Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.03.2012, Az.: 1 Ss 205/11

Irrtum über Erlaubnispflicht zum Betreiben von Bankgeschäften als ein Tatbestandsirrtum

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.03.2012
Aktenzeichen
1 Ss 205/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 39512
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2012:0326.1SS205.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 12.09.2011

Fundstellen

  • StraFo 2014, 81-82
  • wistra 2014, 114-116

Amtlicher Leitsatz

1. Bei dem Erfordernis einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.

2. Das Merkmal des Handelns "ohne Erlaubnis" in § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist Teil des objektiven Tatbestandes und muss vom Vorsatz umfasst sein.

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision des Angeklagten zu entscheiden hat.

4. Die durch die Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Das Amtsgericht Cloppenburg hatte den Angeklagten am 4. November 2010 wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 250,00 € verurteilt.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Oldenburg - 13. kleine Strafkammer - mit Urteil vom 12. September 2011 - unter Verwerfung des durch den Angeklagten ebenfalls eingelegten Rechtsmittels - das Urteil des Amtsgerichts dahingehend geändert, dass es den Angeklagten wegen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften in 416 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 250,00 € verurteilt hat.

Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten, jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Während die Staatsanwaltschaft mit ihrem auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, zuungunsten des Angeklagten erhobenen Rechtsmittel die Höhe der Einzelstrafen wie auch der Gesamtstrafe als unangemessen milde rügt, erstrebt der Angeklagte mit seiner Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang.

Die zulässige Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

I. Revision des Angeklagten

Mit Erfolg wendet sich der Angeklagte gegen die Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften in 416 Fällen.

Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch nicht.

Hinsichtlich des äußeren Tatbestandes verweist das landgerichtliche Urteil auf die mit den Feststellungen der Strafkammer übereinstimmenden Ausführungen des Amtsgerichts auf den Seiten 3 bis 11 (UA S. 3 unter II.). Danach hat der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 3. Januar 2006 und dem 22. April 2009 416 im Einzelnen bezeichnete schriftliche Darlehnsverträge abgeschlossen. Welche der Verträge tatsächlich zur Durchführung gelangten, hat das Amtsgericht offengelassen und lediglich festgestellt, dass die Verträge "zum ganz überwiegenden Teil - insbesondere allerdings nicht die Verträge zu den laufenden Nummern 258, 315, 317 und 350 - auch zur Durchführung gelangten" (UA AG S. 3). Ebenso hat das Amtsgericht dem Angeklagten konzediert, dass es bei einigen der Verträge lediglich um die Kreditierung eigenen Absatzes gegangen sei und damit erlaubnisfreie (vgl. BFS- Schäfer, KWG, 3. Aufl., § 32 Rz. 5d) Eigengeschäfte vorlagen (UA AG S. 12).

Wie das Landgericht, das anders als das Amtsgericht von Realkonkurrenz ausgegangen ist (UA S. 4, unter V.), im Hinblick auf diese Feststellungen zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte habe in 416 Fällen ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Bankgeschäfte betrieben, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Feststellungen der Strafkammer erweisen sich damit als lückenhaft.

Darüber hinaus vermögen die Feststellungen die Annahme von Realkonkurrenz nicht zu begründen. Der vom Landgericht dazu herangezogene, vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall (Beschluss vom 23.08.2006, 5 StR 105/06, bei juris) betraf Verstöße gegen § 34 Abs. 4 AWG, teilweise in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG. Die Straftaten nach dem AWG standen zueinander in Realkonkurrenz, so dass die durch dieselbe Handlung begangenen und mit geringerer Strafe bedrohten Taten nach dem KWG das Konkurrenzverhältnis nicht zu bestimmen vermochten. Bei - isoliertem - Verstoß gegen § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG wird es sich in der Regel um ein einheitliches Organisationsdelikt handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 26.08.2003, 5 StR 145/03, NJW 2004, 375, Erbs/Kohlhaas-Häberle, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Juni 2011, § 54 KWG, Rn. 15; Peglau, Konkurrenzfragen des § 54 KWG, wistra 2002, 292, 293).

Dazu, wie dies im hier zu entscheidenden Fall zu entscheiden ist, enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen.

Auch die Ausführungen des Landgerichts zur inneren Tatseite begegnen durchgreifenden Bedenken.

Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Begehungsweise gemäß § 54 Abs. 1 KWG verurteilt. Es hat die Einlassung des Angeklagten, er habe schlicht nicht gewusst, dass diese Art der Verträge in diesem Umfang erlaubnispflichtig sei, er sei auch weder von seinem Rechtsanwalt im Zusammenhang mit den Aktivitäten um die Umsatzsteuerbefreiung hinsichtlich der Kreditgeschäfte noch seitens des Finanzamtes und der refinanzierenden Banken darauf hingewiesen worden (UA S. 4, unter III.), als nicht widerlegt angesehen. Gleichwohl habe der Angeklagte vorsätzlich gehandelt. Er habe alle zur Verwirklichung des Tatbestandes erforderlichen Merkmale, auch das Fehlen der Erlaubnis der BaFin, gekannt und sich lediglich über das Erfordernis einer solchen Erlaubnis und damit das Verbotensein seines Verhaltens geirrt. Somit liege kein Tatbestandsirrtum, sondern ein - vermeidbarer - Verbotsirrtum vor (UA S. 4, unter IV.).

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Bei dem Erfordernis einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG handelt es sich, wie sich auch aus den Gesetzgebungsmaterialien zur durch Gesetz vom 1. März 2011 geänderten Strafandrohung in § 54 KWG ergibt, um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BT-Drs. 17/3023, S. 65; BR-Drs. 482/10 S. 110). Denn die Erlaubnispflichtigkeit dient der Kontrolle eines im Allgemeinen sozialadäquaten Verhaltens und nicht der ausnahmsweisen Gestattung grundsätzlich wertwidrigen Handelns. Das unter Strafandrohung gestellte Verhalten leitet seinen Unwert deshalb erst aus dem Fehlen der Erlaubnis her und nicht, weil es für sich betrachtet schon Unrecht darstellt und in dem Fall einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt unterläge (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.1993, 4 StR 322/93, NStZ 1993, 594; sowie Urteil vom 11.09.2002, 1 StR 73/02, NStZ-RR 2003, 55 [BGH 11.09.2002 - 1 StR 73/02]; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2006, 353 [OLG Frankfurt am Main 21.07.2006 - 2 Ws 685/06]). Das Merkmal des Handelns "ohne Erlaubnis" in § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist deshalb Teil des objektiven Tatbestandes und muss, um zur Annahme vorsätzlichen Handelns zu gelangen, ebenfalls vom Vorsatz umfasst sein (vgl. G/J/W/Bock, KWG, § 54 Rz. 73; Erbs/Kohlhaas-Häberle, aaO., Rn. 11; Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., § 54 Rz. 39, 40). In einem solchen Fall stellt also der Irrtum über den durch den Gesetzgeber vorgeschriebenen Erlaubnisvorbehalt einen Tatbestands- und nicht nur einen Verbotsirrtum dar. Einen derartigen Vorsatz hat die Strafkammer - der Einlassung des Angeklagten folgend - aber gerade nicht festgestellt.

Die dargelegten Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt.

II. Revision der Staatsanwaltschaft

Die allein auf den Rechtsfolgenausspruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft greift dagegen nicht durch.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.04.1987, GSSt 1/86, BGHSt 34, 345).

Hieran gemessen halten die Ausführungen des Landgerichts zur Strafzumessung revisionsrechtlicher Überprüfung, bei der der Senat wegen der Beschränkung der Revision von dem Schuldspruch der Strafkammer auszugehen hat (vgl. BGH, Urteil v. 24.11.1993, 3 StR 517/93, bei juris), stand.

Allerdings ist der Staatsanwaltschaft zuzugeben, dass die Strafkammer keine ausdrücklichen Erwägungen betreffend die Ausübung ihres ihr im Rahmen der fakultativen Strafmilderung gemäß § 17 StGB zustehenden Ermessens mitgeteilt hat. Indessen ergibt sich aus den Feststellungen noch mit hinreichender Bestimmtheit, dass das Landgericht davon ausging, der Angeklagte habe auf die fehlenden Hinweise seitens seines Rechtsanwalts, des Finanzamtes und der refinanzierenden Banken vertraut (UA S. 4 oben), wobei davon auszugehen sei, dass ihm auf Grund seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit die Existenz einer Bankenaufsicht bekannt gewesen sei (UA S. 4 Mitte). Dass das Handeln des Angeklagten auf Rechtsblindheit oder gar Rechtsfeindschaft beruht, was eine Versagung der Strafmilderung nahelegen würde, lässt sich deshalb ausschließen.

Soweit das Landgericht dem Angeklagten auch zugutegehalten hat, dass ein Schaden auf Seiten der Darlehnsnehmer nicht entstanden ist, begegnet dieses keinen Bedenken. § 54 KWG dient nicht nur der Effektivität der Bankenaufsicht, sondern auch dem Schutz der an den unerlaubten Bankgeschäften beteiligten Kunden. Die zum 30. April 2011 durch Gesetz vom 1. März 2011 in Kraft getretene Erhöhung der Strafandrohung auf bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe hat der Gesetzgeber auch damit begründet, dass § 54 KWG durch die Strafverfolgungsbehörden in Zukunft die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt werden solle "wie anderen Vermögensdelikten" (vgl. BT-Drs. 17/3023). Im Hinblick hierauf durfte das Landgericht den Nichteintritt von Nachteilen auf Seiten der Kunden strafmildernd berücksichtigen.

Auch die vom Landgericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung angestellte Erwägung, dem Angeklagten durch die Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen eine Eintragung im Führungszeugnis zu ersparen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das Landgericht hat zunächst folgerichtig rechtsfehlerfrei Einzelstrafen zwischen 10 und 50 Tagessätzen festgesetzt. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich hierbei bereits davon hat leiten lassen, dem Angeklagten eine Eintragung in das Führungszeugnis zu ersparen. Angesichts des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Einzeltaten im Rahmen des Betriebs der GmbH ist ein enger Zusammenzug der Einzelstrafen auf lediglich nahezu das Doppelte der Einsatzstrafe von 50 Tagessätzen nicht zu beanstanden. Im Bereich einer Strafe von 90 Tagessätzen als Grenze für die Eintragung in das Führungszeugnis durfte die Kammer die Gesamtstrafe daran ausrichten, dem Angeklagten die Eintragung zu ersparen (vgl. für den Fall der ausländerrechtlichen Ausweisung Fischer, StGB, 59. Auflage, § 46 Rn. 43c), wenn dies für die berufliche Tätigkeit von nicht unerheblicher Bedeutung war.

Auch im Übrigen sind Rechtsfehler im Rahmen der Strafzumessung nicht ersichtlich.

Eine Aufhebung des Strafausspruches auch zum Nachteil des Angeklagten kam daher nicht in Betracht, so dass die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO zu verwerfen war.

III. Da weitergehende Feststellungen sowohl hinsichtlich der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses als auch eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns in einer erneuten Hauptverhandlung nicht ausgeschlossen erscheinen, war die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision des Angeklagten - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückzuverweisen. Im Hinblick darauf, dass das Urteil auf die Revision des Angeklagten antragsgemäß insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben war, hat seine Revision unabhängig davon, dass die Aufhebung nicht zum vorrangig erstrebten Freispruch geführt hat, auch in vollem Umfang Erfolg (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 344 Rn.1).