Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.09.1990, Az.: VI 155/89
Gesellschaftsanzug eines Jugendoffiziers und Presseoffiziers mit Effekten; Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Gesellschaftsuniform; Werbungskosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.09.1990
- Aktenzeichen
- VI 155/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 15030
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1990:0913.VI155.89.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG
- § 12 Nr. 1 S. 2 EStG
Fundstellen
- EFG 1991, 471 (Volltext mit amtl. LS)
- StLex 1991, 1514
Amtlicher Leitsatz
Gesellschaftsuniform eines Jugendoffiziers und Presseoffiziers ist typische Berufskleidung Leitsatz1. Aufwendungen für einen Gesellschaftsanzug mit Effekten (Gesellschaftsuniform) eines Jugendoffiziers und Presseoffiziers sind nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH vom 10.11.1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288; vom 04.12.1987 VI R 20/85, BFH/NV 1988, 701 [BFH 22.10.1987 - IV R 303/84]; m.w.N.) als typische Berufskleidung i.S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG anzusehen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für eine Gesellschaftsuniform nebst Effekten als Werbungskosten (Berufskleidung) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für das Jahr 1987 abzugsfähig sind.
Der verheiratete Kläger ist als Berufssoldat bei der Bundeswehr tätig. Er bekleidete dort im Streitjahr 1987 den Rang eines Jugend- und Presseoffiziers. In dieser Funktion hat er regelmäßig an repräsentativen Veranstaltungen wie z.B. Bällen teilgenommen. Dabei beschränkte sich die Teilnahme auf zwei bis höchstens fünf Veranstaltungen pro Jahr. Diese Veranstaltungen dienten der Öffentlichkeitsarbeit und der Pflege der Kameradschaft i.S.d. § 12 Soldatengesetz.
Zu diesen Veranstaltungen hat der Kläger den von ihm angeschafften Gesellschaftsanzug (Smoking; Uniform gemäß der ZDV 37/10 Nr. 223) mit Effekten und weißem Hemd getragen. Lt. Rechnung vom 30. Juli 1987 hat der Kläger für den Gesellschaftsanzug mit Effekten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 875,80 DM erbracht.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung wurden diese Aufwendungen vom beklagten Finanzamt (FA) unter Hinweis auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 EStG nicht anerkannt. Im Rahmen des dagegen eingeleiteten Einspruchsverfahrens erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1987 vom 24. Januar 1989, der gemäß § 365 Abs. 3 AO automatisch zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde. Der Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 14. Februar 1989 im Streitpunkt als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung wird vorgetragen:
Bei dem Gesellschaftsanzug handele es sich gerade nicht um normale bürgerliche Kleidung. Die Gesellschaftsuniform nebst Effekten sei vielmehr aus beruflichen Gründen angeschafft und bei den dienstlichen Veranstaltungen geselliger Art getragen worden. Der erforderliche berufliche Veranlassungszusammenhang sei damit vorliegend gegeben, § 12 Nr. 1 EStG greife daher nicht. ImÜbrigen handele es sich auch bei der Gesellschaftsuniform nebst Effekten um eine typische Berufskleidung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG. Dies habe der BFH schon mehrfach für andere, nicht so berufsbezogene Kleidungsstücke wie die Gesellschaftsuniform des Klägers entschieden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 14. Februar 1989 und Änderung des geänderten Einkommensteuerbescheids vom 24. Januar 1989 die Einkommensteuer für 1987 so weit herabzusetzen, wie sie sich unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 875,80 DM ergibt.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es führt zur Begründung aus:
Bei der Gesellschaftsuniform handele es sich um eine Gala- Uniform. Diese Uniform, deren Erwerb vom Dienstherrn nicht gefordert werde (kein Ausstattungssoll), sei einem Smoking oder Abendanzug vergleichbar und werde bei gesellschaftlichen Veranstaltungen getragen. Es handele sich daher um typische Repräsentationsaufwendungen, die entsprechend dem Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig seien. Zu diesen nichtabzugsfähigen Aufwendungen gehörten nämlich auch solche Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringe, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgten. Daher könne vorliegend die Gesellschaftsuniform nebst Effekten nicht als typische Berufskleidung des Klägers anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Denn in Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung ist vorliegend die Gesellschaftsuniform nebst Effekten als typische Berufskleidung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG eines Jugend- und Presseoffiziers, wie der Kläger es im Streitjahr war, anzusehen; die Aufwendungen sind mithin als Werbungskosten zu berücksichtigen.
1.
Aufwendungen für Kleidung sind grundsätzlich Kosten der Lebensführung, die nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch dann nicht als Werbungskosten abziehbar sind, wenn sie zugleich der Förderung des Berufs dienen. Ein Abzug solcher Aufwendungen als Werbungskosten kommt nur dann in Betracht, wenn sich der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Eine solche Abgrenzbarkeit ist in aller Regel bei Bekleidungsaufwand nicht gegeben.
Aufwendungen für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung können selbst dann nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird. Denn solche Kleidung würde auch getragen werden, wenn der jeweilige Beruf nicht ausgeübt würde. Kosten für den Erwerb typischer Berufskleidung sind allerdings als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG zu berücksichtigen. Typische Berufskleidung ist gegeben, wenn sie ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufes notwendig ist. Typische Berufskleidung setzt nicht voraus, dass ein anderer Gebrauch, nämlich eine Verwendung als sog. bürgerliche Kleidung, in jedem Falle ausgeschlossen sein muss, sie also als bürgerliche Kleidung überhaupt nicht getragen werden kann. So hat der BFH den schwarzen Anzug eines Oberkellners, den Kellnerfrack, den Cut eines Empfangschefs, den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters oder den schwarzen Anzug eines katholischen Geistlichen als typische Berufskleidung anerkannt (BFH vom 10. Nov. 1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288; vom 4. Dez. 1987 VI R 20/85, BFH/NV 1988, 703, jeweils mit weiteren Nachweisen).
So ist es auch vorliegend bei dem Gesellschaftsanzug mit Effekten (Gesellschaftsuniform), selbst wenn er tatsächlich auch in der Freizeit getragen worden sein sollte. Denn ausgehend von der aus § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sich ergebenden Typisierung tragen insbesondere die Effekten (Schulterklappen) zum soldatischen Erscheinungsbild des Gesellschaftsanzugs (Smoking) bei und machen ihn zur - auch in der Dienstvorschrift des Dienstherrn des Klägers, ZDV 37/10 Nr. 223, - ausgewiesenen Uniform. Eine wie auch immer geartete Uniform kann - jedenfalls vorliegend - in Anlehnung an die zitierte BFH-Rechtsprechung als typische Berufskleidung eines Soldaten (Offiziers) angesehen werden.
2.
Die geltend gemachten Aufwendungen für die Berufskleidung sind auch in vollem Umfang, d.h. in Höhe von 875,80 DM, abzugsfähig. Von einer Verteilung der Aufwendungen auf die Nutzungsdauer der Gesellschaftsuniform sieht der Senat angesichts des Abschn. 86 Abs. 5 Satz 1 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) und der ab dem Veranlagungszeitraum 1990 geltenden Regelung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6, Nr. 7 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 bis 3 EStG) ab.
Danach ergibt sich folgende Berechnung der Einkommensteuer für 1987: ...
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 3 und Abs. 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.