Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.04.2021, Az.: 12 K 93/18

Schätzungsbefugnis bei Verwendung einer objektiv manipulierbaren elektronischen Registrierkasse; Hinzuschätzung anhand durchschnittlicher Tagesumsätze und Gästezahlen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.04.2021
Aktenzeichen
12 K 93/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 69825
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2021:0413.12K93.18.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: X R 3/22

Fundstellen

  • GmbH-Stpr. 2023, 152
  • RdW 2023, 604-605

Amtlicher Leitsatz

Bei Verwendung einer objektiv manipulierbaren elektronischen Registrierkasse besteht eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach; Hinzuschätzung der Höhe nach anhand eines durchschnittlichen Tagesumsatzes sowie durchschnittlicher Gästezahlen als grobe, aber (noch) geeignete Schätzungsmethode.

Tatbestand

Streitig sind vorgenommene Hinzuschätzungen nach einer Außenprüfung (Ap) in den Streitjahren 2011 bis 2014

Seit 1999 betrieb der Kläger ein Restaurant sowie diverse Bringdienste und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Seit Sommer 2017 wird das Restaurant vom Kläger verpachtet und seit August 2017 von der X-GmbH betrieben. Alleinige Gesellschafterin der X- GmbH ist die Y-Ltd. mit Sitz in Großbritannien. Der Kläger selbst ist seit August 2017 bei der GmbH als Angestellter nichtselbständig tätig.

Die Veranlagungen zur Einkommensteuer der Streitjahre erfolgten zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß, wobei die Bescheide für 2012 und 2013 gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Ein vortragsfähiger Gewerbeverlust wurde auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012 festgestellt. Auf den 31.12.2013 war eine gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) mangels vortragsfähigen Gewerbeverlustes nicht mehr durchzuführen. Die Umsatzsteueranmeldungen für 2011 bis 2013 standen gemäß § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau las der Beklagte die elektronische Registrierkasse des Klägers aus. Der Kläger hatte seit Betriebseröffnung im Jahr 1999 eine elektronische Registrierkasse SKS TS 400 benutzt. Diese Kasse war nicht in der Lage, alle Einzeldaten für 10 Jahre zu speichern. Eine Aufrüstung der Kasse durch Softwareanpassungen und Speichererweiterungen war bauartbedingt nicht möglich. Bei der Kassenauslesung stellte der Beklagte fest, dass die ausgedruckten Berichte (Warengruppenbericht, Bedienerbericht, Zeitzonenbericht etc.) keine Umsätze der vorangegangenen Tage auswiesen. Die Uhrzeit der ausgedruckten Abfragen habe um 00:45 Uhr begonnen. Nach Klägerangaben sei während der Kassenauslesung die Sicherung herausgesprungen, weshalb die Stromzufuhr unterbrochen worden sei. Deshalb seien die Kassendaten der vorherigen Tage gelöscht worden. Des Weiteren stellte der Beklagte fest, dass die Einzeldaten zu den Bringdienstbestellungen nicht gespeichert worden und nur Kundendaten vorhanden waren.

Im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau händigte der Beklagte dem Kläger ein Merkblatt zur Kassenführung aus und wies den Kläger bei der Besprechung der Ergebnisse am 21.05.2015 darauf hin, die festgestellten Mängel künftig abzustellen.

Mit Prüfungsanordnung vom 21.05.2015 ordnete der Beklagte eine allgemeine Außenprüfung (Ap) für Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der Jahre 2011 bis 2013 an. Die am 13.07.2015 begonnene Ap gelangte u.a. zu folgenden Feststellungen:

Kassenführung des Restaurants

Für jeden Öffnungstag hätten fortlaufend nummerierte Z-Bons vorgelegen, jedoch lägen erhebliche Mängel bei der Kassenführung vor:

- Die Programmieranleitung und die Programmausdrucke nach jeder Änderung sowie die Protokolle über die Einrichtung von Verkäufer-, Kellner- und Trainingsspeicher u.ä. hätten nicht vorgelegt werden können (vgl. § 147 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung -AO-, Schreiben des BMF vom 09.01.1996, BStBl. I 1996, 34).

- Die mit Hilfe der Registrierkasse erstellten Rechnungen seien nicht aufbewahrt worden.

- Die Tagesendsummenbons (Z-Bons) hätten die Zahlungswege (Bar, EC etc.) nicht ausgewiesen.

- Die im Rahmen des Tagesabschlusses abgerufenen Ausdrucke der Registrierkasse (z.B. Kellnerberichte) seien nicht aufbewahrt worden.

Rabatte und Gutscheine

Die Ap stellte fest, dass der Kläger Rabatte in Form von Gutscheinen gewährte (z.B. zwei Gerichte zum Preis von einem, über die Homepage oder ausgehändigt im Restaurant). Nach dem Vortrag des Klägers seien die Tageseinnahmen inklusive Gutscheinwert ermittelt und der Gutscheinwert nachträglich als Erlösminderung über das Sachkonto Nr. 8790 gebucht worden.

Aus einem Bewirtungsbeleg anlässlich eines Testessens mit einem Gutschein am 01.12.2015 sei ersichtlich gewesen, dass Kunden lediglich Bons über die tatsächlich gezahlten Beträge, ohne Buchung eines Gutscheinbetrages, erhalten hätten.

Die Separierung von Umsätzen durch Umbuchung auf ein anderes Konto habe nach Auffassung der Ap zum Ausweis eines nicht korrekten Kassenbestandes (fiktive Kasseneinnahmen inklusive Gutscheinwert) geführt. Wenn Gutscheine im Rahmen des Tageskassenabschlusses abgerechnet werden, würden automatisch Bons mit gebuchten Beträgen ausgedruckt. Diese Bons seien nicht aufbewahrt worden. Die Aufbewahrung der Gutscheine sei insoweit nicht ausreichend gewesen.

Bringdienste

Die vom Kläger neben dem Restaurant betriebenen Bringdienste seien über diverse Internetportale abgewickelt worden. Die Bestellungen habe der Kläger per Fax erhalten. Die Zubereitung der bestellten Speisen sei im Restaurant erfolgt.

Die Direktbestellungen im Restaurant -ohne Bestellungen über die Internetportale- (Außer-Haus-Verkäufe) seien mit dem PC und der Software A-Bringdienst erfasst worden. Die Außer-Haus-Verkäufe (Barzahlung bei Abholung oder Lieferung) seien nach den Angaben des Klägers nach Abrechnung mit den Fahrern in einer Summe in der elektronischen Registrierkasse erfasst worden.

Nach Ansicht der Ap lägen insoweit folgende Mängel vor:

- Die mit dem PC erfassten und ausgedruckten Bestellungen für Außer-Haus-Verkäufe sowie Internetbestellungen per Fax seien nicht aufbewahrt worden.

- Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, wie die nachträglich in der elektronischen Registrierkasse erfassten Außer-Haus-Umsätze ermittelt worden seien.

Getränkeeinkauf

Die Ap überprüfte den Fassbiereinkauf im Jahr 2013 und gelangte zu dem Ergebnis, dass 1.270 Liter Fassbier eingekauft worden seien, was -nach Abzug eines üblichen Verlustes- etwa 3,80 Liter pro Öffnungstag ausmache. Die Ap verglich diese Werte mit den Erkenntnissen aus der vorangegangenen Ap für die Jahre 2001 bis 2003. In diesen Jahren habe sich der Fassbiereinkauf eines einzelnen Prüfungsjahres auf rd. 2.400 Liter belaufen.

In 2013 seien zudem 528 Cola- bzw. Fantaflaschen zu je 0,2 l eingekauft worden. Bei 310 Öffnungstagen im Jahr 2013 ergäbe dies einen täglichen Verkauf von 1,7 Flaschen.

Vorhandene 1,0 Liter-Flaschen (Softdrinks) seien ausschließlich im Bringdienst als Gratisbeigabe bei Bestellungen über 20 € und 50% der Spirituosen kostenlos an Gäste ausgegeben worden. Die Ap hielt diese Angaben unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Erwägungen für unglaubhaft.

Zudem stellte die Ap fest, dass 11 Eingangsrechnungen der Fa. Z nicht gebucht worden seien. Bei diesen Waren habe es sich überwiegend um Fassbier, Spirituosen, alkoholfreie Getränke und Flaschenbier gehandelt.

Rohgewinnaufschlagsätze

Die Rohgewinnaufschlagsätze des Prüfungszeitraums seien stark schwankend und insgesamt zu niedrig gewesen:

201120122013
173 %211 %166 %

Der Durchschnitt der amtlichen Rohgewinnaufschlagsätze für Gaststätten liege bei 275%, wobei nach Auffassung der Ap ein höherer Aufschlagsatz aufgrund der Preisgestaltung der Speisekarte und einem Wareneinkauf in Discountern nicht unrealistisch sei.

Der Kläger habe weder die Höhe noch die starken Schwankungen der Rohgewinnaufschlagsätze erklären können.

Im November 2015 ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Steuerstraftaten (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 2009 bis 2013 sowie Umsatzsteuer für die Voranmeldezeiträume I/2014 bis III/2015) eingeleitet worden, in deren Rahmen das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FAFuSt) am 03.12.2015 eine Durchsuchung im Betrieb des Klägers durchführte und die Registrierkasse des Klägers erneut auslas. Bei dieser (erneuten) Kassenauslesung ist festgestellt worden, dass die Kassenprogrammierung seit der Umsatzsteuer-Nachschau trotz der Hinweise durch den Prüfer nicht verändert worden sei. Zudem seien die Einzeldaten zu den Bringdienstbestellungen programmgesteuert täglich gelöscht worden (Einstellung der Kasse: Automatische Reorganisation täglich). Auch seien die mit dem PC erfassten und ausgedruckten Bestellungen für Außer-Haus-Bestellungen sowie die Internetbestellungen per Fax seit der Umsatzsteuer-Nachschau nicht aufbewahrt worden.

Das FAFuSt stellte folgende Ausdrucke der Kasse (Kellnerberichte) sicher:

29.11.2015 (Sonntag) 21:21 Uhr (Betrag: 504,80 €); Umsatzlöschung um 23:15 Uhr

30.11.2015 (Montag) Ruhetag

01.12. 2015 (Dienstag) 22:28 Uhr (Betrag: 508,80 €); Umsatzlöschung um 23:11 Uhr

02.12.2015 (Mittwoch) 22:11 Uhr (Betrag: 263,00 €); Umsatzlöschung um 23:55 Uhr

Anhand dieser Ausdrucke sei nach Ansicht der Ap ersichtlich, dass die Umsätze der vorangegangenen Tage jeweils durch die Abfrage 89 x 9999 (Z 2) gelöscht worden seien. Nach den Feststellungen der Ap sei diese Abfrageart in der Bedienungsanleitung nicht enthalten gewesen. Diese Abfrage werde u.a. von Kassendienstleistern zur Datenlöschung beim Verkauf einer (gebrauchten) Kasse eingesetzt. Die letzten Bons in den Buchführungsunterlagen des Klägers vom 06.10.2015 hätten die Z-Nr. 5725 und die vom FAFuSt am 03.12.2015 ausgedruckten Berichte hätte ebenfalls die Z-Nr. 5725 ausgewiesen.

Aufgrund des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist die Ap mit Prüfungsanordnung vom 01.12.2015 und vom 07.09.2016 u.a. auf den Zeitraum 2014 erweitert worden.

Aufgrund der festgestellten Aufzeichnungsmängel, der vorliegenden Manipulationsmöglichkeiten und der wiederholten Verletzung von Aufzeichnungspflichten -trotz Hinweisen durch den Beklagten- nahm die Ap eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO vor.

Der Kläger habe im Prüfungszeitraum häufig Lebensmittel im örtlichen Einzelhandel und bei Discountern eingekauft. Für diese Einkäufe hätten lediglich Kleinbetragsrechnungen vorgelegen, aus denen häufig die genaue Bezeichnung und die Menge der eingekauften Waren nicht ersichtlich gewesen sei (z.B. Angaben wie "diverses", "Lebensmittel", "Food", "Getränke", "Fleisch", "Fisch", "Grundpreiseingabe", "Handeingabe"). Die fehlenden Angaben hätten sich nachträglich nicht mehr ermitteln lassen. Zudem seien Belege häufig auf verblasstem Thermopapier gedruckt und nicht mehr lesbar gewesen. Daher habe der Prüfer eine Verprobung der Erlöse (Getränke und Küchenwaren) auf Grundlage des wirtschaftlichen Wareneinsatzes und der tatsächlichen Ein- und Verkaufspreise nicht durchführen können.

Der Prüfer führte eine Umsatzschätzung anhand eines durchschnittlichen Tagesumsatzes durch. Für das Jahr 2014 legte der Prüfer einen Tagesumsatz von 500 € (anknüpfend an die im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme des FAFuSt beschlagnahmten Kassenausdrucke) zugrunde, was 40 Gästen pro Tag mit einem Umsatz von 12,50 € entsprochen habe.

Die Ap nahm folgende Schätzungen der Tageseinnahmen mit Umsatzsteuer von 19 % für das Restaurant vor (Bar und EC):

2011201220132014
Umsatz brutto pro Gast (inkl. Erlösminderung durch Gutscheine)15,00 €12,50 €12,50 €12,50 €
Anzahl Gäste/ Öffnungstag25303540
Durchschnittl. Tagesumsatz brutto375,00 €375,00 €437,50 €500,00 €
Anzahl der Öffnungstage295305310310
Umsatz Restaurant (brutto) lt. Ap110.625 €114.375 €135.625 €155.000 €
Tageseinnahmen (bar, EC) -bisher-23.588,87 €29.122,21 €36.205,89 €65.259,03 €
Zuschätzung brutto lt. Ap87.036,13 €85.252,79 €99.419,11 €89.740,97 €
Zuschätzung netto lt. Ap73.139,61 €71.641,00 €83.545,47 €75.412,58 €
Abrundung70.000,00 €70.000,00 €80.000,00 €70.000,00 €

Die Anzahl der Öffnungstage ermittelte der Prüfer anhand der Buchungen des Klägers (Kasse/ Erlöse 19%). Gutscheinaktionen seien durch den niedrigeren Ansatz der Umsätze pro Gast in den Jahren 2012 bis 2014 berücksichtigt worden.

Die Hinzuschätzungen für die Außer-Haus-Umsätze des Restaurants nahm die Ap pauschal i.H.v. 10% der bisher erklärten Umsätze zu 7% vor:

2011201220132014
Erlöse 7% netto lt. EÜR133.504,76153.797,99 €165.406,41 €203.427,56 €
Unsicherheitszuschlag 10%13.350,48 €15.379,80 €16.540,64 €20.342,76 €
Hinzuschätzung (abgerundet)13.000 €15.000 €16.000 €20.000 €

Die Schätzungen des nicht gebuchten Wareneinkaufs nahm die Ap analog zu den Umsatzhinzuschätzungen vor:

Beträge in €2011201220132014
Zuschätzung Wareneinkauf lt. Ap3.000,005.000,001.000,008.000,00

Der Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 21.12.2016 die Prüfungsfeststellungen und Berechnungsgrundlagen der steuerlichen Beraterin des Klägers. Im Rahmen einer Besprechung an Amtsstelle sowie in einem Schreiben vom 23.05.2017 erfolgten weitere Erläuterungen zu den festgestellten Aufzeichnungsmängeln, zur Frage der Schätzungsbefugnis des Beklagten sowie zu den Berechnungsgrundlagen der Zuschätzung. Im Schreiben vom 23.05.2017 bot der Beklagte drei Termine zur Schlussbesprechung (06.06.2017, 07.06.2017 und 12.06.2017) an, die nicht wahrgenommen worden seien. Zugleich machte der Kläger die Durchführung einer Schlussbesprechung von Bedingungen abhängig, die -nach Auffassung des Beklagten- offensichtlich den Abschluss der Ap verhindern sollten, z.B. Antrag auf Aktenkundigmachung und Akteneinsicht sowie Antrag auf Durchführung einer Inaugenscheinnahme dahingehend, dass die Ap zwei Wochen vor Ort im Betrieb durchgeführt werde, zum Beweis dafür, dass nicht täglich 500 € erwirtschaftet würden.

Der Beklagte schloss die Ap ohne Schlussbesprechung mit Bericht über die Außenprüfung vom 19.06.2017 ab.

Der Beklagte erließ -der Ap folgend- entsprechend geänderte Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2011 bis 2014. Die Änderungsbescheide über Einkommensteuer 2011 und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 ergingen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, über Einkommensteuer 2012 und 2013 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2012 und 2013 gemäß § 164 Abs. 2 AO und gemäß § 164 Abs. 3 AO unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Die Festsetzungen über Einkommensteuer für 2014, über den Gewerbesteuermessbetrag für 2014 und über Umsatzsteuer 2014 erfolgten als erstmalige Veranlagung. Die Änderungsbescheide über Umsatzsteuer 2011 bis 2013 erfolgten gemäß § 164 Abs. 2 AO und gemäß § 164 Abs. 3 AO unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.

Den Gewinn aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG bzw. den Gewerbeertrag setzte der Beklagte in folgender Höhe an:

Beträge in € (Bruttobeträge)2011201220132014
Wert vor Ap./. 4.663,0017.742,005.663,0028.158
Zuschätzung 19% (brutto)83.30083.30095.20083.300
Zuschätzung 7% (brutto)13.91016.05017.12021.400
Zuschätzung WEK./. 3.000./. 5.000./. 1.000./. 8.000
Z nicht gebuchte Rechnungen./. 1.342,72./. 147,11./. 272,08
Warenentnahmen 19%2.366,912.438,311.983,732.059,89
Warenentnahmen 7%1.194,121.229,431.633,891.697,02
Privatanteil Kfz4.795,372.896,384.733,133.554,22
Rechnung Fa. O9.748,48
Rechnung Fa. S3.945,56212,97
Sonstige Raumkosten./. 4.061,211.419,71
Verkauf Citroen350,00
Fahrten Wohnung Betrieb347,04
Nicht korrekt gebuchte Rechnungen8.249,93
Investitionsabzugsbetrag4.000
Gewinn/Gewerbeertrag lt. Ap108.233120.580124.701145.566

Die Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19% setzte der Beklagte in folgender Höhe an:

Beträge in €2011201220132014
Wert vor Ap33.39253.31441.67479.671
Zuschätzungen70.00070.00080.00070.000
Verkauf PKW Citroen294
Umsätze aus Fassadensanierung9.4291.163
Umsätze Gutscheine Typ 2 etc. (bisher als 7%-Umsätze gebucht)2.60713.374
Wert für USt (netto) -Ap-113.115127.084135.048149.671

Gegen sämtliche (Änderungs-) Bescheide vom 29.06.2017 legte der Kläger Einspruch ein. Die Einsprüche richteten sich gegen die Gewinn- und Umsatzhinzuschätzungen aufgrund der Ap.

Die durchgeführte Umsatzschätzung beruhe auf drei willkürlich gegriffenen Bons aus der Vorweihnachtszeit des Jahres 2015, die ohne Berücksichtigung statistischer Relevanz sowie saisonaler Schwankungen auf die Vorjahre hochgerechnet worden seien. Die Ap und die sich anschließenden Steuerfestsetzungen seien verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil die Ausführungen, Verfahrens- und Beweisanträge des Klägers ignoriert worden seien. Soweit die angegriffenen Steuerfestsetzungen auf Feststellungen basierten, die nicht auf Umsatzhinzuschätzungen beruhten, würden diese anerkannt. Die vorgenommene Vollschätzung des Beklagten sei unzulässig. Sofern eine Schätzung überhaupt vorgenommen werden sollte, hätte eine Teil- oder Zuschätzung anhand des Wareneinkaufs erfolgen müssen. Die Vollschätzung sei lediglich gewählt worden, weil die anderen Schätzungsformen nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hätten. Anhand der belastbaren Umsatzzahlen für das Jahr 2016 könne dargelegt werden, dass die vorgenommenen Schätzungen willkürlich und objektiv überhöht seien.

Der Kläger reichte eine eigene Ermittlung der Restaurantumsätze für die Streitjahre 2009 bis 2015 ein. Anhand der Umsätze für 2016 und einer vorgenommenen Gästezählung in den Monaten September 2017 und Oktober 2017 (September: 796 Gäste, Oktober: 768 Gäste), die er auf eine Gästeanzahl von 7.900 für das Jahr 2017 hochgerechnet habe, habe der Kläger einen Durchschnittsumsatz je Gast in 2017 von 21,09 € netto (25,10 € brutto) ermittelt. Zur Ermittlung der Umsätze der Vorjahre seien die Werte jeweils mit 0,96 multipliziert worden. Dies solle nach Auffassung des Klägers der Preissteigerung und der höheren Wertigkeit des Angebotes während des Laufes des Geschäfts (von Restauranteröffnung bis heute) Rechnung tragen und entspreche einer Umsatzsteigerung von 4% pro Jahr.

Die Gegenschätzung des Klägers ergab folgende Hinzuschätzungsbeträge:

Beträge in €2011201220132014
Zuschätzungen lt. Ap70.00070.00080.00070.000
Zuschätzungen lt. Kläger11.12915.27922.7601.628

In einem Gespräch an Amtsstelle und in der abschließenden Einspruchsbegründung führte der Kläger aus:

Beanstandungen der Buchhaltung

Vom Kläger seien keine nachträglichen programmtechnischen Änderungen der Kasse vorgenommen worden. Die Kasse sei vom Kläger nicht manipuliert worden. Die Tagesendsummenbons würden dem Finanzamt vorliegen, die Z-Bons seien fortlaufend nummeriert und nach Zahlungsarten (handschriftlich) aufgegliedert worden. Bis Ende 2015 hätte die Kasse den Vorgaben der Finanzverwaltung im Erlass vom 09.01.1996 (IV A 8-S-0310-5/59) entsprochen. Die Kasse sei zulässigerweise eingesetzt worden.

Tatsache sei, dass es keine Aufzeichnungen gebe, aus denen die Vortagesumsätze ersichtlich seien, da die Vortagesumsätze jeweils mit Ausdruck des Z1-Bons vom laufenden Tag gelöscht worden seien. Der Kläger sei der Auffassung gewesen, dass die tägliche Löschung und auf null Setzung des Speichers notwendig und richtig gewesen sei, um am Folgetag einen ordnungsgemäßen Z1-Bon erhalten zu können. Das Verfahren, wie die Löschung durchgeführt worden sei, sei dem Kläger vom Kassenlieferanten so erläutert worden. Es habe sich dabei um einen in der Kassenanleitung aufgeführten Standardbefehl gehandelt.

Auch aus dem Erlass vom 09.01.1996, IV A 8-S-0310-5/59, ergäbe sich keine Verpflichtung zur Archivierung und Aufzeichnung von Vortagesumsätzen und keine Pflicht zur Erstellung von Protokollen von Verkäufer-, Kellner- und Trainingsspeichern. Im Übrigen verfüge die benutzte Kasse nicht über eine derartige Funktion, weshalb die Protokolle nicht ausgedruckt worden seien.

Die erstellten Rechnungen seien nicht aufbewahrt worden, weil ein Beleg mit jedem Vorgang des Abkassierens dem jeweiligen Gast mitgegeben worden sei.

Aus dem Erlass vom 09.01.1996 ergäbe sich keine Pflicht zur Dokumentation der Zahlungswege. Der Kläger sei der Verpflichtung zur Dokumentation der unterschiedlichen Zahlungswege durch tägliche zeitnahe Niederlegung der anteiligen Umsätze nachgekommen. Die Richtigkeit der Aufteilung in Kassen- und EC-Umsätze könne heute noch anhand der EC-Abrechnungen nachvollzogen werden.

So wie die Kasse vom Kassenlieferanten programmiert gewesen sei, habe es keine weiteren Ausdrucke im Rahmen des Tagesabschlusses gegeben, die hätten abgerufen oder aufbewahrt werden können.

Bei den eingesetzten Gutscheinen sei zu differenzieren in

Gutscheine Typ 1: A, B, C, D, E sowie

Gutscheine Typ 2: F, G.

Bei den Gutscheinen des Typs 1 habe der Kläger dann, wenn ein Gast im Rahmen des Bezahlvorgangs erklärt habe, einen Gutschein einlösen zu wollen, den Gutscheinumsatz innerhalb des Tisches separiert. Die Separierung sei so erfolgt wie sie auch erfolge, wenn Gäste eines Tisches darum gebeten haben, getrennt zu zahlen. Der Kläger sei so vorgegangen, damit den Gästen, die Gutscheine eingesetzt hätten, kein Beleg habe mitgegeben werden müssen, der die Bezahlung des vom Gutschein abgedeckten Teils der Rechnung belege. Die Stornierung sei später im Rahmen der Finanzbuchhaltung in Form der Erlösminderung erfolgt.

Mit den Gutscheinen des Typs 2 sei dem Endkunden ein Gutschein über z.B. 50 € für 25 € verkauft wurden. Der Gastronom habe 25 € Rabatt gewährt und im Gegenzug 25 € von den Herausgebern der Gutscheine erhalten, welche davon wiederum die Hälfte als Provision einbehalten hätten. Der Rest sei ausgezahlt worden.

In den Jahren 2012 und 2013 seien neben den Provisionen als Kosten und den Auszahlungen als Umsatz allerdings keine weiteren Umsätze und Rabatte erfasst worden. Dies sei ertragsneutral, da sich der zu buchende Umsatz und Rabatt aufhebe.

Im Jahr 2014 seien zutreffend nicht nur die Zahlungen der Gutscheinherausgeber als Umsatz gebucht worden, sondern weiterer Umsatz und zugleich Rabatt in Höhe der erfolgten Zahlungen der Herausgeber.

Die Behauptung des Beklagten, dass das Restaurant auch nach Löschung der vorgefundenen Z-Bons noch geöffnet gewesen sei, sei eine durch nichts belegte Falschbehauptung.

Es sei aber zutreffend, dass die über PC, Fax und Internet eingegangenen Bringdienstbestellungen nicht aufbewahrt und abgelegt worden seien. Bei den Bestellungen handele es sich nicht um Buchhaltungsunterlagen, sondern um betriebsorganisatorische Abwicklungsunterlagen. Hinsichtlich derer bestehe keine Pflicht zur Aufbewahrung und Archivierung. Zutreffend sei auch, dass die Umsatzzusammensetzung so wie gebucht worden sei, nicht im Einzelnen nachvollziehbar sei. Es handele sich insoweit um eine zulässige Buchung im Rahmen einer offenen Ladenkasse. Jede einzelne Bestellung sei nach Eingang der Bestellung in der Küche abgearbeitet und dann von den jeweiligen Fahrern ausgeliefert worden. Die Fahrer hätten die bei den Kunden vereinnahmten Entgelte gegenüber dem Mitarbeiter XY abgerechnet und dieser habe abends in einer Summe die Außer-Haus-Umsätze unter der Taste "7% Umsatzsteuer" in die Kasse eingegeben. Da eine Verpflichtung zur Aufzeichnung einzelner Aufträge und Bestellungen nicht bestanden habe, sei dieses Verfahren zulässig gewesen.

Der erhobene Vorwurf der täglichen Löschung von Bestellungen sei irrelevant. Eine Verpflichtung, die Bestellbelege nach Abwicklung des Auftrags aufzubewahren sei ebenso wenig ersichtlich wie eine Verpflichtung, die Daten im Computer zu speichern. Demnach lägen keine Verstöße gegen Buchhaltungspflichten vor.

Der Einwand des Beklagten, dass der Getränkeumsatz zu niedrig sei, lasse die Bezugsgröße offen. Im Verhältnis zum Gesamtumsatz sei der Getränkeumsatz klein, weil im Hauslieferdienst systembedingt fast ausschließlich Essen bestellt würden.

Schätzung Restaurantumsätze

Der Z-Bon-Zähler der Kasse sei, wie aus dem Buchhaltungsunterlagen ersichtlich, durchgelaufen. Daher lägen lückenlose Kassenaufzeichnungen für den gesamten Prüfungszeitraum vor. Darüber hinaus würden die konkreten Umsatzfeststellungen durch die 3 vorgefundenen Z-Bons zu den gemeldeten Umsatzzahlen passen. Der Durchschnittsumsatz der 3 Bons betrage 425,27 €. Bezogen auf das gesamte Jahr 2015 ergebe sich ein durchschnittlicher Tagesumsatz von 352 €.

Ein schlüssiger Grund dafür, dass materiell eine Schätzungsbefugnis bestehe, sei nicht vorgetragen worden. Wenn man gleichwohl dazu käme, die Restaurantumsätze zulässigerweise schätzen zu dürfen, käme allenfalls eine Zuschätzung und keinesfalls eine Vollschätzung in Betracht.

Der Prüfer habe ursprünglich eine Schätzung anhand einer Geldverkehrsrechnung vorgenommen, diese aber verworfen, weil sie nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt habe, und dann eine Vollschätzung vorgenommen. Eine Alternative zur Durchführung einer Vollschätzung, aber auch zur Geldverkehrsrechnung, sei die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs auf Basis der Folgejahre.

Die Annahme des Beklagten, den aus den 3 gegriffenen Bons ergebenden Tagesumsatz als Durchschnittsumsatz der Schätzung zugrunde zu legen, sei fehlerhaft. Die gegriffenen Umsätze hätten um den Gutscheinumsatz reduziert werden müssen.

Auch die Bildung des Durchschnitts der 3 Bons sei fehlerhaft. Umgerechnet auf einen durchschnittlichen Tagesumsatz unter Berücksichtigung der höheren Umsätze im November und Dezember habe der Durchschnittsumsatz nur 352 € betragen.

Der Kläger habe eine erneute Gegenschätzung der Restaurantumsätze durchgeführt, mit der der Kläger aufzeigen möchte, dass eine Schätzung anhand konkreter Parameter möglich und der griffweisen Schätzung vorzuziehen sei: Die vom Kläger durchgeführte Schätzung basiere auf realen und belegbaren Zahlen des ab Anfang 2016 eingeführten neuen Kassensystems. Die Umsätze des Gutscheintyps 2 seien in den Kassenumsätzen nicht berücksichtigt und würden nicht in die Kalkulation einbezogen. Die Umsätze seien während der Prüfungszeit durch das neue Kassensystem ermittelt worden. Im Rahmen einer Gästezählung im September und Oktober 2017 seien die Durchschnittsumsätze pro Gast ermittelt worden. Im September 2017 habe sich aus dem Monatsumsatz von 10.230,83 € geteilt durch die Gästeanzahl von 796 ein Durchschnittsumsatz pro Gast von 12,85 € und im Oktober 2017 bei einem Monatsumsatz von 11.075,08 € ein Durchschnittsumsatz pro Gast von 14,42 € ergeben. Teile man den tatsächlichen Jahresumsatz des Jahres 2017 durch diese Zahl, ergäben sich rund 30 Gäste pro Öffnungstag. Unter Zugrundelegung gleicher Verhältnisse sei der Durchschnittsumsatz pro Gast im Jahr 2016 ermittelt worden, der sich auf 14,48 € pro Gast belaufen habe. Mit diesen Zahlen (30 Gäste und 14,48 € Umsatz je Tag und Gast) sei man in die Rückrechnung für die Jahre vor 2016 eingetreten. Infolge der massiven Gutscheinwerbung sei von einem Zuwachs von jeweils 3 Gästen pro Öffnungstag ausgegangen worden, für 2014 sei nach Konsolidierung eine geringere Steigerung von einem Gast pro Tag und eine jährliche Umsatzsteigerung pro Gast von nur 3% angenommen worden. Die nach dem Klägervortrag in den Umsätzen enthaltenen Gutscheinumsätze des Typs 1 seien hierbei voll in Abzug gebracht worden.

Die (zweite) Gegenschätzung des Klägers ergab folgende Hinzuschätzungsbeträge:

Beträge in €2011201220132014
Zuschätzungen lt. Ap70.00070.00080.00070.000
Zuschätzungen lt. Kläger9.1781.90610.94711.971

Schätzung der Bringdienstumsätze

Der Prüfer habe sich mit den Umsätzen, die über die Internetportale abgewickelt worden seien, auseinandergesetzt und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Provisionsforderungen der Portalanbieter die Richtigkeit der Umsatzangaben im Bringdienst bestätigen würden. Daher sei unklar, aus welchem Grund eine Zuschätzung i.H.v. 10% erfolgt sei. Eine tragfähige Begründung zum Grund und zur Höhe der vorgenommenen Zuschätzung von 10% gebe es nicht.

Mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2018 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide u.a. für 2011 bis 2014 als unbegründet zurück.

Die Ap habe erhebliche Aufzeichnungsmängel festgestellt, die im Ap-Bericht ausführlich dargestellt seien. Insbesondere seien Kassendaten regelmäßig gelöscht worden bzw. seien diese aufgrund der Bauart der Kasse manipulierbar gewesen.

Gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 AO seien die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit die Finanzbehörde diese nicht ermitteln oder berechnen könne. Zu schätzen sei gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen habe, nicht vorlegen könne, oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnten. Diese Grundsätze würden nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechende Anwendung auf Steuerpflichtige finden, die nicht zur Buchführung verpflichtet seien, sondern die Gewinne nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG ermittelten.

Im Rahmen einer Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG seien die der Gewinnermittlung zugrundeliegenden Belege, insbesondere die Tagesendsummenbons einer Registrierkasse (Z-Bons), geordnet und vollständig aufzubewahren. Wer überwiegend Bargeschäfte tätige, müsse neben der geordneten Belegsammlung Bareinnahmen täglich aufzeichnen. Wer sich einer elektronischen Registrierkasse bediene, müsse neben Z-Bons auch die Programmierprotokolle der Kasse aufbewahren. Da die Ordnungsvorschriften der §§ 145 ff AO grundsätzlich auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelten würden, müsse allgemein gewährleistet sein, dass die Aufzeichnungen unveränderlich seien bzw. nachträgliche Veränderungen nachvollzogen werden könnten. Gerade bei manipulationsanfälligen EDV-Systemen müssten Veränderungen zwingend vom Programm kenntlich gemacht werden. Insbesondere müssten alle steuerlich relevanten Einzeldaten (Einzelaufzeichnungspflicht) einschließlich etwaiger mit dem Gerät elektronisch erzeugter Rechnungen i.S.d. § 14 UStG unveränderbar und vollständig aufbewahrt werden. Eine Verdichtung dieser Daten oder ausschließliche Speicherung der Rechnungsendsummen sei unzulässig. Gerade bei manipulationsanfälligen EDV-Systemen müssten Veränderungen zwingend vom Programm kenntlich gemacht werden.

Das Fehlen der Programmierprotokolle stelle für sich genommen bereits einen so gravierenden Mangel dar, dass bei bargeldintensiven Betrieben eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bestehe (Urteil des BFH vom 25.03.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743).

Vorliegend würden sowohl die Verletzung der Aufzeichnungspflicht als auch der Aufbewahrungspflicht zur Schätzung der Einkünfte gemäß § 162 AO berechtigen. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Aufzeichnung des Wareneingangs nicht vollumfänglich nachgekommen. Nach den Feststellungen der Ap seien diverse Rechnungen, die zumindest teilweise den Wareneingang des Restaurants betroffen hätten, nicht erfasst worden. Auch die Einnahmeaufzeichnungen würden nicht die Gewähr der Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Nach den Feststellungen der Ap seien Kassendaten vom Kläger gelöscht worden. Bei den vorliegenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsmängeln handele es sich nicht bloß um geringfügige förmliche Verstöße gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, sondern um gravierende und grundlegende Mängel, die den Beklagten zur Schätzung berechtigen würden.

Die Verpflichtung, die der Gewinnermittlung zugrundeliegenden Belege aufzubewahren, diene grundsätzlich auch der dem Steuerpflichtigen obliegenden Feststellungslast. Die Aufbewahrung aller Belege sei im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen würden, und dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst seien. Eine Einnahmeüberschussrechnung verdiene nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege Vertrauen und könne für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (Beschluss des BFH vom 07.02.2008, X B 189/07, juris). Ein Steuerpflichtiger, der die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung verletze, dürfe keinen Vorteil daraus ziehen, dass das Ausmaß der Pflichtverletzung im Nachhinein nicht mehr genau feststellbar sei. Auch müsse es ein Steuerpflichtiger hinnehmen, dass die mit jeder Schätzung verbundenen Unsicherheiten zu seinem Nachteil ausschlagen würden, zumal wenn er die Schätzung veranlasst habe. Dies dürfe die Finanzbehörde jedoch nicht zu einer Strafschätzung veranlassen, indem sie bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätze.

Bei der Schätzung bestehe eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen sei umso größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial sei, auf dem die Schätzung basiere. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige solle nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichne und erkläre. Bei groben Pflichtverletzungen (wie vorliegend die gravierenden Aufzeichnungsverstöße, Kassenmanipulationen, nicht ordnungsgemäße und nicht lesbare Belege, nicht vollständig gebuchter Wareneinkauf), die darauf hindeuteten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollten, könne sich die Finanzbehörde an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren.

Im Rahmen der Ap seien dem Beklagten für jeden Öffnungstag fortlaufend nummerierte Z-Bons vorgelegt worden, allerdings bestehe bei dem vom Kläger verwendeten Kassenmodell u.a. die Möglichkeit, den Z-Bon-Zähler der Kasse zu manipulieren. Auffällig sei insoweit, dass der letzte Z-Bon in den Buchführungsunterlagen des Klägers vom 06.10.2015 die Z-Nr. 5725 ausweise und die im Rahmen der Durchsuchung des Betriebes vom FAFuSt am 03.12.2015 ausgedruckten Berichte ebenfalls die Z-Nr. 5725 ausweise.

Auch sei der grundsätzlich auf den Z-Bons ausgedruckte Grand-Total-Speicher (GT-Speicher) durch entsprechende Programmierung unterdrückt worden. Zudem seien Umsatzdaten vom Kläger durch die Abfrage 89 x 9999 (Z2) gelöscht worden. Die sachliche Richtigkeit der Z-Bons habe deshalb nicht überprüft werden können.

Die von der Ap vorgenommene Schätzung nach durchschnittlichen Tagesumsätzen sei als sachgerecht anzusehen, zumal bereits mangels Vorlage vollständiger Wareneinkaufsbelege ein interner Betriebsvergleich ausgeschieden sei. Auch sei aufgrund der vorliegend gegebenen großen Manipulationsmöglichkeiten (hoher Anteil an Bargeschäften) eine grobe Schätzung geboten gewesen.

Der Versuch der Ap, eine Ausbeutekalkulation für Speisen und Getränke des Jahres 2013 auf Grundlage des wirtschaftlichen Wareneinsatzes und der tatsächlichen Ein- und Verkaufspreise durchzuführen, sei an der fehlenden Dokumentation des Wareneinkaufs für Speisen gescheitert, weshalb eine Schätzung anhand durchschnittlicher Tagesumsätze vorgenommen worden sei. Auch sei eine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung im Rahmen der Ap nicht durchgeführt worden, weil hier ein Sachverhalt mit Geldbezug aus dem Ausland (finanzielle Unterstützung aus Indien und Wohnungseigentum in Indien) vorliege und daher die korrekte Ermittlung von verfügbaren Mitteln und privaten Anschaffungen nicht möglich sei. Von der Durchführung eines Zeitreihenvergleichs, der voraussetze, dass das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant sei, sei aufgrund des unvollständig gebuchten Wareneinkaufs und der Tatsache, dass Umsätze durch den Verkauf von Gutscheinen über den Anbieter der Gutscheine des Typs 2 nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung an den Kläger ausgezahlt worden seien, abgesehen worden. In einer derartigen Konstellation würde ein Zeitreihenvergleich nicht zu einem zuverlässigen Schätzungsergebnis führen. Von einer Schätzung nach der Richtsatzsammlung sei abgesehen worden, weil die aus den vorgelegten Buchführungsunterlagen (Sachkonten und Lexware-Daten) des Klägers abgeleiteten durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsätze stark geschwankt hätten und im Hinblick auf die einzelnen Streitjahre ungewöhnlich hohe Abweichungen aufgewiesen hätten, ohne dass der Kläger für diese Schwankungen eine plausible Erklärung abgegeben hätte.

Vor diesen Hintergrund habe es die Ap als sachgerecht angesehen, an die bei der Durchsuchung aufgefundenen Z-Bons aus Dezember 2015 anzuknüpfen und hiervon ausgehend eine Schätzung anhand eines durchschnittlichen erzielbaren Tageserlöses durchzuführen. Für diese Schätzungsmethode spreche, dass es sich bei den betreffenden Z-Bons tatsächlich um nicht manipulierte Einnahmeursprungsaufzeichnungen gehandelt habe.

Zwecks besserer Nachvollziehbarkeit habe die Ap eine Aufgliederung in Erlöse pro Gast und Anzahl der Gäste je Öffnungstag vorgenommen. Zum Ausgleich von Unsicherheiten seien Abschläge bei den Tagesumsätzen in den Vorjahren zu Gunsten des Klägers berücksichtigt worden.

Der Kläger selbst folge bei seiner Gegenschätzung dieser Schätzungsmethode anhand eines durchschnittlichen Tageserlöses und gehe bei seiner Berechnung zu Umsatz und Gästen pro Öffnungstag von einer Doppelverkürzung von Wareneinkauf und Umsatz aus.

Die vorgenommene Schätzung begegne auch der Höhe nach keinen Bedenken.

Die vom Kläger als "zufällig ausgewählt" oder "zufällig erlangt" bezeichneten Bruttotagessummenbons seien bei der Durchsuchung durch das FAFuSt am 03.12.2015 sichergestellt worden. Es habe sich hierbei um die Bons der letzten Tage vor der Durchsuchung und die einzigen auffindbaren Tagesendsummenbons gehandelt. Weitere Bons hätten nicht sichergestellt werden können. An allen drei Tagen sei das Restaurant nach Ausdruck der Bons noch geöffnet gewesen. Zwar behaupte der Kläger, dass das Restaurant nach Ausdruck dieser Bons nicht mehr geöffnet gewesen sei und keine weiteren Umsätze erzielt worden seien. Dagegen spreche jedoch, dass der letzte Ausdruck der Bons am 29.11.2015 um 21:21 Uhr, am 01.12.2015 um 22:28 Uhr und am 02.12.2015 um 22:11 Uhr erfolgt sei, an allen drei Tagen die Löschung erst nach 23 Uhr erfolgt sei. Es sei daher davon auszugehen, dass in der Zeit vom letzten Bonausdruck bis zur Umsatzlöschung noch weitere Umsätze erfolgt seien und die tatsächlichen Tageseinnahmen an diesen Tagen über den Beträgen der ausgedruckten Bons gelegen hätten.

Zudem würden diese Tage (Sonntag, Dienstag und Mittwoch) die schwächeren Wochentage darstellen, denn lt. eidesstattlicher Versicherung des Kochs XY seien die deutlich umsatzstärkeren Tage Freitag und Samstag gewesen. Zudem seien sonstige Veranstaltungen wie Brunch, Büfetts, Hochzeitsfeiern etc. bei der Schätzung der Ap mit Tagesdurchschnittswerten nicht berücksichtigt worden.

Aus diesen Gründen sei für eine Umsatzschätzung nicht nur von dem Durchschnittswert der drei Tagessummenbons i.H.v. 425,27 € auszugehen gewesen. Die Umsatzschätzung der Ap von 500 € pro Öffnungstag im Jahr 2015 sei nicht überzogen.

Die Einlassungen des Klägers zu den Tagesumsätzen seien teilweise widersprüchlich und würden voneinander abweichen: So habe der steuerstrafrechtliche Vertreter, Rechtsanwalt L, eine Gästekalkulation anhand von Kassendaten des Klägers für das Jahr 2016 vorgelegt, aus der sich eine durchschnittliche Gästezahl von 16 ergeben habe. In der im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegten Berechnung, die sich auf die Daten derselben Kasse stütze, werde eine durchschnittliche Gästezahl für denselben Zeitraum von 21 angeführt. In der vorgelegten Gegenschätzung im Rahmen der abschließenden Einspruchsbegründung werde eine durchschnittliche Gästeanzahl von 30 angeführt.

Eine validere Datenbasis als die, die der Schätzung der Ap zugrunde gelegt worden sei, sei für keine der Berechnungen erkennbar. Letztlich seien die Zahlen des Klägers ebenfalls eine Schätzung.

Die Aufstellungen in Anlage 2 und 3 zum Einspruchsbescheid, die anhand der Kassendaten für den Zeitraum Januar 2016 bis Juni 2017 erstellt worden seien, könnten weder auf Vollständigkeit überprüft werden noch könnten sie -vor dem Hintergrund manipulativer Eingriffe des Klägers in seine Aufzeichnungen- grundsätzlich als korrekt unterstellt werden. Die zuletzt vorgetragenen Kassendaten aus 2016 und 2017 seien -ohne erneute Überprüfung der Kassensysteme auf mögliche aktuelle Manipulationen- als Schätzungsgrundlage für die Vorjahre nicht geeignet. Die Aufstellungen enthielten zudem keine Aufteilung der Umsätze nach Warengruppen, so dass einfachste Schlüssigkeitsprüfungen (z.B. Anteil der Getränke am Umsatz) nicht möglich seien. Die Wertansätze für Gutscheine für das Jahr 2014 und den Zeitraum 01.01. bis 30.09.2015 könnten nicht geprüft werden, weil im Rahmen der Ap lediglich Lexware-Daten des Klägers vorgelegt worden seien.

Das 1999 vom Kläger eröffnete Restaurant habe bis September 2010 insgesamt 60 Sitz- und 20 Terrassenplätzen und täglich geöffnet gehabt. Nach dem Umbau von Mitte September bis Anfang Dezember 2010 seien die Kapazitäten erweitert worden auf 70 Sitzplätze und 30 Terrassenplätze. Montag sei Ruhetag gewesen. Diese Kapazitätserhöhung stehe im Widerspruch zu der nunmehr behaupteten Gästezahl für die Jahre 2011 bis 2015 von lediglich 6 bis 17 bzw. 19 bis 30 Gästen pro Tag, zumal ein Tisch am Abend mehrmals besetzt werden könne.

In seiner abschließenden Einspruchsbegründung trug der Kläger vor, dass sich die Sitzplätze nach dem Restaurantumbau im Jahr 2010 von ca. 85 Plätzen auf 50 Plätze verringert hätten und verwies auf die Grundrissskizzen des Restaurants vor und nach Umbau. Diese Einlassung des Klägers sei nach Ansicht des Beklagten zweifelhaft, da die vorgelegten Grundrissskizzen von der Grundform des Restaurants abweichen würden. Auch habe der Kläger auf seiner Homepage im Internet mit 70 Innen- und 30 Außenplätzen geworben.

Über den Erfolg und Fortbestand eines auf Laufkundschaft angewiesenen Unternehmens und insbesondere eines gastronomischen Betriebes würden erfahrungsgemäß die ersten Jahre entscheiden. Vor diesem Hintergrund sei das "Zurückrechnen" der Anzahl der Gäste, ausgehend von der errechneten Anzahl von 21 bzw. 30 Gästen pro Tag für 2016, methodisch fragwürdig. Die "zurückgerechnete" Anzahl der Gäste in den ersten Jahren des Prüfungszeitraumes erscheine völlig unrealistisch. Sie entspreche weder den Angaben des Kochs S in der undatierten eidesstattlichen Versicherung noch der Eigenwerbung des Klägers auf archivierten Versionen der Internetseite des Restaurants aus den Jahren 2011 und 2012. Damals wie heute habe der Kläger trotz deutlich erweiterter Kapazitäten zu einer Reservierung geraten. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, aus welchem Grund die Gästeanzahl jährlich für das Vorjahr sinke. Zudem ergäbe sich bei einer Fortschreibung der Gästeanzahl in die Jahre vor dem Prüfungszeitraum eine Gästeanzahl von ./. 3 Gästen im Jahr 2000.

Bei den vom Kläger eingereichten Aufstellungen handele es sich lediglich um vom Kläger durchgeführte Schätzungen, die zu einem niedrigeren Ergebnis als das der Ap komme. Würde man von der Gästezählung des Klägers von 30 Gästen pro Tag für jedes Streitjahr ausgehen, ergäbe sich sogar eine höhere Schätzung als die der Ap.

Auch die Hinzuschätzung von 10% der Umsätze zu 7% für Außer-Haus-Verkäufe des Restaurants (ohne Abwicklung über Internetportale) sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt.

Die mit dem PC erfassten und ausgedruckten Bestellungen seien nicht aufbewahrt worden. Wie die nachträglich in der elektronischen Registrierkasse erfassten Außer-Haus-Umsätze ermittelt worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich sei jede einzelne Einnahme aufzuzeichnen gewesen. Die Einbuchung mehrerer Bestellungen in einer Summe in die Kasse sei nicht zulässig gewesen.

Da auch nicht mehr nachvollziehbar sei, welcher Bringdienst des Klägers in welchem Zeitraum auf den jeweiligen Portalen angemeldet gewesen sei, könne die Vollständigkeit der vorgelegten Abrechnungen der einzelnen Internetportale nicht überprüft werden.

Eine Verprobung anhand der gebuchten Provisionen habe nur geringe Differenzen ergeben. Allerdings seien nur geringe Umsätze pro Tag für die Außer-Haus-Umsätze des Restaurants (rd. 51 €) verblieben. Ein Umsatz für Lieferungen aus dem Restaurant von 50 € pro Tag erscheine zu gering und damit zweifelhaft.

Da die insoweit vorgelegten Unterlagen unvollständig und nicht ordnungsgemäß seien, einzelne Einnahmen nicht überprüft werden könnten und die PC-Daten täglich gelöscht worden seien, würden diese Mängel zu einer Hinzuschätzung berechtigen. Die vorgenommene Hinzuschätzung von 10% sei als Zuschätzung zum Ausgleich von Unsicherheiten zu werten und erscheine aufgrund der gravierenden Mängel der Höhe nach angemessen.

Hiergegen richtet sich die erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen vorträgt:

Beanstandungen Buchhaltung

Die im Restaurant eingesetzte Kasse sei speichertechnisch weder aufrüstbar noch in der Lage gewesen, alle Einzelbuchungen über 10 Jahre aufzuzeichnen. Sie sei vom Kläger so, wie sie vom Kassenlieferanten, der Fa. QL, geliefert worden sei, eingesetzt worden. Eine Umprogrammierung habe es während der Einsatzzeit nicht gegeben.

Die Kasse habe über einen durchlaufenden Z-Bon-Zähler verfügt, der nach Auffassung des Klägers nicht manipulierbar gewesen sei. Jedenfalls seien dem Kläger keine Manipulationsmöglichkeiten bekannt gewesen und es seien keine Manipulationen durch ihn erfolgt. Der Kläger habe die durchlaufend nummerierten Z-Bons taggenau, fortlaufend und zeitnah ausgedruckt und unter Aufteilung der Umsätze in bar, Gutschein und EC erfasst und abgelegt. Zwei aufeinanderfolgende Tagesabrechnungen fügte der Kläger bei. Die Abrechnungen seien transparent, schlüssig und nachvollziehbar. Auf Basis der jeweiligen Tagesendabrechnung seien die Umsätze am Folgetag in die Buchhaltung -System Lexware- durch den Kläger eingegeben worden. Neben den Z-Bons noch einen Z2-Bon auszudrucken oder Kellnerberichte aufzuheben, sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Er sei der Ansicht gewesen, mit der lückenlosen Archivierung der fortlaufend nummerierten Z-Bons und der taggenau erfolgten Aufteilung der Umsätze auf die unterschiedlichen Zahlungsarten den steuerlichen Anforderungen in jeder Hinsicht genüge getan zu haben.

Keine Vortagesumsätze

Hierzu hat der Kläger im Klageverfahren zunächst vorgetragen, dass die Vortagesumsätze während des Prüfungszeitraums jeweils mit Ausdruck des Z1-Bons vom laufenden Tag gelöscht worden seien. Der Kläger sei der Auffassung gewesen, dass die tägliche Löschung und auf Nullsetzung des Speichers notwendig und richtig gewesen sei, um auch am Folgetag wieder einen ordnungsgemäßen und richtigen Z1-Bon erhalten zu können. Dies sei dem Kläger vom Kassenlieferanten so erläutert und vorgegeben worden. Der nunmehr erhobene Vorwurf, dass es sich bei dem verwendeten Löschbefehl um einen Geheimcode zum vollständigen Reset der Kasse gehandelt habe, der nur dem Kassenlieferanten bekannt gewesen sei, sei schlicht Unsinn. Es handele sich hierbei um einen Standardbefehl, der in der Kassenanleitung aufgeführt gewesen sei.

Aus dem Erlass IV A 8-S-0310-5/59 ergäbe sich keine rechtliche Verpflichtung zur Archivierung und Aufzeichnung von Vortagesumsätzen. Zudem bestünden nach Ansicht des Klägers keine Manipulationsmöglichkeiten, wenn -wie vorliegend- täglich lückenlose, mit fortlaufenden und lückenlosen Z-Bon-Nummern versehene Tagesabrechnungen vorlägen. Sofern nicht gebuchte Umsätze über die Ladenkasse vereinnahmt worden wären, hätte dies zwangsläufig zur Folge, dass die Z-Bons nicht lückenlos nummeriert gewesen wären.

Der Kläger machte zuletzt geltend, dass der Prozessbevollmächtigte bezüglich der Löschung der Vortagesumsätze einem Missverständnis bzw. Verständnisfehler unterlegen sei. Anders als zunächst angenommen, sei die Löschung der Vortagesumsätze nicht im gesamten Betriebsprüfungszeitraum erfolgt, sondern lediglich in der Zeit zwischen der vorletzten Kassenauslesung am 06.10.2015 und der letzten Kassenauslesung am 03.12.2015. Am 03.12.2015 sei die fehlende Dokumentation der Vortagesumsätze und das Stehenbleiben des Z-Bon-Zählers festgestellt worden.

Nachdem der Kläger am 06.10.2015 festgestellt habe, dass die Erstellung eines Z-Bons nicht mehr möglich gewesen sei, habe er sich umgehend an den Kassenlieferanten, Fa. QL, gewandt. Der Zeuge L habe ihm erklärt, dass sich eine Kassenreparatur nicht lohne und er bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ap ihm die exakten Anforderungen an das ab 01.01.2016 zu verwendende Kassenmodell mitteilen würde, den Befehl 89 x 2610 verwenden solle, um so die tägliche Kasse für jeden Arbeitstag zu dokumentieren. Mit diesem Befehl (89 x 2610) sei ab 06.10.2015 der Vortagesumsatz gelöscht worden. Bis zum 06.10.2015 habe der Kläger weder den Löschbefehl 89 x 9999 noch den Befehl 89 x 2610 verwendet. Der Löschbefehl 89 x 9999 sei vom Kläger niemals verwendet worden. Im Streitzeitraum habe es daher mit diesem Befehl keine Löschungen gegeben.

Der Umstand, dass die Z-Bons vom 06.10.2015 und vom 03.12.2015 die gleiche Z-Bon-Nummer (5725) aufgewiesen hätten, belege nach Auffassung des Klägers, dass er gerade keine Manipulation des Z-Bon-Zählers vorgenommen habe. Denn wenn der Kläger tatsächlich eine solche vorgenommen hätte, wäre es wahrscheinlich gewesen, dass er bei einem Zeitraum von über 5 Jahren irgendwann einen Fehler gemacht hätte, der die Manipulation offensichtlich gemacht hätte. Derartige Feststellungen der Ap gebe es aber nicht. Für den Kläger ergebe es keinen Sinn, dass bei ansonsten einwandfrei und lückenlos durchlaufenden Z-Bon-Nummern im Jahr 2015 während der Ap plötzlich über einen Zeitraum von zwei Monaten die Z-Bon-Nummerierung so manipuliert worden sein solle, dass diese nicht mehr fortlaufe. Dies sei schlicht nicht nachvollziehbar und ergebe keinen Sinn.

Der Kläger sehe das kriminelle Ziel nicht, welches er mit der Manipulation des Z-Bon-Zählers verfolgt haben soll. Sehr viel wahrscheinlicher sei, dass es am Tag der Kassenauslesung der Umsatzsteuernachschau, die dann zur Ap geführt habe, zu einem Kurzschluss im elektrischen System des Ladens gekommen, die Kasse beschädigt worden und das Ergebnis dieser Beschädigung sei, dass der ansonsten einwandfrei funktionierende Zähler nicht weitergelaufen sei. Die Feststellungen der Ap stellten keinen tragfähigen Grund für den Vorwurf einer Kassenmanipulation in der Zeit bis 06.10.2015 dar.

Kassenhandhabung

Die Betriebs- und Programmieranleitung für die Kasse hätten vorgelegen (vgl. Halbhefter Anleitung Kasse TS 400). Diese seien anlässlich der letzten Umsatzsteuernachschau vom Prüfer mitgenommen worden. Protokolle über die Einrichtung von Verkäufer-, Kellner- und Trainingsspeichern habe das Kassensystem nicht hergegeben. Folglich hätten diese auch nicht ausgedruckt werden können. Sonstige Programmierprotokolle würden nicht existieren. Programmtechnische Änderungen an der Kasse seien, soweit dem Kläger bekannt, nicht durchgeführt worden.

Ablage von Rechnungen

Die Beanstandung, dass die mit Hilfe der Registrierkasse erstellten Rechnungen nicht aufbewahrt worden seien, sei dem Kläger nicht verständlich. Mit jedem Vorgang des Abkassierens sei ein Beleg über den jeweiligen Tisch erstellt worden, mittels dessen die Abrechnung erfolgt sei. Die jeweiligen Belege seien den Gästen mitgegeben worden. Rechnungen, die man hätte aufbewahren können, hätten nicht existiert. Ausgestellte Bewirtungsrechnungen seien nicht abgelegt worden, weil sie den Kunden mitgegeben worden seien. Der Bon sei dabei immer an den gesondert ausgedruckten Bewirtungsbeleg angeheftet worden. Damit hätten keine Rechnungen existiert, die man hätte aufbewahren müssen.

Tagesabschlüsse

Zutreffend sei, dass die Tagesendsummenbons die Zahlungswege bar, EC oder Gutschein nicht ausgewiesen hätten. Eine solche Verpflichtung ergebe sich nicht aus dem Erlass vom 09.01.1996, IV A-S-0310-5/59. Durch die tägliche zeitnahe Niederlegung der anteiligen Umsätze sei der Kläger seiner Verpflichtung zur umfassenden und schlüssigen Dokumentation der unterschiedlichen Zahlungswege nachgekommen. Die Richtigkeit der Aufteilung von Kassen- und EC-Umsätzen habe anhand der EC-Abrechnungen nachvollzogen werden können.

Die in den Tagessummen enthaltenen Gutscheinumsätze, die später im Rahmen der Finanzbuchhaltung als Erlösminderung ausgebucht worden seien, seien ebenfalls ersichtlich, denn den Tagesabrechnungen seien nicht nur die einzelnen EC-Belege, sondern auch der vereinnahmte Gutschein beigefügt gewesen.

Bei den eingesetzten Gutscheinen sei zu differenzieren: Bei Gutscheinen des Typs 1 hätten der Kläger bzw. seine Kellner den Gutscheinumsatz innerhalb des Tisches separiert wie bei der getrennten Zahlung, wenn ein Gast im Rahmen des Bezahlvorgangs erklärt habe, den Gutschein einlösen zu wollen. Den Gästen, die Gutscheine eingesetzt hätten, sei kein Bon mitgegeben worden. Im täglichen Z-Bon sei der über den Gutschein Typ 1 bezahlte Verzehr enthalten gewesen. In der Buchhaltung sei die Erlösminderung später erfasst worden.

Bei den Gutscheinen Typ 2 seien von den Herausgebern der Gutscheine diese über z.B. 50 € Warenwert für 25 € verkauft worden. Der Endkunde mache einen Warenumsatz von 50 €. Der Gastronom gebe 25 € Rabatt und erhalte die anderen 25 € von den Herausgebern der Gutscheine, die davon wiederum die Hälfte als Provision einbehielten und den Rest ausgezahlt hätten. Die Erlösminderung sei -abweichend von den Gutscheinen des Typ 1- erst bei der Einbuchung der Tageskassen in die Lexware Buchhaltung erfasst worden. Bezogen auf o.g. Beispielsgutschein seien zunächst in die Restaurantkasse 50 € Warenumsatz gebucht und im Rahmen der Übernahme in die Finanzbuchhaltung als Erlösminderung wieder herausgenommen worden. Im Rahmen der Provisionsabrechnungen seien später die von Fa. G abgerechneten 25 € als Umsatz aus Gutscheinverkauf und die von Fa. G einbehaltene Provision gebucht worden (die verbleibenden 25 € als Umsatz und der gewährte Rabatt).

In den Jahren 2011 und 2014 seien nicht nur die abgerechneten Zahlungen der Gutscheinherausgeber als Umsatz gebucht worden, sondern weiterer Umsatz und zugleich Rabatt in Höhe des Nennbetrages der eingereichten Gutscheine.

In den Jahren 2012 und 2013 seien hingegen für Gutscheine des Typs 2 neben den Provisionen als Kosten und den Auszahlungen (vor Abzug der Provision) als Umsatz bei zahlreichen Buchungen der Provisionsabrechnungen keine weiteren Umsätze und Rabatte erfasst worden.

Beanstandung Buchhaltung Bringdienst

Die über PC, Fax und Internet eingegangenen Bestellungen seien nicht archiviert worden. Insoweit handele es sich nicht um Buchhaltungsunterlagen, sondern um betriebsorganisatorische Abwicklungsunterlagen, für die keine Aufbewahrungs- und Archivierungspflicht bestehe.

Zutreffend sei, dass -so wie gebucht worden ist- die Umsatzzusammensetzung nicht im Einzelnen nachvollzogen werden könne. Es handele sich insoweit um eine zulässige Buchung im Rahmen einer offenen Ladenkasse. Jede einzelne Bestellung sei nach Eingang der Bestellung in der Küche abgearbeitet und von den jeweiligen Fahrern ausgeliefert worden. Die Fahrer hätten die bei den Kunden vereinnahmten Entgelte gegenüber dem Mitarbeiter XY abgerechnet und dieser habe abends in einer Summe die Außer-Haus-Umsätze unter der Taste 7% Umsatzsteuer in die Kasse eingegeben. Dieses Verfahren sei zulässig. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einzelabrechnung der Bestellungen bestehe nicht.

Überdies würde sich aus den Abrechnungen der Gutscheinportale ergeben, dass die gebuchten Umsätze zutreffend seien und es keine Manipulationen gegeben habe. In Anlage K 53 seien die gebuchten 7%-Umsätze den sich aus den Abrechnungen der Bringdienstportale ergebenden Umsätzen gegenübergestellt worden. Insoweit bestehe objektiv kein Anlass, an der Richtigkeit der verbuchten Bringdienstumsätze zu zweifeln.

Getränkeumsatz

Hinsichtlich des Getränkeumsatzes trägt der Kläger vor, dass es an einem Umstand mangele, aus dem sich ergebe, dass die vom Kläger angegebenen Getränkemengen objektiv unrichtig (zu niedrig) seien. Der Getränkeumsatz sei im Verhältnis zum Gesamtumsatz klein, weil im Hauslieferdienst systembedingt nahezu ausschließlich Essen bestellt würden.

Bestellungen Fa. Z

Es möge zutreffen, dass bei der Fa. Z Abdeckrechnungen für Lieferungen an andere Kunden, die keine Rechnung haben wollten, unter dem Namen des Betriebes des Klägers erstellt worden seien. Der Kläger habe aber zu keiner Zeit bei Fa. Z Waren eingekauft und im Betrieb eingesetzt, die nicht als Aufwand verbucht worden seien. Wenn der Kläger so vorgegangen wäre, hätte er die unterschlagenen Einkäufe nicht unter einer eigenen (2.) Kundennummer getätigt, sondern unter einer fremden Kundennummer. Dass die Fa. Z Abdeckrechnungen unter Nutzung anderer Kundennamen erstellt habe und so Schwarzeinkäufe ermöglicht habe, dürfte dem Beklagten bekannt sein.

Für die Behauptung, dass der Kläger oder einer seiner Mitarbeiter für das Restaurant bei der Fa. Z eingekauft habe und dieser Einkauf nicht verbucht worden sei, gebe es keinerlei Nachweise. Die Fa. Z sei dafür bekannt, Kundenadressen für Abdeckrechnungen zu benutzen. Diesbezüglich seien die Zeugenaussagen der Mitarbeiter der Fa. Z abstrakt und unkonkret und seien demgemäß nicht geeignet, den Kläger oder dessen Mitarbeiter zu belasten.

Kein Anlass für Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Umsätze

Der Beklagte habe nach Auffassung des Klägers nicht erklärbar dargelegt, wie der konkrete Vorwurf der täglichen Kassenlöschung nach Ausdruck des Z1-Bons zu unrichtigen Umsatzangaben führen könne. Da der Z-Bon-Zähler durchgelaufen sei, würden über den gesamten Prüfungszeitraum lückenlose Kassenaufzeichnungen vorliegen.

Der Durchschnittsumsatz der drei von der Ap aufgefundenen Z-Bons belaufe sich auf 425,27 €. Diese drei zufällig beschlagnahmten Bons stellten keine geeignete Schätzungsgrundlage dar, sie würden die Richtigkeit der Umsatzangaben des Klägers eher bestätigen, aber keinesfalls widerlegen. Die eingereichten Steuererklärungen seien damit richtig und ordnungsgemäß, sie böten keine Grundlage für irgendwelche Umsatzhinzuschätzungen.

Nicht ordnungsgemäße Buchung des Wareneingangs

Die Behauptung, der Wareneingang sei nicht ordnungsgemäß verbucht worden, sei richtig, wenn beanstandet werde, dass es einzelne Lebensmitteleinkaufsquittungen gebe, die heute nicht mehr lesbar seien bzw. auf denen nicht erkennbar sei, ob es sich um Essen oder Getränke gehandelt habe. Dieser Anteil der Bons sei gemessen am Gesamtumsatz jedoch verschwindend gering und rechtfertige keine diesbezügliche Beanstandung.

Erwägungen zur Art der Schätzung

Die vom Beklagten vorgenommene Schätzung stelle eine unsubstantiierte Schätzung dar.

Die drei zufällig aufgefundenen Bons, die als betriebsinterne Daten angesehen worden seien, würden nicht aus dem Streitzeitraum stammen. Aus diesen Bons sei ein durchschnittlicher Tagesumsatz entwickelt worden, der 40% über dem liege, der sich mathematisch als Durchschnitt aus den aufgefundenen Bons ergebe und der zudem systemwidrig die Gutscheinumsätze, die als Rabatte vom Warenumsatz abzuziehen seien, nicht berücksichtige. Damit erwiese sich die Schätzung nicht als Hochrechnung betrieblicher Daten, sondern als freie, griffweise Schätzung. Eine derartige griffweise Schätzung sei grundsätzlich nachrangig. Daher komme vorliegend vorrangig eine sachlich begründete Zuschätzung zu den gemeldeten Umsätzen anstelle einer griffweisen Vollschätzung in Betracht.

Die ursprünglich von der Ap ins Auge gefasste Zuschätzung hätte zu einem deutlich geringeren Mehrergebnis geführt (für 2013: 85 € *310 Öffnungstage= 26.350 € anstelle von 80.000 €). Auch hätte die von der Ap begonnene Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung zu einem erheblich niedrigeren Hinzuschätzungsbetrag geführt. Wenn der Beklagte erkläre, dass eine Vermögenszuwachsrechnung nicht versucht worden sei, sei dies unrichtig. Die seinerzeit von der Ap mündlich vorgetragene Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung hätte zu einem erheblich niedrigeren Betrag als dem nunmehr zugeschätzten Betrag geführt. Im Einspruchsbescheid könne daher nicht erklärt werden, eine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung habe nicht stattgefunden. Die Tatsache, dass die vom Kläger "widerlegte" Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung nicht zu dem vom Beklagten gewünschten Ergebnis geführt habe bzw. sich als angreifbar herausgestellt habe, dürfe nicht dazu führen, dass sich der Beklagte nunmehr auf den Standpunkt stelle, zu einer Vollschätzung berechtigt zu sein mit dem Ergebnis des dreifach höheren Betrages.

Tatsächlich sei eine griffweise Vollschätzung nur dann gerechtfertigt, wenn keine andere anerkannte Erkenntnisquelle zur Ermittlung von Umsatz und Ergebnis herangezogen werden könne (Beschluss des BFH vom 23.02.2018, X B 65/17, BFH/NV 2018, 517). Vorrangige Alternative zur Durchführung einer Vollschätzung sei die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs auf Basis der Folgejahre. Diese wäre vorliegend problemlos möglich. Insoweit verwies der Kläger auf die Anlage K 26.

Letztlich entwickele der Beklagte die Umsätze der Jahre 2014 rücklaufend bis 2011 anhand der Umsatzmerkmale des Jahres 2015 zurück. Dem Kläger sei nicht verständlich, warum es unter diesen Umständen nicht möglich und zulässig sei, anhand der Daten der Jahre 2016 ff. eine Rückschätzung vorzunehmen. Eine derartige Rückschätzung würde auf belastbaren Daten basieren und sei einer griffweisen Schätzung vorzuziehen.

Der Beklagte habe nach Ansicht des Klägers die falsche Schätzungsmethode ausgewählt.

Schätzung H

In dem vom Kläger vorgelegten Gutachten H ist der Umsatz auf mathematischem Wege anhand der Umsätze des Zeitraums vor der Ap realistisch entwickelt worden:

Im Rahmen dieser Schätzung sei man von den Umsätzen der Jahre 2006, 2007 und 2008, die durch die Vor-Ap überprüft worden seien, ausgegangen und habe auf dieser Basis eine Umsatzprognose für die Folgejahre anhand der bekannten Branchenentwicklung vorgenommen. Hierbei habe sich schnell herausgestellt, dass die Branchenentwicklung allein nicht geeignet sei, von den vergleichsweise niedrigen Umsätzen 2007/2008 einen schlüssigen Anschluss an die Umsatzzahlen der Jahre 2016 und 2017 herzustellen. Hierbei sei festgestellt worden, dass sich die Gastronomie des Restaurants von einer "normalen, durchschnittlichen" Gaststättenentwicklung durch den massiven Einsatz von Gutscheinen/Rabatten unterscheide. Dies führe zu einem hohen (Waren-) Umsatz und zu einer von der normalen Branchenentwicklung abweichenden Umsatzentwicklung.

Daher sei in diesem Gutachten der Ausgangsumsatz 2007 in Gestalt eines Sockelumsatzes auf Basis der normalen Branchenentwicklung fortgeschrieben worden. Die Gutscheinumsätze seien hinzugerechnet worden, so dass sich ein prognostizierter Umsatz bestehend aus Basisumsatz (Branchenentwicklung) und Gutscheinumsatz ergeben habe. Ausgehend von der Annahme, dass Gutscheinumsätze zu langfristigen Umsatzerhöhungen geführt haben, sei man davon ausgegangen, dass von dem im laufenden Jahr zusätzlich durch Gutscheine generierten Umsatz 10% in den Folgejahren als Umsatz normal zahlender Kunden erhalten geblieben sei. Dieses Gutachten führe in den Streitjahren zu folgenden Ergebnissen:

Beträge in €2011201220132014
Umsätze nach Branchenwachstum69.138,3069.967,9670.667,6472.646,33
Umsätze Gutscheine17.037,2322.605,2452.799,7952.238,62
`Umsätze aus neuen0
Stammkunden(Vorjahr keine Gutsch.)1.703,723.964,259.244,23
Umsätze gesamt86.175,5394.276,92127.431,67134.129,18

Nach Ansicht des Klägers belege das Gutachten H, dass es vorliegend noch andere, deutlich schlüssigere Möglichkeiten der Umsatzschätzung gebe als die vom Beklagten vorgenommene griffweise Schätzung.

Erwägungen zur Höhe der Schätzung

Die von der Ap vorgenommene Schätzung sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft und rechtswidrig: Fehlerhaft sei, dass der zugrundeliegende Durchschnittstagesumsatz aus den drei aufgefundenen Bons ermittelt worden sei. In dem aus dem jeweiligen Z-Bon ermittelten Tagesumsatz sei der Gutscheinumsatz für die Gutscheine des Typs 1 enthalten. Die ermittelten Umsätze hätten um den Gutscheinumsatz reduziert werden müssen, um den Geldumsatz zu erhalten. Diesen Umstand habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen. Das Argument des Beklagten, eines Abzugs der Gutscheinumsätze habe es nicht bedurft, da die drei aufgefundenen Bons aufgrund des Umstandes, dass die Bons vor Schluss des Restaurants gezogen worden und daher zu niedrig seien, und daher der fehlende Abzug des Gutscheinumsatzes kompensiert worden sei, stelle keine Überlegung einer sachgerechten Schätzung dar. Der dem Schätzumsatz zugrundeliegende Betrag von 500 €/ Tag hätte um die Gutscheinrabatte gemindert werden müssen.

Fehlerhafte Durchschnittsbildung

Rechnerisch betrage der Durchschnitt der drei Bons 452 €. Die Annahme eines Wertes von 352 € (umgerechnet auf ein Jahr), von denen noch Gutscheinumsätze abzuziehen seien, als rechnerisches Mittel zur Grundlage eines angenommenen Tagesumsatzes von 500 € zu machen, sei abenteuerlich. Eine derart systematisch unrichtige Schätzung könne nicht durch andere Fehler (u.a. auch nach Kassenende seien noch Umsätze getätigt worden) geheilt werden. Insbesondere sei die Behauptung, dass nach Kassenschluss noch Umsätze erfolgt seien, eine Behauptung ins Blaue hinein.

Fehlerhafte Gutscheinumsatzermittlung und der sich daraus ergebenden Rabatte

In den Jahren 2012 bis 2014 sei die Berücksichtigung der Rabatte in der Schätzung in der Weise erfolgt, indem von einem gegriffenen unrabattierten Durchschnittsumsatz pro Gast von 15 € ein Abschlag von 2,50 € vorgenommen worden sei und der Umsatzberechnung 12,50 € durchschnittlich pro angenommenen Gast zugrunde gelegt worden sei. Dies sei in doppelter Hinsicht fehlerhaft: Der Gutscheinumsatz sei in den auf den Z-Bons summierten Zahlen vollständig enthalten. Damit entspreche der Z-Bon dem Warenumsatz und nicht dem Geldumsatz.

Von dem griffweise geschätzten Warenumsatz seien die sich aus der Buchhaltung ergebenden Rabatte anstelle frei gegriffener Rabatte abzuziehen. Angesichts vorliegender Erkenntnisse über die Höhe der Gutscheinumsätze sei der vorgenommene Abschlag von 2,50 € pro Gast keine zulässige Schätzung.

Ausgangsumsätze

Grundlage der Umsatzhinzuschätzung des Beklagten seien geschätzte (rabattierte) Sollumsätze, von denen die bisher erklärten (unrabattierten) Tageseinnahmen in Abzug gebracht worden seien.

Vielmehr seien die aus Anlage 4 zum Ap-Bericht ersichtlichen unrabattierten Nettoumsätze den vom Beklagten angesetzten Schätzumsätzen (netto) gegenüberzustellen. Dann beliefe sich die Differenz zwischen den gemeldeten und den geschätzten Umsätzen in den Jahren 2011 bis 2014 auf 152.665,47 € anstatt der vom Beklagten hinzugeschätzten 220.000 €.

JahrUmsatz 19% lt. Ap brutto (Anl. 3 zum Ap-Bericht)Umsatz 19% lt. Ap nettoWarenumsatz netto lt. Buchhaltung (Anl. 4 zum Ap-Bericht)Diff. Buchhaltung/ Schätzung
2011110.625 €92.962,18 €45.459,16 €47.503,02 €
2012114.375 €96.113,45 €69.563,72 €26.549,73 €
2013135.625 €113.970,59 €47.376,01 €66.594,58 €
2014155.000 €130.252,10 €118.233,96 €12.018,14 €
Summe152.665,47 €

Bei Berücksichtigung der -wie vom Prüfer festgestellt- fälschlicherweise in 2012 und 2013 unter Bringdienst mit 7% USt gebuchten Gutscheinumsätze des Typs 2 i.H.v. 2.899,44 € und 14.874,26 € ergebe sich eine Differenz vom 134.951,77 €:

JahrUmsatz 19% lt. Ap brutto (Anl. 3 zum Ap-Bericht)Umsatz 19% lt. Ap nettoWarenumsatz netto lt. Buchhaltung (Anl. 4 zum Ap-Bericht)Diff. Buchhaltung/ Schätzung
2011110.625 €92.962,18 €45.459,16 €47.503,02 €
2012114.375 €96.113,45 €72.463,16 €23.650,29 €
2013135.625 €113.970,59 €62.250,27 €51.720,32 €
2014155.000 €130.252,10 €118.233,96 €12.018,14 €
Summe134.951,77 €

Unter Berücksichtigung des buchhalterischen Fehlers des Klägers in den Jahren 2012 und 2013 (bei einem Teil der Gutschein-Abrechnungen des Typs 2 sei nicht der gesamte Warenumsatz, sondern nur der Abrechnungsbetrag der Gutscheinportale als Gutscheinumsatz gebucht worden) ergebe sich bei separater Buchung der Gutscheine Typ 2 lediglich eine Differenz in Höhe von 68.804,52 €:

JahrUmsatz 19% lt. Ap bruttoUmsatz 19% lt. Ap nettoWarenumsatz netto lt. BuchhaltungAbzug Gutsch. Typ 2 wie gebuchtZuschlag Umsatz Gutsch. Typ 2Tatsächl. Warenums. einschl. Gutsch.Diff. Buchhaltung/ Schätzung
2011110.625 €92.962,18 €45.459,16 €45.419,1647.503,02 €
2012114.375 €96.113,45 €72.463,16 €./. 43.482,9465.381,9894.362,201.751,25 €
2013135.625 €113.970,59 €62.250,27 €./. 24.905,0469.093,25100.438,487.532,11 €
2014155.000 €130.252,10 €118.233,96 €118.233,9612.018,14 €
Summe68.804,52 €

Zudem habe der Beklagte auf die durch die Umbauarbeiten von Oktober 2010 bis Dezember 2010 vorgenommene Kapazitätsausweitung hingewiesen, die gegen die der Gegenkalkulation zugrundliegende Schätzung der Gästezahlen spreche. Dieses Argument sei bereits im Ansatz verkehrt. Der Umbau habe nicht der Kapazitätsausweitung gedient. Vielmehr sei der Tresenbereich vergrößert worden, wo vorher unbeliebte Tische gestanden hätten, und die Tische seien in den hinteren Bereich des Restaurants verlegt worden. Eine Erhöhung der Zahl der Innensitzplätze habe es nicht gegeben. Der Umbau habe der Steigerung der Attraktivität und nicht der Kapazität gedient. Vielmehr sei die Anzahl der Sitzplätze von über 80 auf 50 reduziert worden. Den Rat zur Reservierung -wie vom Beklagten angeführt- habe der Kläger allein unter Marketinggesichtspunkten ("wer geht schon gern in ein nicht gefragtes Lokal?") im Internet gegeben.

Hinsichtlich der durch den Gutachter Herrn J ausgelesenen Kasse trägt der Kläger ergänzend vor: Für den Streitzeitraum 2011 bis 2014 würden lückenlose, durchnummerierte Z-Bons vorliegen, welche die angemeldeten Umsätze belegten. Damit seien die Feststellungen der Ap zur Kassenmanipulation nicht nur entkräftet, sondern widerlegt. Dies gelte umso mehr, als der Z-Bon-Zähler mit 5725 eine plausible Gesamtzahl an Z-Bons aufweise. Die im Oktober 1999 gebraucht erworbene Kasse habe nicht beim Zählerstand 0 angefangen zu zählen. Der Einsatzzeitraum beim Kläger von Oktober 1999 bis Oktober 2015 entspreche 16 Jahren. Unter Zugrundelegung von durchschnittlich 340 Öffnungstagen ergäben sich 5440 Z-Bons und ein Anfangszählerstand von 285.

Ein entsprechendes Bild ergebe sich bei den Umsätzen: Nach Auflistung der Steuerberaterin M würden sich für die Zeit von 2001 bis Ende des Jahres 2015 (erklärte) Nettoerlöse i.H.v. 2.712.611 Währungseinheiten (DM bzw. € im jeweiligen Geltungszeitraum) ergeben. Unter Berücksichtigung des Rumpfjahres 1999 (ca. 65.000 DM) und des Jahres 2000 (ca. 265.000 DM) würden sich ungefähr 3.000.000 Währungseinheiten ergeben. Sofern man dem Vorbesitzer der Kasse ca. 100.000 DM Umsatz in der Vorbenutzungszeit zurechne, seien sämtliche Umsätze aus dem vom Gutachter ausgelesenen, nicht manipulierbaren (geheimen) GT-Speicher belegt. Die Buchführung hätte daher, den Restaurantbereich betreffend, nicht verworfen werden dürfen. Die Hinzuschätzungen würden den durch den nicht manipulierbaren GT-Speicher gesetzten Rahmen bei weitem sprengen.

Der Kläger habe vom Vorhandensein eines GT-Speichers nichts gewusst und ihn daher auch nicht unterdrücken können. Ihm sei niemals erklärt worden, dass es in seiner Kasse einen unterdrückbaren GT-Speicher gegeben habe.

Der Kläger wies zudem darauf hin, dass es nach seiner Ansicht zu den Aufgaben der Ap gehört hätte, den nicht manipulierbaren GT-Speicher auszulesen. Dementsprechend hätte die Ap die Richtigkeit der Prüfungsfeststellungen anhand der nicht manipulierbaren Daten des GT-Speichers verifizieren müssen, anstatt eine Vollschätzung von Erlösen und Umsätzen vorzunehmen. Auch dieses Verhalten würde belegen, dass die Hinzuschätzungen der Ap rechtswidrig seien.

Der Kläger wies auch nochmals darauf hin, dass er weder selbst die von ihm genutzte Kasse programmiert noch Programmierungen, durch welche der GT-Speicher unterdrückt werde, in Auftrag gegeben habe. So wie die Kasse von der Ap vorgefunden sei, sei sie bei der Fa. QL gekauft und geliefert worden.

Über die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2009 und 2010 ist eine Tatsächliche Verständigung zustande gekommen. Das entsprechende Verfahren ist abgetrennt worden (12 K 48/20). Die Tatsache, dass der Beklagte zwar in der tatsächlichen Verständigung für die Jahre 2009 und 2010 die Herabsetzung der Hinzuschätzung bei den Bringdienstumsätzen (zu 7% USt) von 10% auf 5% vorgenommen habe, diese jedoch in vorliegendem Verfahren für die Streitjahre ablehne, würde belegen, dass bei den vorgenommenen Hinzuschätzungen sachfremde Erwägungen im Spiel seien, die Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung begründeten.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die vom Beklagten vorgenommene Schätzung fehlerhaft und rechtswidrig sei. Anhand von lediglich drei aufgefundenen Einzelbons könne keine griffweise Schätzung abgeleitet werden. Der Z-Bon-Zähler sei durchgelaufen, so dass über den gesamte Prüfungszeitraum lückenlose Kassenaufzeichnungen vorliegen würden. Die vom Beklagten vorgenommenen Hinzuschätzungen könnten nicht Grundlage einer Steuerfestsetzung sein.

Die Umsatzhinzuschätzungen könnten keinen Bestand haben, weil sie auf Basis einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung erfolgt seien. Der geheime (vom Gutachter ausgelesene) GT-Speicher und die vom Kläger dem Beklagten gemeldeten Umsätze seien ein entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der bisher -weil unbekannt- nicht in die Schätzung einbezogen worden sei. Die vom Kläger gemeldeten Umsätze würden nahezu den Umsätzen des vom Gutachter ausgelesenen (geheimen) GT-Speichers entsprechen. Dieser Aspekt sei nicht in die Prüfungsfeststellungen eingeflossen. Damit sei die Schätzung auf fehlerhafter Tatsachengrundlage vorgenommen worden, nicht rechtmäßig zustande gekommen und aufzuheben.

Der Beklagte erließ nochmals Änderungsbescheide für 2011 und 2013 über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und über den Gewerbesteuer-Messbetrag gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, in denen er die im Rahmen der Ap gestrichenen Betriebsausgaben für Rechnungen der Fa. S. über brutto 3.945,56 EUR (2011) sowie über brutto 212,97 EUR (2013) zum Betriebsausgabenabzug zugelassen und die hierauf entfallenen Vorsteuerbeträge (629,96 EUR in 2011 und 19,47 EUR in 2013) anerkannt hat.

Der Kläger beantragt,

die geänderten Bescheide für 2011 und 2013 sowie die geänderten Bescheide für 2012 und 2014 vom 29.06.2017 unter Aufhebung des hierzu ergangenen Einspruchsbescheides in der Weise zu ändern, dass von den Hinzuschätzungen bei den Restaurant- und Bringdienstumsätzen in den Jahren 2011 bis 2014 abgesehen und die Einkommensteuer, der Gewerbesteuermessbetrag und die Umsatzsteuer 2011 bis 2014 herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bisher vertretenen Rechtsauffassung fest.

Grundlage der Schätzungsbefugnis seien zahlreiche schwerwiegende Mängel der Aufzeichnungen des Klägers (Verletzung der Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten, wie z.B. keine vollständige Aufzeichnung des Wareneingangs und der erstellten Rechnungen, nicht gebuchte Einkaufsrechnungen etc.). Die Aufzeichnungen des Klägers böten keine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit. Daher bestünden weiterhin keine Zweifel an der Schätzungsbefugnis.

Das Gutachten H und die eingereichten Berechnungen des Klägers würden von einer Vielzahl von pauschalen (u.a. statistischen) Annahmen, Schätzungen und Prognosen ausgehen. Bereits bei der vom Gutachter gewählten Ausgangsgröße der Rückrechnungen (2016) stehe nicht fest, ob die neue Kasse ordnungsgemäß geführt worden sei. Hinsichtlich der Gutscheinumsätze könnten die angenommenen (geschätzten) Werte, z.B. Abschläge von 75%, nicht unwidersprochen hingenommen werden.

Entgegen der Ausführungen im Gutachten H seien Umsätze und Belege nicht "wegen eines technischen Defekts" nicht erfasst worden, sondern aufgrund konkreter Manipulationen der Kasse. Es würden schwerwiegende Mängel in der Kassenführung vorliegen (z.B. keine Aufbewahrung von Rechnungen; Ausdrucke der Registrierkasse fehlten; Tagesendsummenbons wiesen keine Zahlungswege aus; Abgleich des Tageskassenabschlusses mit der Registrierkasse nicht erfolgt; nachweislich Umsatzlöschungen erfolgt). Damit stellten diese Berechnungen keine geeignete Schätzung dar.

Der Beklagte führt zudem aus, dass im Rahmen der Ap zunächst versucht worden sei, eine Ausbeutekalkulation für Getränke und Speisen des Jahres 2013 durchzuführen. Da der Kläger im Prüfungszeitraum jedoch Lebensmittel und Getränke häufig im Einzelhandel und bei Discountern eingekauft habe, wofür Kleinbetragsrechnungen vorgelegen hätten, aus denen die Bezeichnung und eingekaufte Menge nicht ersichtlich gewesen seien ("Diverses", "Lebensmittel", "Food" etc), sei eine Ausbeutekalkulation aufgrund der zu großen Teilen nicht ordnungsgemäßen Belege nicht möglich gewesen. Die fehlenden Angaben hätten sich nachträglich nicht ermitteln lassen, zumal die Belege (Thermopapier) häufig nicht mehr lesbar, weil verblasst gewesen seien.

Die Berechnungen des Klägers würden keine geeignete Schätzung darstellen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode. Auch habe der Kläger es hinzunehmen, dass die mit der Schätzung verbundenen Unsicherheiten zu seinem Nachteil ausschlagen könnten, insbesondere weil aufgrund der gegebenen großen Manipulationsmöglichkeiten (hoher Anteil an Bargeschäften) eine grobe Schätzung geboten sei.

Auch halte der Beklagte an den Hinzuschätzungen zu den 7%-igen Bringdienst-Umsätzen fest, da auch hinsichtlich dieser Umsätze eine nicht ordnungsmäßige Kassen- und Buchführung vorliege (Ausdrucke über die Internetbestellungen für Außerhausverkäufe sowie Internetbestellungen per Fax und mit dem Bringdienstprogramm erstellte Rechnungen seien nicht aufbewahrt worden; Einzeldaten zu den Bringdienstbestellungen seien programmgesteuert täglich gelöscht worden durch Einstellung der Kasse "automatische Reorganisation täglich"; die Ermittlung der nachträglich in der elektronischen Kasse erfassten Außer-Haus-Verkäufe sei nicht nachprüfbar gewesen), die zu einer Schätzung i.S.d. § 162 AO berechtigte.

Zu den Einwendungen des Klägers nach Auslesung der Kasse durch den Gutachter führt der Beklagte aus, dass es verwundere, dass der Kläger die (vermeintlich) fehlende Auslesung des GT-Speichers durch die Ap rüge, wo der Kläger doch selbst durch die Kassenprogrammierung den Ausdruck des GT-Speichers unterdrückt habe. Denn bei der Kassenauslesung im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau am 21.04.2015 sei festgestellt worden, dass der Ausdruck des GT-Speichers programmgesteuert unterdrückt worden sei (Flag 6: 011001001, 1. Stelle = 0). Aufgrund der Unterdrückung des Ausdrucks des GT1-Speicher sei eine Auslesung nicht möglich gewesen.

Dabei seien dem Kläger am 21.04.2015 ein Merkblatt zur Kassenführung ausgehändigt und ihm in der Besprechung vom 21.05.2015 im Beisein seiner steuerlichen Beraterin die damals festgestellten Mängel (u.a. die Unterdrückung des Ausdrucks des GT-Speichers) erläutert worden. Dennoch habe die vorgenommene (erneute) Kassenauswertung durch das FAFuSt am 03.12.2015 ergeben, dass der Kläger keine Veränderungen vorgenommen habe: Der GT1- und GT2- Speicher seien weiterhin unterdrückt gewesen (Bl. 115 der Bp-AA zu AB-Nr. 5482-5/15 Bd. I) und hätten nicht ausgelesen werden können.

Dass die Auslesung des GT1-Geheimberichts dem Gutachter möglich gewesen sei, sei dadurch erklärlich, dass er das Kassenprogramm geschrieben und daher gewusst habe, dass es einen solchen -nicht löschbaren- Geheimbericht gebe und wie man an ihn gelange.

Eindeutige Rückschlüsse aus dem vom Gutachter ausgelesenen GT1-Geheimspeicher (3.100.835 Währungseinheiten) auf die Restaurantumsätze würden sich nicht ziehen lassen, weil die Bringdienst- und Außer-Haus-Verkäufe nach den Klägerangaben abends in der elektronischen Kasse des Restaurants erfasst worden sein sollen. Ob dies tatsächlich und in welchem Umfang der Fall gewesen sei, sei nicht überprüfbar, weil die Rechnungen und Unterlagen über die Bestellungen nicht aufbewahrt worden seien. Dies sei erfolgt, obwohl es bereits in der vorangegangenen Ap gerügt worden sei. Auch insoweit sei die Verfahrensweise vom Kläger beibehalten worden trotz der am 21.04.2015 und 21.05.2015 erfolgten Hinweise auf eine nicht ordnungsgemäße Kassenführung.

Zudem sei bei der Umsatzsteuer-Nachschau am 21.04.2015 festgestellt worden, dass die ausgedruckten Berichte keine Umsatzdaten früherer Tage enthielten. Bei der am 03.12.2015 vorgenommenen (erneuten) Kassenauswertung habe sich zudem ergeben, dass die fehlenden Umsatzdaten des Vortages auf Anwendung des Löschbefehls 89 x 9999 (mit Z2-Schlüssel) zurückzuführen seien (vgl. Fahndungsbericht).

Die Aussage des Herrn L in der Befragung vom 21.01.2016, dass der Löschbefehl 89 x 9999 (mit Z2-Schlüssel) in keiner Bedienungsanleitung für Endkunden enthalten gewesen sei, sei durch den Gutachter bestätigt worden, in dem dieser anführe, dass den Kassenaufstellern jegliche Weitergabe untersagt gewesen sei. Hierzu trägt der Kläger vor, dass am 06.10.2015 (Auslesung durch den Beklagten im Rahmen der USt-Ap, USt-Nachschau) der Bonzähler stehen geblieben sei und sich der Kläger deshalb an den Kassenlieferanten, Fa. QL, Herrn L, gewandt habe. Dieser soll ihm vorgeschlagen haben, die offenbar defekte Kasse dann auszutauschen, wenn das Finanzamt die einzuhaltenden Vorgaben für ein einzusetzendes Kassensystem genau definiert habe. Bis zu diesem Zeitpunkt solle die Kasse provisorisch weiter genutzt werden, indem, unter Nutzung des von Herrn L mitgeteilten Befehls 89 x 2610 tägliche Abschlüsse erstellt würden, die dann anstelle der bisherigen Z-Bons zur Grundlage der Buchung gemacht würden. Der Kläger sei exakt nach den Vorgaben des Herrn L verfahren. Dies sei dann offenbar der Grund gewesen, warum der Z-Bon Zähler unbemerkt nicht mehr weitergelaufen sei. Nach Ansicht des Beklagten sei eine derartige Aussage des Herrn L nicht glaubhaft, weil die Weiternutzung einer nicht mehr funktionsfähigen Kasse einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten und Buchführungsgrundsätze darstelle und eine derartige Aussage/ Anregung zur Löschung von Kassendaten als Beihilfe zur Steuerhinterziehung gewertet werden könnte.

Nach Ansicht des Beklagten könne dahingestellt bleiben, ob es bei der Kassenauslesung am 21.04.2015 -wie vom Kläger behauptet- zu einem Stromausfall gekommen sei, denn unzweifelhaft sei der Z-Bon-Zähler nach dem 21.04.2015 weitergelaufen: Bei Auslesung am 21.04.2015 hätten die erzeugten Z-Bons die Nr. 5556 und 5557 gehabt. Die bei der Durchsuchung am 03.12.2015 aufgefundenen Z-Bons vom 01.10.2015 bis 06.10.2015 würden die Nrn. 5720 bis 5725 ausweisen. Die vom FAFuSt am 03.12.2015 ausgedruckten Berichte wiesen ebenfalls die Z-Bon-Nr. 5725 aus. Nach der Stellungnahme des Gutachters würden für den Umstand, dass ein Z-Bon vom 06.10.2015 und vom 03.12.2015 die Nr. 5725 ausweise, nur 4 Erklärungen in Betracht kommen: einer der Berichte sei ein Transkriptionsbericht, einer der Berichte sei ein X-Bericht, der Z-Zähler sei manipuliert worden oder die Berichte würden aus zwei verschiedenen Kassen stammen. Da weder der Z-Bon mit der Nr. 5725 vom 06.10.2015 noch der Z-Bon vom 03.12.2015 ein Transkriptions- oder X- Bericht sei, keine Angaben des Klägers über zwei Kassen vorliegen würden, bleibe nur, dass der Z-Bon-Zähler manipuliert worden sei.

Nach Ansicht des Beklagten sei die vom Kläger verwendete Kasse eine "manipulierbare" Kasse. Eine solche liege vor, wenn deren Programmierung "bearbeitet bzw. veränderbar" sei. In der Besprechung vom 21.01.2016 habe Herr L angegeben, dass es möglich sei, den Z-Bon-Zähler der Kasse SKS TS 400 zu manipulieren. Diese Aussage sei anlässlich einer Rücksprache am 23.03.2017 durch das FAFuSt durch einen Mitarbeiter der Firma QL nochmals bestätigt worden. Auch habe der Gutachter angegeben, dass eine Manipulation des Z-Bon-Zählers möglich sei. Nach den Feststellungen der Ap sei die Kasse durch (Um-) Programmierung so eingestellt gewesen, dass der GT- Speicher unterdrückt worden (Flag 6: 011001001, 1. Stelle = 0), die Erstellung von (manuellen) Proforma-Rechnungen möglich gewesen sei, die nicht zum Umsatz hinzuaddiert worden seien (Flag 16/ 4. Stelle= 1) und der Journalausdruck unterdrückt worden sei (Flag 27/ 3. Stelle=1). Nach den Angaben des Klägers seien die Kassenprogrammierungen vom Kassenhändler bzw. Kassendienstleister vorgenommen worden.

Nach Ansicht des Beklagten sei es weder nachgewiesen noch glaubhaft, dass es sich bei der von der Ap vorgefundenen Programmierung der Kasse des Klägers um eine standardmäßige, bei Kassenaufstellung vorhandene Programmierung gehandelt habe. Vielmehr habe der Gutachter ausgeführt, dass die Kasse des Klägers komplett gelöscht worden sei und bis auf den Geheimbericht keine realen Zahlen mehr ausweisen würde.

Weiter vertritt der Beklagte die Ansicht, dass bereits die fehlenden Unterlagen über die Kassenprogrammierung und das Fehlen der Protokolle über nachträgliche Programmänderungen einen schwerwiegenden formellen Buchführungsmangel darstellen würden, der für sich genommen bereits zu Hinzuschätzungen berechtige (Urteil des BFH vom 25.03.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743). Im Streitfall komme hinzu, dass die Kasse in der bereits dargestellten Weise (um-) programmiert gewesen und der Z-Bon-Zähler manipuliert worden sei, eine tägliche Löschung der Vortages- Umsätze erfolgt sei, angenommene Gutscheine nicht aufbewahrt worden seien sowie Ausdrucke über die Bestellungen und Lieferungen der Außer-Haus-Verkäufe fehlten. Dies alles habe dazu geführt, dass die Buchführung des Klägers nicht auf ihre materielle Richtigkeit habe überprüft werden können.

Zudem stehe fest, dass die Gutscheinumsätze des Typs 1 unzutreffend erfasst und später im Rahmen der Finanzbuchhaltung eine Erlösminderung vorgenommen worden seien, was dazu geführt habe, dass die Kasse nicht habe stimmen können. Bei den Gutscheinumsätzen des Typs 2 habe der Kläger selbst eingeräumt, dass diese in den Jahren 2012 und 2013 unzutreffend erfasst worden seien. Daher sei die Buchführung des Klägers nicht ordnungsgemäß.

Hinzu kämen die Feststellungen über nicht gebuchte Wareneinkäufe bei der Firma Z. Auch belege der Vergleich der Daten für den Fassbier-Einkauf zur Vor-Ap, dass der Fassbiereinkauf stark zurückgegangen sei, ohne dass vom Kläger hierfür eine nachvollziehbare Erklärung abgegeben worden sei. Festgestellt worden sei zudem, dass auf der Restaurantrechnung vom 14.12.2011 Hefeweizen 0,5 l vom Fass aufgeführt sei, sich im Einkauf aber kein Hefeweizen befunden habe.

Auch habe der Kläger für die festgestellten stark schwankenden Rohgewinnaufschlagsätze des Prüfungszeitraums, die von denen des Zeitraums der Vor-Ap erheblich abweichen würden, ebenfalls keine plausible Erklärung abgegeben.

Nach Ansicht des Beklagten liege eine Schätzungsbefugnis im Streitfall unzweifelhaft vor.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird ausdrücklich auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten (Band I bis Band VI) sowie der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

Das Gericht hat zu der Frage, ob das vom Kläger eingesetzte Kassensystem Manipulationsmöglichkeiten eröffnete oder ob diese systembedingt ausgeschlossen seien, ein Sachverständigengutachten des Herrn J eingeholt und diesen im Termin zur mündlichen Verhandlung als Sachverständigen angehört. Darüber hinaus hat das Gericht zu der Frage, ob dem Kläger eine Kasse des Typs SKS TS 400 veräußert worden sei sowie ob und inwieweit dem Kläger diesbezüglich Unterlagen überlassen worden seien und/oder er Einweisungen in die Art und Weise der Kassenführung erhalten habe, Beweis erhoben durch Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen Q und L. Hinsichtlich des Inhalts der Einvernahme des Sachverständigen sowie der Zeugenvernehmungen wird ausdrücklich auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die angefochtenen Änderungsbescheide über Einkommensteuer, über den Gewerbesteuermessbetrag und über Umsatzsteuer für 2012 und 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie die Änderungsbescheide über Einkommensteuer, über den Gewerbesteuermessbetrag und über Umsatzsteuer für 2011 und 2013 sind rechtswidrig, soweit die Hinzuschätzungen bei den Restaurantumsätzen die Beträge von (brutto) 68.500 € für 2011, 66.900 € für 2012, 66.000 € für 2013 und 46.300 € für 2014 und bei den Bringdienstumsätzen die Beträge von (netto) 6.500 € für 2011, 7.500 € für 2012, 8.000 € für 2013 und 10.000 € für 2014 übersteigen sowie der Abzug des Investitionsabzugsbetrags für 2014 i.H.v. 4.000 € versagt worden ist. Insoweit verletzen die angefochtenen Bescheide den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Das Gericht war zur Entscheidung im Streitfall im Rahmen der mündlichen Verhandlung am Dienstag, 13.04.2021 berechtigt. Insbesondere war das Gericht nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung nach Eingang der "Ergänzung zum Gutachten" des Sachverständigen Herrn J am 14.04.2021 wieder zu eröffnen bzw. einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

a. Gem. § 93 Abs. 3 Satz 1 FGO erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung nach Erörterung der Streitsache für geschlossen. Das Gericht kann nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO die Wiedereröffnung beschließen.

Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist jedoch in den Fällen ausgeschlossen, in denen das Urteil bereits verkündet worden ist (vgl. § 104 Abs. 1 FGO; Gräber-Herbert, Kom-mentar zur FGO, 9. Auflage (2019), Rz. 8 zu § 93 mit zahlreichen Hinweisen zur Rechtsprechung).

b. So verhält es sich im Streitfall. Das Urteil in diesem Verfahren ist in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 verkündet worden. Auch insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.04.2021 Bezug genommen.

Überdies ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die späterhin, nämlich am 14.04.2021, erfolgte Übermittlung der "Ergänzung zum Gutachten" durch den Sachverständigen Herrn J vom Gericht keineswegs angefordert und/oder auch nur erwartet worden und dementsprechend für dieses völlig unerwartet und überraschend war. Keiner der Beteiligten hatte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 ergänzende Ausführungen des Sachverständigen "eingefordert".

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die vom Sachverständigen am 14.04.2021 übermittelte "Ergänzung zum Gutachten" keine entscheidungserheblichen Auswirkungen auf den Rechtsstreit hätte: Soweit dort unter Punkt 1 zu den Zusammenhängen zwischen (etwaigen) Stornobuchungen und dem Grandtotal-Speicher ausgeführt wird, könnte dies für eine objektiv manipulierbare Kasse sprechen. Ungeachtet dieser Ausführungen ist das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung jedoch aus anderen Gründen zu der Überzeugung gelangt, die vom Kläger im gesamten Streitzeitraum verwandte Kasse sei objektiv manipulierbar gewesen. Insoweit wird auf die nachfolgenden entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen verwiesen.

Die sodann unter Punkt 2 erfolgten Ausführungen "...bezüglich Urprogrammierung und Programmänderungen" sind ebenfalls nicht geeignet, das im Streitfall gefundene Ergebnis des Gerichts zu beeinflussen.

Die mündliche Verhandlung war daher nicht wieder zu eröffnen.

2. Die Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013, der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2012 und 2013 sowie der Umsatzsteuerbescheide für 2011 bis 2013 konnte gemäß § 164 Abs. 2 AO erfolgen, da sämtliche Bescheide gemäß § 164 Abs.1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden haben.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2011 sowie des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 jeweils vom 29.06.2017 konnte gemäß § 173 Abs.1 Nr. 1 AO erfolgen. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (Urteil des BFH vom 08.07.2015, VI R 51/14, BStBl. II 2017, 13 m.w.N.). Nicht unter den Tatsachenbegriff fallen dagegen Schlussfolgerungen aller Art, rechtliche Würdigungen und Bewertungen, Rechtsansichten und juristische Subsumtionen, bei denen auf Grund von Tatsachen anhand gesetzlicher Vorschriften ein bestimmter Schluss gezogen wird (Urteil des BFH vom 27.01.2011, III R 90/07, BStBl. II 2011, 543). Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist. Grundsätzlich kommt es dabei auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Dienststelle an, wobei aktenkundige Tatsachen stets als bekannt gelten (Urteil des BFH vom 13.06.2012, VI R 85/10, BStBl. II 2013, 5 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Dem Beklagten ist nachträglich, d.h. nach Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides für 2011 sowie des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011, nämlich erst im Rahmen der Ap, der Inhalt der Buchführung (Einnahmeermittlung) des Klägers, insbesondere die Einzelheiten der Kassenführung des Klägers, bekannt geworden. Nach Aktenlage war dem Beklagten zum Zeitpunkt der Erstbescheide der Inhalt der Buchführung (Einnahmeermittlung) nicht im Einzelnen bekannt. Damit sind dem Beklagten rechtserhebliche Tatsachen nachträglich bekannt geworden. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2011 sowie des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO war zulässig.

Die anschließende Änderung der Bescheide für 2011 und 2013 über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag konnte gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolgen, weil dem Klagebegehren bezüglich der im Rahmen der Ap gestrichenen Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge für Rechnungen der Fa. S der Sache nach entsprochen worden ist.

3. Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln kann. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO gilt das Gleiche, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die der Steuerpflichtige zu führen hat, nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können.

Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Finanzgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 AO gelten sinngemäß. Dem Finanzgericht steht damit nicht nur die Kompetenz zur Überprüfung der behördlichen Entscheidung auf (Ermessens-)Fehler zu. Das Finanzgericht hat vielmehr eine eigene Schätzungsbefugnis. Die Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts besteht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unabhängig davon, ob und wie das Finanzamt geschätzt hat (vgl. nur Urteil des BFH vom 02.02.1982, VIII R 65/80, BStBl. II 1982, 409; Urteil des Finanzgerichts Saarland vom 13.01.2010, 1 K 1101/05, EFG 2010, 772).

a. Der Beklagte war dem Grunde nach zur Schätzung der gewerblichen Einkünfte des Klägers aus dem Restaurantbetrieb einschließlich der Bringdienste des Klägers befugt.

Vorliegend bestand eine Aufzeichnungspflicht des Klägers gemäß § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 UStDV. Die Pflicht des Klägers zur Einzelaufzeichnung -sowohl für die Restaurant- als auch für die Bringdienstumsätze- ergibt sich aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 UStDV. Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i.S.d. § 140 AO. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt aber, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG und GewStG (vgl. Urteile des BFH vom 02.03.1982 VIII R 225/80, BStBl. II 1984, 504; vom 26.02.2004, XI R 25/02, BStBl. II 2004, 599). Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u.a. vereinnahmte Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. § 22 UStG wirkt auch für die Einkommensteuer (Urteile des BFH vom 15.04.1999, IV R 68/98, BStBl. II 1999, 481; vom 21.07.2009, X R 46/08, BFH/NV 2010, 186).

Nach § 158 AO werden die Buchführung und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung zugrunde gelegt, wenn sie den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, soweit nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Gemäß § 146 Abs. 1 AO sind erforderliche Aufzeichnungen u.a. vollständig und richtig vorzunehmen. Sämtliche Geschäftsvorfälle sind ihrer zeitlichen Reihenfolge nach mit ihrem richtigen Inhalt festzuhalten (Gerichtsbescheid des FG Saarland vom 13.01.2010, 1 K 1101/05, EFG 2010, 772).

Der Beklagte hat die Aufzeichnungen des Klägers zu Recht insgesamt als nicht ordnungsgemäß qualifiziert. Bei der Dokumentation der Erlöse und Umsätze unterliefen dem Kläger nicht nur unerhebliche Fehler und Versäumnisse. Die Mängel sind -da der Kläger aus den betroffenen Geschäftsfeldern (Restaurant, diverse Bringdienste) den weit überwiegenden Anteil seiner Umsätze bezieht- insgesamt geeignet, die Beweiskraft seiner Gewinnermittlungen zu erschüttern.

Der Kläger ermittelte den Gewinn aus Gewerbetrieb gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschuss-Rechnung. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs (Urteil des FG Saarland vom 21.06.2012, 1 K 1124/10, EFG 2012, 1816). Trotzdem müssen Geschäftsvorfälle fortlaufend, vollständig und richtig verzeichnet werden. Insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben sind dafür detaillierte Aufzeichnungen ähnlich einem Kassenkonto oder einem Kassenbericht notwendig (Beschluss des Sächsischen FG vom 04.04.2008, 5 V 1035/07, juris; Urteil des FG Saarland vom 13.01.2010, 1 K 1101/05, EFG 2010, 772). So können die Tageseinnahmen in einer Summe aufgezeichnet und diese Summe zusätzlich durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachgewiesen werden. In einem solchen Fall ist es zwar nicht erforderlich, den Kassenbestand täglich zu ermitteln. Es müssen aber die Ursprungsaufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben aufbewahrt und in gewissen Abständen der tatsächliche Kasseninhalt mit dem buchmäßigen Kassenbestand abgeglichen werden (Beschluss des Sächsischen FG, Beschluss vom 04.04.2008, 5 V 1035/07, juris; Urteil des FG Saarland vom 13.01.2010, 1 K 1101/05, EFG 2010, 772).

Die Kassenführung des Klägers wies nach Ansicht des erkennenden Senates erhebliche Mängel auf.

Unstreitig ist, dass der Ap sämtliche fortlaufend nummerierten Tagesendsummenbons (Z-Bons) des Prüfungszeitraums vorgelegen haben. Diese Z-Bons wiesen jedoch systembedingt nicht die Zahlungswege (bar, EC etc.) aus. Diese Angaben sind vom Kläger auf den jeweiligen Kassenabrechnungen handschriftlich ergänzt worden.

Im Zeitalter mechanischer Registrierkassen (so wie die, die z.B. den Entscheidungen des BFH vom 13.07.1971, VIII 1/65, BStBl. II 1971, 729 oder vom 07.07.1977, IV R 205/72, BStBl. II 1978, 307 zugrunde gelegen hat) garantierte der fortlaufende Zähler der Tagesendsummenbons die Vollständigkeit der Tageskassenabrechnungen. Dies war neben weiteren Voraussetzungen (Ausweis der nachträglichen Veränderungen der Betriebseinnahmen auf dem Kassenstreifen, Ausweis der vorgenommenen Stornierungen, Aufbewahrung der Kassenorganisationsunterlagen) erforderlich, um sicherzustellen, dass die erwirtschafteten Betriebseinnahmen in voller Höhe der Besteuerung zugeführt werden.

Bei den technisch weiterentwickelten elektronischen Registrierkassen wurde der sog. Kassenstreifen durch ein im Gerät gespeichertes Journal ersetzt. Ausweislich der Feststellungen im Rahmen der USt-Nachschau war der Journalausdruck systembedingt bei der vom Kläger verwendeten Kasse unterdrückt (Flag 27: 3. Stelle ist ein 1). Zu der gleichen Feststellung gelangte auch das Gutachten von Herrn J (Bl. 851 der GA). Ohne ein solches Journal ist jedoch nicht sichergestellt, dass tatsächlich alle Betriebseinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind.

Der erkennende Senat weist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass kein Nachweis dafür vorliegt, dass die vom Kläger eingesetzte Kasse durch den Kläger manipuliert worden ist.

Dennoch steht nach Auffassung des erkennenden Senates objektiv fest, dass an der vom Kläger im Prüfungszeitraum eingesetzten Registrierkasse Umprogrammierungen vorgenommen worden sind, von denen niemand (auch der Gutachter nicht) sagen kann, wer diese Umprogrammierungen wann vorgenommen hat, denn Protokolle über vorgenommene Umprogrammierungen sind nicht vorgelegt worden.

Nach den Feststellungen der USt-Nachschau vom 21.04.2015 war aufgrund von Umprogrammierungen (systembedingt) der Ausdruck des GT-Speichers unterdrückt worden (Flag 6: 1. Stelle=0), der Journalausdruck unterdrückt worden (Flag 27: 3. Stelle=1) und die Erstellung von Proforma-Rechnungen möglich gewesen, deren Umsätze nicht in den Tagesendsummenbons enthalten gewesen sind (Flag 16: 4. Stelle=1). Nach den Feststellungen der Ap waren diese (Um-)Programmierungen bei der Kassenauslesung am 03.12.2015 unverändert vorhanden gewesen. Auch zum Zeitpunkt der Auslesung der Kasse des Klägers durch den Gutachter waren diese Programmierungen weiterhin unverändert vorhanden gewesen. Aufgrund des systembedingten unterdrückten Journalausdrucks und des programmtechnisch unterdrückten GT-Speichers kann nicht von einer ordnungsgemäßen Kasse und damit einer entsprechenden Kassenführung ausgegangen werden.

Zudem stellt nach der Rechtsprechung des BFH das Fehlen der Protokolle nachträglicher Programmänderungen bei einem programmierbaren Kassensystem einen formellen Mangel dar, dessen Bedeutung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse oder dem Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse gleichsteht und der daher grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt (Urteil des BFH vom 25.03.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743). Zwar lässt dieser formelle Mangel keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung von Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre (Urteil des BFH vom 25.03.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743). Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar; von derartigen Manipulationsmöglichkeiten machen Teile der betrieblichen Praxis nach dem Erkenntnisstand des BFH durchaus Gebrauch (Urteil des BFH vom 25.03.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743 m.w.N.). Es ist daher von erheblicher Bedeutung, dass ein Betriebsprüfer -und auch das Finanzgericht- sich davon überzeugen können, wie die Kasse im Zeitpunkt ihrer Auslieferung und Inbetriebnahme programmiert war, sowie ob bzw. in welchem Umfang nach der Inbetriebnahme der Kasse spätere Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Dem schließt sich der erkennende Senat vollinhaltlich an.

Anweisungen zur Kassenprogrammierung, insbesondere die Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen an der Kasse dokumentieren, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO als "sonstige Organisationsunterlagen" aufbewahrungspflichtig. Dies hat die Finanzverwaltung schon lange vertreten (z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 07.11.1995, BStBl. I 1995, 738, Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 09.01.1996, BStBl. I 1996, 34; BMF-Schreiben vom 26.11.2010, BStBl. I 2010, 1342, und vom 14.11.2014, BStBl. I 2014, 1450, Tz. 111). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung ausdrücklich an.

Formelle Buchführungsmängel berechtigen grundsätzlich nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kommt es nicht auf die formale Bedeutung eines Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht an; das sachliche Gewicht des Buchführungsmangels ist entscheidend (Beschluss des BFH vom 04.08.2010, X B 19/10, BFH/NV 2010, 2229).

Das Gewicht dieses Mangels der fehlenden Kassenprogrammierprotokolle erachtet der erkennende Senat vorliegend als erheblich. Dies erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich nach Aussage des Gutachters in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 bei dem vom Kläger eingesetzten Kassentyp vorgenommene Programmänderungen objektiv nachträglich überhaupt nicht feststellen lassen. Vor diesem Hintergrund ist es als umso bedeutender anzusehen, Unterlagen zur ursprünglichen Kassenprogrammierung sowie zu allen nachträglich erfolgten Änderungen an der Kassenprogrammierung zu dokumentieren, aufzubewahren und vorzulegen. Nur dann kann auch insbesondere der Zeitpunkt der Vornahme einer Programmänderung nachvollzogen werden, was sonst systembedingt nicht mehr möglich ist.

Zudem hat der Gutachter Herr J in seinem Gutachten festgestellt, dass die vom Kläger betriebene Kasse die Programmversion V1.3J vom 20.09.2001 enthielt, welche der letzten Aktualisierung für die Euroumstellung entsprochen habe. Wenn der Kläger die Kasse -nach seinen Angaben- im Jahr 1999 in gebrauchtem Zustand erworben hat, muss zwischenzeitlich, d.h. nach Erwerb der Kasse im Jahr 1999, die neue Programmversion vom 20.09.2001 im Zuge der Umstellung auf die Währungseinheit Euro aufgespielt worden sein. Aber auch hierüber sind keine Unterlagen vorgelegt worden. Vielmehr hat der Kläger nachhaltig bekräftigt, dass er während der Einsatzzeit der Kasse keine Umprogrammierungen an der Kasse vorgenommen hat. Unklar bleibt danach, wie und wann die vom Gutachter festgestellte Programmversion vom 20.09.2001 auf die Kasse gelangt ist.

Die vom Kläger verwendete elektronische Kasse war nach Auffassung des erkennenden Senates objektiv manipulierbar. Der vom Gericht beauftragte Gutachter Herr J hat festgestellt, dass es mit der vom Kläger eingesetzten Kasse u.a. möglich gewesen ist, einzelne Berichtsteile in Z-Stellung separat zu löschen, ohne dass dies Auswirkungen auf den Z1-Zähler gehabt hätte. Nach Auffassung des Senates liegt damit eine Kasse vor, die (abstrakt gesehen) grundsätzlich die Möglichkeit von Manipulationen bot.

Die Verwendung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems (auch ohne dass dem Steuerpflichtigen ein konkreter Manipulationsvorwurf zur Last gelegt werde) berechtigt nach Auffassung des erkennenden Senats bereits dem Grunde nach zur Vornahme von Hinzuschätzungen, weil das Vertrauen in die Vollständigkeit der Erfassung der Betriebseinnahmen durch die Verwendung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems nicht gegeben ist.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Herrn J in seinem Kassengutachten hat zudem die Möglichkeit bestanden, den Z-Bon-Zähler durch Eingabe eines Codes an der Kasse beliebig zu verändern. Hierzu bestätigte der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021, dass es leicht möglich war, die Nummer für einen Z-Bon manuell in die Kasse einzugeben. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen (separate Löschbarkeit einzelner Berichtsteile ohne Einfluss auf den Z-Zähler, Z-Bon Nummer manuell beliebig änderbar, Umprogrammierungen nicht nachträglich feststellbar, Vorliegen eines objektiv manipulierbaren Kassensystems) geht der erkennende Senat vom Vorliegen einer Schätzungsbefugnis dem Grund nach aus.

Da die vom Kläger mit der Kasse erstellten Aufzeichnungen systembedingt veränderbar waren (insbesondere der Z-Bon-Zähler), ohne dass die Veränderungen kenntlich gemacht wurden oder nachträglich feststellbar gewesen sind, erfüllen diese auch nicht die Voraussetzung des § 146 Abs. 4 AO, wonach eine Buchung oder eine Aufzeichnung nicht in einer Weise verändert werden darf, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch dürfen solche Veränderungen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. Da die Ordnungsvorschriften der §§ 146, 147 AO grundsätzlich auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelten (u.a. Urteil des BFH vom 26.02.2004, XI R 25/02, BStBl. II 2004, 858), muss allgemein gewährleistet sein, dass die Aufzeichnungen unveränderlich sind bzw. nachträgliche Veränderungen nachvollzogen werden können. Gerade bei manipulationsanfälligen EDV-Systemen müssen Veränderungen zwingend vom Programm kenntlich gemacht werden. Dies liegt nach den obigen Ausführungen nicht vor.

Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger für den Prüfungszeitraum fortlaufend und lückenlos nummerierte Tagesendsummenbons vorgelegt hat. Nach Ansicht des Klägers müsse hieraus geschlossen werden, dass keine nicht gebuchten Umsätze über die Ladenkasse vereinnahmt worden seien. Dieser Folgerung des Klägers folgt der erkennende Senat ganz ausdrücklich nicht, weil nach den Feststellungen des Gutachters Herrn J, die Z-Bon-Nummer über einen Code in der Registrierkasse des Klägers leicht manuell hat verändert werden können. Damit liegt trotz "scheinbar lückenloser Z-Bon-Zählung" dennoch keine Gewähr für die Vollständigkeit der erfassten Betriebseinnahmen vor.

Dass die vom Kläger erfassten Betriebseinnahmen tatsächlich nicht vollständig gewesen sind, belegt der (unstreitige) Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers in den Jahren 2012 und 2013 für die Gutscheine des Typ 2 zwar die Provisionen als Kosten und die Auszahlungen an den Kläger als Umsatz, jedoch sonst keine weiteren (Restaurant-) Umsätze und Rabatte erfasst worden sind. Nach Ansicht des erkennenden Senates stellt bereits dieser vom Kläger eingeräumte Erfassungsfehler einen isolierten Schätzungsgrund dar, der eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach begründet.

Die vorliegend festgestellten Mängel in der Kassenführung des Klägers nehmen nach Ansicht des Senates aufgrund des bargeldintensiven Geschäftsfeldes des Klägers der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit. Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (Urteil des BFH vom 14.12.2011, XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921). Hiervon ist nach Auffassung des erkennenden Senates auszugehen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der überwiegend Bargeschäfte tätigende Kläger nach Auffassung des erkennenden Senates die Kassendaten täglich gelöscht und den Kassenspeicher täglich auf Null gesetzt hat, so wie der Kläger dies von Beginn an im Klageverfahren vorgetragen hat. Hiervon ist der erkennende Senat überzeugt.

Wenn und soweit der Kläger nunmehr erstmals mit Schriftsatz vom 01.04.2021 behauptet, seine bisherige, mehrfach wiederholte Darstellung im Klageverfahren, wonach er während des gesamten Streitzeitraums den Kassenspeicher täglich gelöscht und auf Null gesetzt habe, weil er der Auffassung gewesen sei, dass dies notwendig und richtig gewesen sei, um am Folgetag einen ordnungsgemäßen Z1-Bon zu erhalten, beruhe auf einem Missverständnis zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten, vielmehr sei ein entsprechender Löschungsbefehl im gesamten Streitzeitraum nicht zur Anwendung gelangt, sondern lediglich in der Zeit zwischen der vorletzten Kassenauslesung am 06.10.2015 (der Löschbefehl 89 x 2610 sei dem Kläger erst nach Stehenbleiben des Z-Zählers durch den Zeugen L mitgeteilt worden) und der letzten Kassenauslesung am 03.12.2015, vermag das Gericht ihm nicht zu folgen. Es überzeugt den erkennenden Senat keineswegs, wenn der Kläger insoweit von einem "bloßen Missverständnis" zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten spricht. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Streitfalles ist der erkennende Senat vielmehr vom Gegenteil überzeugt.

Denn der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 09.07.2018 (Bl. 186 der GA, Bd. 2) auf die von ihm selbst vorgenommene tägliche Löschung der Vortagesumsätze mit Ausdruck des Z1-Bons vom laufenden Tag hingewiesen. Bis zum Schriftsatz vom 01.04.2021 ist dieser Vortrag aufrechterhalten und mehrfach auf die tägliche Löschung durch den Kläger hingewiesen worden. Hierzu passt auch, dass der Kläger zunächst immer wieder darauf hingewiesen hat, dass der von ihm verwandte Löschbefehl (89-X-"9999"-T5) Teil der Bedienungsanleitung und kein Geheimcode o.ä. gewesen sei. Auch passt zu diesem ursprünglichen Vortrag des Klägers, dass nach den Feststellungen im Rahmen der Umsatzsteuernachschau vom 21.04.2015 bei der Kassenauslesung keine Umsätze der vorangegangenen Tage ausgewiesen worden waren. Wenn der Vortrag des Klägers zutreffend wäre, dass er lediglich einen Löschungsbefehl in der Zeit vom 06.10.2015 bis zum 03.12.2015 verwandt habe, ansonsten aber nicht, ließe sich die Feststellung der Umsatzsteuernachschau vom 21.04.2015 nicht erklären. Denn bereits zu diesem früheren Zeitpunkt am 21.04.2015 ist festgestellt worden, dass die Registrierkasse des Klägers keine Umsätze der vorangegangenen Tage ausgewiesen hat. Ausweislich des Aktenvermerks zum Datenzugriff anlässlich der USt-Nachschau ist zudem bereits festgestellt worden, dass sowohl der GT-Speicher als auch der Journalausdruck unterdrückt waren.

Der nunmehrige Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 01.04.2021 ist nach Ansicht des Senates auch deshalb nicht glaubhaft, weil der Kläger den mehrfachen Vortrag des Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren (tägliche Löschung der Vortagesumsätze und auf Null Setzung des Kassenspeichers) zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen hat. Der Senat ist insoweit der Auffassung, dass vom Kläger erwartet werden kann und darf, dass dieser die Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten aufmerksam liest und etwaige fehlerhafte und/oder missverständliche Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten -dies muss erst Recht für den allein vom Steuerpflichtigen verwirklichten Sachverhalt gelten- klarstellt. Dies ist jedoch gerade nicht geschehen. Dies verwundert umso mehr vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem dargestellten Umstand des täglichen Löschens des Kassenspeichers keineswegs um ein komplexes, für einen steuerrechtlichen Laien schwer zu durchschauendes und/oder nachvollziehbares Thema handelt, sondern um die bloße Darstellung des tatsächlich vom Kläger täglich verwirklichten Lebenssachverhaltes.

Die mit Schriftsatz vom 01.04.2021 erstmals aufgestellte und in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 bekräftigte Behauptung, der bislang dargestellte Umstand der täglichen Löschung der Vortagesumsätze und auf Null-Setzung des Kassenspeichers durch den Kläger, sei ein reines Missverständnis zwischen dem Kläger und seinem Bevollmächtigten gewesen, und der Kläger habe die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten nicht bis zum Ende durchgelesen, erachtet der erkennende Senat als Versuch, jedwede Tätigkeiten des Klägers, die auch nur in die Nähe einer Kassenmanipulation gerückt werden könnten, zu negieren.

Der zuletzt behauptete Vortrag des Klägers vermag auch vor dem Hintergrund nicht zu überzeugen, dass etwa im Zusammenhang mit der Beauftragung der H GmbH im Juli 2019 zwecks Erstellung eines Gutachtens zu plausiblen Umsatzerlösen nicht aufgefallen sein soll, dass der bisherige eigene Vortrag des Klägers zur täglichen Löschung der Vortagesumsätze nicht dem tatsächlich verwirklichten Lebenssachverhalt/ Geschehensablauf entsprochen hat, sondern es in dem maßgeblichen, sich über Jahre hinweg erstreckenden Streitzeitraum zu überhaupt keiner Löschung gekommen sein soll. Nach Ansicht des Senates wäre es mehr als bloß naheliegend gewesen, dass im Rahmen der Besprechungen bezüglich eines zu erstellenden Gutachtens zu den Umsatzerlösen zumindest die vom Kläger bis dahin stets behauptete bzw. eingeräumte arbeitstägliche Löschung von Kassendaten thematisiert worden wäre bzw. hätte als unzutreffend auffallen müssen. Dass dies nicht der Fall gewesen ist, spricht nach Ansicht des erkennenden Senates dafür, dass der bisherige, über Jahre beibehaltene Vortrag des Klägers der täglichen Löschung der Vortagesumsätze und auf Null-Setzung des Kassenspeichers der zutreffend dargestellte Lebenssachverhalt gewesen ist.

Damit hatte der Kläger nach Ansicht des Senates größtmögliche Manipulationsmöglichkeiten dergestalt, dass er selbst steuern konnte, wann und möglicherweise wie häufig er Kassendaten löschte. Er hatte es so auch in der Hand frei zu bestimmen, in welcher Höhe Betriebseinnahmen in seine Tagesabrechnungen eingeflossen sind.

Das Argument des Klägers, mit seiner Verfahrensweise seien Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen gewesen, weil er dennoch mit fortlaufenden und lückenlosen Z-Bon-Nummern versehene Tagesabrechnungen vorgelegt hat, greift nach den obigen Ausführungen wegen der systembedingten freien und leicht handhabbaren Möglichkeit der Veränderbarkeit des Z-Bon-Zählers der Registrierkasse gerade nicht.

Dass tatsächlich Löschungen am Kassenspeicher vorgenommen worden sind, belegt das Gutachten des Herrn J. Wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, würden der GT-1 Speicher und der GT-2 Speicher parallel laufen, sofern keine Löschungen vorgenommen werden. Da der vom Gutachter ausgelesene GT-1 Speicher einen Wert von 3.100.835,79 und der GT-2 Speicher einen Wert von 79.174,04 auswies, muss der Schluss gezogen werden, dass es tatsächlich Löschungen am Kassenspeicher gegeben hat. Wie der Gutachter Herr J in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 auch überzeugend ausgeführt hat, kann nicht mehr festgestellt werden, wann die letzte (Gesamt-) Löschung erfolgt ist.

Nach Ansicht des erkennenden Senates besteht auch eine Schätzungsbefugnis bezüglich der Bringdienst-/ Außer-Haus-Umsätze dem Grunde nach.

Der Kläger räumt bezüglich der Bringdienstumsätze ein, dass sich nicht mehr nachvollziehen lasse, wie die täglich in einer Summe nachträglich in die elektronische Registrierkasse eingegebenen Außer-Haus-Umsätze ermittelt worden sind, da täglich zahlreiche Bestellungen in einer Summe in die Kasse eingebucht wurden. Der Kläger hatte die Einzeldaten zu den Bestellungen weder gespeichert noch sonst irgendwie nachvollziehbar dokumentiert (Einzeldaten zu den Bringdienstbestellungen wurden programmgesteuert täglich gelöscht durch Einstellung der Kasse "automatische Reorganisation täglich"; die Ermittlung der nachträglich in der elektronischen Kasse erfassten Außer-Haus-Verkäufe war nicht nachprüfbar). Damit kann von einem objektiven Dritten nicht mehr nachvollzogen werden, wie sich die nachträglich in der elektronischen Registrierkasse erfassten Außer-Haus-Umsätze zusammensetzten.

Die von den jeweiligen Fahrern ausgelieferten Bestellungen und die bei den Kunden vereinnahmten Entgelte sind nach dem Vortrag des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter XY abgerechnet worden, der die Außer-Haus-Umsätze dann abends in einer Summe in die Kasse eingegeben hat. Somit hat man diese "gesammelt" und einmal täglich in einer Summe in der Kasse erfasst. Eine Überprüfung der Vollständigkeit der Erfassung der im Prüfungszeitraum erzielten Betriebseinnahmen durch die Außer-Haus-Verkäufe ist durch diese Handhabung vollständig unmöglich.

Da die im Betrieb des Klägers verwendete, nach Ansicht des Senates objektiv manipulierbare Registrierkasse zudem keine Gewähr dafür bietet, dass die erzielten Betriebseinnahmen vollständig der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind, kommt der Gewinnermittlung des Klägers insgesamt nicht die Beweiskraftwirkung des § 158 AO zu. Nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AO berechtigt dies dem Grunde nach zur Schätzung. Da es sich auch bei den Bringdienst-/ Außer-Haus-Umsätzen des Klägers um einen bargeldintensiven Betrieb handelt, ist von einem entsprechenden sachlichen Gewicht auch dieses Buchführungsmangels auszugehen.

Im Rahmen der anzustellenden Gesamtschau ist nach Ansicht des Senates bei der Frage der Schätzungsbefugnis dem Grunde nach zusätzlich als Indiz für das Bestehen einer Schätzungsbefugnis zu berücksichtigen, dass dem Beklagten Kontrollmaterial u.a. für die Jahre 2012 und 2013 über den Wareneinkauf in Form des Getränkeeinkaufs bei der Fa. Z von u.a. Bierfässern, Cola, Ouzo und alkoholfreien Getränken vorgelegen hat, der sich nicht in den vom Kläger gebuchten Wareneinkäufen wiederfinden ließ. Der vom Kläger gebuchte Wareneinkauf (Getränkeeinkauf) ist nach Auffassung des erkennenden Senates damit nicht vollständig erfasst gewesen.

Den vom Kläger diesbezüglich vorgetragenen Einwand, er habe zu keiner Zeit bei der Fa. Z Waren eingekauft und in seinem Betrieb eingesetzt, die nicht als Aufwand verbucht worden seien, und die Fa. Z habe "Abdeckrechnungen unter Nutzung anderer Kundennamen" erstellt, um so Schwarzeinkäufe für Dritte zu ermöglichen, wertet der erkennende Senat aufgrund des gerichtsbekannten Sachverhaltes der Fa. Z und dem Vorliegen von eindeutig auf den Kläger ausgestellten Rechnungen als Schutzbehauptung.

In diesem Zusammenhang kommt der Prüfungsfeststellung der Ap zum Getränkeeinkauf, wonach im Jahr 2013 der Fassbiereinkauf ca. 1.270 Liter ausgemacht habe, während sich in den Prüfungsjahren der vorangegangenen Ap (2001 bis 2003) der Fassbiereinkauf auf rd. 2.400 Liter belaufen habe, eine erhebliche indizielle Bedeutung zu. Dieser "Einbruch" beim Getränkeumsatz auf nahezu die Hälfte des Fassbiereinkaufs der Vorjahre (2001 bis 2003) ist für den Senat weder plausibel zu erklären noch nachvollziehbar. Denn gleichzeitig ist durch die Ap festgestellt worden, dass im Jahr 2013 lediglich 528 Cola- bzw. Fanta Flaschen zu je 0,2 l eingekauft worden waren, was bei 310 Öffnungstagen im Jahr 2013 einen täglichen Verkauf von 1,7 Flaschen à 0,2 l ausgemacht habe. Auch wenn sich das Trinkverhalten der Restaurantgäste in den letzten Jahren durchaus verändert haben kann (weg von alkoholischen Getränken), so überzeugt es den erkennenden Senat keineswegs, wenn insoweit die bloße Behauptung aufgestellt werde, die Restaurantgäste hätten bedeutend weniger getrunken. Der erkennende Senat wertet dieses Argument vielmehr als Anhaltspunkt (Indiz) für eine tatsächlich erfolgte Doppelverkürzung (weder Getränkeeinkauf als Betriebsausgaben noch Getränkeverkauf als Betriebseinnahmen erfasst).

Selbst wenn man unterstellte, das Trinkverhalten der Restaurantgäste hätte sich in den letzten Jahren dergestalt verändert, dass weniger alkoholische Getränke zum Essen verzehrt würden, so erachtet es der Senat als lebensfremd anzunehmen, dass die Restaurantgäste -jedenfalls zum Teil- gar nichts mehr zum Essen getrunken hätten. Lebensnah ist vielmehr anzunehmen, dass gegenläufig der Verbrauch von Softdrinks hätte ansteigen müssen. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Wer in früheren Jahren möglicherweise ein alkoholisches Getränk zum Essen bestellt hat, der bestellt heutzutage ein alkoholfreies Getränk zum Essen. Die Annahme des Klägers, dass in behauptetem Umfang gar kein Getränk mehr zum Essen in einem Restaurant bestellt würde, erachtet der erkennende Senat als lebensfremd.

Der von Klägerseite insoweit erfolgte Hinweis auf die Entwicklung des allgemeinen Bierumsatzes in der Bundesrepublik Deutschland ist schon deshalb weder hilfreich noch aussagekräftig, weil im Sinne einer möglichen Vergleichbarkeit auf das gesamte Trinkverhalten der Bevölkerung abzustellen wäre. Dieses ist nach Ansicht des Senates insbesondere deshalb nicht möglich, weil Aussagen etwa zum Verbrauch von Softdrinks oder zur Frage der Nutzung von Soda Stream und ähnlicher Produkte nach Ansicht des Senates nicht möglich sein dürften.

Das sachliche Gewicht der aufgezeigten Mängel auf der Seite der Einnahmeermittlung im bargeldintensiven Betrieb des Klägers (jederzeit veränderbare Kassenaufzeichnungen; fehlende Nachweise, wie die Kasse im Streitzeitraum programmiert gewesen ist; Verstoß gegen Einzelaufzeichnungspflicht bei Außer-Haus-Verkäufen, nachweislich nicht gebuchte Wareneinkäufe bei Getränken) erachtet der erkennende Senat insgesamt als hinreichend, um die gesamte, der Einnahmeermittlung zugrunde liegende Kassenführung und die Einnahme-Überschuss-Ermittlung des Klägers als nicht ordnungsgemäß zu qualifizieren. Diese kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.

Eine Schätzungsbefugnis i.S.d. § 162 Abs. 2 i.V.m. § 158 AO liegt damit vor.

b. Die vom Beklagten ermittelten Hinzuschätzungsbeträge begegnen nach Auffassung des erkennenden Senates jedoch der Höhe nach Bedenken.

Nach § 162 Abs. 1 S. 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (Beschluss des BFH vom 28.3.2001, VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217 m.w.N.). Die Methodenwahl steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts (Beschluss des BFH vom 3.9.1998, XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Die Methode muss auf zumutbare Weise zum Ergebnis mit der größten Wahrscheinlichkeit führen (Urteil des BFH vom 17.10.2001, I R 103/00, BFH/NV 2002, 134). Eine Schätzung erweist sich erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt.

Wird die Schätzung -wie im Streitfall- wegen Verletzung der Buchführungs- oder Aufzeichnungspflichten erforderlich, so kann sich das Finanzamt an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (Urteile des BFH vom 01.10.1992, IV R 34/90, BStBl. II 1993, 259; vom 29. 3.2001, IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484). Da jede Schätzung gewisse Unsicherheiten enthält, muss der Steuerpflichtige, will er eine abweichende Schätzung herbeiführen, erweisbare Tatsachen oder Erfahrungssätze vortragen, die geeignet sind, zu dem Schluss zu gelangen, dass ein anderer als der von der Finanzbehörde geschätzte Betrag wahrscheinlicher sei (Beschluss des BFH vom 05.02.1993, VIII B 103/92, BFH/NV 1993, 351).

Hinsichtlich der Schätzung der Höhe nach macht der erkennende Senat von der ihm in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO eingeräumten Schätzungsbefugnis Gebrauch und schätzt die Restaurantumsätze des Klägers (brutto) wie folgt:

2011201220132014
Umsatz brutto pro Gast (inkl. Erlösminderung durch Gutscheine)12,50 €10,50 €11,00 €12,00 €
Anzahl Gäste/ Öffnungstag25303030
Durchschnittl. Tagesumsatz brutto312,50 €315,00 €330,00 €360,00 €
Anzahl der Öffnungstage295305310310
Umsatz Restaurant (brutto) lt. Finanzgericht92.187,50 €96.075 €102.300 €111.600 €
Tageseinnahmen (bar, EC) -bisher-23.588,87 €29.122,21 €36.205,89 €65.259,03 €
Zuschätzung brutto lt. Finanzgericht68.589,63 €66.952,79 €66.094,11 €46.340,97 €
Abrundung68.500 €66.900 €66.000 €46.300 €

Der erkennende Senat geht bei seiner Schätzung von einem durchschnittlichen Tagesumsatz in Höhe von 12,50 € im VZ 2011, von 10,50 € im VZ 2012, von 11,00 € im VZ 2013 und von 12,00 € im VZ 2014 aus. Hierbei berücksichtigt der erkennende Senat insbesondere die glaubhaften Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass die Verwendung von Essensgutscheinen des Typs 1 ab dem Jahr 2011 und die Verwendung von Essensgutscheinen des Typs 2 verstärkt ab dem Jahr 2012 zum Einsatz gelangt sind. Dies hat nach Ansicht des Senates dazu führen müssen, dass der Bruttoumsatz pro Gast (inklusive der Erlösminderung durch eingesetzte Gutscheine) als Ausgangsgröße geringer anzunehmen war, als es die Ap und ihr folgend der Beklagte getan hatte (lt. Ap: 15,00 € im VZ 2011 und 12,50 € in den VZ 2012 bis 2014).

Die Anzahl der Gäste pro Öffnungstag schätzt der erkennende Senat für den VZ 2011 auf 25 Personen und in den VZ 2012 bis 2014 auf jeweils 30 Personen. Bei dieser Schätzung der Anzahl der Gäste pro Öffnungstag berücksichtigt der erkennende Senat insbesondere die vom Kläger selbst durch Gästezählung in den Monaten September 2017 und Oktober 2017 ermittelte und auch seiner eigenen Gegenkalkulation (Bl. 182 der GA, Band 1) zugrunde gelegte Gästeanzahl von 30 Gästen pro Öffnungstag. Von einer pauschalen Herabsetzung der Gästeanzahl pro Öffnungstag für Vorjahre (2011 bis 2014) hat der erkennende Senat abgesehen, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, dass er im Streitzeitraum immer 48 bis 50 Plätze im Restaurant vorgehalten hatte. Eine Auslastung von ca. 2/3 der im Restaurant vorhandenen Platzkapazitäten erachtet der erkennende Senat vorliegend für angemessen und lebensnah. Eine tägliche Vollauslastung der vorhandenen Plätze erscheint weder lebensnah noch sachgerecht und verhältnismäßig, auch wenn zuzugeben ist, dass ein Platz im Restaurant mehrfach je Öffnungstag vergeben werden kann.

Durch Multiplikation des Bruttoumsatzes pro Gast mit der Gästeanzahl pro Öffnungstag ergibt sich hiernach ein durchschnittlicher Tagesumsatz (brutto) von 312,50 € im VZ 2011, von 315,00 € im VZ 2012, von 330,00 € im VZ 2013 und von 360,00 € im VZ 2014. Den durchschnittlichen Tagesumsatz (brutto) hat der erkennende Senat dann mit der Anzahl der Öffnungstage (VZ 2011: 295, VZ 2012: 305, VZ 2013 und VZ 2014: 310) multipliziert, die die Ap anhand der Buchungen des Klägers (Kasse/Erlöse 19%) ermittelt hatte und die vom Kläger nicht in Frage gestellt worden sind. Als Produkt hieraus ergibt sich ein Brutto-Restaurantumsatz für 2011 i.H.v. 92.187,50 €, für 2012 i.H.v. 96.075 €, für 2013 i.H.v. 102.300 € und für 2014 i.H.v. 111.600 €. Nach Abzug der -unstreitigen- bisherigen Tageseinnahmen von 23.588,87 € im VZ 2011, 29.122,21 € im VZ 2012, 36.205,89 € im VZ 2013 sowie 95.295,03 € im VZ 2014 ergibt sich ein vom erkennenden Senat ermittelter Hinzuschätzungsbetrag (brutto), der sich -auf volle 100 € abgerundet- auf 68.500 € im VZ 2011, auf 66.900 € im VZ 2012, auf 66.000 € im VZ 2013 sowie auf 46.300 € im VZ 2014 beläuft.

Der erkennende Senat erachtet die Methode der Hinzuschätzung anhand eines durchschnittlichen Tagesumsatzes bei den vorliegenden Sachverhaltsumständen (mangelnde Gewähr und Überprüfbarkeit der Vollständigkeit der Betriebseinnahmen, Verwendung einer objektiv manipulierbaren Registrierkasse, keine Gewähr der Vollständigkeit des Wareneinkaufs) als grobe, aber noch geeignete Schätzungsmethode.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ausweislich der für die Zeit von 2011 bis September 2014 gültigen vorliegenden Speisekarte für das Restaurant das günstigste alkoholfreie Getränk (Wasser 0,25 l) 1,90 € und Reis- und Pfannengerichte zwischen 7,90 € bis 8,90 €, vegetarische Gerichte zwischen 8,90 € bis 9,50 €, Hähnchengerichte zwischen 10,90 € bis 11,20 €, Lammgerichte zwischen 11,50 € bis 11,90 €, Fischgerichte zwischen 12,50 € bis 13,50 € und Thalis pro Person zwischen 14,90 € und 17,90 € gekostet haben. Ausgehend von der Annahme, dass jeder Gast mindestens ein Getränk und ein Gericht pro Restaurantbesuch verzehrt, sind die vom Senat zugrunde gelegten durchschnittlichen Tagesumsätze 12,50 € im VZ 2011, von 10,50 € im VZ 2012, von 11,00 € im VZ 2013 und von 12,00 € im VZ 2014 unter Berücksichtigung des Klägervortrags, dass ab 2011 bzw. 2012 vermehrt Restaurantgutscheine zum Einsatz gebracht worden sind, als angemessen anzusehen.

Im Rahmen der Schätzung der (Brutto-) Umsätze je Gast ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst mit Schriftsatz vom 21.11.2017 durchschnittliche Umsätze je Gast von 25,10 € (brutto) in 2017 bzw. späterhin für September 2017 mit 12,85 € und für Oktober 2017 mit 14,42 € angegeben hat. Für 2016 hat er einen durchschnittlichen Betrag über 14,48 € errechnet.

Auch erscheint dem erkennenden Senat die durchschnittliche Annahme von 25 Gästen (VZ 2011) und 30 Gästen (VZ 2012 bis VZ 2014) je Öffnungstag nicht als überhöht.

Nach Ansicht des erkennenden Senates kann das vom Kläger vorgelegte Gutachten der H-GmbH einer im Streitfall vorzunehmenden Schätzung nicht zugrunde gelegt werden. In diesem Gutachten ist bereits ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Informationen aus dem Rechnungswesen des Klägers nur eingeschränkt belastbar sind, weshalb in diesem Gutachten zur Herleitung der Umsätze/ Erlöse Informationen aus historischen Umsatzentwicklungen herangezogen worden seien, insbesondere frei verfügbare Brancheninformationen des statistischen Bundesamtes sowie Jahresabschlüsse des Klägers, die im Rahmen der Vor-Ap ohne Beanstandung geblieben waren und daher als uneingeschränkt belastbar angesehen worden seien. Daher geht das Gutachten H von einer Vielzahl von pauschalen (insbesondere) statistischen Annahmen, Schätzungen und Prognosen aus. Als feste Bezugsgröße sind lediglich der Jahresabschluss 2002 (als letzter der Ap unterlegene Jahresabschluss) sowie die tatsächlich vom Kläger gemeldeten Umsatzerlöse des Jahres 2016 (134.671 €) zugrunde gelegt worden. Für die dazwischenliegenden Jahre ist eine Fortschreibungsmethodik angewandt bzw. eine Rückrechnung durchgeführt worden.

Der erkennende Senat hat sowohl gegen die Systematik der Fortschreibung bzw. der Rückrechnung von Umsätzen als solche als auch bezüglich der gewählten Bezugsgrößen erhebliche Bedenken, diese als Grundlage für eine Schätzung heranzuziehen. Zum einen betreffen die Jahre, aus denen die Bezugsgrößen im Gutachten H stammen, nicht den Streitzeitraum. Zum anderen sind die vom Kläger gemeldeten Umsatzerlöse des Jahres 2016 zugrunde gelegt worden, bei denen nicht feststeht, ob der Ermittlung dieser Umsatzerlöse eine ordnungsgemäße (objektiv nicht manipulierbare) Kasse zugrunde liegt. Nach Angaben des Klägers hat dieser die vom Senat als objektiv manipulierbar eingestufte Registrierkasse bis ins Jahr 2017 eingesetzt. Das Vorgehen im Gutachten H erachtet der Senat daher insgesamt nicht als geeignetere Schätzungsmethode als die der vom Senat angewandten Schätzung anhand eines durchschnittlichen Tagesumsatzes.

Nach Ansicht des erkennenden Senates ist vorliegend angesichts der vielfältigen Mängel (s.o.) keine andere Schätzungsmethode geeigneter als die vom Senat angewandte Methode der Schätzung anhand eines durchschnittlichen Tagesumsatzes.

Ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode besteht nicht (Beschluss des BFH vom 03.09.1998, XI B 209, 95, BFH/NV 1999, 290 [BFH 03.09.1998 - XI B 209/95]).

Eine -wie vom Kläger vorgeschlagene- Schätzung aufgrund eines Zeitreihenvergleichs auf der Basis der Folgejahre scheidet nach Auffassung des erkennenden Senates aus. Die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs können nur dann einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden, wenn andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, nicht sinnvoll einsetzbar sind (Urteil des BFH vom 25.03.2015, X R 20/13, BStBl. II 2015, 743). Die vorliegend gewählte Schätzungsmethode nach durchschnittlichen Tagesumsätzen des Klägers ist als Methode, die auf betriebsinternen Daten des Streitzeitraumes aufbaut und die individuellen Verhältnisse des Klägers berücksichtigt, grundsätzlich gegenüber dem vom Kläger vorgeschlagenen Zeitreihenvergleich auf der Basis der Folgejahre als vorzugswürdig einzustufen, zumal in vorliegendem Fall nicht nur keine Gewähr für die Vollständigkeit der erfassten Betriebseinnahmen gegeben ist, sondern auch Nachweise in Form von Rechnungen für eine nicht vollständige Erfassung des Wareneinkaufs vorliegen, was entsprechenden Einfluss auf die für einen Zeitreihenvergleich erforderlichen Betriebseinnahmen und den erforderlichen Wareneinsatz besitzt. Zudem erscheint dem erkennenden Senat ein Zeitreihenvergleich deshalb nicht als sachgerecht, weil der Kläger im Streitzeitraum Restaurantumsätze in Form von Gutscheinumsätzen des Typs 2 erzielt hat, die er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 regelmäßig zwar zeitnah bei dem den Gutschein ausgebenden Unternehmen eingereicht hat, er aber die als Betriebseinnahmen zu erfassenden Zahlungen regelmäßig erst 1 bis 2 Wochen später erhalten hat. Die zeitversetzte Zahlung der Betriebseinnahmen würde beim Zeitreihenvergleich zu fehlerhaften Ergebnissen führen. Auch vor diesem Hintergrund scheidet diese Schätzungsmethode nach Ansicht des Senates aus.

Die Hinzuschätzungen für die Bringdienst-/ Außer-Haus-Umsätze des Restaurants begrenzt der erkennende Senat der Höhe nach pauschal auf die Hälfte der bisher hinzugeschätzten Beträge zu den vom Kläger erklärten Umsätzen zu 7%:

2011201220132014
Hinzuschätzung (abgerundet) lt. Ap (10% der Umsätze)13.000 €15.000 €16.000 €20.000 €
Pauschale Hinzuschätzung lt. Finanzgericht (netto)6.500 €7.500 €8.000 €10.000 €

Die Höhe der vom erkennenden Senat erfolgten Hinzuschätzungen zu den vom Kläger erklärten Umsätzen zu 7% beruht auf einer griffweisen Schätzung.

Die Höhe der von der Ap hinzugeschätzten Beträge von 10% der vom Kläger erklärten Umsätze zu 7% war nach Ansicht des Senates auf 50% der von der Ap getätigten Hinzuschätzungen zu begrenzen, weil ein nicht unerheblicher Anteil der Bringdienst-/Außer-Haus-Umsätze mittels EC-/Kreditkarte und damit unbar bezahlt worden ist und im Rahmen der Ap keine Feststellungen hinsichtlich nicht erfasster Bringdienstumsätze mittels unbarer Zahlungen getroffen worden sind. Nach Ansicht des Senates ist der Prozentsatz der Betriebseinnahmen, die nicht in der Kasse erfasst worden sind, aufgrund der mittels EC-/Kreditkarte bezahlten Umsätze deutlich geringer als 10% der erklärten Umsätze anzusetzen. Unter Berücksichtigung der erfolgten EC-/Kreditkartenzahlungen waren die von der Ap vorgenommenen Hinzuschätzungen für die Bringdienst-/Außer-Haus-Umsätze auf die Hälfte zu reduzieren.

Nach Ansicht des erkennenden Senates sind die verbleibenden Hinzuschätzungen von (netto) 6.500 € (2011), von 7.500 € (2012), von 8.000 € (2013) und von 10.000 € (2014) der Höhe nach gerechtfertigt, denn für den Kläger wäre es ein Leichtes gewesen, die einzelnen Bestellungen der Streitjahre als Ursprungsaufzeichnungen seiner Buchführung aufzubewahren und damit seiner auch im Rahmen der Bringdienst-/Außer-Haus-Umsätze bestehenden Einzelaufzeichnungspflicht zu genügen. Diese Pflicht hat der Kläger nach Ansicht des Senates in erheblichem Maße verletzt mit der Folge, dass ein objektiver Dritter keinerlei Überprüfungsmöglichkeit bzgl. der Vollständigkeit der Betriebseinnahmen aus den Bringdienst-/Außer-Haus-Umsätzen hatte; und dies bei dem Umstand, dass der Kläger insgesamt 9 (!) verschiedene Bringdienste im Streitzeitraum betrieben hat.

Bereits die in der Zeit vom 11.04.2005 bis 20.12.2005 für die VZ 2001 bis 2003 beim Kläger durchgeführte Vorprüfung hatte festgestellt, dass der Kläger die Bringdienstumsätze nur summarisch ermittelt hatte und die Einnahmenermittlung aus dem Bringdienst nicht nachvollziehbar war, weil die Ursprungsaufzeichnungen nicht aufbewahrt worden waren. Damit ist der Kläger seiner Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung der Bringdienstumsätze wiederholt und in besonders grobem Maße nicht nachgekommen. Die sich hieraus für die Finanzverwaltung ergebenden Nachteile (keine Überprüfungsmöglichkeit der Bringdiensterlöse) waren dem Kläger aus der Vorprüfung, die bereits für das Jahr 2002 zu Erlöshinzuschätzungen geführt hatte, durchaus bekannt.

An dieser Stelle ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die vom Kläger erzielten Erlöse aus den Bringdiensten im Verhältnis zu den Gesamterlösen keinesfalls von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.

Ein pauschaler Sicherheitszuschlag zu den (erklärten) Einnahmen -wie im Streitfall- ist eine griffweise Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss (Urteile des BFH vom 26.10.1994, X R 114/92, BFH/NV 1995, 373; vom 07.02.2017, X B 79/16, BStBl. II 2017, 774). Nach Ansicht des erkennenden Senates steht der nunmehr "halbierte" Sicherheitszuschlag in einem vernünftigen Verhältnis zu den vom Kläger erklärten Betriebseinnahmen der Bringdienst- und Außer-Haus-Umsätze. Unter Berücksichtigung des Maßes der nachhaltigen Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten (insbesondere der nachhaltig verletzten Einzelaufzeichnungspflicht im Rahmen der Außer-Haus-Umsätze zu 7% USt) erscheint es dem erkennenden Senat gerechtfertigt, einen Sicherheitszuschlag in der tenorierten Höhe (der im Ergebnis unter 5% der erklärten Umsätze liegt) vorzunehmen (vgl. Urteil des BFH vom 15.04.2015, VIII R 49/12, juris m.w.N.). An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Kläger trotz Kenntnis seiner nicht ordnungsgemäßen Kassenführung (aus der Vorprüfung im Jahr 2005) und trotz erhaltener Hinweise zu einer ordnungsgemäßen Kassenführung durch die im April 2015 durchgeführte Umsatzsteuer-Nachschau seine Kassenführung niemals umgestellt, sondern die Kasse weiterhin in bisheriger, bereits von der Vor-Ap beanstandeten Weise fortgeführt hat, wohl wissend aufgrund der Ergebnisse der Vor-Ap, dass seine bisherige Kassenführung nicht ordnungsgemäß ist und bereits von der Vor-Ap mit dem Ergebnis pauschal vorgenommener Hinzuschätzungen beanstandet worden war.

Die gewonnenen Schätzungsergebnisse (sowohl betreffend die Hinzuschätzungen zu den Restaurantumsätzen -19% USt- als auch die Hinzuschätzungen bei den Bringdienst- und Außer-Haus-Umsätzen -7% USt-) erachtet der Senat vor dem Hintergrund der nachhaltigen und gravierenden Verletzung der Mitwirkungspflichten des Klägers insgesamt als schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig.

4. Investitionsabzugsbetrag 2014

Die Ap hatte den Abzug des Investitionsabzugsbetrags für 2014 versagt, weil die betrieblichen Größenmerkmale überschritten worden waren (§ 7 g Abs. 1 Nr. 1c EStG).

Gemäß § 7g Abs. 1 Nr. 1c EStG können Investitionsabzugsbeträge nur in Anspruch genommen werden, wenn bei Gewerbebetrieben, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem die Abzüge vorgenommen werden, ohne Berücksichtigung der Investitionsaufträge einen Gewinn von 100.000 € nicht überschreitet.

Der steuerliche Gewinn beläuft sich am Schluss des Wirtschaftsjahres 2014 inkl. der vom Finanzgericht vorgenommenen Hinzuschätzungen auf 93.866,69 €:

Beträge in € (Bruttobeträge)2014
Wert vor Ap28.158
Zuschätzung 19% (brutto)46.300
Zuschätzung 7% (brutto)10.700
Zuschätzung WEK./. 8.000
Z nicht gebuchte Rechnungen./. 272,08
Warenentnahmen 19%2.059,89
Warenentnahmen 7%1.697,02
Privatanteil Kfz3.554,22
Sonstige Raumkosten1.491,71
Nicht korrekt gebuchte Rechnungen8.249,93
Gewinn/Gewerbeertrag lt. Finanzgericht93.866,69

Damit ist das Größenmerkmal des § 7g Abs. 1 Nr. 1c EStG nicht überschritten und der Investitionsabzugsbetrag in 2014 i.H.v. 4.000 € zu gewähren.

5. Keine Schlussbesprechung

Der Einwand des Klägers, eine Schlussbesprechung habe nicht stattgefunden, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide.

Selbst wenn das Verhalten des Klägers im Sinne eines konkludenten Verzichts durch Nichtwahrnehmung dreier angebotener Termine zur Schlussbesprechung sowie die Durchführung einer Schlussbesprechung von Bedingungen abhängig zu machen, keinen Anlass für das Absehen von einer Schlussbesprechung geboten hätte, so begründete eine nicht durchgeführte Schlussbesprechung grundsätzlich zwar eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Insoweit ist dieses aber durch die vom Steuerpflichtigen im Rahmen des gegen die im Anschluss an die Ap ergangenen Änderungsbescheide geführten außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren möglichen und auch vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten wahrgenommenen Ausführungen (tatsächlicher und rechtlicher Art) gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO geheilt.

Das Unterlassen einer Schlussbesprechung führt demzufolge nicht ohne weiteres zur Fehlerhaftigkeit der aufgrund einer Ap erlassenen Steuerbescheide. Insbesondere hängt die Verwertung der während einer Ap ermittelten Tatsachen nicht vom Abhalten einer Schlussbesprechung ab (vgl. Beschluss des BFH vom 15.12.1997, X B 182/96, BFH/NV 1998, 811).

Die Ap hatte der steuerlichen Beraterin des Klägers mit Schreiben vom 21.12.2016 die Prüfungsfeststellungen und Berechnungsgrundlagen erläutert. In der Besprechung an Amtsstelle am 22.05.2017 sowie in dem Schreiben vom 23.05.2017 sind weitere Erläuterungen zu den von der Ap festgestellten Aufzeichnungsmängeln, zur Schätzungsbefugnis des Beklagten und zu den Berechnungsgrundlagen der Zuschätzung erfolgt. In dem Schreiben vom 23.05.2017 bot der Beklagte drei Termine (06.06.2017, 07.06.2017 und 12.06.2017) für die Durchführung einer Schlussbesprechung an und teilte gleichzeitig mit, dass die Nichtwahrnehmung der angebotenen Termine als Verzicht im Sinne des § 201 Abs. 1 Satz 1 AO gewertet würde (Bl. 1059 bis 1061 der Ap-AA zu AB-Nr. 5482-05/15, Bd. V).

Die Ap fertigte den Prüfungsbericht am 19.06.2017 (Bl. 1123 bis 1187 der Ap-AA zu AB-Nr. 5482-05/15, Bd. V) aus, nachdem der Kläger die Durchführung einer Schlussbesprechung von Bedingungen abhängig gemacht hatte, die nach zutreffender Auffassung des Beklagten darauf abgezielt haben, den zeitnahen Abschluss der Ap zu verhindern (u.a. Antrag auf Aktenkundigmachung und Akteneinsicht sowie Antrag auf Durchführung einer Inaugenscheinnahme dahingehend, dass die Ap 2 Wochen vor Ort im Betrieb durchgeführt werde als Beweis dafür, dass nicht täglich 500 € vom Kläger erwirtschaftet würden). Nach Ansicht des erkennenden Senates hat der Beklagte zutreffend von einem konkludenten Verzicht auf die Schlussbesprechung ausgehen können und dürfen.

Überdies konnte das im Rahmen einer Schlussbesprechung zu gewährende rechtliche Gehör bis zum Ende des Klageverfahrens nachgeholt und ein (möglicher) Verfahrensfehler dadurch geheilt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 AO).

Auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 127 AO kann allein wegen einer -auch zu Unrecht- unterbliebenen Schlussbesprechung die Aufhebung der im Anschluss an die Ap ergangenen Steuerbescheide nicht beansprucht werden (Beschluss des BFH v. 24.08.1998, III S 3/98, BFH/NV 1999, 436).

6. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb bzw. der Gewerbeertrag des Klägers ermittelt sich damit in den Streitjahren wie folgt:

Beträge in €2011201220132014
Wert vor Ap./. 4.663,0017.742,005.663,0028.158
Zuschätzung 19% (brutto)68.50066.90066.00046.300
Zuschätzung 7% (brutto)6.9558.0258.56010.700
Zuschätzung WEK./. 3.000./. 5.000./. 1.000./. 8.000
Z nicht gebuchte Rechnungen./. 1.342,72./. 147,11./. 272,08
Warenentnahmen 19%2.366,912.438,311.983,732.059,89
Warenentnahmen 7%1.194,121.229,431.633,891.697,02
Privatanteil Kfz4.795,372.896,384.733,133.554,22
Rechnung Fa. O9.748,48
Sonstige Raumkosten./. 4.061,211.419,71
`Verkauf Citroen350,00
Fahrten Wohnung Betrieb347,04
Nicht korrekt gebuchte Rechnungen8.249,93
Gewinn/Gewerbeertrag lt. FG82.532,7192.888,4087.426,6493.866,69

Die Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19% belaufen sich auf:

Beträge in €2011201220132014
Wert vor Ap33.39253.31441.67479.671
Zuschätzungen (netto)57.563,0356.218,4955.462,1838.907,56
Verkauf PKW Citroen294
Umsätze aus Fassadensanierung9.4291.163
Umsätze Gutschein Typ 2 etc. (bisher als 7%-Umsätze gebucht)2.60713.374
Wert für USt (netto) -lt. FG-100.678,03113.302,49110.510,18118.578,56

Die Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 7% belaufen sich auf:

Beträge in €2011201220132014
Erlöse 7% netto vor Ap133.504153.798165.406192.349
Pauschale Hinzuschätzung lt. Finanzgericht (netto)6.5007.5008.00010.000
Umsätze Gutscheine Typ 2./. 2.899./. 14.874
Wert für USt (netto) -lt. FG-140.004158.399158.532202.349

II. Die Berechnung der nach alledem neu festzusetzenden Steuern und Steuermessbeträge wird dem Beklagten aufgegeben, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

III. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wurde gemäß § 139 Abs. 3 FGO für notwendig erklärt.