Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.06.2013, Az.: 1 Ss 34/13
Eigentumsverhältnisse und Gewahrsamverhältnisse im Zusammenhang mit der Entwendung von Kraftstoff
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 17.06.2013
- Aktenzeichen
- 1 Ss 34/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 58001
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2013:0617.1SS34.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Northeim - 27.11.2012
Rechtsgrundlagen
- StGB § 73a
- StGB § 73b
- StGB § 242
- StGB § 246 Abs. 1
- EnergieStG § 60 Abs. 1 Nr. 3
- StPO § 264
- StPO § 333
- StPO §§ 333 ff.
Amtlicher Leitsatz
Kraftstoff wird von einer Tankkartengesellschaft, die ein eigenes Tankstellennetz betreibt, regelmäßig unter Eigentumsvorbehalt geliefert.
Der Fahrer eines Lastkraftwagens, der im Eigentum eines Transportunternehmens steht, hat Alleingewahrsam am Inhalt des Kraftstofftanks, sofern die Route nicht zuvor festgelegt ist und ständig überwacht wird.
Hat das Tatgericht keinen Sachverständigen herangezogen, ist es verpflichtet, die eigene Sachkunde im Urteil darzulegen.
Die mangelnde Darlegung der eigenen Sachkunde hat jedoch dann keinen Einfluss auf den Bestand eines mit der Revision angefochtenen Urteils, wenn das Revisionsgericht selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt.
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Northeim vom 27. November 2012 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
Der Schuldspruch wird jedoch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte nicht wegen Diebstahls, sondern wegen Unterschlagung verurteilt wird.
Angewendete Vorschriften: §§ 246 Abs. 1, 73, 73 a, 73 b StGB.
Gründe
1. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verteidigers ist die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
2. Der Schuldspruch ist jedoch zu berichtigen, weil der Angeklagte nach den Feststellungen des Amtsgerichts wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) zu verurteilen ist. Eine solche Berichtigung ist wegen der umfassenden Kognitionspflicht des Revisionsgerichts zulässig, um die Verurteilung mit dem materiellen Recht in Übereinstimmung zu bringen (BGH St 37, 5, 8 f.; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rn. 619). Der Angeklagte verletzte fremdes Eigentum, weil der Kraftstoff bei dem ersten Tankvorgang vom 04.04.2012 jedenfalls nicht ihm übereignet wurde war. Ob der Kraftstoff (schon wegen § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG) unter Eigentumsvorbehalt übereignet wurde (vgl. dazu: Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30.04.2008, 4 K 1959/06, juris, Rn. 7, 29) oder ob er - eher fernliegend - von der Tankkartengesellschaft unbedingt der b. logistics GmbH übereignet wurde, ist für die Strafbarkeit ohne Bedeutung, weil entweder die Tankkartengesellschaft (bei Annahme eines Eigentumsvorbehalts) oder die b. logistics GmbH geschädigt wurde. Der Sachverhalt ist als Unterschlagung zu würdigen, weil weder die b. logistics GmbH, wäre sie Eigentümerin, noch gar das Tankkartenunternehmen (bei Annahme eines Eigentumsvorbehalts) Mitgewahrsam hatte. Nach der Rechtsprechung hat ein Fahrer einer Transportfirma regelmäßig Alleingewahrsam an den transportierten Waren (BGHSt 2, 317, 318; OLG Düsseldorf MDR 1985, 427). Für die Annahme von Mitgewahrsam wäre (vgl.: BGH, Beschluss vom 17.08.1993, 4 StR 393/93) eine genau festgelegte Route und die ständige Funküberwachung erforderlich, was im angefochtenen Urteil nicht festgestellt wurde.
3. Die vom Amtsgericht getroffene Verfallsentscheidung war geboten (§ 73 Abs. 1 S. 1 StGB) und scheitert insbesondere nicht an § 73 Abs. 1 S. 2 StGB. Die durch die Tathandlung vermutlich geschädigte Tankkartengesellschaft hat keinen Anspruch, weil die b. logistics GmbH den Treibstoff gezahlt hat. Die b. logistics GmbH ihrerseits hat - sollte sie zum Zeitpunkt der Unterschlagung doch Eigentümerin des Diesels gewesen sein - jedenfalls keinen Anspruch mehr, weil sie dem Angeklagten durch Vergleich etwaige Zahlungen erlassen hat. Dass das Amtsgericht bei der Anwendung von § 73 a StGB (von einem Verbrauch des Diesels ist auszugehen) nicht mitgeteilt hat, auf welcher Grundlage es den mit 1,35 € angesetzten Wert des Erlangten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (dazu: BGHSt 4, 305, 308; Wiedner in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 73 a StGB, Rn. 18 f.; Schmidt in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 73 a Rn. 13) ermittelt hat, schadet ebenfalls nicht. Das Tatgericht hat zwar grundsätzlich eigene Sachkunde darzulegen, um dem Revisionsgericht die Überprüfung des Urteils zu ermöglichen (Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rn. 363). Auf diesem Fehler beruht das Urteil jedoch nicht, weil die Senatsmitglieder regelmäßig Dieselkraftstoff auf derselben Umsatzstufe (dazu: Wiedner in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 73 a StGB, Rn. 20; Joecks in Münchner Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 73 a Rn. 15) wie der Angeklagte erwerben, deshalb selbst über die erforderliche Sachkunde verfügen und aus eigenem Wissen ausschließen können, dass der Dieselmarktpreis im November 2012 unter 1,35 € lag. Weil nähere Ausführungen nur dazu gedient hätten, dem Revisionsgericht die Überprüfung des Urteils zu ermöglichen, sind sie bei eigener Sachkunde des Revisionsgerichts nicht erforderlich.
Soweit der Angeklagte nunmehr auf regionale Unterschiede des Dieselpreises hinweist, ist dem entgegenzuhalten, dass nicht der nordhessische Marktpreis, sondern der "gewöhnliche inländische Verkaufspreis" maßgeblich ist (BGHSt 4, 305; Schmidt in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 73 a Rn. 12). Weil es auf die Umsatzstufe des Angeklagten ankommt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er den Kraftstoff für einen eigenen Lastkraftwagen benötigte, sind etwa niedrigere Preise beim Dieselerwerb für LKW ohne maßgebliche Bedeutung, zumal dem Gericht eine weite Befugnis zur Schätzung (§ 73 b StGB) eingeräumt wird.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO.