage der VOL/A und der Bewerbungsbedingungen wie folgt vorgenommen:
Zunächst wurden nach § 25 Nr. 1 VOL/A die formal fehlerhaften Angebote ausgeschlossen. Das Angebot der Ast wies keinen formellen Fehler auf und gelangte in die zweite Wertungsstufe nach§ 25 Nr.2 VOL/A. Dort wurde die Eignung der Bieter im Hinblick auf Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit geprüft. Erscheinen nach § 25 Nr.2 Absatz 2 VOL/A Angebote im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, soüberprüft der Auftraggeber vor der Vergabe des Auftrages die Einzelposten dieser Angebote. Zu diesem Zweck verlangt er vom Bieter die erforderlichen Belege. Der Auftraggeber berücksichtigt bei der Vergabe das Ergebnis dieser Überprüfung. Der Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen hat durch Erlass die "ungewöhnliche Niedrigkeit" bei einer Abweichung von 10 oder mehr vom Hundert zum nächst höheren Angebot beispielhaft festgelegt. Bei der Wertung ist nach § 25 Nr.2 Absatz 3 VOL/A zu berücksichtigen, dass auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden darf.
Soweit die vergebende Stelle festgestellt hat, dass der vorgegebene Tariflohn durch den kalkulatorischen Stundenlohn unterschritten wurde, sind diese Angebote ausgeschieden. Mit den verbleibenden Angeboten, zu denen auch das der Ast gehörte, hat der Ag das Verfahren fortgesetzt.
Um die beschriebene Auskömmlichkeit als Teil der Eignung prüfen zu können, haben die Bieter auf der Basis einer raumbezogenen Leistungsbeschreibung Einzelpreise für die Raumarten angeboten. Bei der Prüfung auf Auskömmlichkeit wurden alle Leistungswerte der Raumarten der Voll- und Sichtreinigung miteinander verglichen.
Die Gesamtzahl der Prüfungen ergab sich aus der Anzahl der Räume in der Voll- und Sichtreinigung.
Die Vorgehensweise und Struktur wird im Folgenden anhand einer Raumart bei der Vollreinigung beschrieben. Die Anwendung bei der Sichtreinigung erfolgte analog. Das beschriebene Verfahren wurde für jede Raumart durchgeführt.
Die Anzahl der Räume, die sich in Vollreinigung befinden wird ermittelt.
Aus den preislich besten fünf Bietern wird der Mittelwert für die Vollreinigung gebildet
Weicht ein Anbieter 15 von Hundert von diesem Mittelwert nach oben ab (d.h. ist der Leis-tungswert im Vergleich zum Leistungsmittel zu hoch), kann von einer unauskömmlichen Angabe ausgegangen werden, der Anbieter erhält für diese Raumart bei der Vollreinigung einen Fehler
Der Fehler wiegt umso schwerer, je mehr Räume sich bei dieser Raumart in der Vollreinigung befinden, dieser Fehler wird mit der Anzahl der Räume der Vollreinigung multipliziert
Nach diesem Verfahren wird bei jedem Leistungswert der Voll- und Sichtreinigung jeder Raumart der Mittelwert der preislich besten fünf Anbieter ermittelt und bewertet.
Die Anzahl der Gesamtprüfungen ist die Addition der Prüfungen aller Raumarten bei der Voll- und Sichtreinigung.
Werden insgesamt 15 vom Hundert Fehler im Bezug auf die Gesamtprüfungen erreicht, wird von einem Unauskömmlichen Angebot ausgegangen und es erfolgt der Ausschluss des Angebotes.
Das Angebot der Ast enthielt zu 16 vom Hundert Fehler der oben beschriebenen Art und wurde aus der Wertung genommen. Die Preise stehen nach der ermessensfehlerfreien Beurteilung im offenbarem Missverhältnis zur Leistung.
Der unbestimmte Rechtsbegriff des "offenbaren Missverhältnisses von Preis und Leistung" gibt der vergebenden Stelle ein Ermessen. Die erkennende Kammer kann die Ermessensausübung der vergebenden Stelle nur hinsichtlich eines Ermessensfehlgebrauchs überprüfen. Die Ermessensausübung hält der Betrachtung Stand. Die Bieter werden bei dem beschriebenen Verfahren gleich behandelt. Die Eingangswerte der Berechnung werden von den Bietern selbst im Angebot bezeichnet und brauchten nur in die Berechnung übernommen zu werden. Durch die Begrenzung des Mittelwerts auf die Gruppe der 5 mindestfordernden tauglichen Angebote, wird erreicht, dass das Niveau den wirtschaftlich anbietenden Unternehmern eine echte Chance auf Zuschlag ein-räumt. Durch die zweiten "15%" wird gewährleistet, dass die Bieter bei der Kalkulation einen Freiraum haben und sich "gute" gegen "schlechte" Positionen in Grenzen ausgleichen können.
Wie auch die Ast einräumt, ist das gewählte Verfahren geeignet den Zweck der Feststellung von unauskömmlichen Angeboten zu erreichen. Die von der Ast gegenübergestellten alternativen Berechnungen, die auf einer Mittelwertbildung aller Reinigungsarten bzw. einem Marktmittelwert basieren, müssen sich der Kritik der Einbeziehung unterschiedlicher Gebäude bzw. unterschiedlicher Ausschreibungsergebnisse in den Mittelwert stellen. Auch wenn die alternativen Berechnungen vom Ermessen erfasst sind, erscheint die durchgeführte Wertungsmethode als die bessere.
Zu Recht greift die Ast die Festlegung der Zuschlagskriterien unter der Nummer 5.3 im Formblatt "Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes" an. Die dort genannten Zuschlagskriterien müssen sich am Maßstab der Richtlinie 2004/18/EG vom 31. März 2004 messen lassen. Der Artikel 53 der Richtlinie bestimmt, dass unbeschadet der nationalen Bestimmungen der Zuschlag entweder auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen kann, wobei die zu bestimmenden Kriterien der Wirtschaftlichkeit mit einer Gewichtung zu versehen sind jedoch mindestens in absteigender Reihenfolge ihrer Gewichtung zu nennen sind. Oder aber der niedrigste Preis ist das einzige Kriterium.
Diesem Anspruch genügen die unter der Nr. 5.3 des Formblattes genannten Kriterien nicht. Es bleibt einem Bieter unerfindlich, wie sein Angebot nachrangig zum Preis im Hinblick auf die Qualität seiner Leistung beurteilt werden soll. Insbesondere weil der unbestimmte Rechtsbegriff der Qualität nicht erläutert wird.
Am Ende der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2006 hat die Ast ihren Antrag zurückgenommen.
II. Begründung
...
III. Kosten
Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 128 GWB. Die unterlegene ASt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Sie beträgt mindestens 2.500,00 EUR und wird in dieser Höhe festgesetzt.
Dammeyer
Espel