Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.02.1986, Az.: 17 OVG B 16/85
Rechtmäßigkeit der Verpflichtung eines Polizeivollzugsbeamten zum Tragen der Dienstkleidung bei Personalratstätigkeit; Freistellung von der dienstlichen Pflicht zum Tragen der Dienstkleidung; Abgrenzung zwischen personalvertretungsrechtlicher und beamtenrechtlicher Streitigkeit; Zuständigkeit der besonderen Spruchkörper für personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.02.1986
- Aktenzeichen
- 17 OVG B 16/85
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 20023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:0219.17OVG.B16.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 19.06.1985 - AZ: PB VG 5/84
- nachfolgend
- BVerwG - 18.12.1986 - AZ: BVerwG 6 PB 18.86
Rechtsgrundlagen
- § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG
- § 40 Abs. 1 VWGO
Verfahrensgegenstand
Tragen der Dienstkleidung bei Personalratstätigkeit
In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
im Termin zur Anhörung am 19. Februar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski und
die ehrenamtlichen Richter Oberregierungsrätin Knief,
Postoberamtsrat Lange,
Angestellter Sandberg und
Zollbetriebsinspektor Schwarzek
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Personalvertretungssachen - vom 19. Juni 1985 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller und der Beteiligte streiten darüber, ob zu Personalratsmitgliedern gewählte Polizeivollzugsbeamte im Bundesgrenzschutz - BGS - bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem BPersVG - Dienstkleidung (Uniform) zu tragen Haben.
Der Beteiligte wies mit seinem auch dem Antragsteller übermittelten Schreiben vom 8. Februar 1984 auf die seiner Ansicht nach bestehende Rechtslage hin, daß Personalratsmitglieder nicht von der für alle Polizeivollzugsbeamten im BGS geltenden dienstlichen Pflicht zum Tragen der Dienstkleidung freigestellt seien; auch das Recht zur Versäumung von Arbeitszeit nach § 46 Abs. 2 BPersVG und die Freistellung nach § 46 Abs. 3 BPersVG bedeuteten nur, daß das Personalratsmitglied von seinen eigentlichen Fachaufgaben freigestellt werde.
Nachdem der Antragsteller dieser Ansicht entgegengetreten und eine Einigung nicht zu erzielen war, hat der Antragsteller die Fachkammer angerufen und geltend gemacht: Personalratsmitglieder könnten selbst bestimmen, wie sie ihre Personalratstätigkeit verrichteten. Der Personalrat sei ein dem Dienststellenleiter prinzipiell gleichgestelltes Organ. Daher könnten Mitglieder dieses Organs nicht verpflichtet sein, Dienstkleidung zu tragen. In der Dienstkleidung komme der Dienstrang, die Vorgesetztenstellung zum Ausdruck. Personalratsmitglieder, deren Uniform einen höheren Dienstrang anzeige, würden von den ratsuchenden Polizeivollzugsbeamten als Dienstvorgesetzte empfunden. Personalratsmitgliedern, deren nachgeordneter dienstlicher Rang in der Uniform zum Ausdruck komme, erweckten bei dem Beteiligten den Eindruck, er könne ihnen Anweisungen erteilen. Der zuständige Kommandeur habe seinen - des Antragstellers - stellvertretenden Vorsitzenden, der ganz vom Polizeivollzugsdienst für die Personalratstätigkeit freigestellt sei, bereits zum Tragen der Uniform schriftlich aufgefordert.
Auf dessen Widerspruch hin sei von der Durchsetzung der Aufforderung abgesehen worden. Auch im Falle seines ganz freigestellten Vorsitzenden solle der Ausgang dieses Verfahrens abgewartet werden. Da der angerufene Spruchkörper zuständig sei, werde ein Verweisungs- oder Abgabeantrag nicht gestellt.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, daß Polizeivollzugsbeamte, die Mitglieder der Personal Vertretung sind, soweit sie Aufgaben und Befugnisse nach dem BPersVG wahrnehmen, zum Tragen der Dienstkleidung nicht verpflichtet sind.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat geltend gemacht: Es liege keine personalvertretungsrechtliche, sondern eine beamtenrechtliche Streitigkeit, vor. Gegenüber den einzelnen Personalratsmitgliedern werde nur ihre beamtenrechtliche Pflicht zum Tragen von Dienstkleidung aktualisiert. Der Antragsteller mache geltend, daß diese beamtenrechtliche Pflicht durch die personalvertretungsrechtliche Stellung der Personalratsmitglieder eingeschränkt sei. In Wirklichkeit würden die Mitglieder des Antragstellers in der Ausübung ihrer Befugnisse nicht beeinträchtigt. Sie seien wie die anderen Polizeivollzugsbeamten zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet.
Mit Beschluß vom 19. Juni 1985 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Zuständigkeit der besonderen Spruchkörper für personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten sei nicht gegeben. Denn es gehe nicht um eine Streitigkeit über die Rechtsstellung der Personal Vertretung gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG; Gegenstand dieses Verfahrens sei nur, welche Folgen sich aus einem personalvertretungsrechtlichen Sachverhalt für die Dienstpflicht der in den Antragsteller gewählten Polizeivollzugsbeamten im BGS ergäben. Darüber sei gemäß § 40 Abs. 1 VWGO von den Verwaltungsgerichten nach den für Klagen aus dem Beamtenverhältnis allgemein geltenden Vorschriften zu entscheiden. Denn Inhalt und Grenzen der allgemeinen Dienstpflicht für Polizeivollzugsbeamte im BGS, Dienstkleidung zu tragen, seien von diesen Gerichten nach den für Klagen aus dem Beamtenverhältnis allgemein geltenden Vorschriften zu bestimmen. Deshalb könne offenbleiben, ob der Antragsteller den verfolgten Anspruch anstelle der einzelnen Personalratsmitglieder überhaupt geltend machen könne, da es um den Inhalt und die Grenzen der Dienstpflicht der einzelnen freigestellten Mitglieder gehe.
Gegen den ihm am 17. Juli 1985 zugestellten Beschluß richtet sich die am 12. August 1985 eingelegte und zugleich begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses festzustellen, daß Polizeivollzugsbeamte, die Mitglieder der Personalvertretung, sind, soweit sie Aufgaben und Befugnisse aus dem BPersVG wahrnehmen, zum Tragen der Dienstkleidung nicht verpflichtet sind.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beteiligten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil für ihn die Zuständigkeit der besonderen Spruchkörper für personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten nicht gegeben ist.
Gegenstand des Streits ist, wie der Antragsteller selbst einräumt, die Frage, inwieweit die beamtenrechtliche Pflicht zum Tragen der Dienstkleidung, auch für die Mitglieder von Personalvertretungen gilt. Es geht danach um die allgemeine Frage, welche Folgen sich aus einem personalvertretungsrechtlichen Sachverhalt für die Dienstpflicht des Personalratsmitglieds ergeben. Darüber haben aber gemäß § 40 Abs. 1 VwGO, § 126 BRRG die Verwaltungsgerichte nach den für Klagen aus dem Beamtenverhältnis allgemein geltenden Vorschriften zu entscheiden. Es liegt insoweit nicht anders als bei Streitigkeiten um die beamtenrechtliche Beurteilung eines teilweise freigestellten Personalratsmitglieds (BVerwG, Urt. v. 12.12.1979 - 6 P 67.78 -, PersV 1981, 289), um den Anspruch eines Personalratsmitglieds auf Freizeitausgleich nach § 46 Abs. 2 BPersVG(BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 - 2 C 43.78 -, PersV 1982, 63) oder um die Anerkennung von Wegzeiten zu Personalratssitzungen als Dienstzeit (BVerwG, Beschl. v. 10.9.1982 - 6 P 6.81 -, DokBer 1983 B S. 18). In all diesen Fällen handelt es sich nicht um Streitigkeiten, die sich allein und ausschließlich aus der Rechtsstellung von Personalratsmitgliedern ergeben; vielmehr ist zu entscheiden, inwieweit allgemein dienstrechtliche Rechte und Pflichten von Personalratsmitgliedern durch ihre Rechtsstellung modifiziert werden. Solche dienst - oder arbeitsrechtlichen Folgen aus dem Personalratsamt werden von der Rechtswegzuweisung des § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG nicht erfaßt (Lorenzen/Haas/Schmidt, BPersVG, 4. Aufl., § 83 RdNr. 28; Fischer/Goeres, GKÖD Bd. V § 83 BPersVG, RdNr. 4, 23). Das ist auch sinnvoll, weil es sonst zu einer unzuträglichen Überschneidung der Rechtswege käme. Wie der Antragsteller selbst vorträgt, ist gegenüber mehreren Mitgliedern von Personal Vertretungen im BGS bereits die Anordnung ergangen, Dienstkleidung zu tragen, und von diesen Mitgliedern mit Widersprüchen angefochten worden. Zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen sind nach Abschluß des Widerspruchsverfahrens gemäß § 40 Abs. 1 VwGO die allgemeinen Verwaltungsgerichte berufen, mit deren Kompetenz die Eröffnung eines weiteren Rechtsweges zu den Fachspruchkörpern für die gleiche Streitfrage unvereinbar wäre.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen, weil der Antragsteller auch in der zweiten Instanz einen Verweisungsantrag nicht gestellt hat.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Sandberg
Lange
Knief
Schwarzek