Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.12.1953, Az.: II 190/53
Anspruch auf Ersatz eine dem Hilfsbedürftigen zustehenden Rente ; Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäftes; Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus Versicherungsleistungen im Spruchverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 15.12.1953
- Aktenzeichen
- II 190/53
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1953, 12944
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1953:1215.II190.53.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1531 RVO
- § 1540 RVO
Verfahrensgegenstand
Aufhebung einer fürsorgerechtlichen Entscheidung
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat das Landesverwaltungsgericht Braunschweig, II Kammer Braunschweig,
in der Sitzung vom 15. Dezember 1953,
an der teilgenommen haben
- 1.
Verwaltungsgerichtsdirektor Dr. Fischer-Dorp als Vorsitzender,
- 2.
Verwaltungsgerichtsrat Dr. Lindenborn als weiterer Richter
- 3.
Bankprokurist Steinhoff,
- 4.
Frau Capeller,
- 5.
Dipl.-Ing. Biesecke
als ehrenamtliche Mitglieder
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beschwerdeentscheidung des Beklagten vom 24. Februar 1953 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Gründe
I.
Der am 2. Oktober 1885 geborene Rentner und Heimatvertriebene Julius A. in Salzgitter-Gr.Mahner ist Empfänger von Invalidenrente von monatlich 74,70 DM. Seinen Rentenanspruch hatte die Landesversicherungsanstalt Braunschweig durch Rentenbescheid vom 5. Juni 1951 mit Rückwirkung vom 1. November 1950 ab anerkannt (Bl. 30 der Fürsorgeakten des Sozialamtes des Klägers Az 4110/2 FL im folgenden = AS). Am 1. August 1951 ist ihm die Invalidenrente monatlich laufend ausgezahlt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt - vom 5. April 1951 bis 31. Juli 1951 - hat ihm der Beklagte Fürsorgeunterstützung im Gesamtbetrage von 325,- DM (für April 1951 73,- DM, sowie für Mai, Juni und Juli 1951 je 84,- DM; vergl. Blatt 6 AS) gewährt. Ab 1. August 1951 ist der Kläger an A. die Unterstützung in Höhe von monatlich 25,- DM weitergezahlt und die Unterstützungszahlung mit dem 31. August 1951 eingestellt (Bl. 20, 23 R, 28 R AS).
Um den Ersatz der für die Monate April bis Juli 1951 gewährten Fürsorgeleistungen aus den Rentenbeträgen, die zu Gunsten des A. bis zum Abschluss des Feststellungsverfahrens bei der Landesversicherungsanstalt aufliefen, sicherzustellen, liess der Kläger sich von ihm seine Rentenansprüche "zur Deckung der Fürsorgekosten im gesetzlich zugelassenen Umfange" am 23. April 1951 abtreten (Bl. 7 R AS) und meldete mit Schreiben vom 18. Mai 1951 seinen Ersatzanspruch gemäss §1531 der Reichsversicherungsordnung - RVO- bei der Landesversicherungsanstalt an (Bl. 7 AS). Die Landesversicherungsanstalt hat daraufhin am 5. Juni 1951 von dem aufgelaufenen Betrage (für die Zeit vom 1. November 1950 bis 31. Juli 1951 = 672,30 DM), die Summe von 324,80 DM an den Kläger überwiesen (Bl. 30 AS). Der Kläger hat den Betrag voll in Anspruch genommen.
Gegen diese Inanspruchnahme hat A. mit Schreiben vom 23. Juli 1951 bei dem Kläger "zur Weiterreichung" an den Beklagten Beschwerde erhoben (Bl. 23 AS). Er ist auf Grund von Pressenachrichten der Ansicht, ihm dürften nur 50 % der Fürsorgekosten von seiner Rentennachzahlung einbehalten werden, da sein Einkommen den betrag von monatlich 100,- DM nicht überschreite. Der Kläger hat der Beschwerde des A. nicht abgeholfen und sie dem Beklagten zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 7, 9 der Akten des Beklagten über die Beschwerdesache A., im folgenden = ABekl.).
Am 24. Februar 1953 hat der Beklagte "in der Fürsorgebeschwerdesache" folgende Entscheidung getroffen:
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdegegner von der Landesversicherungsanstalt Braunschweig als Ersatz für die dem Beschwerdeführer gewährte Fürsorgeunterstützung in Höhe von 325,- DM nicht deren vollen Betrag, sondern nur 267,- DM "zu beanspruchen hatte.
Der Beschwerdegegner wird angewiesen, dem Beschwerdeführer den aufgerundeten Betrag von 58,- (achtundfünfzig) DM, den er über den zulässigen Betrag hinaus in Anspruch genommen hat, zu erstatten.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Beklagte ausgeführt, nach den Erlassen, die zur Durchführung des Gesetzes über die Verbesserung der Leistungen der Rentenversicherungen vom 24. Juli 1941 (BSBl. I S. 443) und des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949 (WiGBl. S. 99) ergangen seien, insbesondere gemäss Erlass des ehemaligen Niedersächsischen Ministers für Arbeit, Aufbau und Gesundheit vom 7. Dezember 1949 - Abt. III/3 - 43.00.06 - sei für die Empfänger von Invalidenrenten ein Freibetrag von monatlich 14,50 DM bei der Berechnung von Fürsorgeleistungen nicht zu berücksichtigen. Wäre an A. bereits ab April 1951 Invalidenrente gezahlt worden, so hätte ihm damals der genannte Freibetrag nicht angerechnet werden dürfen. Dies könne nicht anders sein, wenn ihm die Rente erst nachträglich ausgezahlt werde. Soweit Rentenleistungen überhaupt anrechnungsfrei seien, könnten sie auch bei Nachzahlungen nicht auf Grund des §1531 RVO in Anspruch genommen werden.
Die Beschwerdeentscheidung des Beklagten ist dem Kläger am 27. Februar 1953 zugestellt worden (Bl. 14 ABekl.), die in ihr enthaltene Rechtsmittelbelehrung verweist den Kläger auf den Verwaltungsrechtsweg.
Mit Schriftsatz vom 23. März 1953 bat der Kläger am 25. März 1953 Klage im Verwaltungsstreitverfahren erhoben mit dem Antrage,
den Beschwerdebescheid des Beklagten vom 24. Februar 1953 aufzuheben.
Es hält den Beschwerdebescheid für fehlerhaft, da dieser von einer unzuständigen Behörde in einem unzutreffenden Verfahren getroffen worden sei. Im vorliegenden Falle handele es sich nicht um eine Fürsorgeangelegenheit, sondern um die Befriedigung eines Ersatzanspruches des Klägers gemäss §1531 RVO. Ein derartiger Streit über die Ersatzansprüche nach der RVO sei aber im Spruchverfahren durch das Versicherungsamt zu entscheiden. Die Beschwerde des A., über die der Beklagte entschieden habe, sei als ein Widerspruch gegen die Höhe der Befriedigung des Ersatzanspruches des Klägers durch die Landesversicherungsanstalt Braunschweig anzusehen. Über diesen Widerspruch hätte das Versicherungsamt entscheiden müssen; allenfalls könne A. seinen Erstattungssanspruch gegen ihn - den Kläger - vor den ordentlichen Gerichten verfolgen. Der Verwaltungsrechtsweg, auf den der Beklagte in der Rechtsmittelbelehrung zu seinem Beschwerdebescheid hinweise, sei im vorliegenden Falle nicht gegeben. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, zu prüfen, ob dem Rentenberechtigten Freibeträge zuständen, und gegebenenfalls in welcher Höhe er sie geltend machen könne. Das alles könne nur von dem Versicherungsträger festgestellt werden. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten habe daher nicht gegen ihn - den Kläger -, sondern gegen die Landesversicherungsanstalt ergehen müssen.
Der Beklagte hat
Abweisung der Klage
beantragt.
Er hält seine Zuständigkeit hinsichtlich des angefochtenen Bescheides für gegeben. Die Auffassung des Klägers, dass es sich im vorliegenden Falle nicht um eine Fürsorgesache, sondern um eine Sozialversicherungsangelegenheit handele, sei irrig, wie aus der ständigen Rechtssprechung des früheren Reichsversicherungsamts und des früheren Preussischen Oberverwaltungsgerichts zu entnehmen sei. Wenn - wie hier - ein Versicherungsträger mit Zustimmung des Rentenberechtigten einem Fürsorgeverband aus Rentenbeträgen für gezahlte Fürsorgekosten Ersatz geleistet habe und der Berechtigte nachträglich Widerspruch gegen den Umfang des Ersatzanspruches erhebe, so liege kein Streit gemäss §1531 ff. RVO mehr vor, sondern es sei in dem für alle Unterstützungsansprüche gegen den Fürsorgeverband zulässigen Streitverfahren zu entscheiden.
Bei den Ersatzansprüchen des Klägers gegenüber der Landesversicherungsanstalt aus der Rentenzahlung an A. handele es sich zugleich um einen Verwaltungsakt gegen A. selbst, auch wenn der Kläger diesem einen besonderen formellen Inanspruchnahmebescheid nicht habe zugehen lassen. Auf jeden Fall richte sich die Beschwerde des A. gegen das verwaltungsmässige Verhalten des Klägers, d.h. gegen die Inanspruchnahme der Rentennachzahlung bzw. eines Teils von ihr, wodurch A. in seinen Rechten beeinträchtigt sei.
Würde man den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig halten, so würde anstelle des nach dem Grundgesetz verfassungsmässig garantierten Rechtsweges für A. die Unmöglichkeit der Verfolgung seiner Rechte treten, da die Spruchbehörden der Sozialversicherung an der jahrzehntelangen bewährten Rechtssprechung des früheren Reichsversicherungsamtes festhalten würden.
Im übrigen sei der Kläger sehr wohl in der Lage, die bei der Durchführung von Ersatzansprüchen aus Rentennachzahlungen zu berücksichtigenden Freibeträge zu ermitteln, da ihm die hierüber ergangenen amtliches Vorschriften zugänglich seien. Die Landesversicherungsanstalt könne den Umfang dieser Freibeträge nicht feststellen, da sie die hierfür in Frage kommenden Ministerialerlasse nicht erhalten habe.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Durch Gerichtsbeschluss vom 7. Dezember 1953 (Bl. 24 ff der Gerichtsakten = GA) ist die Beiladung der Landesversicherungsanstalt Braunschweig und des Rentners Julius A. in Salzgitter - Gr.Mahner angeordnet worden. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die vom Bericht zu seiner Unterrichtung beigezogenen Akten, nämlich die Akten
Az 4110/2 Fl des Sozialamtes der Stadt Salzgitter
sowie
die Beschwerdeakten des Beklagten in der Fürsorgebeschwerdesache A.
waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Klage im Verwaltungsstreitverfahren ist nach §§22 ff, 44 ff der Militärregierungsverordnung Nr. 165 (Amtsbl.d.Mil.Reg. Nr. 24 S. 799) zulässig sowie in rechter Form und Frist erhoben; sie ist auch begründet.
1)
Nach §1531 der Reichsversicherungsordnung - RVO - vom 19. Juli 1911, in der Fassung der Zweiten Bekanntmachung vom 9. Januar 1926 (RGBl. I S. 9) nebst späteren Nachträgen, kann ein Bezirksfürsorgeverband, der einen Hilfsbedürftigen nach gesetzlicher Pflicht unterstützt, für die Zeit, für die dieser einen Anspruch nach den Bestimmungen der RVO hatte oder noch hat, Ersatz beanspruchen. Gemäss §1536 RVO kann für den Ersatz eine dem Hilfsbedürftigen zustehende Rente aus der Invalidenversicherung herangezogen werden. Auf rückständige Rentenbeträge darf bis zu ihrer vollen, auf andere Rentenbeträge nur bis zu ihrer halben Höhe zurückgegriffen werden (§1535 b RVO). Nach §1540 RVO wird ein Streit über Ersatzansprüche der vorerwähnten Art im Spruchverfahren entschieden.
2)
In dem hier zur Rede stehenden Falle ist umstritten, ob ein solcher Streit aber Ersatzansprüche vorliegt, der im Spruchverfahren zu entscheiden ist, oder ob der Beklagte im Rahmen der ihm als Beschwerdeinstanz in Fürsorgesachen zustehenden Befugnisse für die angefochtene Entscheidung zuständig war. Bei der Prüfung dieser Frage ist von der Rechtsnatur des von dem Beigeladenen A. geltend gemachten Anspruchs auszugehen. Unstreitig ist A. als Hilfsbedürftiger von dem Kläger gemäss §7 der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht - RFV - vom 13. Februar 1924 (RGBl. I S. 100), somit auf Grund gesetzlicher Verpflichtung unterstützt worden. Mit seiner Beschwerde vom 23. Juli 1951, die der Beklagte als "Fürsorgebeschwerdesache" behandelt und zum Gegenstand seiner angefochtenen Entscheidung gemacht hat, beansprucht der Beigeladene jedoch nicht die Zahlung von Fürsorgeleistungen. Solche standen ihm im Zeitpunkt seiner Beschwerde in dem bisher von dem Kläger geleisteten Umfange (monatlich 34,- DM) auch nicht mehr zu, da er sich bereits im Genuss seiner Invalidenrente befand und demzufolge insoweit nicht mehr hilfsbedürftig war. Vielmehr begehrt A. mit seiner Beschwerde die Erstattung eines ihm angeblich zu Unrecht vorenthaltenen Teilbetrages seiner rückständigen Invalidenrente, die ihm auf Grund der RVO von der beigeladenen Landesversicherungsanstalt zuerkannt war. Die Beschwerde des A. hat daher versicherungsrechtlichen Charakter. A. hat zwar seine Beschwerde an den Kläger - zur Weitergabe an den Beklagten - gerichtet; an sich hätte es für ihn nahegelegen, sich an die beigeladene Landesversicherungsanstalt zu wenden, die, wie aus seiner Beschwerdeschrift vom 23. Juli 1951 (Bl. 7 ABekl.) zu entnehmen ist, in ihrem ihm übermittelten Rentenbescheid vom 5. Juni 1951 von der ihm zustehenden Rentennachzahlung den von dem Kläger zum Ersatz der aufgewendeten Fürsorgekosten beanspruchten Erstattungsbetrag in Höhe von 324,80 DM abgesetzt und an den Kläger gezahlt hatte. Wenn der rechtsunkundige Beigeladene sich gleichwohl beschwerdeführend an den Kläger bezw. den Beklagten gewandt hat, so ändert dies nichts an der versicherungsrechtlichen Natur seines Beschwerdevorbringens. Über eine solche Beschwerde könnte aber der Beklagte nicht - wie geschehen - im Wege der Fürsorgeaufsicht (§3 Abs. 2 RFV) entscheiden. Da der Kläger der Beschwerde des Beigeladenen nicht abhalf, lag nunmehr ein Streit über einen Ersatzanspruch vor, der nach §1540 RVO der Entscheidung im Spruchverfahren unterlag.
3)
Wenn der Beklagte demgegenüber unter Hinweis auf die einschlägige Rechtssprechung des früheren Reichsversicherungsamtes und des früheren preussischen Oberverwaltungsgerichts die vorliegende Sache als einen Streitfall fürsorgerechtlichen Charakters ansieht, weil der Beigeladene der Ersatzleistung mit seiner Abtretungserklärung vom 23. April 1951 zunächst zugestimmt und erst nach Befriedigung des Klägers - somit nachträglich - mit seiner Beschwerde vom 23. Juli 1951 gegen den Umfang der Ersatzleistung Widerspruch erhoben habe, so vermag das Gericht dieser Auffassung nicht beizutreten. Die Vorschrift des §1540 RVO enthält eine solche Einschränkung nicht. Aus ihrer allgemeinen, weitgehenden Fassung muss vielmehr entnommen werden, dass Streitigkeiten jeder Art über Ersatzansprüche aus Versicherungsleistungen dem Spruchverfahren unterliegen. Ein solcher Streit liegt nicht nur dann vor, wenn ein Versicherungsträger mit einem oder mehreren Ersatzberechtigten über die Berechtigung des Ersatzanspruches streitet, sondern auch dann, wenn - wie hier - der nach der RVO Leistungsberechtigte der Verfügung des Ersatzanspruchs Widerspruch entgegensetzt. (vgl. Anm. 2 Abs. 1 zu §1540 RVO im Kommentar des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger zur RVO, 4. Aufl. 1950).
Zwar hat - wie der Beklagte im einzelnen geltend macht - das frühere Reichsversicherungsamt - RVA - in seiner Rechtssprechung eine Klage des Rentenberechtigten gegen den Fürsorgeverband auf Rückzahlung des gemäss §§1531 ff. RVO Erlangten an den Rentenberechtigten nicht als nach §1540 RVO zulässig angesehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Ersatzanspruch des Fürsorgeverbandes bereits befriedigt ist (RVA, Urteil vom 28. Juni 1934, EuM Bd. 36 S. 385). Ähnlich hat auch das frühere Preussische Verwaltungsgericht entschieden (OVG, Entscheidung vom 23. November 1937, RVBl. Bd. 59 S. 408).
Die uneingeschränkte Fassung des §1540 RVO lässt es jedoch nicht zu, das dort vorgesehene Spruchverfahren auf solche Fälle zu beschränken, in denen eine Erstattung an den Fürsorgeverband noch nicht stattgefunden hat, so dass nur in diesem Falle ein Spruchverfahren zulässig, andernfalls aber die Zuständigkeit der Fürsorgeaufsichtsbehörde, gegebenfalls mit nachfolgender Sachentscheidung durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte, gegeben wäre. Im übrigen wird auch in den von dem Kläger angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen zur Beseitigung eines Widerspruchs des Leistungsberechtigten das Spruchverfahren gemäss §1540 RVO als zulässig bezeichnet. Dieses Verfahren muss bei Streitigkeiten der hier in Betracht kommenden Art auch dann als gegeben angesehen werden, wenn die Erstattung seitens des Leistungsträgers bereits durchgeführt ist. (ähnlich mit ausführlicher Begründung: OVG Lüneburg, Beschl. v. 6. August 1952, ZfF 1953 S. 58). Dies muss selbst dann gelten, wenn der Leistungsberechtigte - hier der Beigeladene A. - mit der Abtretung seines Rentenanspruchs der Ersatzleistung zunächst zugestimmt, aber nach Befriedigung des Erstattungsberechtigten, d.h. hier des Klägers, nachträglich Einwendungen gegen die Höhe des von dem Versicherungsträger erstatteten Betrages erhoben hat.
4)
Nach §§1771 ff RVO sind für Streitigkeiten, die in Spruchverfahren zu entscheiden sind, die Versicherungsämter, in zweiter Instanz die Oberversicherungsämter zuständig; von ihnen sind zum mindesten die letzteren als besondere Verwaltungsgerichte in Sinne des §22 Abs. 3 MRVO Nr. 165 anzusehen (so auch OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 25. April 1951, Amtl.Slg.Bd. 5 S. 276, 277). Mit den am 1. Januar 1954 erfolgenden Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - vom 3. September 1953 (BSBl. I. S. 1239) ist für solche Streitigkeiten die Zuständigkeit der Sozialgerichte begründet (§51 SGG und Hoffmann-Schroeter, Kommentar zum SGG Anm. 3 zu §51 SGG), die sämtlich besondere Verwaltungsgerichte sind (§1 SGG). Dem in Artikel 96 Abs. 1 des Grundgesetzes von 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) niedergelegten Prinzip der Spezialisierung der Rechtspflege gemäss sind die vorgenannten Spruchbehörden, vom 1. Januar 1954 ab die Sozialgerichte in Fällen der vorliegenden Art nach ihrem Aufgabenkreis, ihrer Sachkunde und ihrer Besetzung als zur Entscheidung berufen und zuständig anzusehen (vgl. hierzu auch GVG Lüneburg Beschl. vom 17. Dezember 1952 - IV OVG - B 73/53 - n.v.). Die Ansicht des Beklagten, im Falle seiner Unzuständigkeit werde der Beigeladene A. des verfassungsmässig gewährleisteten Rechtsschutzes entbehren, trifft somit nicht zu. Seine sachliche Zuständigkeit für die von ihm getroffene Beschwerdeentscheidung mit nachfolgender Möglichkeit der Anfechtung seiner Sachentscheidung vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten war nicht gegeben. Aus diesem Grunde war es dem erkennenden Gericht aber auch vermehrt, auf das Sachvorbringen der Beteiligten einzugehen.
5)
Das Gericht hat schliesslich die Frage geprüft, ob eine Konversion des strittigen Verwaltungsaktes des Beklagten gemäss des auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsätzen des §140 BGB, d.h. analog der Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäftes in der Weise möglich ist, dass unterstellt wird, dass der Beklagte einen anderen Verwaltungsakt gewollt haben würde. Diese Möglichkeit hat das Gericht jedoch verneinen müssen. Der Beklagte ist als Aufsichtsbehörde zwar grundsätzlich befugt, dem Kläger auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge zur Sicherung ihrer einheitlichen Durchführung mit Weisungen zu versehen. Ob der Beklagte demzufolge den Kläger auch anweisen konnte, den sich aus den von ihm angezogenen Erlassen des früheren Niedersächsischen Ministers für Arbeit, Aufbau und Gesundheit für den Fall des Beigeladenen A. sich ergebenen Freilassungsbetrag zu berücksichtigen, kann aber dahingestellt bleiben. Denn eine Umdeutung (Konversion) ist nur dann angängig, wenn im Einzelfall der in Frage, kommende Verwaltungsakt in seiner Struktur der gleiche bleibt, nicht aber auch dann, wenn er damit durch einen wesentlich anderen ersetzt werden würde (vgl. LVG Düsseldorf, Bescheid vom 21. September 1950 und Anm. hierzu von Schack, DVBl. 1952 S. 317 ff). Eine Beschwerdeentscheidung, wie sie hier vorliegt, ist aber etwas so völlig anderes als die Weisung einer Verwaltungsbehörde, dass insoweit eine Umdeutung nicht möglich ist. Hierbei muss auch Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung des Beklagten, der tatsächlich eine Anweisung an den Kläger enthält, unberücksichtigt bleiben, da diese Weisung, die den Kläger um Erstattung eines (aufgerundeten) Betrages von 58,- DM an den beigeladenen A. ersucht, sachlich unrichtig ist. Der Beklagte hätte möglicherweise dem Kläger die Weisung erteilen können, den nach seiner Ansicht unzulässigerweise in Anspruch genommenen Betrag der beigeladenen Landesversicherungsanstalt zu erstatten, zumal es deren Aufgabe war, von dem zur Befriedigung des Ersatzanspruches des Kläger in Betracht kommenden Rentenbeträge einen etwaigen Freilassungsbetrag vorweg abzusetzen. (vgl. Anm. 1 Abs. 2 zu §1536 RVO in dem oben genannten Kommentar zu RVO). Dem Beigeladenen A. stand ein solcher Betrag erst dann zu, wenn er ihm von der Landesversicherungsanstalt zuerkannt wurde; ihre Entscheidung liegt jedoch insoweit noch nicht vor.
Nach alledem musste die Angefochtene Beschwerdeentscheidung des Beklagten vom 24. Februar 1953 aufgehoben werden, da sie rechtswidrig ist und dem Kläger in seinen Rechten beeinträchtigt (§23 Abs. 1 RVO 165).
Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §98 Abs. 1 MRVO Nr. 165.
III.
Gegen dieses Urteil ist nach §83 MRVO. Nr. 165 die Berufung zulässig. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteile schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landesverwaltungsgerichts Braunschweig einzulegen. Die Berufungsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthielten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Über die Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg.
Streitwertbeschluss:
Lindenborn